Wichtel entführt - Martina Petersen - E-Book

Wichtel entführt E-Book

Martina Petersen

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Beschreibung

Auf einer Friday for Future-Demonstration in Stockholm, die Wichteldame Holda und ihr Kollege Snorri für die Uppsalala Wichtelpost besuchen, passiert etwas Schreckliches. Snorri wird mitten im Gewusel von Ratten entführt. Die Wichtelgemeinde in Uppsala ist außer sich vor Sorge. Jedem ist sofort klar, dass nur der mieseste aller Wichtel auf so eine abscheuliche Idee kommen konnte. Loki. Eine abenteuerliche Befreiungsaktion beginnt. Die mutigsten, intelligentesten und durchtriebensten Wichtel machen sich auf den Weg in den finsteren Teil des finsteren Waldes. Sie müssen an miesen-fiesen Ratten, raffgierigen Raben und wild um sich schlagenden Trollen vorbei. Das von Loki sorgfältig vergiftete Moor gilt es unbeschadet zu passieren und tief im schwarzen Berg, den er sein Zuhause nennt, lauern noch mehr Gefahren. Genau dort, vermuten sie, wurde Snorri festgesetzt.

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Seitenzahl: 154

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Inhaltsverzeichnis

Estetal – Post an Silvester.

Uppsala - Neue alte Heimat

Finsterer Wald – Lokis Höhle

Estetal – Der Umzug

Stockholm – Uppsalala Wichtelpost berichtet

Obsthof – Wiedersehen mit alten Freunden.

Uppsala – Wichtelgemeinde in Aufruhr

In den Krallen garstiger Trolle

Obsthof – Ein Dieb auf dem Fest

Finsterer Wald – Ein tollkühnes Unternehmen

Lokis Höhle – Wichtel geweckt

Dänemark - Die Schocktherapie

Uppsala – Uppsalala Wichtelpost im Dauereinsatz

Finsterer Teil des finsteren Waldes – Dunkle Geschäfte

Lokis Höhle – Die Schlinge zieht sich langsam zu

Lokis Höhle – Aufruhr der Trolle

Lokis Höhle – Die Falle schnappt zu.

Uppsala – Neuigkeiten verbreiten sich schnell.

Lokis Höhle – Sturm auf Lokis Festung

Lokis Höhle – Rückweg unbekannt

Uppsala – Wieder zu Hause

Ende gut, alles gut

Estetal – Post an Silvester

Arunas war als Wichtel ein echter Einzelgänger. Ungewöhnlich, denn Wichtel wohnen gern in kleinen Gruppen zusammen. Meist bei den Menschen und stets darauf bedacht, dass kein Unglück im Hause geschieht. Das ist ihre Mission. Dieser Wichtel wohnte direkt an einem Fluss mit Namen Este im Estetal. In einer sehr alten, geräumigen Eiche hatte Arunas sich vor Jahren ein gemütliches Zuhause mit drei Stockwerken eingerichtet. Der Fluss war an dieser Stelle noch recht schmal und ergoss sich, in seinem Verlauf breiter werdend, in einen noch größeren Fluss, die Elbe. Diese ihrerseits führt den Reisenden in die Nordsee.

Wie jedes Jahr an Silvester sicherte Arunas sein Heim vor eventuellen Schäden, die gerade in dieser Nacht passieren konnten. Die Feierlichkeiten der Menschen gefielen ihm gar nicht. Ihm lag das Wohl der Tiere am Wichtelherzen, die jedes Jahr aufs Neue in der Silvesternacht besonders litten. Panische Fluchtmanöver aufgrund leuchtender Raketen und ohrenbetäubend lauter Silvesterböller verursachten oft übelste Verletzungen. Ganz zu schweigen von dem Schreck, den dieser Radau verursachte und der in einer gefährlichen Schockstarre enden konnte. Arunas befürchtete in diesem Jahr das Schlimmste. Die Menschensiedlung hatte sich im vergangenen Sommer weiter ausgebreitet und war seinem Wohnsitz gefährlich nähergekommen. Gerade erst am Nachmittag zogen einige übermütige Jungs mit selbst gebasteltem Feuerwerk aus dem Schwarzpulver nicht explodierter Böller vom vorigen Jahr durch den Wald und knallten heftig um sich. Zum Glück war keinem Tier etwas passiert, denn Arunas warnte seine Nachbarschaft schon seit dem ersten Weihnachtstag weiträumig um die große Eiche herum vor.

Arunas’ Wort galt etwas. Nicht nur in der Tierwelt. Ein Studium an der Universität in Uppsala in Schweden und jahrelange Forschung hatten ihn zu einem überaus respektablen Medizinwichtel gemacht. Dank seiner Kunstfertigkeit und zahlreicher selbst entwickelter Tränke, Pulver und Pillen wurde er mit jeder Krankheit oder Verletzung fertig. Bei den Tieren und bei den Wichteln war er als großer Medikus bekannt.

Arunas verrammelte alle Fenster und auch die alte Eulenhöhle im oberen Teil der Eiche. Dort verbarg sich etwas sehr Wertvolles. Im vorigen Jahr hatte der Medikus Spinne Spinella wieder auf alle acht Beine geholfen. Zum Dank richtete sie sich in der alten Eulenhöhle ihre eigene Weberei ein. Mehrere Webstühle standen dort, an denen ihre Freunde aus eigenen Fäden fleißig Verbandsmaterial für Arunas herstellten. Sie selbst beaufsichtigte die Arbeiten akribisch, denn sie war in punkto Weben sehr pedantisch.

Zufrieden betrachtete Arunas sein Werk und marschierte gerade noch einmal mit dem erfahrenen Blick eines Sicherheitskontrolleurs um den ganzen Baum herum, als sich der Himmel über ihm verdunkelte. Ein großer Rabe setzte elegant zur Landung an. Groß, schwarz und überheblich dreinschauend baute er sich vor Arunas auf.

„Bist du Arunas, der Medizinwichtel dieses verkommenen Wäldchens?“, fragte der Rabe näselnd und schüttelte ein Häufchen menschengemachten Müll aus seinen Federn.

„Ich bin Arunas, aber hier sah es bis eben noch ganz prima aus“, konterte Arunas und betrachtete ärgerlich das Häufchen aus Bonbonpapier, Zigarettenstummeln, Kronkorken und Schnipseln aller Art, das den Eingang zu seiner Praxis verschmutzte.

„Hier ist ein amtliches Schreiben aus Uppsala für dich“, reichte der Rabe einen Brief lässig in seine Richtung, um selbigen gleich wieder wegzuziehen.

„Ah, ein Postbote bist du“, versuchte Arunas die Überheblichkeit des Raben ein wenig zu dämpfen.

Der Rabe nahm den Brief, um ihn erneut in seinem Gefieder verschwinden zu lassen.

„Ich, Hättekräk, war schneller als angekündigt und bin somit unterbezahlt!“, argumentierte der Rabe.

„Wenn du aus Uppsala bist, dann half dir die letzten Tage ein kräftiger Rückenwind!“, antwortete Arunas frech.

„Die Nachricht ist ganz besonders frisch und wie ich, Hättekräk, hörte, ungemein wichtig für dich!“, grinste der Rabe und tickte mit seinem Schnabel gegen Arunas’ Nase. Ein Hauch übelriechenden Atems pustete Arunas ins Gesicht. Er wich unwillkürlich zurück und schnappte aufgebracht nach Luft.

„Seit wann müssen amtliche Wichtelbriefe bezahlt werden?“, fragte er verständnislos.

„Seit ich, Hättekräk, den Handel damit erfunden habe“, sagte der Rabe schmierig.

„Und was willst du für deine Dienste haben?“, stellte Arunas die nicht ganz ernst gemeinte Frage.

„Edelsteine wären mir recht. Schön glitzernd. Ihr Wichtel habt doch immer welche!“, erwiderte der Rabe gelassen.

Arunas drehte sich um und schritt durch seine Tür zur Eiche.

„Ich bin ein Wichtel und kein Zwerg. Wenn das so ist, dann will ich den Brief nicht!“, schimpfte er und knallte die Tür hinter sich zu, die wie von Magierhand verzaubert ihre Sichtbarkeit verlor.

Zickig klopfte der Rabe mit seinem Schnabel an die Stelle, die vorher noch die Tür zierte. Arunas fürchtete, dass seine Tarnung auffliegen und die Tür zerbrechen könnte. Dies galt es gerade am Silvester-Abend tunlichst zu vermeiden. Er öffnete die Tür einen Spalt.

„Wirst du, Hättekräk, nicht vom Absender bezahlt?“, fragte er wütend und sah dem Raben stechend in die Augen.

„Schon, aber für so einen Brief...“, hob der Rabe den Umschlag ins fahle Winterlicht und tat so, als ob er lesen könnte, was darin geschrieben stand. „...da kann man auch zweimal kassieren!“, behauptete er linkisch.

„Wenn du schon weißt, was drinsteht, dann kannst du es mir ja auch sagen!“, forderte Arunas den Raben mutig heraus.

Der verlor langsam die Lust an seinem eigenen Spielchen und warf den Brief durch den Spalt der leicht geöffneten Tür.

„Da hast du deinen Brief. Lies ihn genau und überlege dir, was er dir wert ist. Ich, Hättekräk, kann warten und bleibe in der Nähe“, lenkte der Rabe ein.

Arunas hoffte, ihn nie wieder sehen zu müssen. „Ein unangenehmer Zeitgenosse. Und dieser Name „Hättekräk“. Wie der Name, so krächzend die Stimme. Wer diese Gesellen mal zu den Singvögeln eingeordnet hatte, der musste zu viel Maiglöckchen-Schnaps getrunken haben“, dachte er und mühte sich die kleine Wendeltreppe zur Küche hinauf.

Wieder klopfte es and der Tür. Dieses Mal aber nicht so zickig wie von des Raben Schnabel. Ein dumpfer Ton drang an Arunas’ Ohr. Er machte kehrt und stolperte grummelnd die Treppe hinunter.

„Was ist denn jetzt schon wieder“, schnaubte er ungehalten und öffnete vorsichtig die Tür.

Vor ihm, direkt in seinem Eingangsbereich zwischen zwei mächtigen Eichenwurzeln, grub sich ein Maulwurf aus der Erde und übergab ihm ein Päckchen.

„Ich hatte den Weg gerade sauber eingeebnet“, warf Arunas dem Maulwurf die aufgewühlte Erde vor.

„Entschuldige, aber ich bin in Eile“, sagte der Maulwurf ungerührt und klopfte sich ein paar Papierschnipsel aus dem Fell. „Hier sieht es aber unordentlich aus“, stellte er fest. „Bist du Arunas, der Medikus vom Estetal?“, fragte er.

„Ja, der bin ich“, antwortete Arunas genervt.

„Das Paket ist für dich. Sei vorsichtig. Ich habe es vielleicht ein bisschen zu heftig geschüttelt“, informierte ihn der Maulwurf und verschwand wieder in seinem Gang.

Arunas stellte das Paket, in dessen Inneren es merkwürdig gluckerte, zur Seite. Dann schnappte er sich eine Harke, um den Eingangsbereich zu glätten und den Müll einzusammeln. Dabei schielte er immer wieder auf das Paket und hoffte, dass es nicht explodierte. Als er mit seiner Arbeit fertig war, entschloss er sich, das Paket lieber vor der Tür zu öffnen. Zum Vorschein kam eine kleine Holzkiste. Dazu ein Brief. Arunas sah sofort, dass der Brief vom Obsthof am Ende der Este kam, den er von Zeit zu Zeit besuchte. Dort wohnte eine große Wichtelfamilie in drei Generationen, die er sehr mochte.

Immer dann, wenn Arunas sein Wichtelleben so ganz allein gehörig auf die Wichtelmütze ging, machte er sich mit zwei Booten auf den Weg die Este hinunter und praktizierte als Arzt auf dem Obsthof. Das geschah meist im Frühjahr, und sein Aufenthalt dort konnte bis in den Sommer hinein andauern.

Die Holzkiste brachte eine Flasche Holunderschaum zum Vorschein, sorgfältig in Sägespäne verpackt. Der Brief enthielt nur zwei Worte: Herzlichen Glückwunsch! Nicht gerade ein Weihnachts- oder Neujahrsgruß. Arunas nahm die Flasche und brachte sie in die Küche, damit der blubbernde Inhalt zur Ruhe kam.

Auf dem Küchentisch stapelte sich, wie jedes Silvester, ein kleiner Haufen Briefe. Zu Arunas’ Gewohnheiten gehörte es, alle Briefe, die er über das Jahr geschickt bekam, erst an Silvester zu lesen und an Neujahr zu beantworten. Das war so eine Macke von ihm, die kein Wichtel verstehen konnte. Daher bekam er auch nur noch selten Post. Den neuesten Brief schmiss er einfach oben drauf.

Die Spinne Spinella aus der Weberei machte es sich in der Küche gemütlich und rieb vor dem warmen Küchenherd alle acht Beine. Mit ihren scharfen Augen erspähte sie den amtlichen Brief. Doch viel interessanter fand sie den Holunderschaum. Arunas stellte die Flasche mitten auf den Tisch.

„Den genehmigen wir uns zur Mitternacht“, zerschlug er alle Hoffnungen auf einen guten Schluck gleich nach getaner Arbeit.

Spinella deckte mit sechs ihrer acht Beine in Windeseile den Tisch. Kurze Zeit später gab es das für Wichtel übliche Silvesteressen. Glückskleesalat und Glückskleesuppe mit Brot aus Buchweizenmehl und zum Nachtisch

Glücksklee-Eis mit Minze. Spinella vermisste die Fleischeinlage in der Suppe, denn Wichtel essen niemals Fleisch. Sie streute sich einen gut gehäuften Löffel Fliegenlarven darüber, was Arunas angewidert beobachtete. Nach dem Essen räumten sie gemeinsam den Tisch ab, und Spinella schob die noch ungelesenen Briefe genau in dessen Mitte.

Arunas blätterte die Post durch und überlegte, welchen Brief er zuerst lesen sollte. Spinella schob ihm das amtliche Schreiben vor die Nase. Arunas wollte es nicht zugeben, aber auch er war gespannt, was der Brief wohl enthielt. Doch immer, wenn die Spannung ihren Höhepunkt erreichte, kamen ihm Zweifel, ob er das überhaupt wissen wollte. Daher entschied er sich für den ersten Brief, den ein Wichtel namens Snorri im vergangenen Sommer an ihn geschrieben hatte:

Lieber Arunas,

wir sind recht unsanft auf Langeland gestrandet. Ein Orkan kurz hinter Svendborg fegte uns vom Boot. Die nasse Landung wurde mit einem Aufenthalt in einem richtigen Schloss belohnt. Der Schlosswichtel Moosbjerg hat uns aufgenommen und wird uns bei der Planung der Weiterreise nach Uppsala helfen.

Du siehst, es geht uns nicht so schlecht.

Viele Grüße,

Snorri, Ölde und Trumme

Snorri, Ölde und Trumme, die drei Wanderwichtel aus Schweden, hatte Arunas im letzten Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr kennengelernt. Gern dachte er an die drei zurück. Auch wenn die Umstände für sie alles andere als angenehm waren. Sie mussten nach Uppsala zurück, da sie sich an Weihnachten zwei Kindern gezeigt hatten. Das hohe Wichtelgericht sollte über ihre Strafe entscheiden.

Vielleicht gab es weitere Briefe von den Dreien. Arunas blätterte durch die Post und fand noch einen Brief. Diesen Brief zierte nicht die feine Handschrift von Snorri, sondern er war anscheinend in großer Eile von Ölde geschrieben. Arunas öffnete den Brief und las:

Lieber Arunas,

pack deine Sachen und mach dich auf den Weg nach Uppsala! Hier finden sich gerade viele verbannte Wichtel zusammen, die mit uns für die Änderung uralter Wichtelgesetze kämpfen wollen. Vielleicht kann sich auch für dich alles zum Guten wenden, denn die Esche hat sich selbst geheilt. Wir fahren jetzt von Kopenhagen nach Stockholm mit einer richtigen Dampflok.

Viele Grüße! Beeile dich!

Snorri, Ölde und Trumme

Arunas lächelte bitter. Was die drei angestellt hatten, war nicht so schlimm wie der Grund seiner Verbannung. Er hatte vor Jahren die große Esche in Uppsala aus Unvorsichtigkeit bei seinen wissenschaftlichen Experimenten in Brand gesetzt. Dass der Baum sich selbst heilen konnte, war Arunas wohl bekannt. Die Esche galt als mächtiger, heiliger Baum. Sie wurde von den Wichteln seit Urzeiten überaus leidenschaftlich verehrt. Einige sprachen ihr sogar große Intelligenz und Magie zu. Auf der ganzen Welt gab es keine Esche, die nicht von Wichteln bewohnt war.

Arunas wusste nicht genau, wie hoch der Schaden war, den er damals angerichtet hatte. Seine überstürzte Flucht erfolgte, noch bevor der Brand sichtbar wurde. Er musste beträchtlich sein. Kurz darauf sandte das Stammesoberhaupt Tomte Thorhalsson einen Raben in offizieller Mission zu ihm, der unmissverständlich kundtat, dass man ihn in Uppsala nie wiedersehen wollte. Arunas wurde zur Einsiedelei verdammt. Einzig die Wichtelfamilie vom Obsthof unterhielt Kontakt zu ihm.

„Ein Rabe“, dachte Arunas laut. Jetzt konnte er es doch nicht mehr abwarten. Ungestüm riss er den offiziellen Brief auf und traute seinen Augen nicht. Der Brief enthielt eine Urkunde, auf der in goldenen Lettern zu lesen stand: REHABILITATION. Ihm war verziehen worden, und er war in der Wichtelgemeinde wieder aufgenommen. Ein kleiner Zettel klemmte an der Urkunde:

Wir erwarten dich mit Freuden!

Tomte Thorhalsson

Arunas schaute Spinella an, die bereits versuchte, die Holunderschaum-Flasche zu öffnen.

„Warte!“, warnte Arunas. „Ich hole Gläser“, rief er und verschwand in seiner guten Stube, in der sich tatsächlich zwei noch nie benutzte Gläser für wichtelgoldene Anlässe befanden.

Mit einem lauten Knall wirbelte der Korken durch die Küche. Es war Arunas’ Geschicklichkeit zu verdanken, dass nur ein paar Tropfen des edlen Getränks zu Boden gingen.

Überschwänglich prostete Arunas Spinella zu.

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte Spinella und zappelte mit ihren langen Beinen ungemütlich unter dem Küchentisch herum.

„Na ja. Wir können hier nicht für immer bleiben!“, erklärte Arunas. „Die Menschen kommen immer dichter an uns heran. Nicht mehr lange, und sie roden auch diesen Teil des Waldes“, fasste Arunas die düstere Zukunft zusammen.

Spinella nickte und setzte ein jammervolles Gesicht auf. „Du wirst mich und die Weberei doch mitnehmen?“, fragte sie weinerlich.

„Selbstverständlich“, versprach Arunas. „Wir werden erst einmal zum Obsthof reisen. Dort wird es für dich und deine Weberei ein prima Plätzchen geben!“, entschied er und schenkte von dem Holunderschaum noch einmal nach.

„Auf das neue Jahr und fantastische Wendungen!”, freuten sich Arunas und Spinella.

Uppsala - Neue alte Heimat

Die Wichtel Snorri, Ölde und Trumme lebten sich ohne Schwierigkeiten wieder in Uppsala ein. Schließlich stammten sie ursprünglich von dort, bevor ihre lange Reise auf kleinen Füßen begann. Die Turbolenzen ihres Prozesses mit glücklichem Ausgang und die Tatsache, dass Arunas wieder in der Wichtelgemeinde aufgenommen war, lies sie alle Strapazen vergessen.

Snorri nahm sich schon jetzt vor, irgendwann wieder auf Reisen zu gehen. ‘Reisen bildet ungemein‘, war seine Weisheit, die er gern wiederholte. Er betrieb inzwischen die Druckerei der Uppsalala Wichtelpost. Neben der Wichtelzeitung produzierte er schönes monogrammviertes Briefpapier, Aushänge für das Rathaus und Bücher. Die Chefredakteurin der Uppsalala Wichtelpost hieß Holda, die Snorri, Ölde und Trumme ein Stück auf ihrer aufregenden Reise im letzten Jahr begleitete. Sie war eine Wichteldame, die nicht nur schönschreiben, sondern auch beherzt zupacken konnte. Letzteres ließ sie bei dem großen Prozess im vergangenen Jahr neben den drei Reisewichteln kurz auf der Anklagebank landen. Aus der Reisegeschichte und dem Prozess machte sie eine sehr aufregend geschriebene Fortsetzungsgeschichte, die nach und nach in der Uppsalala Wichtelpost zu lesen war.

Ölde vertrat zum Thema Reisen eine ganz andere Meinung. Er versuchte die gefährlichen Abenteuer zu vergessen. Niemals wieder würde er ein Segelschiff betreten, auf dem Rücken einer Möwe durch die Lüfte fliegen oder auf einem von Flöhen verstrubbelten Hund reisen. Ihm wurde die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die Wichtelpoststation in Uppsala zu leiten. Er entschied über jeden Brief sowie jedes Päckchen und verwaltete die große Flugstation. Überseeflüge, amtliche Flüge, Kurzstreckenflüge, Lastenflüge oder unterirdische Maulwurfpost standen zur Auswahl. Das war eine wichtige Aufgabe in der Wichtelgemeinde. Denn genauso gern, wie die Wichtel Geschichten hörten, schrieben sie sich gegenseitig Briefe. Auch erfreuten sich Päckchen großer Beliebtheit. Sie enthielten neben einer schönen Geschichte kleine Aufmerksamkeiten aus der jeweiligen Region. Wichtel leben auf der ganzen Welt; ihre Wurzeln haben aber alle in Schweden. So birgt jede Post eine schöne Geschichte, die weitererzählt werden muss. Einige Geschichten schafften es sogar in die Uppsalala Wichtelpost, wenn sie interessant, spannend und heiter genug waren.

Trumme vermisste das technische Zubehör aus Tjarks Kinderzimmer (Tjark war eines der Kinder, der alle drei Wichtel kennenlernen durfte). ‘Diese Fahrzeuge und richtigen Krane! Was man damit alles machen könnte…‘, schwärmte er den anderen Wichteln vor. Er war gerade dabei, das Rathaus zu modernisieren, wie er es dem Stammesoberhaupt Tomte Thorhalsson kurz nach seiner Ankunft in Uppsala versprach. Wichteldame Holda hatte immer noch ein Auge auf ihn geworfen, was seine Freunde Snorri und Ölde sehr amüsant fanden. ‘Die wirst du nicht mehr los”, hörte man die beiden lästern. Trumme brummte daraufhin undeutliche Missfallenskundgebungen in seinen struppigen Bart.

Snorri betrat, wie jeden Tag, die Poststation Uppsala, um die vielen Briefe an die Uppsalala Wichtelpost abzuholen.

“Noch keine Nachricht von Arunas?” erkundigte er sich gleich beim Öffnen der Tür. Ölde verneinte stumm.

“Wie es ihm wohl geht?”, fragte Snorri mehr zu sich selbst.

Ölde beteuerte: “Ich schickte den schnellsten und teuersten Raben zu ihm! Die Universität zahlte ein Vermögen für seine Dienste!”

“Du schicktest einen Raben?”, fragte Snorri entrüstet. “Du weißt doch wie unzuverlässig die sind!”, warf er Ölde vor.

“Ich dachte, bei dem Preis muss der einfach zuverlässig und schnell sein”, verteidigte Ölde sich und klang ein wenig niedergeschlagen. “Er versprach den Brief noch vor Silvester bei Arunas abzugeben und nicht ohne eine Antwort zurück zu fliegen!”, verteidigte er seine Entscheidung für den zwielichtigen Boten.

“Das ist jetzt schon vier Wochen her!”, schüttelte Snorri verständnislos den Kopf.

„Die Wichtelfamilie vom Obsthof hat auch noch nichts von ihm gehört. Sie schickten schon zwei Briefe per Überlandmöwe. Ich verstehe das nicht!“, klagte Ölde.

Trumme betrat, einen Lastenkarren hinter sich her ziehend, die Poststation. Er wollte seine Lieferung wichtelgefertigten Baumaterials aus der Töpferei in Stockholm abholen. Unter anderem Abflussrohre für die Waschräume und Küche. Die Lieferung war schon überfällig.

„Was von Arunas gehört?“, fragte er kurz.

„Nein, immer noch nichts. Ölde schickte einen Raben zu ihm“, petzte Snorri.

„Na dann ist die Post sonst wo. Diesen Boten ist nicht zu trauen. Das weiß doch jeder!“, schmiss Trumme die Worte in die Poststation und wuchtete seine Pakete auf den Wagen, um schnell wieder zu verschwinden.

„Da hast du es!“, ätzte Snorri. „Die Raben leben alle im finsteren Teil des finsteren Waldes auf den höchsten Tannen und werden von Loki ausreichend bestochen. Es würde mich nicht wundern, wenn der und seine tumben Trolle den Brief als Brennmaterial verwendet haben.“