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Trauzeugin ihrer besten Freundin - was sich für Ella anfangs wie ein Traumjob anhört, wird nach und nach zum Albtraum. Nicht nur, dass sich die Brautmutter in alles einmischt, wenige Tage vor der Hochzeit geht auch noch so einiges schief. Ella ist ständig damit beschäftigt nahende Katastrophen abzuwenden. Dabei landet sie in der Spielerstadt Las Vegas und verzockt sich dort gewaltig in Sachen Liebe. Am Ende reist sie mit gebrochenem Herzen wieder in die Heimat und muss sich fragen: Ist an dem Spruch What happens in Vegas, stays in Vegas, wirklich etwas dran?
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„Mein blöder Koffer ist einfach zu klein!“ Mit einem lauten Seufzer ließ sich meine beste Freundin Alison auf die Bettkante fallen und pustete sich energisch eine blonde Locke aus ihrem hübschen Gesicht. „Meine Schuhe und das Kleid für das Probedinner sind noch nicht einmal drin … geschweige denn mein Lockenstab und die Kosmetiktasche!“, jammerte sie und verschränkte die Arme fast trotzig vor der Brust. Sie erinnerte mich in diesem Moment an eine Dreijährige, der man gerade den Besuch in Disneyworld verwehrt hatte.
„Ich ähm …“, begann ich zaghaft und dachte daran, dass sich in meinem Koffer noch überhaupt nichts befand, weil ich schlicht und ergreifend noch nicht zum Packen gekommen war. „Du könntest doch auch ein paar Sachen in meinem Koffer unterbringen“, bot ich Alison an. „Da ist noch reichlich Platz“, erklärte ich und das war noch nicht einmal gelogen. Dennoch würde ich mein Gepäckstück mit Sicherheit nicht ganz voll kriegen, denn ich besaß nicht mal einen Bruchteil dessen, was den Kleiderschrank meiner langjährigen Freundin füllte.
Alison Turner war die Tochter von Mitch Turner, einem wohlhabenden Immobilientycoon, dem halb Miami gehörte. Sie bewohnte mit ihrem Verlobten Rick Ashville ein schickes Einfamilienhaus mit Pool und riesigem Garten in einem Vorort von Miami. Die Ashvilles waren sogar noch reicher, als Alisons Familie und besaßen neben einer Yacht auch noch einen Privatjet. Mit dem flogen die Familien jedes Jahr in den Urlaub.
Von solchem Luxus konnte ich nur träumen. Meine Familie stammte ursprünglich aus Tampa, mein Vater war Trucker und meine Mom arbeitete als Verkäuferin in einer Nobelbotique für Damen. Dort hatte ich auch Alison kennengelernt. Das war jetzt schon zehn Jahre her, und obwohl ich so gar nicht in ihre Welt passte, waren wir Freundinnen geworden. Und nun waren wir beide Mitte zwanzig, und Alison würde bald heiraten. Ich hatte natürlich keine Sekunde gezögert als sie mich fragte, ob ich ihre Trauzeugin sein wollte.
Hätte ich nur im Ansatz geahnt, was das für mich bedeutete, hätte ich vermutlich abgelehnt. Doch jetzt steckte ich schon bis zum Kinn in den Vorbereitungen für die Hochzeit, die in genau fünf Tagen in Las Vegas stattfinden sollte.
Mitch Turner ermöglichte seiner Allie die spektakuläre Hochzeit in der Spielerstadt, weil es ihr Traum war, dort zu heiraten.
Ich war noch nie in Las Vegas gewesen und wusste auch nicht, ob ich wirklich dort hin wollte. Von verschiedenen Quellen hatte ich erfahren, dass dort selbst eine Flasche Wasser ein kleines Vermögen kostete und in Hinblick auf mein schmales Budget, wollte bei mir noch keine rechte Vorfreude aufkommen. Zwar wurde mein Aufenthalt dort großzügigerweise von Alisons Familie übernommen (andernfalls hätte ich es mir gar nicht leisten können), dennoch hatte ich ein wenig Angst vor dem, was mich erwartete.
„Oh Ella, du bist ein Schatz!“ Alisons Miene hellte sich schlagartig auf und sie strahlte mich blinzelnd an. Sofort machte sie sich daran, einige Sachen wieder aus ihrem Koffer hervor zu holen. „Es wäre prima, wenn du das alles noch irgendwie bei dir unterbringen könntest!“ Mit einem breiten Lächeln lud sie mir einen kleinen Turm auf die Arme. Ich jonglierte mit Kleidern, Schminktäschchen und Schuhen und hätte mit der Nummer sicher im Zirkus auftreten können. „O-Okay“, stammelte ich und fragte mich beim Anblick des Zeugs, ob ich überhaupt noch etwas von mir in den Koffer hineinbekommen würde. Doch ich schwieg, denn Alison war nun mal die Braut und es gehörte zu meiner Aufgabe, dass sie zufrieden war und sich nicht stressen musste.
Ich stopfte den Kram in eine große Papiertüte von Michael Kors und stellte diese dann beiseite. Währenddessen füllte Alison unsere Champagnergläser nach und winkte mich zu sich auf das große Bett. Wir stießen an und genehmigten uns einen Schluck, denn solche Reisevorbereitungen machten ganz schön durstig. Glücklicherweise würde mich der Fahrer der Turners zurück zu meiner Wohnung in South Beach bringen.
„So, lass uns mal überlegen, ob wir dann alles haben …“ Alison tippte sich nachdenklich gegen die Unterlippe und kräuselte die Stirn. Offenbar war sie dem Beispiel ihrer Mutter noch nicht gefolgt, die sich regelmäßig das Gesicht mit Botox glätten ließ.
„Brautkleid?“ Alison sah mich fragend an.
„Check!“, erwiderte ich und hakte innerlich meine Liste ab.
„Schuhe?“
„Check!“
„Ringe, Schmuck und Reisepass?“
„Check, check und ebenfalls check!“ Ich nippte erneut an meinem Glas. Das würde ein stressiger Abend werden, denn mittlerweile war es sechzehn Uhr und ich musste noch packen und meine Reiseunterlagen zusammensuchen. Der Flug nach Vegas ging um einundzwanzig Uhr und so langsam wurde ich etwas unruhig. Ich kippte den Champagner auf Ex in meine Kehle, um das nervöse Grummeln in meinem Magen zu betäuben.
„Okay“ Alison nickte zufrieden. „Alles andere ist auch gepackt, jetzt kann es dann los gehen!“
„Super!“ Schwungvoll sprang ich vom Bett. Wohl etwas zu schwungvoll, denn ich geriet kurz ins Taumeln. Vielleicht lag es aber auch an den drei Gläsern Champagner, die ich nun intus hatte. „Dann muss ich noch … äh kurz ein paar letzte Sachen in meinen Koffer packen und dann heißt es: Vegas, wir kommen!“ Ich riss euphorisch die Arme in die Luft und war erstaunt, was ein paar Gläser Alkohol bei mir bewirken konnten.
„Prima, dann sehen wir uns später!“ Alison klatschte aufgeregt in die Hände und grinste. „Luca holt dich um halb sieben ab, okay?“ Ich nickte und salutierte lachend. „Alles klar!“ Dann schnappte ich mir die Tüte mit Alisons Sachen die nicht mehr in ihrem Gepäckstück untergekommen waren, und sauste aus dem Zimmer. „Jetzt aber Tempo!“, raunte ich mir selbst zu und gab Luca einen Wink, damit er in die Puschen kam.
Zwanzig Minuten später hastete ich die Treppe zu meinem Apartment hinauf, das sich über einem Tattoostudio befand. Zwar gab es hier sicherlich schönere Orte zum wohnen, wie zum Beispiel mit Blick auf den Ozean, dafür kostete mich die Wohnung nur 700 Dollar im Monat, was für South Beach mehr als annehmbar war.
Schnaufend riss ich die Wohnungstür auf, kramte den Koffer aus der hintersten Ecke meines begehbaren Kleiderschrankes und warf ihn auf das Bett. In Windeseile riss ich ein paar Klamotten aus dem Schrank und türmte sie neben dem Koffer auf. Ich besaß ein paar nette Kleider, die ich letzten Herbst im Sale bei Burlington gekauft hatte. Der Laden befand sich in einer Mall, circa dreißig Minuten südlich von hier, und war jedes Mal mein persönliches Shoppinghighlight. Nur dort konnte man Kleidung namhafter Marken wie Michael Kors, Calvin Klein und Ralph Lauren zu wirklichen Schnäppchenpreisen kaufen. Es handelte sich zwar um Einzelstücke oder die vorletzte Kollektion, doch das war mir nicht wichtig. Hauptsache ich besaß ein paar Sachen, mit denen ich mich vor Alisons Freunden nicht sofort als normale Durchschnittskellnerin aus South Beach outete.
Genau genommen, hatte ich mehrere Jobs. Freitag und Samstag arbeitete ich in einer spanischen Tappas Bar in der Lincolnroad Mall, Montag und Donnerstag war ich Mädchen für alles im Tattoo Studio unter mir und Dienstag und Mittwoch schuftete ich als Zimmermädchen in einem der riesigen Hotelkomplexe, direkt am Strand. Zumindest war mein Leben damit ziemlich abwechslungsreich. Langeweile kam bei mir eher selten auf. Dafür belohnte ich mich sonntags oft mit einem faulen Strandtag, denn der lag nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Und diesen Luxus hatte noch nicht einmal Alison.
Ich schob meine „billigen“ Klamotten zur Seite und bediente mich an meiner Auswahl an Markenklamotten, denn eines war klar: für die nächsten vier Tage musste ich komplett in die Welt der Snobs eintauchen. Also faltete ich meine Kleidchen, Poloshirts und kurze Hosen ordentlich zusammen und legte sie in den Koffer.
Im Bad kramte ich hastig meine Schminkutensilien und anderes, lebenswichtiges Kleinzeug zusammen und warf es ebenfalls in den Koffer. Es wurde doch mehr als ursprünglich gedacht, und so musste ich ziemlich stopfen und drücken, als ich die Tüte mit Alisons Überbleibseln hinzufügte.
Am Ende saß ich schweißgebadet neben dem Koffer und strich mir eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. Geschafft!
Ich duschte mich, zog mir locker sitzende Kleidung für die Reise an (immerhin würde der Flug fünf Stunden dauern) und überprüfte, ob sich in meiner MK Handtasche alle nötigen Unterlagen befanden. Einen Moment lang betrachtete ich das Foto in meinem Reisepass. Es erinnerte mich eher an ein Verbrecherfoto. Ich fand, dass ich wirklich schrecklich darauf aussah, denn ich wirkte blass und durch die streng zurückgekämmten Haare, stachen meine Wangenknochen ziemlich hervor. Wahrscheinlich würden die Beamten zwei Mal hinsehen müssen, um festzustellen, dass es sich bei der Person auf dem Bild tatsächlich um mich handelte.
Luca war überpünktlich und ungeduldig. Er klingelte mehrmals, obwohl ich bereits nach dem ersten Klingeln mit meinem Koffer die Treppe hinunter polterte.
„Bin schon da!“, schnaufte ich und drückte ihm mein Gepäckstück in die Hand. In diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich völlig vergessen hatte, das Gewicht zu überprüfen. Mist! Jetzt war es zu spät und ich konnte nur hoffen, dass der Koffer nicht mehr, als 50 Pfund wog. Andernfalls würde ich einen unverschämt hohen Aufschlag berappen müssen.
„Hey! Geht´s jetzt los?“, hinter mir erklang eine vertraute Stimme und ich musste unwillkürlich lächeln, ehe ich mich umdrehte. Seth, der Inhaber des Tattoshops lehnte im Türrahmen und grinste mich an. Ich nickte und trat einen Schritt auf ihn zu, während er mich von oben bis unten eingehend musterte. Dann schüttelte er – immer noch lächelnd – leicht den Kopf. „In deinen Schickimickiklamotten siehst du immer so vollkommen anders aus“, stellte er fest und ich wusste nicht, ob das ein Kompliment darstellen sollte, oder das Gegenteil.
Ich zuckte die Schultern und presste grinsend einen Zeigefinger auf meine Lippen. „Du bist der Einzige, der von meinem geheimen Doppelleben weiß!“, feixte ich, dann nahm er mich in die Arme und drückte mich an sich. Ein vertrauter Geruch kitzelte meine Nase und löste ein leichtes Kribbeln in meiner Magengrube aus.
Seth und ich waren schon zusammen im Bett gelandet und danach einige Zeit ein Paar gewesen, bis wir uns darauf geeinigt hatten, dass das mit uns auf Dauer nicht funktionieren würde. Seitdem waren wir befreundet und ich half an zwei Tagen die Wochen im Laden aus.
„Pass auf dich auf, Babe“, raunte er mir mit heiserer Stimme ins Ohr. „Vegas ist ein heißes Pflaster!“
Ich richtete mich auf und straffte die Schultern. „Ich komm schon klar, immerhin bin ich kein kleines Mädchen mehr!“
Seth hob eine Braue und seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Für mich wirst du immer mein kleines Mädchen bleiben … ganz egal was passiert.“
Luca erinnerte mich mit einem Räuspern daran, dass wir einen engen Zeitplan einhalten mussten. Ich verabschiedete mich also von Seth und stieg in den schwarzen Wagen.
Als ich mich umdrehte, lehnte Seth noch immer an der Ladentür und sah uns nach.
Die Fahrt zum Miami Airport verlief nicht ganz so reibungslos, denn wie so oft herrschte dichter Verkehr. Ausgerechnet kurz vor der Abfahrt sorgte eine riesige Baustelle dafür, dass die ohnehin schon zäh fließende Blechkarawane noch langsamer wurde. Nervös trippelte ich mit den Fingern auf der Lederarmlehne herum und blickte etwa alle fünf Sekunden auf mein Handydisplay. Alison würde mir den Kopf herunterreißen, wenn ich zu spät kam und deswegen den Flug verpasste. Lucas Kiefer zuckte angespannt, doch wie meistens verzog er keine Miene und fädelte sich im Zick Zack durch den Verkehr.
Endlich erreichten wir die Ausfahrt und ich konnte ein wenig aufatmen. Dennoch musste ich noch mein Gepäck aufgeben und ich war mir sicher, Alison und ihre Familie waren längst eingetroffen und warteten bereits auf mich.
Als der Wagen vor dem Eingang der Fluglinie hielt, sprangen Luca und ich gleichzeitig aus dem Auto. Hastig riss der Fahrer den Kofferraum auf und drückte mir meinen Koffer in die Hand. „Beeilen sie sich, Miss!“, rief er mir mit spanischem Akzent zu, dann glitt er wieder hinter das Lenkrad. Er war gezwungen den Haltestreifen frei zu machen, denn es ging zu, wie in einem Vogelschlag. Fahrzeuge rollten heran, parkten aus. Fahrer schimpften und gestikulierten durch die Scheibe und ich sah zu, dass ich schleunigst zum Schalter kam.
Glücklicherweise flogen wir Business Class und ich musste mich nicht, wie sonst üblich, beim Schalter der „Holzklasse“ einreihen. Stattdessen konnte ich direkt auf die freundlich lächelnde Dame hinter dem Tresen zumarschieren und meinen Koffer auf das Band wuchten. Sie überprüfte meinen Pass und die Unterlagen, druckte mein Ticket aus und klatschte einen Aufkleber auf mein Gepäckstück. Geschafft!
Ich blickte auf die Uhr und stellte fest, dass es nun höchste Zeit war, sich auf direktem Weg zum Security Check zu begeben.
Die Schlange dort war zum Glück überschaubar und so dauerte die Prozedur nur wenige Minuten. Ich hatte extra darauf geachtet, bestens vorbereitet zu sein um eventuellen Verzögerungen aus dem Weg zu gehen. Der Kerl vor mir schien das Ganze allerdings zum ersten Mal durchzumachen, denn er wirkte ein wenig überfordert. Er räumte seinen ganzen Kram aus dem Rucksack in die grauen Behälter, behielt seine Schuhe an und musste vom Personal schließlich an die Seite gewunken werden, weil er hinter sich einen Stau auslöste.
Als ich meine Sachen wieder zusammengesucht hatte, eilte ich im Stechschritt zu meinem Gate und bemerkte, dass meine Blase enorm drückte. Auf die zwei Minuten kam es wohl jetzt auch nicht mehr an, also beschloss ich, einen Abstecher auf die Damentoilette zu machen, ehe ich völlig außer Atem endlich den Wartebereich der First – und Business Class erreichte.
Alison war die erste die mich erblickte, und lief mir einige Schritte entgegen. „Du lieber Himmel! Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf!“ Sie schloss mich in die Arme und ich versuchte es mit einem halbherzigen Witz. „Du weißt ja, das Beste kommt zum Schluss!“
Lachend führte meine Freundin mich zu dem wartenden Pulk aus gut angezogenen Leuten, die sich alle angeregt unterhielten.
„Ella ist da, wir sind also vollzählig!“, rief Alison strahlend in die Runde und sofort ruhten zig Augenpaare auf mir.
„Schätzchen, wir dachten schon du schaffst es nicht mehr!“ Alisons Mutter trat auf mich zu, umarmte mich, hauchte mir ein Küsschen auf die Wange und sah auf ihre Armbanduhr im Wert eines Kleinwagens. „Sie beginnen gleich mit dem Boarding!“ Und wie aufs Stichwort ertönte die Lautsprecheransage der Flughafenmitarbeiterin, dass die Maschine nun zum Einsteigen bereit war.
Hastig flog mein Blick über einige bekannte und mehrere unbekannte Gesichter und ich fragte mich, wer alles mit uns flog. Rick und seine Familie würden extra anreisen, da Rick und sein Vater noch einen geschäftlichen Termin in New York hatten wahrnehmen müssen. Doch es blieb keine Zeit, mir alle Personen einzeln anzusehen, denn die Turners drängten zum Aufbruch. Immerhin durften die Passagiere der First – und der Business Class zuerst einsteigen.
Nachdem wir am Gate unsere Tickets hergezeigt hatten, hakte Alison sich bei mir unter. Sie kicherte und stieß mir sanft in die Rippen. „Jetzt geht es tatsächlich los! Oh Ella, ich bin so aufgeregt!“
Ich tätschelte ihre Hand. „Das glaub ich dir, Sweetheart! Falls es dich etwas beruhigt, ich bin mindestens genauso aufgeregt wie du“, gab ich lachend zurück.
Die Sitze der Business Class teilten sich in drei Zweiersitze auf, wovon jeder aber durch geschicktes Design einen eigenen, kleinen Bereich erhielt. Alison und ich saßen auf der rechten Seite des Flugzeugs am Fenster, in der Mitte machten es sich ihre Eltern bequem und links außen nahmen zwei junge Männer Platz. Ich bekam den Eindruck, dass es sich bei der Hälfte der Business Class Passagiere um Gäste der Hochzeit handelte.
Kaum hatten wir uns einigermaßen auf unseren Plätzen eingerichtet, kam bereits eine freundliche Stewardess und reichte jeder von uns ein Glas Champagner. „Willkommen an Bord!“
Alison prostete mir zu, dann nippten wir an unseren Gläsern. Ich war erstaunt und –zugegebenermaßen – auch etwas angetan, von diesem angenehmen Service. Außerdem war ich ziemlich gespannt, was mich in dieser vornehmen Klasse noch alles erwartete.
Für´s Erste war ich damit beschäftigt herauszufinden, wofür die unzähligen Knöpfe und Schalter an und neben meinem Platz gut waren. Ich fuhr meinen Sitz hoch und runter, vor und zurück und stellte fest, dass man ihn sogar zu einem flachen Bett umfunktionieren konnte. Wahrscheinlich outete ich mich gerade als absoluter Volltrottel, doch als ich all die Knöpfe drückte, hatte sich unwillkürlich ein Lächeln über mein Gesicht gelegt.
„Beeindruckend, oder?“ Alison beugte sich zu mir herüber und sah mich schmunzelnd an. Ich nickte. „Absolut.“
„Schau mal unter deinem Sitz, dort befindet sich ein Fach für deine Schuhe.“ Sie nickte mit dem Kinn nach unten. „Und in der Klappe neben dir sind Kopfhörer für das Bord-Entertainment – dort findest du übrigens auch die Fernbedienung.“
Fernbedienung? Wollte sie mich veräppeln?
Neugierig öffnete ich die Klappe und fand dort tatsächlich eine Fernbedienung für meinen Bildschirm. Außerdem zog ich noch die Kopfhörer hervor und war mehr als verwundert, dass es sich hierbei nicht um die kleinen, fiesen In-Ear-Stöpsel handelte, die bei mir nach einiger Zeit immer unangenehm anfingen zu drücken, sondern teure Markenkopfhörer zum aufsetzen.
Nachdem ich auch noch den Inhalt des Bord-Entertainments erkundet hatte (es gab eine viel größere Auswahl an Filmen, Serien und Musik, als in der Economy Class), lehnte ich mich entspannt zurück und kuschelte mich in meinen Sitz. Keine Frage, warum die Turners so viel reisten. Unter diesen Umständen war mit Sicherheit selbst ein zwölfstündiger Flug ziemlich entspannt.
Wir starteten pünktlich und nachdem das Flugzeug seine Reiseflughöhe erreicht hatte, bekamen wir ein köstliches Abendessen serviert. Dazu wählte Alison für uns einen Rotwein aus (das hatte ich ihr überlassen), der die Geschmacksnerven auf meiner Zunge tanzen lies.
„Können wir bitte für immer in diesem Flugzeug bleiben?“, raunte ich meiner Freundin mit einem Zwinkern zu. Alison warf den Kopf in den Nacken und stieß ein Lachen aus. „Du meine Güte! Warte erst einmal ab, bis wir unser Hotel bezogen haben. Wenn du es hier schon toll findest, wirst du dein Zimmer im Cosmopolitan lieben!“, klärte Allie mich auf und ich erinnerte mich an die Fotos auf der Homepage, des fünf Sterne Hotels. „Na gut“, erklärte ich schulterzuckend und grinste. „Vielleicht steige ich ja doch wieder aus.“
Nach dem Abendessen dimmte die Crew das Licht, servierte eine Getränkeauswahl der Bar, wobei Alison für jede von uns noch ein Glas Champagner orderte, und dann wurde es ein wenig ruhiger. Fast jeder hatte sich mittlerweile die Kopfhörer aufgesetzt und starrte gebannt in seinen Bildschirm. In eine kuschelige Decke gehüllt lag ich in meinem Sitz und sah mir ein paar Folgen von The Big Bag Theorie an. Offenbar taten die Aufregung der letzten Stunden und der Champagner ihr Übriges, denn ich wurde schläfrig. Immer wieder nickte ich kurz ein, schreckte erneut auf, bis ich mich meinen bleischweren Lidern kampflos ergab und einfach die Augen schloss. Das monotone Brummen des Fliegers hüllte mich ein und schickte mich ins Traumland.
Als plötzlich ein Ruck durch meinen Körper ging, fuhr ich aus meinem Sitz hoch und blickte mich irritiert blinzelnd um. Mit einer Hand schob ich mir die Kopfhörer von den Ohren, als ich in das Gesicht eines jungen Mannes blickte, der auf Alisons Platz saß. Was zum …?!
„D-das ist nicht Ihr Platz“, erklärte ich stammelnd und mit einer Spur Verärgerung in der Stimme, als mir bewusst wurde, dass er mich vermutlich beim Schlafen beobachtet hatte.
Plötzlich legte sich ein breites Lächeln über sein Gesicht. „Das ist richtig, aber Alison wollte sich kurz mit ihrer Mutter unterhalten und mein Platz befindet sich genau neben ihr.“ Er deutete mit seinem Finger in die Richtung, in der Mrs Turner saß. Ich richtete mich ein wenig auf und da entdeckte ich Allie, die offenbar tatsächlich auf dem Platz des Fremden saß und sich zu ihrer Mutter hinüberbeugte.
Mein Blick flog zurück zu meinem neuen Sitznachbarn. Argwöhnisch zog ich die Brauen zusammen. Diese spitzbübische Lächeln … irgendwie kamen mir seine Gesichtszüge seltsam bekannt vor. Allerdings konnte ich ihn nicht einordnen.
Auf einmal veränderte sich seine Miene und er schob gespielt beleidigt die Unterlippe vor. „Es bestürzt mich, dass du mich allem Anschein nach nicht mehr erkennst, Ella Harper!“ Er lächelte, doch in seiner Stimme schwang auch ein leicht vorwurfsvoller Unterton mit.
Mist! Der Kerl kannte meinen Namen! Ich verengte die Augen und versuchte mich krampfhaft an ihn zu erinnern. Einige alte Erinnerungen schossen durch mein Gehirn und auf einmal kam mir ein Gedanke!
„Nein!“, rief ich eine Spur zu laut aus. „Du … du bist doch … Allies Cousin“, krampfhaft kramte ich in meinem Oberstübchen nach seinem Namen. „Chester … Chester Mills!“, triumphierte ich schließlich und grinste breit.
Chester erwiderte mein Grinsen und deutete an, in die Hände zu klatschen. „Bravo, Ella! Volle Punktzahl.“ Dann hob er eine Braue. „Ich hätte allerdings erwartet, dass du dich besser an mich erinnerst.“
Mir wurde heiß und kalt, als mir wieder einfiel, dass Chester Mills der erste Junge gewesen war, der mich geküsst hatte. Sofort stieg mir die Hitze ins Gesicht. „D-das ist Jahre her!“, platzte ich heraus.
Chester schien sich über meine Verlegenheit zu amüsieren; er zog eine gequälte Grimasse. „Offenbar habe ich wohl doch keinen so bleibenden Eindruck hinterlassen.“
„D-doch, äh nein … ich meine …“ Na toll, jetzt verschlug es mir die Sprache und ich begann herumzustammeln, wie ein Vollidiot. Offenbar bemerkte Chester, dass er mich gerade komplett aus dem Konzept brachte. Versöhnlich legte er seine Hand auf meinen Arm und zwinkerte schelmisch. „Du hast Recht, das ist lange her. Aber ich freue mich ehrlich, dich wiederzusehen. Schade, dass wir uns irgendwann aus den Augen verloren haben.“