Willkommen bei Familie Fies – Nicht ohne unsere Geister! - Jenni Jennings - E-Book

Willkommen bei Familie Fies – Nicht ohne unsere Geister! E-Book

Jenni Jennings

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Von allen fiesen Geistern verlassen Fiona Fies und ihre Familie kommen aus Unterland – dem Land der Hexen, Geister und Gespenster, dem Land, in dem Unfug, Betrügereien und Spuk auf der Tagesordnung stehen! Sie haben die Aufgabe, möglichst viel Chaos in die Welt der Menschen zu bringen. Sie befördern Poltergeister zum Spuken in Wohnhäuser und sind auch sonst so fies wie möglich. Außerdem hassen sie Bücher, Baden und ganz besonders: Hilfsbereitschaft. Nur Fiona ist anders als der Rest der Familie. Sie liest gern und hat sogar einen Menschenfreund! Als ihr Onkel sie um Hilfe bittet, muss sie sich entscheiden: Bricht sie mit der Familienehre und tut Gutes?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 141

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Sammlungen



Über das Buch

Nicht ohne unsere Geister!

 

Fiona Fies und ihre Familie kommen aus Unterland – dem Land, in dem Unfug, Betrügereien und Spuk auf der Tagesordnung stehen! Sie haben die Aufgabe, möglichst viel Chaos in die Welt der Menschen zu bringen. Sie befördern Poltergeister zum Spuken in Wohnhäuser und sind auch sonst so fies wie möglich. Nur Fiona ist anders als der Rest der Familie. Sie liest gern, badet freiwillig und hat sogar einen Menschenfreund! Als plötzlich der Geist ihres Opas verschwindet und ihr Onkel sie um Hilfe bittet, muss sich Fiona entscheiden: Bricht sie mit der Familienehre und tut Gutes?

 

Verkehrte Welt in Unterland – verflucht schräg und witzig

Jenni Jennings

Willkommen bei Familie Fies

Nicht ohne unsere Geister!

Aus dem Englischen von Nina Frey

Mit Illustrationen von Hannah Peck

Für Lily, Hugo, Amelia, Oliver und Jacob,in Liebe

NAME: Fiona Fratziska Fies

ALTER:113/4

BERUF: Schabernacktreiberin & Amateurdetektivin

MAG: Lesen, Baden, Rätsel

MAG NICHT: Bosheit, unaufgeräumte Zimmer, nicht helfen

GUT ZU WISSEN: Fiona fand heraus, dass sie mit den Geschöpfen der Nacht sprechen kann, als sie im Alter von vier Jahren in den Sümpfen hinter der Villa Fies versank und von zwei Schleiereulen und einem Fuchs namens Darwin gerettet wurde, die ihre Hilfeschreie hörten. Einmal im Monat lädt sie die nachtaktiven Tiere zum Mondscheindinner im alten Eishaus neben der Gruft ein.

NAME: Simon Sherlock Kniepel

ALTER:111/4

BERUF: Zeitungsjunge & Amateurdetektiv

MAG: Skelette, Fahrradfahren, Sonderbares

MAG NICHT: Gemeinheit, Gewöhnliches, Zubettgehen

GUT ZU WISSEN: Simon trägt denselben Nachnamen wie der bekannte Kriminalkommissar Kniepel, der trotz seiner zahlreichen Ermittlungen in der Schwerkriminalität immer noch Zeit fand, Schulhoftäter zu überführen und Fälle von Fahrradvandalismus aufzuklären.

NAME: Fanny »Fännchen« Fies

ALTER:2

BERUF: Unruhestifterin & Beißerin

MAG: Beißen, frittierte Schweinsohren, Abhauen

MAG NICHT: Puppen mit Köpfen. Weiche Nahrung. Erwachsene, die mit ihr sprechen, als ob sie ein Kleinkind wäre – obwohl sie ein Kleinkind ist.

GUT ZU WISSEN: Fännchen hatte sich bereits durch drei Weiden-Wiegen, drei hölzerne Babybetten und einen Sarg genagt, als Mama endlich den Käfig ihres (leider verstorbenen) zahmen Geiers vom Speicher holte, damit Fännchen darin schlafen konnte.

NAME: Mama (Salamandra) Fies

ALTER:32

(eigentlich ist sie 59, aber um ihr Alter macht sie ein großes Geheimnis. Oberunter:innen haben dank ihres magischen Blutes eine längere Lebenserwartung als die Menschen aus dem Oberland.)

BERUF: Unheilstifterin, Geschäftsführerin der Spukagentur Fies

MAG: Stinkbomben, Ohrenzwicker, Diebesgut

MAG NICHT: Reinlichkeit, Gemeinschaftsgeist, Recycling

GUT ZU WISSEN: Mama lernte die edle Kunst des Diebstahls vom Geist der Diamanten-Annie, einem Mitglied der berüchtigten Mädchenbande Vierzig Elefanten, die Juwelen und Reichtümer aller Art mitgehen ließen, indem sie sie in den riesigen Unterhosen unterhalb ihrer bauschigen Unterröcke versenkten.

NAME: Papa (Fidibus) Fies

ALTER:66

BERUF: Unheilstifter, Generaldirektor der Spukagentur Fies

MAG: Stehlen, Schatzkarten, Aalzucht in der Badewanne

MAG NICHT: Bücher, Helfen, Weltverbesserer

GUT ZU WISSEN: Im Jahre 1987 stellte Papa den Weltrekord für die größte Anzahl einen menschlichen Kopf umschwirrender Fliegen auf. Dieser Rekord wurde im Jahr 1992 vom Oberunter Madenbert Milbig gebrochen.

NAME: Opa (Strolchior) Schuftig

ALTER:127

BERUF: Geist, Schabernacktreiber

MAG: Poker, Brennnesseltee, Lesen

MAG NICHT: Boshaftigkeit, Aufregung, Gewitter

GUT ZU WISSEN: Im Jahre 1908 arbeitete Opa in einem Londoner Hotel und servierte eines Morgens zufällig der Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst und anderen Suffragetten das Frühstück. Er tat, als ob er Teekannen polierte, damit er ihren Reden lauschen konnte, und ist seitdem glühender Feminist.

NAME: Onkel Furi (Furian) Fies

ALTER:58

BERUF: Privatdetektiv im Unterland

MAG: Haargel, schnittige Anzüge, Unrecht wiedergutmachen

MAG NICHT: Ungerechtigkeit, schmutzige Fingernägel, Springteufel

GUT ZU WISSEN: Onkel Furi wurde einst von Geheimdienstagenten angeworben, für sie als Spion zu arbeiten. Er behauptet, sie abgewiesen zu haben, aber Fiona hat den Verdacht, dass er ihnen vielleicht doch gelegentlich aus der Patsche hilft.

1Unheil war ihr Geschäft

Die Fiesens waren Frühaufsteher. Es war Sonntagmorgen um halb acht und die meisten Familienmitglieder waren schon seit Stunden auf den Beinen, um Unheil zu stiften.

Dieses Unheil stiftete die Familie Fies aber nicht aus Jux und Tollerei. Unheil war ihr Geschäft und das Geschäft mit dem Unheil war eine überaus ernste Angelegenheit. Als Abgesandte vom Unterland – dem Land des Spuks, der Schwarzmagie und Schwindelei – war es ihre Pflicht, das Oberland mit ausreichend Schmierigkeit und Schaurigkeit zu versorgen.

Das Oberland war die gewöhnliche Welt, wo lebendige Menschen ihr Leben lebten, in seliger Unkenntnis des Unheils, das in der Schattenwelt unter ihnen zusammengebraut wurde. Die Unterländer nannten die Bewohner dieser gewöhnlichen Welt Oberländer. Die Oberländer hatten für die Bewohner des Unterlands überhaupt keinen Namen, weil sie keine Ahnung hatten, dass es sie gab!

Mama und Papa Fies hatten an diesem Morgen den Flohmarkt besucht, gemeinsam mit Fionas kleiner Schwester Fanny. Papa hatte sich unter die Autos geschlichen und den Händlern die Luft aus den Reifen gelassen. Mama hatte sich zwischen den Ständen herumgedrückt und zusammengeklaut, was nur ging. Fännchen hatte glucksend in ihrem Buggy gesessen und nach allen Passanten geschnappt, die sich hingerissen zu ihr hinabgebeugt hatten. Mehr Untaten an einem einzigen Morgen waren kaum möglich.

Fiona Fies hingegen war zu Hause geblieben. Sie hatte versprochen, ihre Untaten später nachzuholen. So konnte Fiona, während ihre Familie draußen stahl und schnappte, heimlich lesen. Heimlich lesen deshalb, weil Fionas Eltern von Lesen überhaupt nichts hielten, es sei denn natürlich, es handelte sich um eine Schatzkarte.

Fiona nahm außerdem ein langes, genüssliches Vollbad. Das würde ebenfalls ihr Geheimnis bleiben. Mama glaubte fest an die heilsame Wirkung des Sich-so-gut-wie-gar-nicht-Waschens und ließ es hinter ihren Ohren immer schön dreckig, damit die Ohrenzwicker einen ordentlichen Brutplatz hatten.

Dann kehrte der Rest der Familie zurück, beladen mit der Ausbeute ihrer morgendlichen Untaten. Eine riesige Tasche voller Krimskrams entleerte sich über dem Küchentisch. Mama stellte sich an die Spüle und polierte einen monströsen Mondsteinring. Ihre ausgeleierte Strumpfhose bauschte sich um die Knöchel, sodass ihre Storchenbeine aussahen wie Truthahnhälse. Alle paar Sekunden erschauerte sie und quietschte laut auf, weil ihr von oben eiskaltes Wasser in den Nacken tropfte.

»Jetzt ist aber genug, Opa!«, brüllte Mama und schlug fest auf die Abtropfplatte. »Ich weiß, dass du es bist!«

Fiona trottete in die Küche.

»Ach, Fiona, keine Sekunde zu früh!«, rief Mama. »Sag Opa, er soll sich’s sparen, ja? Er hat sich wieder unsichtbar gemacht!« Fiona hob den Blick. Oben an der Küchendecke, über der Spüle, klebte kichernd ihr allerliebster Lieblingsgeist überhaupt: ihr Opa. Er tunkte die Hand in ein Glas Eiswasser und ließ die Tropfen auf Mamas Nacken hinunterregnen. Er hatte ein verschmitztes Grinsen im faltigen Gesicht.

»Hallo, Opa«, sagte Fiona. Für sie hatte sich Opa nicht unsichtbar gemacht.

»Hallo, Entchen«, rief er ihr von der Decke herab zu. »Nachher Lust auf eine Partie Poker?«

»Absolut!« Fiona grinste. »Diesmal ziehst du mich nicht über den Tisch!«

Opa grinste zurück und wedelte frisches Eiswasser in Mamas Kragen. Mama kreischte.

»Mama meint, du sollst es dir sparen«, sagte Fiona pflichtschuldig. Sie wusste, dass Opa einfach nur ein bisschen Spaß haben wollte.

»Bin ja nicht taub«, sagte Opa. »Ich überhör sie mit Absicht.«

»Trotzdem«, sagte Fiona. »Vielleicht lässt du es besser.«

Opa seufzte. »Meinetwegen, Entchen.« Entchen war Opas Spitzname für Fiona. »Aber nur, weil du’s bist. Früher gab’s immer was zu lachen in dieser Bude«, fügte er schmollend hinzu und verschwand durch die Decke.

»Wir sehen uns später beim Pokern«, schwebte Opas körperlose Stimme noch hinab.

Geister können entweder sichtbar sein oder unsichtbar, ganz wie sie wollen. Mama und Papa hatte Opa sich nicht mehr gezeigt, nachdem sie Fionas Geschichtsaufsatz an Fännchen verfüttert hatten. Opa war überzeugt gewesen, dass Fiona dafür eine Eins bekommen hätte, wären ihre Eltern nicht so verbohrt gewesen.

Fiona liebte ihren Opa, er verstand sie. Hätte sie nur mehr Zeit für ihn gehabt, damit er nicht so viel allein war!

Opa war schon ein Geist gewesen, bevor Fiona überhaupt geboren war. Er hätte hinab ins Unterland ziehen können, aber ihm war klar gewesen, dass die kleine Fiona beim Aufwachsen in der Villa Fies einen Verbündeten brauchen würde. Und er hatte recht behalten. Abgesehen davon, dass sie am Leben war, hatte Fiona mit ihrer übrigen Familie nichts, aber auch gar nichts gemeinsam.

Mama tupfte sich den Nacken mit einem Geschirrtuch trocken und klaubte einen weiteren geklauten Ring aus dem Beutebeutel. Der Ring war golden, mit einer großen, weiß schimmernden Perle in der Mitte. Mama rieb die Perle gegen ihre gelben Zähne und gackerte.

»Echt!«, verkündete sie mit diebischer Freude. »Wenn wir den verscherbeln, bringt er uns ein hübsches Sümmchen ein.«

Fiona schickte sich an, die Küche zu verlassen, doch Mama pfiff sie zurück. »Fiona, heute hast du Missetatendienst!«

»Aber, Mama, ich muss noch Hausaufgaben machen«, beschwerte sich Fiona.

»Hausaufgaben!«, kreischte Mama. »Hausaufgaben! Lass Papa nur nicht hören, wie du daherredest. Das Thema ist durch! Hausaufgaben haben noch keinen weitergebracht, darauf kannst du Gift nehmen!«

Fännchen in ihrem Hochstuhl fing an zu brüllen, doch Mama fuhr ungerührt fort: »Du musst hier auch mit anpacken, junge Dame! Untaten erledigen sich nicht von selbst und im Verlies hab ich vier neue Geister in der Mache. Wir haben auch nur vier Hände! Papa geht auf dem Zahnfleisch und ich weiß nicht mehr, wem ich zuerst schaden soll!«

Das Verlies war ein fensterloser, türloser Kerker, in dem Mama und Papa ihre frisch angeheuerten Spukgespenster aufbewahrten, bevor sie auf die ahnungslose Öffentlichkeit losgelassen wurden.

Fionas Schwester brüllte immer noch. Ihr Hochstuhl hob vom Boden ab und begann zu kreiseln.

»Fanny Fies, dieser Radau schmilzt mir noch den Hirnkasten zusammen, das sag ich dir!«, brüllte Mama und hielt sich den Kopf.

Fännchens rundes Gesicht krampfte sich um einen Schnuller herum, den sie sich zwischen die spitzen Zähnchen gespießt hatte. Ihre wütenden Fäuste hielten eine Puppe umklammert. Ihre schwarzen Locken waren von dem Tobsuchtsanfall schweißnass.

Sie hatte eines von diesen Gesichtern, bei denen die Erwachsenen ganz rührselig werden und in eine hohe Fistelstimme verfallen. Ihre Apfelbäckchen waren rosenrosa und pfirsichweich, ihre Augen murmelrund und von langen Wimpern umrahmt, und die Lippen hatten eine perfekte Herzform. Erst wenn ihr die rührseligen Erwachsenen mit den gurrenden Riesengesichtern zu nah kamen, legte Fännchen lächelnd zwei Reihen Dolchzähnchen frei – scharf genug, um einen Hai neidisch zu machen – und schnappte nach den neugierigen Nasen.

Fiona trat zu Fännchen, riss dem plärrenden Kind den Schnuller aus dem Mund und schleuderte ihn zum Küchenfenster hinaus. Dann entwand sie den Patschhändchen die Puppe, rupfte ihr den Kopf und ein Bein aus und ließ den verstümmelten Körper auf das Tischchen des Hochstuhls plumpsen.

Sofort stellte Fännchen das Schreien ein. Der Hochstuhl plonkte wieder zu Boden. Ein gruseliges Lächeln breitete sich auf ihrem tränenverklebten Gesicht aus und unter glücklichem Glucksen begann sie mit den Überresten der Puppe zu spielen.

»Du hast so einen guten Draht zu ihr«, sagte Mama. »Ich hab keine Ahnung, wie du das immer wieder hinbekommst.«

Fiona zuckte mit den Schultern.

»Und jetzt raus mit dir!« Mama scheuchte Fiona aus der Küche. »Raus hier und dass du mir ja schön Unheil anrichtest!«

2Nie fiel ein Sonnenstrahl auf die Villa Fies

Fiona trat hinaus in den Sonnenschein. Ruhig und beschaulich lag der Segensreichplatz da, auf dem ihr Zuhause, die Villa Fies, als Schandfleck der sonst so idyllischen Nachbarschaft galt.

Die Villa Fies war aufgeschossen bis zum Gehtnichtmehr und hatte so viele Giebel und Türmchen, dass es direkt unanständig war. Um die Türmchenspitzen bauschte sich stets eine dunkle Wolke, die sich über dem Fies-Anwesen häuslich eingerichtet hatte. Knorriger Kletterdorn und schlängelndes Efeu kraxelten an den maroden Mauern empor, wanden sich um bröckelnde Balkone und verfallene Verandas. Nie fiel ein Sonnenstrahl auf die Villa Fies und in den zahllosen schmutzigen Fenstern spiegelten sich nichts als Schatten und das eine oder andere fahle Gesicht, das hinter der Scheibe klebte.

Die Bewohner der eleganten, makellos weiß getünchten Stadthäuser, die sich notgedrungen den Segensreichplatz mit den Fiesens teilen mussten, lagen derweil noch gemütlich im Bett und genossen es, sonntags so richtig schön auszuschlafen. Fiona stieß einen Seufzer aus und machte sich an ihre Missetaten. Sie ergriff einen Stock und ratterte damit halbherzig am Eisenzaun entlang, der den kleinen Park in der Mitte des Platzes umgab. Aus den Blumenbeeten ragte eine Reihe enthaupteter Sonnenblumen – Opfer des abendlichen Streifzugs ihrer Eltern, mit dem sie die Nachbarn ärgerten. Fiona schüttelte den Kopf. Sie trieb nicht gern ihr Unwesen, jedenfalls nicht so, wie Mama und Papa es von ihr erwarteten. Fiona trieb gern fröhlichen Schabernack, wie Kekse aus der Speisekammer mopsen oder Wasserbomben aus dem Fenster werfen oder wetten, wie viel Krimskrams sie und Opa auf Papas Kugelbauch stapeln konnten, während der auf dem Sofa ratzte.

Fionas Zaungeratter fetzte in den friedlichen Morgen, es klackerte wie ein Xylophon, das nur eine einzige Note beherrscht. Es verscheuchte einen schnatternden Vogelschwarm aus der alten Eiche. Hunde bellten los. Fiona klackerte weiter mit dem Stock.

Vor Hausnummer 6 stand ein Bentley mit Wunschkennzeichen. Fiona trat mit ihren Stiefeln fest gegen einen Reifen. Der Alarm heulte los.

Hinter den Brokat- und Samtvorhängen erschienen verschlafene Gesichter, schaler Morgenatem beschlug die kalten Fensterschreiben. Fiona zuckte entschuldigend mit den Schultern.

»Tut mir leid!«, rief sie verlegen.

Die Nachbarn funkelten sie unter ihren Bettfrisuren hervor finster an und zogen schnell die Vorhänge wieder zu. Für sie würde Fiona immer eine von diesen verflixten Unruhestiftern sein.

Wäre es nach Fiona gegangen, hätte sie überhaupt keine Unruhe gestiftet, aber sie wollte ihre Eltern nicht im Stich lassen. Mama hatte es beinahe das Herz gebrochen, als sie ihre Tochter beim Plastikflaschen-Recycling ertappt hatte. Streberin oder Tunichtgut – was sie auch unternahm, nie war es richtig.

Die Sonne glitzerte auf Fionas wilder rabenschwarzer Mähne und den glänzend schwarzen Motorradstiefeln. Der smaragdgrüne Streifen in ihrer Strumpfhose hatte genau die Farbe ihrer wachen, sprühenden Augen und passte hervorragend zu dem Ringeltop, das sie unter ihrem schwarzen Latzkleid trug. Sie hatte weder die rosigen Wangen noch die Dolchzähnchen ihrer Schwester, doch beide hatten die gleiche Stupsnase, wie eine Skisprungschanze für Flöhe.

Am anderen Ende des Parks zitterte ein Berg aus rostroten und goldenen Blättern in der sanften Brise. Der Nachbarschaftsverband Segensreichplatz hatte einen angenehmen Samstagnachmittag damit verbracht, das Herbstlaub zusammenzufegen, aufzusammeln und zu einem großen Haufen zusammenzutragen, der später von der Stadtverwaltung abgeholt werden würde.

Die Familie Fies hatte durch Abwesenheit geglänzt.

»Widerlich«, hatte Papa gesagt, als er durchs Fenster gespäht hatte.

»Gemeinschaftsgeist? Da kommt mir echt alles hoch«, sagte Mama.

Fiona hatte das Geschehen vom Dachfenster aus verfolgt. Sie wäre so dringend gern dabei gewesen, besonders, als am Ende ein Grillfest für alle Helferinnen und Helfer veranstaltet wurde und unter dem orangefarbenen Oktoberhimmel Musik spielte und angekokelte Würstchen verzehrt wurden.

Da kam Simon auf den Platz geradelt und riss Fiona aus ihren Grübeleien. Simon war der Zeitungsjunge und der Segensreichplatz Teil seiner Runde. Vor allem aber war er Fionas bester und einziger Freund.

Freundschaften gab es für die Fiesens nicht. Das war verboten. Fionas Eltern wollten nicht, dass ihre Tochter irgendwas zu tun hatte mit »diesen unterbelichteten Oberländern«. Sie wollten nicht, dass ihr Schandtatenschwung von diesen schwachhirnigen Spiel-mit-mir-Spinnern ausgebremst wurde. Aber Fiona konnte einfach nichts daran ändern, dass sie mit Simon befreundet war. Schon vom ersten Schultag an waren sie gemeinsam die Spinner gewesen.

»Hallo, Fiona!«, rief er. »Wie läuft’s?« Simon übte gerade, auf dem Hinterrad zu fahren, und er hatte es schon ziemlich gut raus. Erst machte er Tempo, und wenn er genügend Schwung hatte, riss er den Vorderreifen hoch.

Fiona antwortete mit einem durchtriebenen Grinsen. Sorgfältig richtete sie den Stock, mit dem sie am Geländer gelärmt hatte, auf Simons Vorderrad und schleuderte ihn dann mit voller Wucht. Der Stock verfing sich in den Speichen. Simon und sein Rad segelten durch die Luft und landeten im Blätterhaufen, der den Jungen und das Fahrrad mit einem raschelnden Seufzer verschlang.

Das so sorgfältig zusammengeharkte und aufgehäufte Laub stob empor wie rostige Lava und verteilte sich wie abendscheinrote Asche quer über den ganzen Platz. Mama und Papa würden sehr zufrieden sein, dass alle Mühe der Nachbarschaftshilfe für die Katz gewesen war.

Wenn ich schon Unheil anrichten muss, dachte Fiona, dann will ich wenigstens meinen Spaß haben!

Simon und sein Rad waren völlig im Laubvulkan verschwunden.

»Kannst du ihn nicht leiden?«, fragte eine neugierige Stimme.

Es war Furian Fies, kurz Furi genannt: Fionas Onkel. Er stand gegen die alte Eiche gelehnt.

»Das ist mein bester Freund«, sagte Fiona.

»Dann warst du aber nicht besonders nett zu deinem besten Freund«, sagte Onkel Furi.

Fiona sah ihn herausfordernd an. »Wart’s ab«, sagte sie.

Der Haufen begann zu zittern und zu schlottern und plötzlich kam Simon aus der Mitte hervorgesprengt, ein breites Grinsen im Gesicht. Er schüttelte sich die trockenen Blätter von den Kleidern und zerrte sein Rad heraus.

»Danke, Fiona«, sagte Simon strahlend. »Das war der Wahnsinn. Können wir noch mal?«

»Später vielleicht«, sagte Fiona.