Wie ein Schmetterling auf der Hand - Christine Lange - E-Book

Wie ein Schmetterling auf der Hand E-Book

Christine Lange

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Beschreibung

Micha ist glücklich verheiratet und zufrieden mit seinem Leben. Doch als seine beste Freundin Alina eines Abends Pit mit in den Club bringt, ändert sich sein Leben von Grund auf. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto näher kommen sich die beiden. Aber Micha kann doch nicht plötzlich einen Mann lieben, oder? Soll er für Pit seine Ehe aufs Spiel setzen?

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Seitenzahl: 218

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Über den Autor:

Christine Lange ist 1990 in Halle (Saale) geboren und aufgewachsen.

Nach der Schule hat sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Bibliothek absolviert. In diesem Beruf arbeitet sie bis heute. Geschichten schreibt sie seit ihrer Kindheit. Allerdings mehr für sich allein. Doch mit der Veröffentlichung ihres ersten Buches hat sich das geändert.

Für Bärbel

Ich weiß, dass du dich auch bei diesem Buch wieder sehr über die Charaktere aufgeregt hättest. Umso trauriger macht es mich, dass du es nicht mehr lesen kannst. Du bleibst unvergessen!

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Micha

Kapitel 2 - Pit

Kapitel 3 - Micha

Kapitel 4 - Pit

Kapitel 5 - Micha

Kapitel 6 - Pit

Kapitel 7 - Micha

Kapitel 8 - Pit

Kapitel 9 - Micha

Kapitel 10 - Pit

Kapitel 11 - Micha

Kapitel 12 - Pit

Kapitel 13 - Micha

Kapitel 14 - Pit

Kapitel 15 - Micha

Kapitel 16 - Pit

Kapitel 17 - Micha

Kapitel 18 - Pit

Kapitel 19 - Micha

Kapitel 20 - Pit

Kapitel 21 - Micha

Kapitel 22 - Pit

Kapitel 23 - Micha

Kapitel 24 - Pit

Kapitel 25 - Micha

Kapitel 26 - Pit

Kapitel 27 - Micha

Kapitel 28 - Pit

Kapitel 29 - Micha

Kapitel 30 - Pit

Kapitel 31 - Micha

Kapitel 32 - Pit

Kapitel 33 - Micha

Kapitel 34 - Pit

Kapitel 35 - Micha

Kapitel 36 - Pit

Kapitel 37 - Micha

Kapitel 38 - Pit

Kapitel 39 - Micha

Kapitel 1 - Micha

„Was ist los?“, frage ich außer Atem, als Tanja fluchtartig unser Bett verlässt.

„Nichts“, erwidert sie, „ich habe Hunger. Das habe ich doch schon gesagt.“

„Dann konnte ich also deinen Hunger nicht stillen?“, frage ich etwas deprimiert weiter.

Eigentlich wollte ich noch ihre Nähe genießen.

„Du weißt doch, dass ich nicht gern kuschle“, antwortet Tanja vorwurfsvoll.

Natürlich weiß ich das, denke ich frustriert. Trotzdem wünsche ich es mir. Wenn man sich liebt, kann man auch kuscheln. Das ist doch nicht zu viel verlangt.

„Willst du auch etwas essen?“, ruft sie aus der Küche.

„Nein, danke“, rufe ich zurück und sammle meine Sachen zusammen.

Dabei stelle ich fest, dass Tanja mir wieder mein T-Shirt geklaut hat.

Kuscheln will sie nicht, aber meine Klamotten zieht sie gern an, weil sie nach mir riechen. Versteh einer die Frauen!

Aber eins muss ich zugeben: Ich liebe den Anblick meiner Frau in meinen Shirts. Sie lehnt am Küchenschrank und isst ein belegtes Brot. Dabei sieht sie unglaublich sexy aus.

„Warum starrst du mich so an?“, will sie wissen.

„Weil ich dich liebe und dich gern anschaue“, erkläre ich.

Jetzt lässt sie sich doch von mir in den Arm nehmen.

„Gehen wir heute Abend in den Club?“, fragt sie lächelnd.

„Du bist eine richtige Partymaus“, stelle ich fest und küsse sie.

„Du verbringst doch auch gern deine Zeit dort“, ertappt sie mich.

Damit hat sie nicht unrecht, aber ich möchte auch mal einen Abend zu Hause verbringen.

„Ich dachte, du teilst mich nicht mit anderen Mädels?“, frage ich daher provozierend.

Sofort verengen sich ihre Augen, als sie drohend antwortet: „Das tue ich auch nicht. Jede, die es wagt dich anzugraben, unterschreibt damit ihr Todesurteil!“

„Keine Sorge“, beruhige ich sie. „Es gibt keine anderen Frauen in meinem Leben und ich denke, ich sende auch eindeutige Signale dahingehend.“

Da sie den ganzen Abend im Club auf deinem Schoß sitzt, ist das auch nicht schwer, merkt meine innere Stimme an.

Tanja kann sehr besitzergreifend sein, wenn es um mich geht. Da ich mich einzig und allein für sie interessiere, ist es mir aber egal.

„Soll ich Alina fragen, ob sie mit will?“, erkundige ich mich.

Alina ist meine längste und beste Freundin. Tanja davon zu überzeugen war nicht einfach. Erst nachdem Alina geheiratet hat, war das Thema vom Tisch.

„Tu, was du nicht lassen kannst“, antwortet Tanja schnippisch.

Schnell tippe ich eine Nachricht.

„Ich suche mir etwas zum Anziehen“, erklärt sie und verschwindet wieder im Schlafzimmer.

Mit einem kleinen Stapel ihrer Sachen auf dem Arm geht sie ins Bad.

Das dauert jetzt eine kleine Ewigkeit, ist mir klar.

Dafür klingelt mein Handy und ich kann mich ablenken.

„Hey Alina“, begrüße ich meine Freundin. „Wie sieht’s aus? Sehen wir uns heute Abend?“

„Ich bin bereits verabredet“, erklärt sie.

„Aha. Wer ist dir denn wichtiger als dein ältester und bester Freund?“, frage ich neugierig.

An ihrer Antwort höre ich eindeutig ein breites Lächeln heraus. „Mein zweitältester und zweitbester Freund Pit.“

Vor Überraschung weiß ich gar nicht, was ich erwidern soll. Der Name ist mir gänzlich unbekannt.

„Das war vor unserer Zeit und wir haben uns vor einigen Jahren aus den Augen verloren“, merkt Alina an. „Aber er ist vor Kurzem hergezogen und wir haben uns wiedergetroffen.“

„Dann bring ihn doch mit“, schlage ich kurzerhand vor.

„Es ist so schön, dass du nicht neugierig bist“, macht sie sich über mich lustig.

Ich lache ertappt.

„Komm schon. Du kannst mir doch sowieso keinen Wunsch abschlagen.“

Zu meinem Glück lässt sich Alina überzeugen. Wir verabreden uns und ich bin wahnsinnig neugierig.

„Alina kommt und bringt auch einen Freund mit“, kläre ich Tanja auf, als sie aus dem Bad kommt.

Ich ziehe mich ebenfalls um, was keine fünf Minuten dauert.

„Was ist das für ein Freund?“, fragt sie misstrauisch.

„Bist du jetzt schon auf Männer eifersüchtig?“, versuche ich lustig zu sein. Nachdem ich damit keinen Erfolg habe, füge ich an: „Ich weiß nur, dass er Pit heißt und neu hier ist.“

Ehe Tanja noch etwas erwidern kann, ziehe ich sie zur Tür hinaus.

„Warum bist du denn so nervös?“, fragt Tanja genervt auf dem Weg zum Club.

„Ich bin nicht nervös“, streite ich ab. „Es interessiert mich nur, wer dieser Pit ist. Alina hat mir noch nie von ihm erzählt, obwohl die beiden wohl auch gute Freunde sein müssen.“

„Wer weiß“, erwidert sie nachdenklich, „vielleicht hat er komische Angewohnheiten oder sieht merkwürdig aus.“

Kurz denke ich über ihre Worte nach, schüttle aber dann vehement den Kopf.

„Nein, das glaube ich nicht. Wenn Alina mit Pit befreundet ist, wird er nett sein.“

„Dann kannst du endlich aufhören, dich wie ein Nervenbündel aufzuführen. Wir sind gleich da und du wirst ihn sehen“, stellt Tanja klar.

Ich weiß, dass sie recht hat, aber trotzdem bin ich neugierig.

Warum hat sie mir nie von ihm erzählt, frage ich mich immer wieder.

Ich war der Meinung, dass Alina und ich alles voneinander wissen. Sie kennt sämtliche Namen meiner Exfreundinnen und auch aller anderen Kumpels und Wegbegleiter.

Selbst die Namen meiner Arbeitskollegen habe ich ihr gesagt. Es gibt kein Geheimnis, das ich vor ihr habe. Schlussendlich ist sie vermutlich der einzige Mensch auf Erden, der mich wirklich kennt.

Verstohlen werfe ich einen Seitenblick auf Tanja. Nicht einmal sie weiß immer, was in mir vorgeht.

Stattdessen kann Alina in mir lesen wie in einem offenen Buch. Wenn ich es mir genau überlege, ist es doch nicht so absurd, dass Tanja anfangs sehr eifersüchtig auf Alina war.

Trotzdem waren wir immer nur Freunde. Wir sind nie auf die Idee gekommen, auch nur zu versuchen, ein Paar zu werden.

Der Club kommt in Sicht. Schon von Weitem sehe ich Alina davor stehen.

„Hat sie ihn doch nicht mitgebracht?“, fragt Tanja leise.

Ich zucke unsicher mit den Schultern.

„Zumindest steht niemand bei ihr. Aber vielleicht ist er auch schon im Club und holt Getränke?“, rate ich ins Blaue.

Fast bin ich ein bisschen enttäuscht, keine Spur von diesem Pit zu sehen.

„Hallo ihr zwei“, ruft Alina uns zu.

Wir schließen uns in die Arme.

„Wo ist denn dein Freund?“, frage ich sofort.

Sie lacht laut auf und antwortet: „Du brauchst nicht nervös zu sein. Er beißt nicht.“

Wie gut sie mich doch kennt, kommt mir in den Sinn.

Gemeinsam gehen wir nach drinnen und lassen uns von Alina an die Bar führen. Dort sitzt bereits jemand. Als wir uns nähern erhebt er sich und streckt uns die Hand entgegen.

„Hi“, ruft er über die Musik hinweg, „ich bin Pit. Schön euch kennenzulernen.“

Er hat ein Lächeln im Gesicht und freundliche, strahlende Augen.

„Hallo“, antworte ich und ergreife seine Hand. „Ich bin Micha und das ist meine Frau Tanja.“

Nachdem wir uns alle bekannt gemacht haben, setzen wir uns gemeinsam an die Bar und bestellen erste Getränke.

Tanja hat es sich sofort auf meinem Schoß gemütlich gemacht. Ich schlinge die Arme um sie und schaue an ihrem Kopf vorbei zu Pit.

„Alina hat schon viel über dich erzählt“, eröffnet Pit das Gespräch.

Ich sehe kurz zu unserer gemeinsamen Freundin hinüber und hebe die Augenbrauen, dann wende ich mich wieder an Pit: „Von dir hat sie leider gar nichts erzählt. Ich habe vorhin erst von deiner Existenz erfahren. Scheinbar sind wir doch nicht beste Freunde, wie ich es bisher dachte.“

Das bringt mir einen Schlag gegen den Arm ein.

Pit beobachtet uns amüsiert und macht mir ein Angebot: „Frag mich, was auch immer du willst. Ich beantworte alles.“

Kapitel 2 - Pit

Das ist mein voller Ernst. Soll er ruhig fragen, was er wissen will. Ich bin ein sehr offener Mensch und lerne gern neue Leute kennen.

Micha ist mir auf Anhieb sympathisch. Das hatte mir Alina schon prophezeit.

„Also? Was möchtest du wissen?“, frage ich noch einmal.

„Gerade fällt mir nichts ein“, erwidert Micha schulterzuckend. „Aber sobald sich das ändert, werde ich es dich wissen lassen.“

„Drückst du dich immer so geschwollen aus?“, frage ich belustigt.

„Ganz eindeutig ja“, antwortet Alina schnell. „Er ist der höflichste Mensch, den ich kenne.“

„Ich sehe bloß keinen Sinn darin, ständig zu fluchen“, verteidigt er sich.

Ich lasse meinen Blick über Micha schweifen, von den Füßen bis zu seinen Augen hinauf.

Er hat ein sportliches Auftreten, fällt mir auf. Seine Hände sehen sehr gepflegt aus. Vermutlich arbeitet er mehr mit dem Kopf, als mit dem Körper.

Ich überlege kurz, ob Alina erzählt hat, was Micha beruflich macht, kann mich aber nicht erinnern.

„Hör auf damit“, wispert mir jemand ins Ohr.

Ich drehe mich zu der Stimme um und stelle fest, dass Alina ganz dicht neben mir sitzt.

„Womit soll ich aufhören?“, frage ich verwirrt.

„Ihn so intensiv zu mustern. Erstens steht er auf Frauen und zweitens ist er verheiratet“, ruft sie mir ins Gedächtnis.

Ich verdrehe die Augen und seufze: „Ob du es glaubst oder nicht ... Das ist mir auch schon aufgefallen. Außerdem interessiert er mich in dieser Beziehung überhaupt nicht.“

„Was gibt es da zu flüstern?“, will Micha neugierig wissen.

„Nicht so wichtig“, winke ich ab. „Mich würde interessieren, was du beruflich machst.“

Hoffentlich war der Themenwechsel nicht zu offensichtlich, überlege ich. Andererseits interessiert mich wirklich, was er arbeitet.

„Das ist nicht so spektakulär“, erklärt Micha. „Ich bin in der IT-Branche – Programme entwickeln und so weiter.“

„Klingt aber trotzdem spannend. Ich bin schon froh, wenn ich mein Handy bedienen kann“, merke ich an und freue mich, dass ich mit meiner Vermutung recht hatte.

„Nun ja“, antwortet er. „Damit habe ich keine Probleme. Ich arbeite viel von zu Hause aus und sitze vor meinem Laptop. Aber ich mag meine Arbeit.“

Ich nicke anerkennend. Für mich ist es immer sehr wichtig, dass man Spaß an seiner Arbeit hat und sie nicht einfach stupide verrichtet, weil es eben sein muss.

„Eins möchte ich doch von dir wissen“, fällt Micha ein.

Aufmunternd nicke ich ihm zu und bin gespannt, was jetzt kommt.

„Wie hast du Alina kennengelernt?“

Lachend werfe ich zuerst Alina und dann Micha vielsagende Blicke zu.

„Wehe“, warnt mich Alina.

„Ich habe versprochen, die genauen Umstände unseres Kennenlernens niemandem zu verraten. Deshalb kann ich dir diese Frage nicht beantworten. Tut mir leid“, lautet meine Antwort, nach der auch Alina mir dankbar zulächelt.

„Schade“, sagt Micha bedauernd. „Dann werde ich die Geschichte auf andere Weise herausfinden müssen.“

„Können wir jetzt tanzen gehen?“, mischt sich Tanja ein und zieht ihn mit sich.

„Er gefällt dir“, stellt Alina fest, als wir allein sind.

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern.

„Ja, er ist nett. Aber das habe ich auch erwartet. Schließlich bist du mit ihm befreundet“, erwidere ich.

Sie mustert mich mit zusammengekniffenen Augen, sagt aber nichts.

„Vielleicht sollte ich ihm doch unsere Kennenlerngeschichte erzählen“, überlege ich laut.

„Das würde dir nicht gut bekommen!“, warnt sie mich.

„Also gut“, mache ich einen Vorschlag. „Ich behalte die Story für mich, wenn du damit aufhörst, etwas in meinen Blick hinein zu interpretieren, was da gar nicht ist, einverstanden?“

Sie seufzt auf und nickt hilflos.

Warum denken alle, Schwule flirten mit allen Männern, die ihnen über den Weg laufen, denke ich genervt. Dabei müsste sie es eigentlich besser wissen. Er ist nett, mehr aber auch nicht.

Schweigend nippen Alina und ich an unseren Getränken.

„Magst du tanzen?“, frage ich irgendwann gelangweilt.

„Wenn das deine Stimmung hebt“, antwortet sie belustigt.

Also greife ich nach ihrer Hand und wir begeben uns auf die Tanzfläche.

Ich bin kein besonders guter Tänzer, aber immerhin schaffe ich es, niemandem auf die Füße zu treten. Außerdem liebe ich es, mich in der Musik zu verlieren.

Es dauert nicht lange, bis mein Shirt durchgeschwitzt ist. Die Luft in dem Club ist stickig und es sind viele Leute um uns herum.

Trotzdem tanze ich weiter und genieße den Rhythmus der Musik und die Bässe aus den Boxen. Fast habe ich das Gefühl, mein Herz schlägt im selben Takt.

„Ich muss etwas trinken gehen“, ruft mir Alina zu und geht schon zu unserem Platz zurück.

Einen Moment später sehe ich, wie sich Micha und Tanja einen Weg durch die Tanzenden bahnen. Scheinbar brauchen auch sie eine Pause.

Ich tanze weiter, bis das Lied zu Ende ist und gehe ihnen nach.

„Fertig getanzt?“, fragt Alina augenzwinkernd.

Ich verkneife mir die Antwort und strecke ihr stattdessen die Zunge heraus.

„Du magst es zu tanzen, oder?“, fragt Micha, ehrliches Interesse im Blick.

„Ich bewege mich gern zur Musik“, antworte ich ausweichend.

Er lächelt mir zu und ich muss unwillkürlich mitlächeln.

„Ich bin auch kein Preistänzer“, räumt er ein. „Aber es macht mir Spaß und Tanja schafft es, mich dabei nicht allzu blöd aussehen zu lassen.“

„Mir ist es total egal, wie ich dabei aussehe. Es macht mir Spaß und Punkt. Wer es nicht sehen will, soll woanders hingucken“, gebe ich zurück und trinke einen großen Schluck aus meinem Glas. „Auf geht’s, zur nächsten Runde.“

Kurz bevor ich mich wieder in der Musik verlieren kann, tippt mir jemand auf den Rücken. Erschrocken drehe ich mich um und sehe Micha vor mir stehen.

„Was ist los?“, frage ich laut, damit er mich trotz der lauten Musik versteht.

„Ich möchte auch noch eine Runde tanzen. Zeigst du mir ein paar Schritte?“, erwidert er ebenfalls schreiend.

„Deine Frau hat dich wirklich mal aus den Augen gelassen?“, frage ich sarkastisch.

„Ob du es glaubst oder nicht“, erklärt er verschmitzt grinsend, „sie hat noch nicht gemerkt, dass ich weg bin.“

Ich muss lachen und animiere ihn zum Tanzen.

Wir bewegen uns zur Musik und witzeln herum. Auf jeden meiner Sprüche hat Micha sofort eine Antwort. Umgedreht ist es nicht anders.

Das macht Spaß, überlege ich. Vielleicht ist er der erste richtige Kumpel, den ich hier finde.

Ich habe zwar schon einige Kontakte geknüpft, aber das sind mehr Bekannte als Freunde.

Eigentlich bin ich hier nur mit Alina richtig befreundet.

Doch ehe ich meine Gedankengänge beenden kann, kommt Tanja auf uns zugestürmt. Sie sagt Micha etwas ins Ohr, woraufhin er die Schultern hängen lässt, aber versucht, sich nichts anmerken zu lassen.

„Wir müssen uns verabschieden“, ruft er mir zu. „Morgen heißt es wieder zeitig aufstehen.“

„Schade“, erwidere ich bedauernd. „Aber wir sehen uns jetzt bestimmt öfter.“

Er nickt zustimmend, legt Tanja den Arm um die Taille und geht mit ihr in Richtung Tür.

„Was ist passiert?“, fragt Alina, die plötzlich neben mir steht und den beiden zweifelnd hinterherblickt.

„Sie haben sich verabschiedet“, erkläre ich. „Micha meinte, sie müssen morgen zeitig aufstehen.“

Jetzt richtet sie ihren ungläubigen Blick auf mich.

„Eine Ausrede, wenn du mich fragst“, füge ich an und sie nickt.

„Trinkst du noch einen Cocktail mit mir, ehe wir gehen?“, fragt sie hoffnungsvoll.

Da ich auch noch keine Lust habe den Abend zu beenden, gehen wir zurück zur Theke und bestellen uns noch etwas.

Kapitel 3 - Micha

Schweigend betreten Tanja und ich unsere Wohnung. Ich bin sauer, weil sie so plötzlich gehen wollte.

So müde und kaputt sieht sie gar nicht aus, überlege ich. Sie erträgt es nur nicht, wenn sie nicht im Mittelpunkt steht. Dabei habe ich mit Pit getanzt. Einem Mann! Ich könnte sie verstehen, wenn es um eine andere Frau ginge. Aber was kann sie gegen einen Mann haben?

„Warum kannst du Pit nicht leiden?“, frage ich geradeheraus.

„Wie kommst du darauf, dass ich Pit nicht mag?“, erwidert sie überrascht.

„Ich kenne dich. Dir hat es nicht gepasst, dass ich mit Pit so viel Spaß hatte“, konfrontiere ich sie.

Tanja wirft mir einen langen Blick zu und antwortet dann ganz ruhig: „Mir hat es nicht gepasst, dass du mich anscheinend vergessen hattest. Das hat nicht direkt etwas mit Pit zu tun. Er wirkt ganz okay, obwohl er mir etwas merkwürdig vorkommt.“

„Ich habe dich doch nicht vergessen. Wir haben nur ein bisschen getanzt und uns unterhalten. Ich wollte ihn besser kennenlernen. Du hättest auch einfach dazukommen können“, erkläre ich ihr die Situation und versuche dabei nicht zu wütend zu klingen.

„Es tut mir leid“, entschuldigt sich Tanja. „Ich habe überreagiert. Kommt nicht wieder vor.“

Obwohl ich nicht bereit bin, ihr schon zu verzeihen, nicke ich vor mich hin.

„Können wir jetzt ins Bett gehen?“, fragt sie einen Moment später, schlingt die Arme von hinten um mich und streicht mir über die Brust.

Ihr Versuch, mich zu versöhnen und meine Laune zu heben.

Heute kannst du das nicht einfach so wieder gut machen.

Ich gebe meinem Kopf recht und löse ihre Hände von mir.

„Ich muss duschen“, sage ich und lasse sie stehen.

„Was war gestern los?“, werde ich am nächsten Tag von Alina gefragt.

Kurz nachdem ich aufgestanden war, klingelte auch schon mein Handy.

Was für ein Glück, dass Tanja schon gegangen ist, geht mir durch den Kopf.

„Meine Frau hat sich unbeachtet gefühlt“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Und wo ist da das Problem?“, fragt Alina weiter.

„Tanja hat es nicht gepasst, dass ich mit Pit so viel Spaß hatte und sie am Tresen saß“, erkläre ich die Situation.

Ich höre, wie sie tief durchatmet, ehe sie antwortet: „Deine Frau ist echt nicht einfach, Micha. Wir waren traurig, als ihr einfach so abgehauen seid.“

Mit nur einem Satz hat sie mir ein schlechtes Gewissen gemacht.

„Glaub mir“, beginne ich, „der restliche Abend war auch alles andere als lustig. Ich war sauer auf sie und habe ihr das auch gesagt. Ob es etwas gebracht hat, weiß ich allerdings nicht.“

Eine Weile herrscht Schweigen in der Leitung.

Jetzt ist Alina auch noch sauer auf mich, denke ich frustriert. Klasse gemacht, Tanja!

„Wollen wir das nächste Treffen in einem anderen Rahmen abhalten?“, erkundigt sich Alina plötzlich.

„Woran hast du da gedacht?“, frage ich zurück.

„Ein Essen zu viert“, erwidert sie knapp.

Ich lasse mir ihren Vorschlag kurz durch den Kopf gehen.

„Klar, warum nicht. Sagt mir Bescheid, wann ihr könnt.“

„Wird gemacht. Dann bis später“, verabschiedet sie sich.

Ich freue mich jetzt schon, stelle ich fröhlich fest. Pit und ich könnten gute Freunde werden.

Obwohl wir uns erst einmal gesehen haben, mag ich ihn. Seine offene Art gefällt mir.

Gedankenversunken starte ich meinen Laptop.

Der große Vorteil von zu Hause aus zu arbeiten ist, ich kann meinen Gedanken nachhängen und niemand bemerkt es, solange ich meine Arbeit ordentlich mache. Als ich darauf warte, dass mein Laptop bereit ist, fasse ich einen Entschluss.

Ich werde Tanja dazu bringen, meinen Standpunkt zu verstehen und Pit zu akzeptieren.

Ein paar Tage später sitzen wir zu viert in einem Restaurant. Die Stimmung ist zwar etwas angespannt, aber ich unterhalte mich gut mit Pit.

Wir haben einige Gemeinsamkeiten und den gleichen Humor. Tanja versucht, sich ihre Langeweile nicht anmerken zu lassen.

Ihr ist klar, dass sie dich nicht mehr mit so einer fadenscheinigen Ausrede weglocken kann, vermutet meine innere Stimme.

Anfangs habe ich versucht, sie in unsere Gespräche mit einzubinden, nachdem sie aber nie mehr als zwei Worte beigetragen hat, habe ich es aufgegeben.

Soll sie sich doch langweilen, wenn sie unbedingt will!

Irgendwann entschuldigt sie sich und geht zur Toilette.

„Was ist denn mit deiner Frau los?“, fragt Pit sofort nach.

„Ich habe keine Ahnung“, erwidere ich. „Vielleicht ist ihr unsere Unterhaltung zu langweilig.“

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern.

Bevor irgendwer noch etwas sagen kann, kommt der Kellner mit den Getränken.

„Könntest du mal aufhören, ständig den Hintern unserer Bedienung anzusehen“, flüstert Alina Pit genervt zu.

„Hast du etwas gesagt?“, fragt Pit unschuldig. „Ich war von dem Hintern unserer Bedienung abgelenkt.“

Alina verdreht die Augen.

„Ach komm schon...“, versucht Pit sie zu besänftigen. „Du musst zugeben, der Typ hat nichts zu verstecken.“

In dem Moment macht es bei mir Klick.

„Du stehst auf Männer?“, frage ich überrascht.

„Ja. Hast du ein Problem damit?“, fragt Pit zurück.

Energisch schüttele ich den Kopf.

„Nein, natürlich nicht. Ich bin nur überrascht“, erwidere ich.

Pit mustert mich genau.

„Ich glaube, ich weiß warum“, sagt er schließlich.

Dann schlägt er die Beine übereinander, legt die Hände - ebenfalls übereinander - auf sein Knie und blinzelt aufgeregt.

Er sagt durch die Nase und mit übertrieben hoher Stimme: „Ist es so besser, Schätzelein?“

Dabei streicht er sich mit dem kleinen Finger über die Augenbraue. Schließlich klatscht er mir mit der Hand sanft auf den Oberschenkel.

„Darauf stehst du doch!“, stellt er fest.

Kapitulierend hebe ich die Hände.

„Ist ja gut“, sage ich ertappt. „Du hast recht. Ich habe eine sehr klischeehafte Vorstellung von Schwulen, die ich hiermit revidiere.“

Alina, Pit und ich lachen herzlich über dieses kleine Schauspiel.

In dem Moment kommt Tanja zurück.

„Machst du etwa meinen Mann an?“, fragt sie Pit.

„Nein, nein“, sage ich schnell. „Er hat mir nur gezeigt, wie vorsintflutlich ich bin.“

Tanja sieht uns skeptisch an, nimmt es aber so hin.

Woher wusste sie, dass Pit auf Männer steht, frage ich mich. Vielleicht ist es ihr aber auch eben erst klargeworden. Schließlich war die Situation eindeutig.

Ich fühle mich gezwungen, ihr eine Hand auf den Oberschenkel zu legen, um sie herunterzubringen. Sie entspannt sich sofort unter meiner Berührung.

Da hast du das Essen gerade noch einmal gerettet, sagt mein Kopf anerkennend.

Kapitel 4 - Pit

„Was machst du in deiner Freizeit?“, lautet die nächste Nachricht von Micha.

Wir schreiben schon den halben Tag hin und her.

Unsere Nummern auszutauschen war eine gute Idee, überlege ich. So lernen wir uns viel besser kennen und es gibt keine Tanja, die mit ihrer schlechten Laune dazwischenfunkt.

Ich habe meinen Spaß an unserem Geplänkel. Wir betreiben eine Art Frage-Antwort-Spiel.

„Ich gehe exzessiv spazieren und spiele Schlagzeug“, antworte ich.

„Oh, das klingt gefährlich! Schlagzeug?“, lautet die Antwort, geschmückt mit einigen belustigten Emojis.

Ich lächle vor mich hin, während ich über meine nächsten Worte nachdenke.

„Wenn ich spazieren gehe, müssen schon ein paar Kilometer zusammenkommen. Sonst laufe ich gar nicht erst los. Also, überlege dir vorher, ob du dich dazu bereit fühlst. Ja, Schlagzeug. Das ist mein Instrument und ich spiele, so oft es geht. Es hilft mir, einen klaren Kopf zu bekommen.“

„Deshalb bist du so trainiert. Ich dachte, du gehst ins Fitnessstudio.“

Bei Michas Antwort muss ich laut lachen. Ich habe noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen. Ganz im Gegenteil: Ich hasse Sport! Deshalb wohne ich auch im Erdgeschoss.

„Was sind deine Hobbys?“, schreibe ich und lege mich gemütlich auf die Couch.

„Ich gehe gern in Clubs. Genauso mag ich es aber auch, einen gemütlichen Abend zu Hause zu haben.“

Die Antwort irritiert mich etwas.

„Hast du auch richtige Hobbys? Basteln, schwimmen, rätseln oder etwas in der Art?“, frage ich deshalb genauer nach.

Es dauert eine Weile, ehe mein Handy erneut piept.

„Nein“, ist alles, was Micha geschrieben hat.

Mir bleibt der Mund offenstehen. Ich habe noch nie gehört, dass jemand keine Hobbys hat. Genau das schreibe ich ihm dann auch und beschließe, etwas zu finden, das ihm Spaß macht.

„Ich bin für alles Neue offen“, bekomme ich als Antwort.

Ungeahnte Möglichkeiten, flüstert mir meine innere Stimme zu.

Plötzlich spüre ich einen großen Tatendrang.

Ich werde ein Hobby für Micha finden.

„Super. Gibt es schon einen Termin für unser nächstes Treffen?“, traue ich mich deshalb zu fragen, und warte gespannt auf die Antwort.

„Nein, aber ich sage dir Bescheid.“

Das dämpft meine Vorfreude etwas, aber es gibt mir auch die Möglichkeit, wirklich über die Problematik nachzudenken.

Mein Blick wandert zur Uhr.

Mist!

„Muss los. Bin mit Alina zum Kaffee verabredet.“

Ich springe auf und ziehe mir schnell meine Sachen an.

Bevor ich aus der Tür stürme, lese ich Michas Antwort.

„Kein Problem. Ich muss auch noch ein bisschen arbeiten.“

Bedauernd stecke ich mein Handy in die Tasche und mache mich auf den Weg.

Etwas außer Atem stehe ich wenig später bei Alina vor der Tür.

„Du bist spät dran“, stellt sie fest, als sie mich eintreten lässt.

„Dir auch einen schönen Tag“, gebe ich zurück und gehe schnurstracks in die Küche.

Alinas Leben spielt sich hauptsächlich in ihrer Küche ab. Sie hat eine große Wohnküche mit Esstisch in der Mitte. Dafür ist ihr Wohnzimmer sehr klein.

„Zu winzig, um darin Besuch zu empfangen“, findet sie.

Mir soll es recht sein. Ich brauche nicht viel, um mich irgendwo wohl zu fühlen. Ein Stuhl und ein Kaffee reichen mir vollkommen.

„Trinkst du einen Kaffee mit mir?“, fragt sie auch schon, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Habe ich dazu jemals nein gesagt?“, erwidere ich grinsend.

Ich beobachte Alina, wie sie zwei Tassen aus dem Schrank nimmt und ungeduldig mit den Fingern auf der Arbeitsplatte herumtrommelt, bis die Maschine beide Tassen mit Kaffee gefüllt hat. Dann gesellt sie sich zu mir an den Tisch.

„Heute schwarz?“, frage ich und deute auf ihre Tasse.