William-Adolphe Bouguereau - Marius Vachon - E-Book

William-Adolphe Bouguereau E-Book

Marius Vachon

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Beschreibung

William Bouguereau (1825-1905) war ein Vertreter des französischen akademischen Klassizismus und des klassischen Realismus. Als der vielleicht größte Maler des menschlichen Körpers, liebte er klassische und historische Themen und schuf moderne Interpretationen mythologischer und traditioneller Themen. In einer Zeit, als die Impressionisten das moderne Leben reproduzierten, widmete sich Bouguereau intensiv idealisierten Darstellungen. SeineGeburt derVenus mit ihrer erotischen Ausstralung hatte einen grossen Publikumserfolg.Obwohl er heute oft vergessen wird, war Bouguereau zu seiner Lebenszeit sowohl in Frankreich als auch in den Vereinigten Staaten ein berümter Meister.

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Seitenzahl: 140

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Autor:

Marius Vachon

Layout:

Baseline Co. Ltd

Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam

© Parkstone Press International, New York, USA

© Confidential Concepts, worldwide, USA

© Image-Barwww.image-bar.com

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-68325-454-6

Marius Vachon

William-Adolphe

Inhalt

Der Weg nach Paris

Die italienische Reise

Der Nationalgardist Bouguereau

Das dekorative Werk

Religion und Mythologie

Ansichten zur Kunst

Biografie

Abbildungsverzeichnis

Selbstbildnis, 1879. Öl auf Leinwand, 46 x 38 cm. Montreal Museum of Fine Arts, Montreal.

Der Weg nach Paris

William-Adolphe Bouguereau kam am 30. November 1825 in La Rochelle zur Welt. Er entstammte einer alteingesessenen bürgerlichen Familie, deren Mitglieder in jener Stadt bedeutende Funktionen als Goldschmiede und Münzprüfer innegehabt hatten. Bouguereaus Vater war katholisch, einer seiner Brüder war sogar Pfarrer in einem kleinen Dorf in Saintonge namens Mortagne-sur-Gironde, doch seine Mutter war Protestantin. Nach den Vereinbarungen, die bei der Heirat getroffen wurden, wurde ihr Sohn in der väterlichen Religion aufgezogen. Er ver-brachte die ersten Jahre seiner Kindheit bis 1832 in La Rochelle. In diesem Jahr ließ sich sein Vater, seines Zeichens Weinhändler, in Saint-Martin-de-Ré nieder.

In einem Künstlerleben sind die Kindheitserinnerungen die lebhaftesten und intensivsten. Fast immer haben sie entscheidenden Einfluss auf das Temperament und den Charakter. Bouguereau behielt seine Heimatstadt in wohliger Erinnerung. Er hing an ihr, er bewunderte sie mit Herz und Seele. Er rühmte, voller Enthusiasmus und Überzeugung, ihre einzigartige und pittoreske Schönheit, das angenehme und gesunde Klima, die milde, sonnendurchflutete und belebende Luft.

Immer wieder ließ er stolz ihre glanzvolle Geschichte aufleben, ihre berühmte Belagerung, ihre furchtlosen Seefahrer, ihre kühnen Kaufleute, die in Kanada, Südamerika oder in Südostasien ein Vermögen machten. Ihr Hafen, in das pittoreske Dekor der Türme der schützenden Stadtmauern, weißer, blauer und rosafarbener Häuser, der Kais, des gewaltigen Stadttors und der Kirchtürme gesetzt, war in seinen Augen der schönste der Welt. Wenn die untergehende Sonne die Segel und die bunten Schiffsrümpfe der Fischerboote in ihr Licht tauchte, kam dieses Schauspiel jenen gleich – übertraf es sie gar? –, die die Maler und Poeten in den klassischen Ländern des Mittelmeers und des Orients gepriesen hatten.

Bouguereau folgte seiner Familie auf die Île de Ré, wo er seine Ausbildung an der Schule von Saint-Martin weiterführte. Bereits zu dieser Zeit zeigte sich sein zeichnerisches Talent. Er schmückte seine Hefte und Bücher mit Skizzen von Land und Meer, Seeleuten und Bauern. Er war außerordentlich begabt darin, mit dem Messer alle Arten von landwirtschaftlichen Gerätschaften und Schiffskörpern in Holz und weichen Stein zu schnitzen. Einige seiner Kameraden hoben diese Werke in beinahe religiöser Ehrfurcht als Kindheitserinnerungen auf.

Als er diese Grundausbildung beendet hatte, entschied man aufgrund seiner außerordentlichen Intelligenz, ihm weitere Förderung angedeihen zu lassen. Der Pfarrer von Mortagne-sur-Gironde willigte ein, ihn in seine Obhut zu nehmen und ihn einige Grundkenntnisse des Lateinischen zu lehren. Das Kind nahm diese Nachricht mit großer Freude auf. Fünfzig Jahre später rief er seinem alten Onkel in einem emotionalen Brief die Erinnerungen ins Gedächtnis, die ihm von seiner Ankunft und seinem ersten Tag im Dorf geblieben waren:

Ich sehe mich noch heute, wie ich, hinter Drouillard auf einem Pferde sitzend, von Saujon nach Mortagne reise. Ich erinnere mich an die Kälte, die mich plagte, weil mir wegen des Trabes des armen Tieres die Hose bis zu den Knien hochgerutscht war; an den Empfang, den Du mir bereitetest, das warme Feuer und das köstliche Mahl, die ich vorfand; ferner an mein Bett, das die arme Tante Amélie für mich hergerichtet hatte, jene Sanftheit, die ich weder vor- noch nachher je wieder erlebt habe; dann, als ich mich des Morgens aus meiner Ruhestätte erhob und die Treppe erreichte, die von der Küche zum Hofe führte, meine Überraschung darüber, Dich mit einem Gewehr in der Hand bei den vier Kirschbäumen nahe dem Chorhaupt zu sehen, wie Du Drosseln jagtest; dann, am nächsten Tag, Dein Abend mit dem alten Bibard und Pater Charon, Schulmeister und Kirchensänger; meine Überraschung darüber, mich im Angesicht eines von der Natur so benachteiligten Wesens wiederzufinden; an all die anderen Dinge, die mir wie ein neues Leben erschienen, die jedoch viele Seiten erforderten, wollte ich sie auch nur berichten; die arme alte Marie, Tante Amélie und Du, wie ihr mit einer zuweilen weihevollen, zuweilen herzlichen Güte, über alle wachtet. All diese Kindheitseindrücke sind mir wohl im Gedächtnis geblieben, und ich denke oft daran.

Verachtung, 1850. Öl auf Leinwand, 65,5 x 50 cm. École nationale supérieure des Beaux-Arts, Paris.

Bruderliebe, 1851. Öl auf Leinwand, 147 x 113,7 cm. Museum of Fine Arts, Boston.

In diesen Monaten, die er in jenem kleinen Dorf von wonnevoller Einfachheit verbrachte, inmitten einer lieblichen und frischen Landschaft mit ihren friedvollen Horizonten aus grünenden, niedrigen Hügeln, gespickt mit gewundenen Flüssen, die ruhig und allzeit klar durch Weiden und Wälder flossen, lernte der junge Künstler die Natur lieben und erhielt sich diese Liebe. Er gab sich langen poetischen Träumereien hin, während derer er in seiner Vorstellungswelt all die intensiven Empfindungen hortete, die ihm das Schauspiel des ländlichen Idylls eingab, das ihm vor Augen stand und das sich Tag für Tag veränderte.

Bis zum Ende seines Lebens sollte er sich voller Rührung seiner einsamen Stunden der Kontemplation im Angesicht der Sonnenuntergänge im goldenen Dunst der Gironde und der Spaziergänge erinnern, die ihn sein Onkel zum Zwecke des Studiums in den Kirchen und Schlössern der Umgebung unternehmen ließ und die der Ursprung seiner Leidenschaft für Ferienausflüge in diese pittoreske Region waren, die er fortan aus denselben Gründen machte. Kein ausgebildeter Archäologe wäre dem Maler in seiner Kenntnis der Anfänge und Entwicklungen der zivilen und religiösen Architektur des Aunis, der Saintonge, des Angoumois und des Poitou oder ihrer charakteristischen Bauwerke überlegen gewesen.

In diesem Pfarrhaus mit bescheidener Bibliothek galten die ersten Lektüren des heranwachsenden Künstlers dem Leben der Heiligen, sowie dem Alten und dem Neuen Testament. Er ging, im Schatten der Hecken, über die Wiesen und schwelgte in den idyllischen Geschichten von Rebekka, Ruth und Boas, den Legenden über Hirten, die ganze Städte vor der Invasion bewahrten, den Rosenwundern in den Körben von barmherzigen Königinnen und träumte davon, all dies eines Tages in Gemälde an den Wänden der Kirchen zu übersetzen.

Der rechtschaffene Pfarrer, der ohne Zweifel das meiste seiner klassischen Ausbildung über der Ausführung seiner Funktionen auf dem Lande vergessen hatte, sandte seinen Neffen alsbald auf die Schule in Pons, die von einem bedeutenden Priester, Jacques Antoine Boudinet, geleitet wurde, der später als Bischof von Amiens sterben sollte und der diese Ausbildungsstätte zu höchster Blüte geführt hatte: Sie zählte nicht weniger als dreihundert Schüler. Bouguereau erhielt dort seinen ersten Zeichenunterricht durch einen Lehrer, Louis Sage, der im Atelier von Ingres gelernt hatte.

Eine Tante väterlicherseits trug liebevoll die ersten malerischen Versuche des jungen Künstlers zusammen: Kompositionen, die in ihrer kindlichen Naivität eine große Vielfalt aufwiesen. Es gab dort Dreimaster mit fantastischen Schiffskielen und Segelwerken, Kathedralen von an Piranesi gemahnender Architektur, Landschaften in den gewagtesten Tönen. Als er seiner Tante diese Produkte seiner künstlerischen Vorstellungskraft schickte, teilte er ihr freudvoll mit, er sei Achter von dreißig Schülern und finde großes Gefallen am Lateinischen.

In dieser Zeit lernte er auch den antiken Paganismus kennen. Er las mythologische Texte, Fabeln, Ovid, Vergil. All das begeisterte ihn, bezauberte ihn, öffnete ihm neue Horizonte der Schönheit und Poesie, die er voller Genuss, mit unstillbarer Neugier und immer größerer Leidenschaft erforschte. Der Aufenthalt an der Schule von Pons sollte nur von kurzer Dauer sein. Kaum hatte sich sein Vater in Bordeaux niedergelassen, ließ er seinen Sohn zu sich kommen, um ihn als Gehilfe in dem neuen Geschäft zu unterstützen, das er soeben eröffnet hatte. Marionneau, Geschichtsschreiber der Stadt Bordeaux, notierte folgende Kindheitserinnerungen an die kaufmännische Episode im Leben des William Bouguereau:

Im Jahre 1830 fand sich in der Nummer 20 der Rue Neuve das alte Haus der Avigdor aus Nizza, das später zur Élisée Robat geworden war, die mit Olivenöl handelte. Dort zog um 1841 ein Händler aus La Rochelle ein, der das Geschäft seiner Vorgänger fortführte. Unter den Angestellten dieses Hauses war auch sein Sohn, ein kleiner, blonder Junge von kaum sechzehn Jahren, der auf einem jener Holztresen, wie man sie noch in der alten Rue de la Rousselle sieht, im hinteren Teil des Geschäftes saß und auf die Ränder der kaufmännischen Rechnungen Skizzen von Landschaften und Männchen malte.

Die Befähigung des Jungen war unleugbar, aber es waren noch nicht mehr als unförmige Versuche, auf die nur kühnste Geister reelle Hoffnungen hätten gründen können. Der Vater des jungen Gehilfen, eine gute Seele, wie ich mir alle Väter vorstelle, sah in diesen kindlichen Beweisen einer künstlerischen Gabe, ganz ohne den natürlichen Anlagen seines Sohnes im Wege stehen zu wollen, keine Zeugnisse, die eines ernsthaften Interesses wert gewesen wären, und am allerwenigsten eine gesicherte Zukunft für den Erben seines Namens.

Ich möchte hier, entgegen meinen Überzeugungen mich selbst erwähnend, eine Aussage wiedergeben, die an mich gerichtet wurde und die sich glücklicherweise nicht als prophetisch erwies. Sie wurde gemacht, als ich durch Zufall in der Rue Neuve war, nur wenige Schritte vom oben genannten Geschäft entfernt. ‚Mein Sohn zeigt unleugbare Neigungen zur Zeichenkunst. Er möchte sich an der städtischen Schule einschreiben. Was müssen wir hierfür tun? Ich, wohlgemerkt, möchte keinen Maler aus ihm machen, denn das führt zu nichts.‘ Meine Antwort war von großer Schlichtheit und berücksichtigte die mir wohlbekannten Tatsachen. Wenige Tage später nahm der junge Kaufmannslehrling an den Kursen der École des Beaux-Arts de Bordeaux teil.

Gleichheit vor dem Tode, 1848. Öl auf Leinwand, 141 x 269 cm. Musée d’Orsay, Paris.

Zenobia, von den Hirten an den Ufern des Aras gefunden, 1850. Öl auf Leinwand, 147 x 113 cm. École nationale supérieure des Beaux-Arts, Paris.

Dante und Vergil, 1850. Öl auf Leinwand, 280,5 x 225,3 cm. Musée d’Orsay, Paris.

Was Marionneau in diesem Textausschnitt, zweifellos aus Bescheidenheit, nicht sagt, muss hier hinzugefügt werden. Denn es war niemand anders als er, selbst bereits an der Kunstschule, der seinem kleinen Kameraden aus La Rochelle nachdrücklich empfahl, sich dort anzumelden, und der ihn darin bestärkte, die ersten Widerstände seines Vaters zu überwinden. Inzwischen hatte der junge Mann das Geschäft gewechselt. Er war bei einem Weinhändler angestellt, der ihm fünfundzwanzig Francs im Monat bezahlte. Dieser neue Handelszweig gefiel ihm ebenso wenig wie der erste. Mehr und mehr träumte er davon, zu malen.

Eines Morgens brachte Marionneau Bouguereau in das Atelier des Direktors der École des Beaux-Arts, Jean-Paul Alaux, und bat ihn, ihn als Schüler in dem Fortgeschrittenenkurs anzunehmen, den er selbst besuchte, wobei er wortgewaltig erklärte, der Kandidat sei gut genug, um zugelassen zu werden. Nachdem er einige Tage gezögert hatte, willigte Alaux ein. Der kleine Gehilfe nahm, von sechs bis acht Uhr morgens, an den Mal- und Zeichenkursen teil, anschließend ging er emsig ins Büro seines Arbeitgebers zurück, um dort an Geschäftsbuchungen zu arbeiten. Abends in seinem kleinen Zimmer zeichnete er im zitternden Licht der Kerzenstummel, die er sorgfältig in Haus und Büro aufgelesen hatte, unverdrossen nach der Natur und seinem Gedächtnis. Um etwas Geld zu verdienen, fertigte er zwischendurch kleine Farblithografien zur Dekoration der Trockenpflaumenschachteln und Konfitüregläser der benachbarten Lebensmittelhändler an.

Nach zwei Jahren des Studiums nahm Bouguereau 1844 am Wettbewerb der Historienmalerei teil und gewann den ersten Preis. Marionneau belegte den zweiten Rang. Als Motiv hatte er Rochus von Montpellier gewählt. Infolge dieses Erfolges entschloss sich der junge Künstler, alles auf eine Karte zu setzen.

Um gegenüber seiner Familie eine Entschuldigung für diese Entscheidung zu haben, bat er seinen Vorgesetzten um eine Erhöhung seiner Bezüge, was prompt abgelehnt wurde. Nachdem er seinem Vater anhand dieses schlagenden Beweises begreiflich machen konnte, dass eine Karriere im Weinhandel keinen ausreichenden Lebensunterhalt eintrug, eröffnete er ihm, dass er Maler zu werden wünsche, was ihm dank des Willens und der Energie, die er aufzubringen beabsichtige, unmöglich misslingen könne. Sein Vater antwortete: „Tu, was du für richtig hältst, mein Kind, doch du wirst es auf eigene Gefahr tun; du weißt, dass ich dir nicht helfen kann.“

Bouguereau fand in seiner Mutter eine Befürworterin, eine Vertraute und Beraterin, diskret, aber ungeheuer betriebsam. Sie war eine hochintelligente Frau von energischem und resolutem Temperament und sah eine rosige Zukunft für diesen ihren einzigen Sohn, den sie vergötterte und dessen außergewöhnliche künstlerische Gabe sie als Erste erkannt hatte. Sie verstand und liebte die Kunst, besaß ein instinktives Gespür für die Schönheit der Wesen und Dinge. Sie half im Geheimen, die Sonderausgaben zu bestreiten, die das Studium der Zeichen- und Malkunst mit sich brachte, indem sie in freien Momenten Stick- und Strickarbeiten ausführte, die sie an Händler verkaufte. Wann immer es diesbezüglich eine wichtige Entscheidung zu treffen oder das Zögern des durch die Unwägbarkeiten der Malerkarriere beunruhigten Vaters zu besiegen galt, schritt sie mit großem Geschick ein. Bouguereaus Mutter wusste stets ihre Wünsche und Ansichten durchzusetzen. Ihr Einfluss auf das Leben und das Werk des Künstlers war beständig und enorm.

Jakob, den blutigen Rock Josefs empfangend, 1845. Öl auf Leinwand, 110,5 x 144,2 cm. Privatsammlung, Frankreich.

Schlacht zwischen Zentauren und Lapithen, 1853. Öl auf Leinwand, 124,5 x 174,3 cm. Virginia Museum of Fine Arts, Richmond (Virginia).

Als sie Witwe wurde, lebte sie mit ihm zusammen, verwaltete den Haushalt mit Augenmaß und hielt hartnäckig alle zudringlichen und indiskreten Bittsteller von ihrem Sohn fern, sodass dieser sich, frei von Beunruhigung oder Besorgnis hinsichtlich der materiellen Situation, ganz seiner Arbeit widmen konnte. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1896 im Alter von einundneunzig Jahren verließ sie niemals das Stadthaus in der Rue Notre-Dame-des-Champs, das ihr Sohn mit den ersten Erträgen seiner Kunst hatte bauen lassen.

Als es Bouguereau gelungen war, seinen Vater davon zu überzeugen, ihn, und sei es auf eigene Gefahr, seiner Berufung folgen zu lassen, hatte er bereits einen großen Schritt getan. Aber von etwas musste er leben und die Lösung dieses Problems erwies sich als schwieriger als gedacht. Doch dem jungen Künstler kam ein ebenso origineller wie genialer Einfall. Er bat seinen Onkel, sich umzuhören, ob es nicht möglich wäre, einige Porträts in der Region zu malen. Der rechtschaffene Mann, der seinen Neffen sehr liebte und äußerst stolz auf seine ersten Erfolge war, antwortete, das sei durchaus möglich. Und er lud ihn umgehend ein, nach Mortagne-sur-Gironde zu kommen, wobei er ihm zumindest, wie in Kindheitstagen, Essen und eine Unterkunft zusichern konnte.

Tatsächlich stellte er seinen Neffen einigen betuchten Persönlichkeiten der Umgebung als Preisträger der École des Beaux-Arts de Bordeaux und kunstfertigen Porträtisten vor, die ihn ihrerseits ihren Bekanntschaften empfahlen. Innerhalb von drei Monaten schuf der junge Maler in Mortagne-sur-Gironde, Saint-Dizant-du-Gua, Saint-Fort-sur-Gironde, Saint-Thomas, Saint-Bonnet-en-Champsur, Saint-Ciers-sur-Gironde und Saint-Jean-d’Angély dreiunddreißig Ölporträts an, die ihm neunhundert Francs eintrugen. Diese erste professionelle Tätigkeit als Künstler nahm einen denkbar glücklichen Verlauf. Seine Modelle ernährten ihn und beherbergten ihn gar, wenn er sich zu weit von Mortagne-sur-Gironde hatte entfernen müssen. Als der junge Künstler zum Militärdienst eingezogen werden sollte, erklärte sich eine Verwandte seiner Mutter, Mme Monlun aus La Rochelle, bereit, ihm weitere neunhundert Francs zuzusichern und ihn so von der Wehrpflicht zu entbinden. Ohne ihre Großzügigkeit wäre er, aller Wahrscheinlichkeit nach, für die Kunst verloren gewesen. Mithilfe des Geldes, das er in Saintonge verdient hatte, konnte Bouguereau die Reise von Bordeaux nach Paris unternehmen, wo er Ende März 1846 ankam.

Bacchantin, eine Ziege neckend, 1862. Öl auf Leinwand, 115 x 185 cm. Musée des Beaux-Arts de Bordeaux, Bordeaux.

Orestes, von den Furien verfolgt, 1862. Öl auf Leinwand, 231,1 x 278,4 cm. Chrysler Museum of Art, Norfolk (Virginia).

Nächstenliebe oder Die notleidende Familie, 1865. Öl auf Leinwand, 121,9 x 152,4 cm. Birmingham Museums and Art Gallery, Birmingham (England).

Erste Pariser Jahre

Das Atelier von François-Édouard Picot war zu diesem Zeitpunkt in der gesamten Kunstwelt bekannt. Auf Anraten des Direktors der École des Beaux-Arts de Bordeaux meldete Bouguereau sich dort sofort an. So hatte er als ersten Lehrmeister in der Malerei einen Künstler, von dem einer seiner berühmtesten Schüler, Isidore Pils, im Brustton der Überzeugung sagte: „Seine Arbeiten und Unterrichtsstunden stehen alle in der höchsten Tradition; er war einer derjenigen, die alles opfern, um das Palladium zu retten und es ihren Nachkömmlingen in intaktem Zustand zu übergeben.“ Lenepveu, Cabanel, Henner, Gustave Moreau und andere studierten mit ihm im Atelier.

Das Leben des jugendlichen Künstlers in jenen ersten Jahren in Paris konnte den nachfolgenden Generationen als Vorbild an Energie, Mut und Willen dienen. Die einzigen finanziellen Ressourcen, die er besaß, waren die spärlichen Hilfszahlungen seiner Familie.

Ihm blieben etwa zwanzig Sous am Tag. Üblicherweise bestanden seine Mahlzeiten aus nicht mehr als je einem Stück Brot und Käse, die er mit klarem Wasser herunterspülte. Mitunter hatte er gar nichts zu essen. „Wenn ich mir jedoch“, sagte mir der Meister, „diese Jahre der Not in Erinnerung rufe, so scherte ich mich wenig darum; ich dachte nicht einmal daran. Ich aß zu Abend oder ich tat es nicht: Was soll es? Ich wollte nichts anderes als zeichnen und malen.“