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Masterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Pädagogik - Schulpädagogik, Note: 1,0, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit teilt sich dabei in zwei große Bereiche. Im ersten Teil erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema „Mädchen und Jungen im MINT-Bereich“. Dabei wer-den Problembereiche (s. 2.1) aufgezeigt, die mit der geschlechtsspezifischen Fächer- und Berufswahl zusammenhängen und die sich auch in den Ergebnissen der vergleichenden Schul-leistungsforschung zeigen. Zusammenfassend werden Nachteile festgehalten, die sich aus der unterschiedlichen Teilhabe von Jungen und Mädchen am MINT-Bereich ergeben. Daran an-schließend folgt eine Darstellung von Erklärungsansätzen (s. 2.2), in denen Ursachen für die Problembereiche zu finden sind. Dabei wird die Bedeutung von symbolischen Determinanten, wie kulturelle Stereotypisierungen, insbesondere Geschlechterrollenstereotypisierungen, auf-gezeigt und ferner werden die Einflüsse der Sozialisation und von Persönlichkeitsmerkmalen dargelegt. Die Erklärungsansätze stehen in einem komplexen Ursachenzusammenhang, werden aus Gründen der Übersicht aber getrennt dargestellt. Nach einem Zwischenfazit schließt sich im zweiten großen Teil der Arbeit eine empirische Untersuchung an. Dabei wurde aus dem differenzierten Themenbereich der Aspekt des Ma-thematikunterrichts herausgegriffen, nicht zuletzt aufgrund der eigenen zukünftigen Tätigkeit als Mathematiklehrerin. Die Grundlage der Untersuchung bildet eine Studie von Sylvia Jahnke-Klein, deren Fragestellung nach geschlechtstypischen und beiden Geschlechtern gemeinsamen Präferenzen für den Mathematikunterricht aufgegriffen wird (s. 3.1). Danach werden das methodische Vorgehen (s. 3.2) sowie die Ergebnisse der Untersuchung beschrieben. Daran schließt sich eine Interpretation und Diskussion der Untersuchung an. Letztlich sind, was hier einer der bedeutendsten Teile der Arbeit darstellt, Konsequenzen für den Mathematikunterricht zu ziehen (s. 4.), bevor ein abschließendes Fazit gezogen wird.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: StudienanfängerInnen im ersten Hochschulsemester in Mathematik 1975-2000
(BLK, 2002, S. 55) ..................................................................................................................... 9
Abbildung 2: Prüfungsfächer im Abitur - Studienberechtigte Frauen 1980 - 1999 (BLK,
2002, S. 30) .............................................................................................................................. 10
Abbildung 3: Prüfungsfächer im Abitur - Studienberechtigte Männer 1980 - 1999 (BLK,
2002, S. 30) .............................................................................................................................. 11
Abbildung 4: Beispiel für eine Häufigkeitsverteilung - hier der Variablen „Gründlichkeit“ -
gruppiert nach Geschlecht........................................................................................................ 60
Abbildung 5: Verteilung von Jungen und Mädchen auf die Merkmalsausprägungen der
Variablen „Grundbedürfnis_Verstehen“ .................................................................................. 64
Abbildung 6: Verteilung von Jungen und Mädchen auf die Merkmalsausprägungen der
Variablen „Summe_Gründlichkeit_Zeit_Sicherheit“ .............................................................. 65
Abbildung 7: Verteilung von Jungen und Mädchen auf die Merkmalsausprägungen der
Variablen „Abwechslung“........................................................................................................ 66
Abbildung 8: Verteilung der SchülerInnen mit einem starken Bedürfnis nach Abwechslung auf die Merkmalsausprägungen der Variablen „Summe_Gründlichkeit_Zeit_Sicherheit“..... 67
Abbildung 9: Verteilung aller SchülerInnen auf die Merkmalsausprägungen der Variablen
„Summe_Gründlichkeit_Zeit_Sicherheit“ ............................................................................... 68
Abbildung 10: Verteilung der SchülerInnen mit einem starken Bedürfnis nach Gründlichkeit, viel Zeit und Sicherheit auf die Merkmalsausprägungen der Variablen „Abwechslung“ ....... 69
Abbildung 11: Verteilung aller SchülerInnen auf die Merkmalsausprägungen der Variablen
„Abwechslung“ ........................................................................................................................ 70
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: StudienanfängerInnen im ersten Hochschulsemester in Mathematik /
Naturwissenschaften im Studienjahr 2000 (BLK, 2002, S. 53) ................................................. 8
Tabelle 2: Anzahlen der SchülerInnen der in die Stichprobe einbezogenen Haupt- und
Realschulklassen ...................................................................................................................... 52
Tabelle 3: Verteilung der SchülerInnen mit unterschiedlichem Schuljahrgang in den
ausgewerteten Fragebögen ....................................................................................................... 63
Tabelle 4: Verteilung der SchülerInnen unterschiedlichen Alters in den ausgewerteten
Fragebögen ............................................................................................................................... 63
Tabelle 5: Korrelationen für die Variablen „Summe_Gründlichkeit_Zeit_Sicherheit“ und
„Abwechslung“ für die Schülerinnen und Schüler .................................................................. 71
Tabelle 6: Korrelationen für die Variablen „Gründlichkeit“, „Zeit“, „Sicherheit“, „Summe_ Gründlichkeit_Zeit_Sicherheit“ und „Abwechslung“.............................................................. 72
Tabelle 7: Kreuztabelle für die Variablen „Zeit“ und „Abwechslung“ ................................... 73
Tabelle 8: Prozentuale Anteile von Schülerinnen und Schülern mit Zustimmung zu den
verschiedenen Items ................................................................................................................. 74
Tabelle 9: Prozentuale Anteile von Schülerinnen und Schülern mit Zustimmung zu Aussagen,
die insgesamt abgelehnt wurden .............................................................................................. 78
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Zunächst möchte ich von einigen persönlichen Erfahrungen aus meiner eigenen Schulzeit berichten, die mir seit damals in Erinnerung geblieben sind. Die erste Erfahrung hängt damit zusammen, dass ich zusammen mit einer Schulfreundin im 11. Schuljahr freiwillig den Kurs „Informatik“ belegte. Die Gründe dafür sind für mich heute nicht mehr durchschaubar, wahrscheinlich war es Neugierde, was mich in dem Fach Informatik erwartet. Dort fanden wir uns gemeinsam mit ca. 12 Jungen wieder, viele davon waren aus unserer Sicht „Computerfreaks“. Die Tatsache, dass wir die einzigen Mädchen waren, war für mich die erste merkwürdige Begebenheit. Die zweite bestand darin, dass der Lehrer sich überschwänglich freute, dass zwei Mädchen dabei waren, und allein uns beiden einen Teil seiner Begrüßungsrede zum neuen Schuljahr widmete. Nach einem Halbjahr, in dem unser Interesse an den Inhalten des Informatikunterrichts nicht geweckt werden konnte und in dem zumindest ich mich gegenüber den Jungen als nicht sehr fähig für dieses Fach einstufte, verließen wir den Kurs wieder. Die zweite Erfahrung ist gegenüber der zuerst geschilderten sehr positiv zu sehen. So führe ich heute die Wahl des Studienfachs Mathematik darauf zurück, dass eine weibliche Lehrkraft mich am Ende des 11. Schuljahres erfolgreich motiviert hat, den Leistungskurs Mathematik zu wählen. Diese recht junge und sehr kompetente Lehrerin, die nebenbei bemerkt die zur damaligen Zeit einzige weibliche Physiklehrkraft an unserem Gymnasium war, hat zwei der drei 11. Klassen in Mathematik unterrichtet. Den Mathematik-Leistungskurs besuchten im folgenden Schuljahr neun Mädchen und vier Jungen.
Nachdem ich mich im Rahmen einer kleinen Arbeit während des Studiums mit dem Thema
„Jungen und Mädchen im MINT1-Bereich“ auseinander gesetzt habe, wurden mir mögliche Zusammenhänge dieser Ereignisse aus dem 11. Schuljahr klar. Ist Informatik wirklich ein Jungenfach? Warum hat sich der Informatiklehrer so deutlich über die Anwesenheit von zwei Mädchen gefreut? Ist der große Anteil an Schülerinnen am Leistungskurs Mathematik auf die weibliche Lehrkraft zurückzuführen? Die Antworten, die ich bisher auf diese Fragen gefunden habe, waren eine große Motivation, mich in der vorliegenden Arbeit erneut und vertiefend mit dem Thema auseinander zu setzen.
Die Arbeit teilt sich dabei in zwei große Bereiche. Im ersten Teil erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema „Mädchen und Jungen im MINT-Bereich“. Dabei werden Problembereiche (s. 2.1) aufgezeigt, die mit der geschlechtsspezifischen Fächer- und Berufswahl zusammenhängen und die sich auch in den Ergebnissen der vergleichenden Schul-
1Die Abkürzung „MINT“ steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
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leistungsforschung zeigen. Zusammenfassend werden Nachteile festgehalten, die sich aus der unterschiedlichen Teilhabe von Jungen und Mädchen am MINT-Bereich ergeben. Daran anschließend folgt eine Darstellung von Erklärungsansätzen (s. 2.2), in denen Ursachen für die Problembereiche zu finden sind. Dabei wird die Bedeutung von symbolischen Determinanten, wie kulturelle Stereotypisierungen, insbesondere Geschlechterrollenstereotypisierungen, aufgezeigt und ferner werden die Einflüsse der Sozialisation und von Persönlichkeitsmerkmalen dargelegt. Die Erklärungsansätze stehen in einem komplexen Ursachenzusammenhang, werden aus Gründen der Übersicht aber getrennt dargestellt.
Nach einem Zwischenfazit schließt sich im zweiten großen Teil der Arbeit eine empirische Untersuchung an. Dabei wurde aus dem differenzierten Themenbereich der Aspekt des Mathematikunterrichts herausgegriffen, nicht zuletzt aufgrund der eigenen zukünftigen Tätigkeit als Mathematiklehrerin. Die Grundlage der Untersuchung bildet eine Studie von Sylvia Jahnke-Klein, deren Fragestellung nach geschlechtstypischen und beiden Geschlechtern gemeinsamen Präferenzen für den Mathematikunterricht aufgegriffen wird (s. 3.1). Danach werden das methodische Vorgehen (s. 3.2) sowie die Ergebnisse der Untersuchung beschrieben. Daran schließt sich eine Interpretation und Diskussion der Untersuchung an. Letztlich sind, was hier einer der bedeutendsten Teile der Arbeit darstellt, Konsequenzen für den Mathematikunterricht zu ziehen (s. 4.), bevor ein abschließendes Fazit gezogen wird.
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Zunächst möchte ich eine allgemeine Einführung in die Thematik „Mädchen und Jungen im MINT-Bereich“ geben, bevor ich mich im Praxisteil speziell der Frage zuwende, welche Wünsche Mädchen und Jungen in Bezug auf den Mathematikunterricht haben. Dies erfüllt vor allem den Zweck, die Notwendigkeit der Untersuchung eben jener Frage deutlich zu machen, indem ein differenzierter Überblick über Problembereiche zum oben genannten Thema und zugehörigen Erklärungsansätzen gegeben wird, die dem heutigen Forschungsstand entsprechen.
In den 1960er Jahren wurde der Ausbau des Bildungssystems unter anderem damit begründet, Ungleichheiten bei der Bildungsbeteiligung abzubauen. Denn in empirischen Studien konnte gezeigt werden, dass es in Abhängigkeit von Konfession, Schicht, Geschlecht und Region unübersehbar unterschiedliche Bildungschancen gibt. Entsprechend stand das „katholische Arbeitermädchen vom Lande“ als Kunstfigur für diese Ungleichheit (vgl. Avenarius et al., 2003, S. 202). Tatsächlich ist ein Ergebnis der Bildungsreform ab den 1970er Jahren die nachhaltige Verbesserung der Bildungschancen von Mädchen (vgl. Schuster et al., 2004, S. 13). Faulstich-Wieland (2004, S. 1 f.) stellt unter anderem die Veränderungen der Teilhabe der Geschlechter an allgemeiner Bildung dar. Zu den Daten aus dem Jahr 2000 konstatiert sie, dass fast ein Drittel der 16-jährigen Schülerinnen gegenüber nur knapp einem Viertel der 16jährigen Schüler ein Gymnasium besuchen. In der Realschule sind etwas mehr junge Frauen als Männer vertreten, nämlich 18,3 % gegenüber 17,5 %. In der Hauptschule finden sich unter den 16-Jährigen mehr Jungen als Mädchen (16,5 % gegenüber 13,6 %). Die Sonderschule besuchen 2,4 % der jungen Frauen und 3,8 % der jungen Männer.
Neben diesen Zahlen gibt es weitere Hinweise darauf, dass die Mädchen von der Bildungsre-form profitiert haben und mittlerweile die Jungen im allgemeinen Schulwesen benachteiligt sind: Von den vom Schulbesuch zurückgestellten Kindern haben die Jungen einen Anteil von 60 %, wohingegen die Mädchen bei den vorzeitig Eingeschulten überrepräsentiert sind. Auch unter denjenigen SchülerInnen, die ein Schuljahr wiederholen, befinden sich mehr Jungen als Mädchen (vgl. Avenarius et al., 2003, S. 204 f.).
Die hier beschriebene, seit Jahren anwachsende Bildungsbeteiligung von jungen Frauen stellt eine gute Ausgangsbasis für den Einstieg in weiterqualifizierende Berufsausbildungen und
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Studiengänge dar, womit sich unter anderem auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen (vgl. BLK, 2002, S. 27).
Inwiefern sich trotz alledem Probleme stellen, soll im Folgenden deutlich werden, indem neben der Ausbildungs- und Studienbeteiligung junger Männer und Frauen insbesondere Geschlechterdifferenzen bei der Fächerwahl in der Schule und bei der anschließenden Berufswahl aufgezeigt werden, die mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sind. Einen Beitrag zu der aufzuweisenden Problemkonstellation leisten auch die internationalen Vergleichsstudien IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Studie), TIMSS (Third International Mathematics and Science Study) und PISA (Programme for International Student Assessment), die hinsichtlich der Kompetenzen im sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich jeweils auch Geschlechterdifferenzen herausgestellt haben.
Avenarius et al. (2003, S. 205 f.) schließen, dass die Vorteile, die Mädchen und junge Frauen aus dem allgemein bildenden Schulwesen mitbringen, im Berufsbildungs- und Erwerbssystem prozessual entwertet werden. Innerhalb des dualen Systems der Berufsausbildung sind junge Frauen mit 41 % (2001) an der Gesamtzahl der Auszubildenden unterdurchschnittlich vertreten. Gegenüber dem Ausbildungsspektrum der männlichen Auszubildenden ist das der weiblichen Auszubildenden deutlich eingeschränkter. So werden mehr als die Hälfte der Ausbildungsverträge von Frauen in den zehn am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen abgeschlossen, bei den Männern ist es nur ungefähr ein Drittel. Bei den Frauen dominieren Berufe aus dem Bereich Industrie und Handel (Bürokauffrau, Kauffrau im Einzelhandel, Industriekauffrau) sowie Freie Berufe wie Arzt- und Zahnarzthelferin. Die männlichen Auszubildenden präferieren insbesondere Handwerksberufe (KFZ-Mechaniker, Maler und Lackierer, Elektroinstallateur, Tischler).
Während sich unter denjenigen, die ein Berufsvorbereitungsjahr oder ein Berufsgrundbildungsjahr absolvieren, überproportional viele junge Männer befinden, wird die neben der Berufsausbildung im dualen System bestehende Möglichkeit vollzeitschulischer Berufsausbildungen überwiegend von Frauen in Anspruch genommen. Im Schuljahr 2001/2002 betrug der Frauenanteil an den Schulen des Gesundheitswesens 82 %. Zudem sind Frauen mit 72,3 % im Schuljahr 2001/2002 überdurchschnittlich an Berufsfachschulen vertreten. Auf der einen Seite zeichnen sich die dort überwiegend von Frauen erworbenen Berufsausbildungen und die nichtärztlichen medizinischen Berufe durch geringe Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten aus und werden deshalb als „Sackgassenberufe“ bezeichnet. Auf der anderen Seite handelt es
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sich um Ausbildungsangebote in expandierenden Beschäftigungsfeldern. Viele, vor allem von jungen Männern ergriffene handwerkliche Ausbildungsberufe weisen hingegen rückläufige Zahlen auf (vgl. ebd., S. 206). Faulstich-Wieland hält fest: „Die Benachteiligungsstrukturen in der beruflichen Bildung sind also in einem Wandel begriffen, gehen aber noch eher zu Lasten der Frauen“ (Faulstich-Wieland, 2004, S. 2).
Nicht nur im Ausbildungsbereich, sondern auch im Hochschulbereich sind Segregationen nach Geschlecht und fachlicher Bildung vorhanden, womit die Mädchen ihre Qualifizierungsgewinne im schulischen Bereich nicht in berufliche Platzierungen umsetzen können (vgl. Nissen, Keddi & Pfeil, 2003, S. 25). Zwar war das Geschlechterverhältnis im Hochschulsystem im Jahr 2002/2003 annähernd ausgeglichen, jedoch führten hierzu geschlechtsspezifische Unterschiede in den Studierquoten, da unter den AbiturientInnen die Frauen mit 55,2 % (2000) überwogen (vgl. Avenarius et al., 2003, S. 206 f.). Besonders auffällig ist weiterhin das Geschlechterstereotype akademische Wahlverhalten. So sind Frauen insbesondere in den Sprach- und Kulturwissenschaften, der Veterinärmedizin und der Kunst und Kunstwissenschaft überproportional vertreten, in der Humanmedizin, den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften leicht überdurchschnittlich (vgl. ebd., S. 207). Zahlen zu den hier besonders interessierenden Fachbereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften liefert der Bericht der BLK (2002, S. 42 ff.):
Tabelle 1: StudienanfängerInnen im ersten Hochschulsemester in Mathematik / Naturwissenschaften im Studienjahr 2000 (BLK, 2002, S. 53)
Deutlich ersichtlich ist die unterschiedliche Präferenz für die Fächergruppe Mathematik / Naturwissenschaften von Studienanfängerinnen und Studienanfängern (37,3 % zu 62,7 %). Dabei ist allerdings festzuhalten, dass in dieser Fächergruppe im Studienjahr 2000 mit 21912 Studienanfängerinnen ein Höchststand erreicht wurde und damit ein zunehmendes Interesse von Studienanfängerinnen an Mathematik und Naturwissenschaften vorhanden ist. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass das Fach Informatik einen großen Zulauf erhielt -
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wenngleich die weiblichen Studienanfängerinnen nur 18,3 % ausmachen -, zum anderen darauf, dass in Mathematik, Physik und Chemie der Anteil der männlichen Studienanfänger sank. Hinzuweisen ist zudem auf den „ermutigenden“ Anteil der Frauen in den Fächern Mathematik (54,3 %) und Chemie (49,7 %), in denen sie die Männer ein- bzw. überholt haben (vgl. BLK, 2002, S. 53 ff.).
Abbildung 1: StudienanfängerInnen im ersten Hochschulsemester in Mathematik 1975-2000 (BLK, 2002, S. 55)
Zugleich muss darauf hingewiesen werden, dass Frauen ihr Studium häufiger als Männer mit einer Lehramtsprüfung abschließen. So schlossen die Frauen im Jahr 2000 ihr Studium in der Fächergruppe Mathematik / Naturwissenschaften zu 59,2 % mit einer Lehramtsprüfung ab, zu 35,6 % mit einem Diplom und nur zu 26,3 % mit einer Promotion (vgl. BMBF, 2002a, S. 220 f., zitiert nach Faulstich-Wieland, 2004, S. 3).
Ähnlich große Diskrepanzen wie zwischen den Studienanfängern und -anfängerinnen in In-formatik und Physik gibt es auch zwischen denjenigen in den Ingenieurswissenschaften: 77,9 % der StudienanfängerInnen waren im Studienjahr 2000 männlich, nur 22,1 % weiblich. Dennoch gilt auch hier, dass die Frauen in jenem Jahr den höchsten Stand seit 25 Jahren erreicht haben. Schaut man sich ausgewählte Fächer in der Fächergruppe der Ingenieurswissenschaften an, ist der Anteil der Frauen unter den StudienanfängerInnen im Jahr 2000 im Fach Architektur besonders groß (55,5 %), im Fach Bauingenieurwesen liegt er bei nur 23,4 %, in Elektrotechnik bei 9 %, in Maschinenbau bei 18,5 % und im Fach Wirtschaftsingenieurwesen bei 22,2 %. Der Studienbereich Maschinenbau stellt trotz seiner geringen Prozentzahl bei den Frauen das zahlenmäßig meist gewählte Ingenieurfach dar. Dabei ist allerdings zu beachten,
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dass im Studienbereich Maschinenbau Frauen im Fach Maschinenbau/-wesen, dem klassischen technischen Fach, mit nur 10 % vertreten sind, hingegen im Fach Textil- und Beklei-
dungstechnik mit 84 % (vgl. BLK, 2002, S. 43 ff.).2
Schuster et al. (2004, S. 23) halten fest, dass trotz zahlreicher bildungspolitischer Bemühungen weiterhin eine Unterrepräsentanz von Frauen in zukunftsweisenden technischen und naturwissenschaftlichen Ausbildungs- und Berufsfeldern konstatiert werden muss. Nissen, Keddi und Pfeil (2003, S. 39) meinen insbesondere, dass weniger Mädchen eine Ausbildung wählen, umso technischer diese ist. Die Zahlen zu den Studienanfängerinnen belegen, dass sich erhebliche Unterschiede innerhalb der Ingenieurs- und Naturwissenschaften zeigen, die verdeutlichen, dass die sogenannten „harten“ oder ausschließlich technisch wirkenden Studiengänge den geringsten Frauenanteil haben (vgl. BLK, 2002, S. 43).
Entscheidend für die spätere Berufs- und Studienwahl ist bereits die Fächerwahl in der Schule. Auch hier existieren die „Geschlechterreviere des Wissens“ (vgl. Jahnke-Klein, 2008b, S. 19 f.). Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die geschlechtstypische Wahl der Prüfungsfächer im Abitur:
Abbildung 2: Prüfungsfächer im Abitur - Studienberechtigte Frauen 1980 - 1999 (BLK, 2002, S. 30)
2Als Beleg für Geschlechterdifferenzen in der Ausbildungs- und Berufswahl sollen diese Ausführungen genügen. Es wird darauf verzichtet, weitere Geschlechterdifferenzen darzustellen, beispielsweise in Bezug auf den Wissenschaftsbetrieb, den Weiterbildungsbereich oder die Erwerbstätigkeit, wo Frauen unterrepräsentiert sind bzw. eine bestimmte Geschlechterverteilung hinsichtlich der Fächerwahl, der Beschäftigungsfelder oder der beruflichen Position vorliegt (vgl. dazu Faulstich-Wieland, 2004, S. 3 f.; vgl. auch Avenarius et al., 2003, S. 207 f. und Schuster et al., 2004, S. 22).
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Abbildung 3: Prüfungsfächer im Abitur - Studienberechtigte Männer 1980 - 1999 (BLK, 2002, S. 30)
Die Frauen zeigen klare Präferenzen für die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik und für die „weiche“ Naturwissenschaft Biologie, wohingegen Chemie und Physik ebenso deutlich abgelehnt werden. Bei den Männern ist die Wahl des Faches Mathematik herausragend. Im Bericht der BLK (2002, S. 27 f.) heißt es dazu, dass bei Mädchen wie bei Jungen ein deutlicher Anstieg bei der Wahl des Faches Mathematik als Prüfungsfach auszumachen ist, nachdem das Schulfach Mathematik zunehmend verpflichtendes Abiturfach geworden ist. Unter den Studienberechtigten des Jahrgangs 1999 legten insgesamt 63 % der Schülerinnen und 73 % der Schüler ein Abitur mit dem Fach Mathematik ab. Seit 1980 hat es zunächst bei beiden Geschlechtern einen Anstieg bezüglich der Wahl des Leistungskurses Mathematik gegeben, der aber seit 1996 wieder geringer wird.
In Bezug auf die naturwissenschaftlichen Fächer ist festzuhalten, dass Biologie als Abiturfach von mehr Mädchen als Jungen gewählt wurde (50 % gegenüber 30 %). Hingegen wählten deutlich mehr Jungen als Mädchen sowohl Chemie (14 % zu 9 %) als auch Physik (28 % zu 4 %) als Abiturfach. Das Abiturfach Physik ist dabei für Mädchen das mit Abstand unbeliebteste Fach, gefolgt von dem Fach Chemie (vgl. ebd., S. 28 f.). Der stark gestiegene Anteil von Mädchen mit dem Abiturfach Mathematik auf 63 % wird als ermutigend gesehen: „Dort liegen Potenziale für mögliche Entscheidungen für eine Studienfachwahl in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern sowie Informatik“ (ebd., S. 35). Trotzdem sind laut Bericht des BLK (ebd., S. 35) Maßnahmen zur Stärkung der Entscheidung von Mädchen für das Leistungsfach Mathematik erforderlich. Als hinderlich für die Chancen der Mädchen, sich für technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge und Informatik zu ent-