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Studienarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Kunst - Kunstgeschichte, Note: 1,3, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Veranstaltung: Geschichtspolitik, Gedächtniskultur, Bildgebrauch, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Videoarbeit "Zeno Writing", mit der William Kentridge 2002 an der Documenta 11 teilnahm, kombiniert Schattentheater mit animierten Zeichnungen und dokumentarischem Filmmaterial. Auch wenn der Titel des Films auf Italo Svevos Roman "La coscienza di Zeno" von 1923 anspielt, ist er keineswegs die visuelle Umsetzung der literarischen Vorlage. Während der Romanleser in eine autobiographische Erzählung eintaucht – Der Protagonist Zeno Cosini therapiert sich durch das Schreiben eines Tagebuches selbst - versucht der Zuschauer vergeblich die fünf Kapitel des Films zu einer Geschichte zu verbinden. Bezüge zwischen Roman und Film gibt es dennoch. Kentridge thematisiert den Prozess des Schreibens. Mit dem Titel "Zeno schreibt" wird suggeriert, dass es Zenos Gedanken sind, die sich vor den Augen des Zuschauers entfalten.
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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
2. Ein Traum(a) in fünf Akten?
3. Im Reich der Schatten
4. Der aktivierte Betrachter - Zum Verhältnis von Einbildungskraft und Erinnerung
5. Die Magie der bewegten Bilder
6. Das Konzept Zufall oder ,A new sense of automatism‘
7. Komplexität statt Drama
8. Zurück zur Moderne - Nostalgie oder Strategie?
9. Rückblick auf eine besondere Reise
10. Literaturverzeichnis
Wir sehen, wie Wörter und Zahlen auf einem weißen, linierten Hintergrund erscheinen. Die Hand, die sie zeichnet, bleibt unsichtbar. Nur das Kritzeln des Stiftes ist zu hören. Die Zeichen scheinen wie von selbst zu entstehen. Gleichzeitig tauchen sie an verschiedenen Stellen des Blattes auf, wachsen zu Wörtern heran. Dicke schwarze Balken legen sich über sie und immer noch bleibt die Hand, die hier durchstreicht, unsichtbar. Vergeblich versucht der Zuschauer die Zeichen zu lesen. Es handelt sich um eine verschlüsselte Schrift. Sie operiert mit den uns vertrauten Mitteln, mit Buchstaben und daraus gebildeten Wörtern. Der Code ist uns allerdings nicht bekannt. Die Zeichen entwickeln sich scheinbar spontan und unkontrolliert und offenbaren dadurch ihre Rätselhaftigkeit.
Das Schriftbild führt über zum nächsten Bild. Die schwarzen Balken nehmen jene Formen vorweg, die im folgenden Bild eine Landschaft erscheinen lassen. Durch eine Staffelung von schwarzen, hügelartigen Flächen entsteht ein tiefer Raum. Ohne diese Formen gäbe es keinen Horizont, sie unterteilen die weiße Fläche in Boden und Himmel. Die Illusion ist nicht perfekt. Der Raum bleibt abstrakt und öffnet sich gerade deswegen den verschiedensten Assoziationen. Man kann in ihm sowohl in dichten Nebel versunkene Berge als auch eine düstere Moorlandschaft sehen. Ohne Frage handelt es sich um eine rätselhafte, fantastische Landschaft, eine Traumlandschaft ohne festen Boden. Figuren, schwarze Silhouetten, treten auf.
Zuerst stelzt ein Mischwesen aus Mädchenkopf und Vogelkörper auf umgedrehten Bohrtürmen durchs Bild. Als nächstes blicken wir wieder auf ein flaches Papier, das von Wörtern bevölkert ist. Wie ein Band im Wind weht eine Linie über das Blatt, man hört den Luftzug. Einen Moment später stehen wir erneut vor der tiefen Landschaft. Im Hintergrund bewegt sich ein Mann mit Hut und Mantel von Links kommend auf eine zweite Figur im Zentrum zu. Deren Gestalt und Bewegungen lassen an einen Menschenkörper denken, auch wenn ihr Kopf eher einem Lautsprecher ähnelt. Seltsamerweise hört man weiterhin Schreibgeräusche. Das weibliche Vogelwesen taucht im Vordergrund auf und versperrt uns mit seinen Bohrturmstelzen den Blick auf die Szene im Hintergrund. Die Beine wirken dieses Mal riesig und so nah, dass man das Gefühl bekommt, das Wesen bewege sich nicht mehr im Bildraum, sondern vor der Leinwand, als sei es hinübergetreten in den Kinosaal. Wieder erscheint das Schriftbild. Eine lebendig gewordene Linie durchquert es. Aus ihr entsteht am unteren linken Bildrand eine Form, die uns an einen bekannten Gegenstand erinnert. Es handelt sich nicht um die Abbildung eines Waschbeckens und trotzdem projizieren wir unsere Vorstellung dieses alltäglichen Gegenstandes in die ihm ähnelnde Form. Zurück in der Landschaft. Der Mann im Mantel ist mittlerweile bei der Lautsprecherfigur angekommen. Eine abrupte Drehung um 90 Grad verwandelt ihn in einen Gegenstand, in eben jenes Waschbecken, das noch kurz zuvor als Zeichnung zu sehen war. Neue Assoziationen werden freigesetzt. Die Erinnerung an den Mann lässt einen das Waschbecken anders sehen, plötzlich ist da die Ähnlichkeit zu einem menschlichen Skelett. Währenddessen schaut vom linken Vordergrund aus das Mädchen-Vogel-Wesen ins Bild. Ihr Blick und der der Lautsprecherfigur, die sich nun im Mittelgrund befindet, scheinen auf die Verwandlung gerichtet zu sein. Die Blicklinien fallen zusammen, bilden eine einzige, in die Tiefe führende Diagonale. Es scheint als würde hier spielerisch über Raumillusion und Perspektive reflektiert.
Im Wörterfeld der nächsten Zeichnung fließen mehrere Linien zusammen, um die Konturen eines weiblichen Aktes zu bilden. Die angrenzende Schrift verdichtet sich dabei zu einem dunklen Hintergrund, von dem sich der helle, sinnliche Körper abzuheben beginnt. Nach und nach erscheinen Brüste, Beine und Scham einer sich gerade entblößenden Frau. Und schon befinden wir uns wieder vor der Bühne. Gleich einem sich hebenden Vorhang durchqueren die Stelzen ein weiteres Mal den Vordergrund. Eine neue Figur gesellt sich zur Zweiergruppe im hinteren Bereich und singt in den Lautsprecherkopf.
In der nächsten Einstellung ist die Lautsprecherfigur nah an uns herangerückt. Von links erscheint nun eine Gestalt, deren Form an die Silhouette einer Frau erinnert, aber nicht nur. Die Figur ähnelt vor allem einem mechanischen Apparat, dessen Teile beziehungsweise Glieder sich synchron zur Musik bewegen. Die Töne scheinen der Figur, gleich einem Musikinstrument, zu entweichen.
Plötzlich wird die Stimmung dramatisch. Mit dem Auftreten weiterer Figuren, einer Frau mit extravagantem Kleid und Hut, die von zwei kleineren Gestalten flankiert wird, beginnt ein Chorgesang, wobei Lautstärke und Pathos ansteigen. Das Erscheinen mehrerer aufgeregter Lautsprecherfiguren und einer wild durchs Bild klappernden Zange bringt schließlich Chaos ins Bild.
„Wenn die Zauberkräfte des Schattens und des Doubles auf einem weißen Bildschirm in einem nächtlichen Saal zusammenwirken, wenn der Zuschauer in seiner Wabe steckt - eine Monade, die für alles, mit Ausnahme der Bildwand, verschlossen ist, eingehüllt in die doppelte Plazenta einer anonymen Gemeinschaft und der Dunkelheit -, wenn die Ventile jeder eigenen Tat verstopft sind, dann öffnen sich für ihn die Schleusen des Mythos, des Traumes, der Magie.“[1]