Wie man einen Toaster überlistet - Cory Doctorow - E-Book

Wie man einen Toaster überlistet E-Book

Cory Doctorow

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Beschreibung

Nach vielen Jahren in Flüchtlingsheimen und Notunterkünften kann Salima endlich in ein Hochhausapartment umziehen. Das Gebäude ist zwar neu, aber damit fangen die Probleme erst an: Der intelligente Toaster gibt auf einmal den Geist auf und nimmt nur noch das Brot der Toastermarke an. Dann fällt der Kühlschrank aus. Als Salima feststellt, dass selbst der Fahrstuhl die ärmeren Mieter benachteiligt, fasst sie einen Entschluss. Es muss doch einen Weg geben, sich in die Haushaltsgeräte zu hacken und sie wieder frei verfügbar zu machen! Gesagt, getan ...

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Das Buch

Nach vielen Jahren in Flüchtlingsheimen und Notunterkünften kann Salima endlich in ein Hochhausapartment umziehen. Das Gebäude ist zwar neu, aber damit fangen die Probleme erst an: Der intelligente Toaster gibt auf einmal den Geist auf und nimmt nur noch das Brot der Toastermarke an. Dann fällt der Kühlschrank aus. Als Salima feststellt, dass selbst der Fahrstuhl die ärmeren Mieter benachteiligt, fasst sie einen Entschluss. Es muss doch einen Weg geben, sich in die Haushaltsgeräte zu hacken und sie wieder frei verfügbar zu machen! Gesagt, getan …

»Cory Doctorow erinnert uns daran, dass die Zukunft, für die wir uns entscheiden, auch die ist, in der wir leben werden.«

Edward Snowden

Der Autor

Cory Doctorow ist Schriftsteller, Journalist und Internet-Ikone. Mit seinem Blog auf boingboing.net und seinem Kampf für ein faires Copyright hat er weltweit Berühmtheit erlangt. Sein Roman »Little Brother« wurde ein internationaler Bestseller. Doctorow lebt mit seiner Familie in Los Angeles.

Mehr zu Cory Doctorow und seinen Büchern auf:

diezukunft.de

Cory Doctorow

Wie maneinen Toasterüberlistet

Roman

Aus dem Englischen vonJürgen Langowski

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der Originalausgabe:

UNAUTHORIZED BREAD

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 05/2019

Redaktion: Joern Rauser

Copyright © 2018 by Cory Doctorow

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-24176-6V001

diezukunft.de

So fand Salima heraus, dass Boulangism pleite war: Ihr Toaster akzeptierte das Brot nicht mehr. Sie hielt die Scheibe davor und wartete darauf, dass ihr der Bildschirm das Emoji mit dem Daumen nach oben zeigte, doch stattdessen erschien das Symbol, das sich am Kopf kratzte. Gleichzeitig war ein leises Brrt zu hören. Noch einmal wedelte sie mit der Scheibe Brot. Brrt.

»Nun mach schon.« Brrt.

Sie schaltete den Toaster aus und wieder ein. Dann zog sie den Stecker, zählte bis zehn und schloss das Gerät erneut an. Schließlich arbeitete sie sich durch die Menüs, bis sie den Punkt »Auf Werkseinstellungen zurücksetzen« gefunden hatte. Sie wartete drei Minuten und gab das WLAN-Passwort neu ein.

Brrt.

Schon lange bevor sie diese Phase erreichte, wuchs die Gewissheit, dass es vergebliche Liebesmüh war. Aber so machte man es eben, wenn ein elektronischer Apparat nicht mehr funktionierte, damit man anschließend die 800er-Nummer anrufen und sagen konnte: »Ich habe das Gerät aus- und wieder eingeschaltet, ich habe den Stecker gezogen und alles auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt …«

Der Touchscreen des Toasters riet ihr, den Support zu kontaktieren, aber der entsprechende Menüpunkt funktionierte nicht. Deshalb suchte sie die Nummer am Kühlschrankdisplay heraus und wählte. Es läutete siebzehnmal, dann wurde die Verbindung getrennt. Sie seufzte schwer. Schon wieder ein Gerät im Eimer.

Der Toaster war nicht das erste Küchengerät, das den Geist aufgegeben hatte – diese Ehre gebührte dem Geschirrspüler, der eine Woche vorher, als Disher insolvent geworden war, aufgehört hatte, das Geschirr von Drittherstellern zu akzeptieren. Aber das hier brachte das Fass zum Überlaufen. Abwaschen konnte sie zur Not von Hand, aber wie zum Teufel sollte sie sich jetzt einen Toast zubereiten? Über einer Kerze vielleicht?

Um ganz sicherzugehen, fragte sie den Kühlschrank nach Schlagzeilen über Boulangism, und dann kam es. Buchstäblich über Nacht war die Blase geplatzt. In den sozialen Netzwerken meldeten sich unzählige wütende Betroffene wegen ihres Frühstückstoasts. Sie tippte auf eine Schlagzeile und erfuhr, dass Boulangism schon seit mindestens sechs Monaten als Geisterschiff galt. So lange versuchten die Sicherheitsforscher bereits, die Firma zu erreichen und den Verantwortlichen zu erklären, dass alle Nutzerdaten – Passwörter, Log-ins, Bestell- und Rechnungsdaten – ohne jegliche Sicherung oder Verschlüsselung im Internet frei zugänglich waren. In der Datenbank fanden sich sogar Lösegeldforderungen – von den Hackern eingefügte Datensätze, in denen sie Zahlungen in Kryptowährung verlangten, wenn sie das schmutzige Geheimnis, wie schlampig Boulangism mit den Daten umging, für sich behalten sollten. Die Firma war praktisch abgetaucht.

Im Laufe des letzten Jahres war der Aktienkurs von Boulangism um achtundneunzig Prozent gefallen. Vielleicht existierte das Unternehmen überhaupt nicht mehr. Unter dem Firmennamen hatte sich Salima immer die französische Bäckerei vorgestellt, die auf dem Bildschirmschoner des Toasters zu sehen war. Überall Mehlstaub, klobige Holztische mit dicht an dicht liegenden knusprigen Brotlaiben. Sie hatte an eine knarrende Treppe gedacht, die von der Bäckerei nach oben zu den beengten Büros führte, aus denen man das Kopfsteinpflaster der Straße sah. Und die Gaslaternen.

Der Artikel enthielt eine Straßenansicht des Hauptsitzes von Boulangism. Es war ein vierstöckiges Bürogebäude in Pune in der Nähe von Mumbai, hinter einer Mauer gelegen und mit einem unbesetzten Wachhäuschen am Eingang.

Die Boulangism-Blase war geplatzt, und das bedeutete, dass niemand mehr antwortete, wenn Salimas Toaster sich erkundigte, ob das Brot, das die Besitzerin rösten wollte, von einem autorisierten Boulangism-Bäcker stammte, was in diesem Fall sogar zutraf. Da keine Antwort kam, ging der paranoide kleine Apparat davon aus, dass Salima zu den ruchlosen Betrügern zählte, die einen Boulangism-Toaster mit Preisnachlass gekauft hatten und dann ihren Teil der Abmachung nicht einhielten und unautorisiertes Brot hineinschoben. Die Konsequenzen dieser Tat reichten von schlechten Toastergebnissen bis zu einem Brand in der Küche. Boulangism war fähig, den Toastvorgang in Echtzeit anzupassen und dabei die Luftfeuchtigkeit in der Küche oder das Alter des Brots zu berücksichtigen. Natürlich weigerte sich das Gerät zum Wohl der Benutzer, Brot zu toasten, das über die Maßen altbacken war; von der Gewinneinbuße für die Firma und die Anteilseigner mal ganz zu schweigen. Ohne Profit gab es keine überschüssigen Mittel, die man in Forschung und Entwicklung stecken konnte, um unablässig Verbesserungen zu ersinnen. Kaum ein Tag verging, an dem Salima und Millionen andere Boulangism-Berechtigte (sie waren keineswegs einfach nur »Kunden«) aufwachten, ohne eine aufregende neue Firmware für die geliebten Toaster zu bekommen.

Und die Bäckereipartner von Boulangism? Sie hatten das Richtige getan, indem sie eine Boulangism-Lizenz beantragt und ihre Herstellungsprozesse den Inspektionen und der Qualitätssicherung unterworfen hatten, die dafür sorgten, dass ihr Brot genau die nötige Zusammensetzung hatte, damit es in den Präzisionsgeräten von Boulangism perfekt getoastet werden konnte. Röstung und Saugfähigkeit waren exakt ausgewogen, damit das Brot die Butter und andere Aufstriche aufnehmen konnte. Die geschätzten Partnerunternehmen hatten es verdient, dass ihr Streben nach höchster Qualität honoriert wurde. Das alles durfte nicht durch Schnäppchenjäger und Spitzbuben gefährdet werden, die niederträchtigerweise irgendein hergelaufenes altes Brot toasten wollten.

Salima kannte diese Argumente. Es wäre nicht nötig gewesen, dass ihr dummer Toaster nach drei erfolglosen Brotautorisierungsversuchen auch noch ein Video abspielte, um ihr das alles darzulegen. Es gab keinen Pausenknopf und keine Stummschaltung – anscheinend eine Kombination aus Strafe und Umerziehungsmaßnahme.

Am Kühlschrank suchte sie nach »Boulangism Hacks« und »Boulangism Entsperrcodes«, doch die Geräte hielten zusammen. Die Netzwerkfilter von KitchenAid fingen ihre Suchanfragen ab und behaupteten höhnisch, es gäbe »keine Ergebnisse«, obwohl Salima ganz genau wusste, dass sich eine ganze Untergrundökonomie mit unautorisiertem Brot befasste.

In einer halben Stunde musste sie zur Arbeit, und sie hatte noch nicht einmal geduscht, aber verdammt, erst der Geschirrspüler und jetzt der Toaster. Sie holte den Laptop, den sie gebraucht gekauft hatte und der inzwischen kaum noch funktionierte. Der Akku war längst kaputt, und sie musste die Zahnbürste abklemmen, um an ein freies Ladekabel zu kommen. Nachdem sie gebootet und das Gerät ein Dutzend Softwareupdates geladen hatte, konnte sie endlich den Darknetbrowser starten, den sie dort installiert hatte, und sich gründlich umsehen.

An diesem Tag kam sie fünfundvierzig Minuten zu spät zur Arbeit, aber zum Frühstück hatte es Toast gegeben. Verdammt auch.

Als Nächstes war der Geschirrspüler an der Reihe. Sobald Salima das richtige Forum gefunden hatte, wäre es verrückt gewesen, den Apparat nicht freizuschalten. Schließlich hatte sie ihn bezahlt, und jetzt war er nur noch Elektroschrott. Sie war keineswegs die Einzige, bei der fast gleichzeitig die Geräte von Disher und Boulangism ausgefallen waren. Ein paar arme Schlucker hatten das Pech, gleich mehrere Geräte von HP-Newscorp zu besitzen – Kühlschränke, Zahnbürsten und sogar Sexspielzeug. Durch einen Ausfall des Cloudproviders Tata waren sie auf einen Schlag unbrauchbar geworden. Diese Störung hatte zwar nichts mit Disher / Boulangism zu tun, aber alle waren sich einig, dass das Timing mehr als unglücklich war.

Wie Salima herausfand, gab es für den Niedergang von Disher und Boulangism tatsächlich einen gemeinsamen Grund. Die Aktien beider Firmen waren börsennotiert, und Summerstream Funds Management, der größte Hedgefonds auf der Erde, der 184 Milliarden Dollar verwaltete, hatte mehr als zwanzig Prozent der Aktien gekauft. Summerstream war ein »aktiver Investor« und konzentrierte sich vor allem auf Aktienrückkäufe. Sobald der Hedgefonds in den Aufsichtsräten der beiden Firmen einen Sitz beanspruchen konnte – beide wurden von Galt Baumgardner wahrgenommen, einem Juniorpartner des Hedgefonds, der aus einer sehr angesehenen Familie aus Kansas stammte –, hatten sie einen Berater von Deloitte angeheuert, um die Finanzen der Firmen zu überprüfen und ein Rückkaufprogramm zu empfehlen, das den Anteilseignern eine satte Wertsteigerung bescherte, ohne das operative Vermögen der Firmen so weit zu beschneiden, dass die Unternehmen in Gefahr gerieten.

Natürlich war das alles mathematisch belegt. Die Firmen konnten es sich leisten, ein paar Milliarden an die Anteilseigner zu übertragen. Sobald man dies festgestellt hatte, blieb den Aufsichtsräten gar nichts anderes übrig, als treuhänderisch für den Antrag zu stimmen, was ihnen ohnehin recht gelegen kam, weil auch sie dicke Aktienpakete besaßen. Ein paar Milliarden Dollar später wären die Firmen schlank, bissig und kampfbereit und vermissten das Geld überhaupt nicht mehr.

Ups.

Summerstream gab eine Presseerklärung heraus (die in den Foren, die Salima jetzt wie besessen las, oft zitiert wurde) und schob es auf die »Volatilität« und »Alpha«, und es sei »sehr unglücklich und enttäuschend verlaufen«. Sie waren zuversichtlich, dass die beiden Firmen, vielleicht nach einem raschen Verkauf an einen Konkurrenten, durch eine Restrukturierung die Insolvenz bald überwinden würden, sodass in ein oder zwei Monaten alle wieder Brot toasten und Geschirr spülen konnten.

So lange wollte Salima nicht warten, und so leicht wollte sie Boulangism nicht davonkommen lassen. Nachdem sie die neue Firmware aus dem Darknet heruntergeladen hatte, nahm sie die Verkleidung des Geräts ab (sie musste drei Kontrollsiegel und einen großen Warnaufkleber durchschneiden, der ihr mit Elektroschocks und Strafverfolgung oder sogar beidem gleichzeitig drohte, falls sie wirklich so dumm wäre, die Warnung zu missachten), suchte eine bestimmte Komponente und schloss beim Neustart des Geräts zwei Pins mit einer Pinzette kurz. So kam der Toaster in einen Testmodus, den die Hersteller deaktiviert, aber nicht entfernt hatten. Als sie die Verkleidung abgenommen hatte, waren USB-Anschlüsse, ein Monitoranschluss und sogar eine kleine Netzwerkbuchse zum Vorschein gekommen; das alles gehörte standardmäßig zu dem verbreiteten Einplatinenrechner, der das Gerät steuerte. Sobald der Testbildschirm sichtbar wurde, musste sie den USB-Stick genau im richtigen Augenblick einführen und auf der eingeblendeten Tastatur den Benutzernamen und das Passwort eintippen: »admin« und noch einmal »admin«. Aber natürlich.

Sie brauchte drei Versuche, bis das Timing stimmte. Beim dritten Anlauf wich der schlichte Log-in-Bildschirm der kitschigen ASCII-Animation der illegalen Firmware. Es war ein dreidimensionaler Totenkopf. Sie lächelte und lachte laut, als ein ASCII-Toast herbeiflog, den der Totenkopf fröhlich mampfte. Die Krümel regneten zum unteren Rand des Bildschirms hinab und sammelten sich zu stetig wachsenden kleinen Haufen. Irgendjemand hatte sich mit dieser lächerlichen kleinen Animation viel Mühe gegeben. Salima fühlte sich gut, denn sie hatte den Eindruck, ihren Toaster nachdenklichen, ernsthaften Könnern anzuvertrauen und nicht irgendwelchen Wilden, die es nur darauf anlegten, die gesichtslosen Programmierer einer großen dummen Firma zu übertrumpfen.

Die Krümel sammelten sich, der Schädel mampfte, und der Fortschrittsbalken sprang von zwölf auf 26 Prozent, dann auf 34, wo er zehn Minuten lang verharrte, bis sie fast schon bereit war, den Stecker zu ziehen und das Gerät endgültig zu schrotten. Aber dann sprang die Anzeige auf 58 Prozent, und so ging es weiter, bis sie bei 99 Prozent abermals quälend lange warten musste. Schließlich flogen die Krümel vom Boden des Bildschirms wieder hoch, sausten rückwärts durch den Mund des Schädels heraus und verwandelten sich in die Scheibe Toastbrot zurück. Hinter der Wolke aufsteigender Krümel war der Totenkopf kaum noch zu sehen. Zuletzt brannte sich die Meldung VORGANG ABGESCHLOSSEN in die Toastscheibe ein, von der inzwischen glänzende Butter tropfte. Als sie zum Handy greifen und den beeindruckenden illegalen Startbildschirm fotografieren wollte, blinkte das Display, und der Toaster startete sich neu.

Ein paar Sekunden später hielt sie eine Scheibe Brot vor den Sensor des Toasters und beobachtete, wie sich die Lampe grün färbte und die Klappe aufging. Als sie den Toast halb verspeist hatte, wurde sie neugierig. Sie hielt die Hand vor den Toaster und zeigte ihm die Handfläche, als wäre sie eine Scheibe Brot. Das Licht wechselte zu Grün, und die Klappe ging auf. Sie war in Versuchung, eine Gabel, eine Serviette oder einen Apfelschlitz zu toasten, um zu testen, ob der Toaster es tatsächlich tat, hielt sich aber zurück. Natürlich würde er es tun.

Es war jetzt ein ganz neuer Toaster. Ein Toaster, der Befehle annahm, statt sie zu erteilen. Ein Toaster, der ihr genug Spielraum gab, um sich selbst umzubringen. Sie konnte einen Akku oder eine Haarspraydose grillen, oder was auch immer sie sonst wollte. Vor allem aber unautorisiertes Brot. Sogar selbst gebackenes Brot. Bei der Vorstellung wurde ihr ein wenig flau und zittrig. In Büchern hatte sie gelesen, dass es so etwas gab, und in alten Filmen hatte sie es auch gesehen, aber sie kannte niemanden, der tatsächlich Brot backte. Das war, als wollte man Möbel aus Baumstämmen herausknabbern oder so.

Die Zutaten waren unglaublich simpel. Der erste Brotlaib sah aus wie ein Hundehaufen-Emoji, schmeckte aber, noch warm aus dem kleinen Toaster, wirklich erstaunlich. Der Laib – na gut, der Klumpen –, den sie aufhob und am nächsten Morgen toastete, war sogar noch besser, und erst recht, als sie Butter daraufstrich. An diesem Tag ging sie mit einem zauberhaften, warmen, toastigen Gefühl im Bauch zur Arbeit.

Am Abend knöpfte sie sich den Geschirrspüler vor. Die Geschirrspülerhacker erwiesen sich als viel pragmatischer, aber sie waren auch Schweden, wenn man den URLs in den README-Dateien glauben konnte. Das erklärte möglicherweise den Minimalismus. Sie war mal bei Ikea gewesen und verstand es. Das Gerät von Disher war lange nicht so kompliziert wie das von Boulangism. Salima öffnete die Wartungsklappe, nahm die Gummidichtung vom USB-Anschluss, steckte den Stick hinein und rebootete das Gerät.

Der Bildschirm zeigte eine Menge rasch ablaufenden Text und ein paar unverständliche Fehlermeldungen, dann startete das Gerät neu und schien sich im normalen Disher-Betriebsmodus zu befinden. Nur eben ohne die blinkenden roten Meldungen, der Server sei nicht erreichbar, die sie eine Woche lang gesehen hatte.

Sie räumte das Geschirr aus dem Spülbecken in den Geschirrspüler und bekam jedes Mal eine kleine Gänsehaut, wenn die Maschine mit einem Arpeggio verkündete, sie habe »neues Geschirr erkannt«.

Sie spielte mit dem Gedanken, einen Töpferkurs zu besuchen.

Die Erfahrungen mit dem Geschirrspüler und dem Toaster veränderten sie, auch wenn sie nicht gleich sagen konnte, in welcher Hinsicht. Als sie am nächsten Tag die Wohnung verließ, betrachtete sie nachdenklich die Reihe der Aufzüge und den Vorrangknopf der Feuerwehr unter dem Rufbildschirm. Sie dachte darüber nach, dass die Mieter der Sozialwohnungen auf ihren Stockwerken dreimal so lange auf den Aufzug warten mussten, weil sie nur die Kabinen mit den rückwärtigen Türen benutzen durften, die zur hinteren Lobby und zu den billigen Wohnungen führten. Nicht einmal diese Kabinen hielten auf Salimas Stockwerk, wenn ein voll zahlender Bewohner eingestiegen war, denn – Gott behüte – diese Leute sollten keinesfalls die gleiche Luft wie ein ungewaschener Sozialfall atmen müssen.

Salima war überglücklich gewesen, als ihr endlich in den Dorchester Towers eine Wohnung zugewiesen wurde, weil die Wartezeit für die vom Planungsbüro vorgeschriebenen Sozialwohnungen mehrere Jahre betrug. Mittlerweile lebte sie bereits ein ganzes Jahrzehnt im Land. Die ersten fünf Jahre hatte sie in Arizona in einem Lager verbracht, wo in der drückenden Hitze ein Insasse nach dem anderen ums Leben gekommen war. Als das State Department endlich ihre Überprüfungen beendet hatte und sie entließ, empfing sie eine Sozialarbeiterin mit einem Beutel Kleidung, einer Prepaid-Kreditkarte und der Neuigkeit, ihre Eltern seien während Salimas Lageraufenthalt gestorben.

Schweigend nahm sie die Nachricht auf und ließ sich äußerlich nicht anmerken, wie sehr es sie schmerzte. Sie hatte schon vermutet, dass ihre Eltern tot waren, weil sie versprochen hatten, Salima einen Monat nach ihrer Ankunft in Arizona abzuholen, sobald ihr Vater alte Schulden eingetrieben und die Dokumente und Manipulationen der Datenbanken bezahlt hatte, damit er ins Flugzeug steigen, den Kontrollposten der US-Einwanderungsbehörde erreichen und Asyl beantragen konnte. Damals war sie noch ein Teenager gewesen, jetzt war sie eine junge Frau und hatte fünf harte Jahre im Lager hinter sich. Sie wusste, wie man Tränen zurückhielt. Also bedankte sie sich bei der Sozialarbeiterin und fragte, was mit den Toten geschehen sei.

»Auf See verloren«, erklärte die Frau. »Das Schiff und alle Passagiere sind spurlos verschwunden. Es gab keine Überlebenden. Die Italiener haben wochenlang die Gegend abgesucht, aber nichts entdeckt. Das Wrack ist sehr schnell gesunken. Angeblich sei minderwertige Software die Ursache gewesen.« Ein Schiff war ein Computer, in den man verzweifelte Menschen steckte, und wenn der Computer versagte, wurde das Schiff zum Grab, in dem verzweifelte Menschen starben.

Sie nickte, als verstünde sie es, obwohl ihr das Blut in den Ohren so laut rauschte, dass sie die eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte. Die Sozialarbeiterin erzählte ihr noch mehr und gab ihr verschiedene Papiere, darunter eine Greyhound-Fahrkarte nach Boston, wo man ihr in einer Behelfsunterkunft ein Bett zugewiesen hatte.