Wings of Fire (Band 4) – Die Insel der Nachtflügler - Tui T. Sutherland - E-Book

Wings of Fire (Band 4) – Die Insel der Nachtflügler E-Book

Tui T. Sutherland

4,8

Beschreibung

Ein actiongeladenes Fantasy-Abenteuer fünf mutiger junger Drachen, die eine uralte Prophezeiung erfüllen sollen! Starflight hatte sich die Insel der Nachtflügler immer prächtig und herrschaftlich vorgestellt. Aber stattdessen trifft er dort nur auf hungernde Drachen und einen kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkan. Der Stamm braucht dringend ein neues Zuhause und hat sich ausgerechnet den Regenwald ausgesucht, in dem nun Glory Königin ist. Doch die Nachtflügler wollen nicht friedlich mit den Regenflüglern leben – sie wollen sie beseitigen. Starflight muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht. Soll er seinen Freunden helfen und damit die Auslöschung seines eigenen Stammes riskieren? Ein spannendes Fantasy-Abenteuer von Bestseller-AutorinTui T. Sutherland (Magic Park). Die actiongeladene Geschichte um fünf mutige Drachen und eine uralte Prophezeiung ist ideal für Kinder ab 11 Jahren und verbindet Alltagsthemen wie Freundschaft und Zusammenhalt mit einzigartigen und starken Charakteren – witzig, temporeich und warmherzig zugleich.

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Für Jonahs und Elliots ersten Stamm:

SANDFLÜGLER

Aussehen: blassgoldene oder weiße Schuppen von der Farbe des Wüstensandes, giftige Schwanzspitze, gespaltene schwarze Zunge

Fähigkeiten: können lange ohne Wasser überleben, vergiften Feinde mit ihren Schwanzspitzen wie Skorpione, graben sich zur Tarnung in den Wüstensand ein, speien Feuer

Königin: Seit dem Tod von Königin Oasis ist der Stamm gespalten. Es gibt drei konkurrierende Anwärterinnen auf den Thron: die Schwestern Burn, Blister und Blaze.

Bündnisse: Burn kämpft an der Seite der Himmelsflügler und Erdflügler, Blister hat sich mit den Meeresflüglern verbündet, Blaze wird von den meisten Sandflüglern und den Eisflüglern unterstützt.

ERDFLÜGLER

Aussehen: dicke, gepanzerte braune Schuppen, manchmal mit bernsteinfarbenen und goldenen Unterschuppen; große, flache Schädel mit Nüstern auf der Oberseite der Schnauze

Fähigkeiten: können Feuer atmen (wenn ihnen warm genug ist), bis zu einer Stunde lang den Atem anhalten, sich in großen Schlammpfützen verbergen; sind in der Regel sehr stark

Königin: Königin Moorhen

Bündnisse: zurzeit mit Burn und den Himmelsflüglern im großen Krieg verbündet

HIMMELSFLÜGLER

Aussehen: rotgoldene oder orangefarbene Schuppen, riesige Flügel

Fähigkeiten: starke Kämpfer und Flieger, können Feuer speien

Königin: Königin Scarlet

Bündnisse: zurzeit mit Burn und den Erdflüglern im großen Krieg verbündet

EISFLÜGLER

Aussehen: silberfarbene Schuppen wie der Mond oder blassblaue wie Eis; Krallen mit Furchen, um besseren Halt auf dem Eis zu haben; gespaltene blaue Zungen; schmale Schwänze, die in einer dünnen Spitze auslaufen

Fähigkeiten: können Temperaturen unter null und grellem Licht standhalten, atmen einen todbringenden Eisatem aus

Königin: Königin Glacier

Bündnisse: zurzeit mit Blaze und den meisten Sandflüglern im großen Krieg verbündet

REGENFLÜGLER

Aussehen: Schuppen wechseln ständig die Farbe, in der Regel bunt wie Paradiesvögel, in der Regel Greifschwänze

Fähigkeiten: besitzen Tarnschuppen, die mit der Umgebung verschmelzen, benutzen ihre Greifschwänze zum Klettern; keine bekannten natürlichen Waffen

Königin: Königin Dazzling

Bündnisse: nicht am großen Krieg beteiligt

MEERESFLÜGLER

Aussehen: blaue, grüne oder grünblaue Schuppen, Schwimmhäute zwischen den Krallen, Kiemen am Hals, Leuchtstreifen auf Schwanz, Schnauze und Bauch

Fähigkeiten: können unter Wasser atmen, im Dunkeln sehen, große Wellen mit einem Schwanzschlag erzeugen; hervorragende Schwimmer

Königin: Königin Coral

Bündnisse: zurzeit mit Blister im großen Krieg verbündet

NACHTFLÜGLER

Aussehen: lilaschwarze Schuppen mit vereinzelten silbernen Schuppen auf der Unterseite der Flügel – wie ein Nachthimmel voller Sterne, gespaltene schwarze Zunge

Fähigkeiten: können Feuer speien, in dunklen Schatten verschwinden, Gedanken lesen, die Zukunft voraussagen

Königin: ein streng gehütetes Geheimnis

Bündnisse: zu geheimnisvoll und mächtig, um am Krieg teilzunehmen

DIE PROPHEZEIUNG DER DRACHEN

Wenn der Krieg getobt hat zwanzig Jahr, werden die Drachlinge kommen. Wenn das Land gepeinigt wird von Blut und Gefahr, werden die Drachlinge kommen.   Die Schwingen des Meeres im Ei vom dunkelsten Blau. Die Schwingen der Nacht gebracht aus nebligem Grau. Das größte Ei, hoch oben auf dem Berg gelegen, wird Dir die Schwingen des Himmels geben. Die Schwingen der Erde haben im Sumpf geruht, in einem Ei so rot wie Drachenblut. Und gut versteckt vor den Königinnen im Zwist, wartet das Ei mit den Schwingen des Sandes dort, wo es ist.   Blister, Blaze und Burn, drei Königinnen gar, zwei werden sterben und eine wird gewahr, dass sie erlangt die Schwingen des Feuers, wenn sie sich fügt einem Schicksal teuer.   Fünf Eier, geschlüpft in der hellsten Nacht, fünf Drachlinge, geboren, zu enden die Schlacht. Dunkelheit steigt auf und bringt das Licht mit Macht. Die Drachlinge kommen …

PROLOG

Die Eisdrachen kamen aus dem Nichts.

Es hätte eine ruhige Nacht sein sollen. Auf ihrer Patrouille durch das Gebirge an der Grenze zwischen den Königreichen hätten sie außer Himmelsflüglern und ein paar anderen Erdflüglern keine anderen Drachen sehen sollen. Seit der Schlacht vor sechzehn Tagen, in der Crane gestorben war, hatte es keine Kämpfe in der Nähe ihres Dorfes mehr gegeben.

Reed konnte immer noch nicht an die Schlacht denken, ohne das Gefühl zu haben, dass sich ein großes Loch in seiner Brust auftat. Manchmal wollte er die Augen schließen, sich in dieses Loch fallen lassen und nie wieder herauskommen. Aber er konnte nicht: Er hatte noch vier andere Geschwister, die sich auf ihn verließen. Er war ihr Anführer, ihr Leitflügler – obwohl er inzwischen wusste, dass er gar nicht für diese Aufgabe geboren war. Leitflügler hätte ihr Bruder Clay sein sollen, doch dessen Ei war gestohlen worden, bevor sie alle geschlüpft waren.

»Hast du das gehört?«, flüsterte Umber, der höher stieg, um neben ihm zu fliegen. Er war der kleinste Drache im Geschwistertrupp der Erdflügler, aber auch der aufmerksamste. Aus Erfahrung wusste Reed, dass er seinem Bruder jetzt besser zuhören sollte.

»Was denn?«, fragte Reed leise, während er den Kopf auf die Seite legte und die Ohren spitzte. Seine Flügel nutzten die Luftströmungen, während sie immer höher flogen. Er musterte die dunkle, gezackte Silhouette des Wolkengebirges, konnte aber weder eine Bewegung entdecken noch Flügelschläge hören.

Trotzdem drehte er sich um, sah nach seinen Geschwistern und rief sie mit einer Bewegung seines Schwanzes zu sich. Unmittelbar darauf flogen Pheasant, Sora und Marsh in enger Formation hinter ihm.

»Ich dachte, ich hätte ein Fauchen gehört«, sagte Umber. »Irgendwo ganz in der Nähe.«

Beunruhigt starrte Reed auf die nur schemenhaft zu erkennenden Bäume, mit denen die Berghänge unter ihnen bewachsen waren. Dort konnte sich alles Mögliche verstecken.

Doch das einzige Geräusch, das er hörte, war der Sandflüglergeneral vor ihnen, der aus Leibeskräften brüllte, als wäre »Tarnkappenpatrouille« nur eine lustige Bezeichnung für das, was sie da gerade machten.

»Bewegt euch, Erdflügler!«, fuhr der Sandflügler sie an. Seine Staffel aus sieben Sandflüglern, die Königin Burn treu ergeben waren, hetzte hinter ihm her und ächzte vor Anstrengung. »Ich will endlich diese Patrouille zu Ende bringen, damit ich heute Nacht noch ein bisschen Schlaf bekomme!«

»Ich habe mich wohl geirrt«, sagte Umber zu Reed.

Und in genau diesem Moment schossen neun Eisflügler aus dem Wald und griffen die Sandflügler an.

Es passierte so schnell, so geordnet und plötzlich, dass zwei Sandflügler mit zerfetzten Flügeln und heftig blutenden Wunden am Hals in Richtung Erde trudelten, bevor Reed überhaupt begriffen hatte, dass sie angegriffen wurden.

Marsh schrie vor Angst und klammerte sich an Reed, den er damit fast zum Abstürzen brachte. Marsh hatte sich nie richtig von ihrer ersten Schlacht erholt, in der ihre Schwester Crane vor seinen Augen gestorben war. Ich muss etwas dagegen tun, dachte Reed, aber nicht jetzt.

»Marsh, reiß dich zusammen!«, brüllte er, während er seinen Flügel losriss. »Jetzt mach schon, schnell. Wir müssen helfen!«

Als er den zögernden Ausdruck auf den Schnauzen seiner Geschwister sah, fragte er sich – wieder einmal –, was Clay in einer solchen Situation getan hätte, und ob die anderen nicht vielleicht glücklicher und sicherer wären, wenn sie ihm gefolgt wären … und außerdem fragte er sich, ob sie sich das auch fragten.

Aber keiner von ihnen sagte, was sie mit Sicherheit gerade dachten: Das ist Selbstmord, wie sollen wir denn helfen, ich will nicht noch ein Geschwister verlieren. Stattdessen formierten sie sich hinter ihm und schossen auf das Knäuel aus Drachen zu.

Reed hasste es, gegen Eisflügler zu kämpfen. Ihre mit zusätzlichen Furchen versehenen Krallen waren zehnmal schärfer als normale Drachenkrallen und die peitschendünnen Schwänze hinterließen üble Verletzungen auf Schnauze und Flügeln. Aber das Schlimmste war, dass sie einen mit ihrem Eisatem töten konnten.

Er spuckte eine Stichflamme auf den größten Eisflügler, der den General der Sandflügler gepackt hatte. Der Drache machte das Maul zu und fauchte ihn an, war aber viel zu sehr mit seinem Gegner beschäftigt, um Reed anzugreifen. Reed drehte sich in der Luft und hieb mit den Krallen nach silberweißen Schuppen, als von der Seite her ein anderer Eisflügler auf ihn zuschoss. Für einen Moment hielten sie einander umklammert, während der Wind heftig an ihren Flügeln riss. Schließlich gelang es Reed, noch einmal Feuer zu spucken. Der Eisflügler wich zurück und entging so nur knapp einer verbrannten Nase.

Als Reed einen Eisflügler entdeckte, der auf Umber zuschoss, machte er einen Riesensatz, stieß seinen Bruder zur Seite und fing den weißen Drachen ab, der mit voller Wucht gegen seine Brust prallte. Während der Erdflügler nach hinten taumelte, sah er, wie ein anderer Eisflügler seine gefährlichen Krallen um Soras Hals legte. Reed brüllte vor Wut. Pheasant war sofort zur Stelle und stieß den Eisflügler von Sora herunter, doch ihr Gegner kam sofort wieder zurück, das Maul weit aufgerissen und kurz davor, seinen Eisatem auszustoßen.

Ich werde nicht noch jemanden verlieren, dachte Reed. Das überlebe ich nicht. Er warf sich gegen die Flanke des Eisflüglers und schlitzte ihm mit seinen Krallen den Hals auf. Der Eisflügler riss die Augen auf und gab ein gequältes Gurgeln von sich. Reed ließ seinen Gegner los, der dem dunklen Wald unter ihnen entgegenstürzte, kraftlos mit den Flügeln zuckend wie ein sterbender Grashüpfer.

Plötzlich brüllte jemand: »Rückzug!« Reed wollte schon triumphieren, weil er dachte, die Eisflügler würden aufgeben, aber dann wurde ihm klar, dass es der General der Sandflügler war. »Rückzug!«, schrie der sandfarbene Drache noch einmal.

Reed war der Meinung, dass sie die Eisflügler besiegen konnten, wenn sie weiterkämpften, aber es war das Risiko nicht wert. Für die Eisflügler war jeder weitere Moment eine Gelegenheit, eines seiner Geschwister zu töten. Sich zurückzuziehen bedeutete, dass sie alle am Leben bleiben würden.

»Rückzug«, wiederholte er den Befehl des Generals, während er Umber packte und ihn zurückriss. »Wir verschwinden von hier. Pheasant, du auch!« Er starrte auf die kämpfenden Silhouetten im Mondlicht und suchte seinen Trupp. Sie waren alle am Leben. Noch.

Seine Schwester schlug ihre Zähne in die Vorderklaue ihres Gegners, der sie mit einem lauten Schmerzensschrei losließ. Blitzschnell flog sie an Reeds Seite, dann stiegen sie in den Himmel, Marsh, Sora und Umber direkt hinter ihnen.

Reed sah, wie sich die Sandflügler in Richtung der Berge davonmachten. Die meisten der Eisdrachen flogen ihnen nach, nur zwei von ihnen drehten um und verfolgten ihn und seine Geschwister.

»Da lang!«, brüllte er, während er im Sturzflug auf den Wald zuschoss. Wenn sich die Eisflügler dort verstecken konnten, konnten er und seine Geschwister das auch. Er war nicht verpflichtet, den Sandflüglern zu folgen – vermutlich würden sie sowieso versuchen, zum Himmelspalast zu gelangen. Außerdem wollte er die Eisflügler auf keinen Fall zu seinem Dorf führen.

Kiefernzweige peitschten gegen seine Schnauze, als er die Bäume erreichte. Seine Geschwister und er hatten eine Formation wie diese geübt – Flug durch einen dichten Wald, während alle zusammenblieben. Er hoffte, dass sie sich daran erinnerten und sich dicht hinter ihm hielten.

Als Reed irgendwo hinter sich heftiges Flügelschlagen hörte, riskierte er einen Blick über die Schulter. Selbst hier im tiefsten Schatten konnte er die Umrisse seiner Brüder und Schwestern sehen; sie waren alle da. Es musste der Eisflügler sein, der sich wohl irgendwo in den Baumkronen verfangen hatte.

Reed ging das Risiko ein und landete. Die anderen setzten mit ihm zusammen auf, und kaum hatten ihre Krallen die Erde berührt, legten sie sich mit ausgestreckten Flügeln flach hin und verschmolzen mit den Schatten auf dem dunklen Waldboden.

Stille. Niemand atmete. Über ihnen knackten Äste und kleine, nachtaktive Tiere huschten durch die Büsche. Reed spürte, wie ein Eichhörnchen über seine Klaue krabbelte, aber er rührte keinen Muskel.

Nach einer Weile hörten sie aus einiger Entfernung ein Pfeifen und das Geräusch von schlagenden Flügeln, als würden sich die Eisdrachen sammeln, um davonzufliegen.

Reed bewegte sich immer noch nicht. Er wartete fast eine Stunde, bis er den Atem nicht mehr anhalten konnte und alle Drachengeräusche schon längst verklungen waren.

Dann holte er Luft, vorsichtig und leise. Er hörte, wie die anderen seinem Beispiel folgten.

»Ist jemand verletzt?«, fragte Reed mit gedämpfter Stimme.

»Das war grauenhaft«, flüsterte Marsh. »Ich dachte, wir würden alle sterben.«

»Mir geht’s gut«, sagte Pheasant. »Nichts, was nicht bald heilen wird.«

»Ich bin auch in Ordnung«, erwiderte Sora heiser.

»Umber?«, erkundigte sich Reed, als keine Antwort von dem kleinsten Drachen kam.

»Ich hasse diesen Krieg«, brach es aus Umber hervor. »Ich verstehe nicht, wofür wir eigentlich kämpfen. Wen kümmert es, wer Königin der Sandflügler ist? Ich kenne Burn nicht und ich will sie auch nicht kennenlernen. Warum kämpfe ich mit einem Eisflügler um einen Thron, der keinen von uns beiden etwas angeht?«

»Weil unsere Königin das so will«, meinte Pheasant mit etwas mehr Sarkasmus in der Stimme, als Reed für angebracht hielt, auch wenn gerade niemand in der Nähe war, der es hören konnte.

»Königin Moorhen muss einen guten Grund gehabt haben, sich mit Burn und den Himmelsflüglern zu verbünden«, warf Reed ein. »Wir sollten nicht an ihr zweifeln.«

»Außerdem wird der Krieg sowieso bald vorbei sein«, bemerkte Sora unverhofft. Sie sagte nie viel und seit Cranes Tod war sie noch schweigsamer geworden. Reed drehte sich zu ihr um und sah, wie sich das Mondlicht in ihren Augen spiegelte. »Clay wird ihn beenden.«

Irgendetwas an der Art, wie sie Clays Namen sagte, weckte in Reed den Wunsch, in einer Schlammpfütze versinken zu können und einen Monat lang dort zu bleiben. Sie hörte sich an, als würde sie bedingungslos an Clay glauben, obwohl sie ihn doch kaum kannte. Reed wusste, dass seine Geschwister auf ihn hörten und ihn liebten. Aber sicher fragten sie sich auch, was hätte sein können … und ob Crane noch am Leben wäre, wenn Clay ihr Leitflügler gewesen wäre.

»Das stimmt.« Umber hob den Kopf. »Clay und seine Freunde werden uns bald retten.«

»Wie bald?«, fragte Marsh. »Ich dachte, in der Prophezeiung steht, dass es zwanzig Jahre dauern würde. Heißt das nicht, dass noch zwei Jahre vergehen werden, bis sie den Krieg beenden?«

»Einige Drachen glauben, es hängt davon ab, wann man zu zählen beginnt«, mischte sich Pheasant ein. »Wenn man mit der ersten Schlacht anfängt, haben wir erst seit achtzehn Jahren Krieg. Aber wenn man bis zum Tod von Königin Oasis zurückgeht, mit dem das Ganze ja eigentlich auch angefangen hat, sind es jetzt schon fast zwanzig Jahre.« Als sie bemerkte, dass Reed den Kopf schief gelegt hatte und sie fragend ansah, zuckte sie mit den Flügeln. »Seit wir erfahren haben, dass Clay in der Prophezeiung vorkommt, habe ich eine Menge darüber gelesen.«

Als sie ihren Gedanken über Clay, den Krieg und die Prophezeiung nachhingen, entstand ein langes Schweigen.

»Wenn ihr alle so unzufrieden seid«, sagte Reed schließlich zögernd, »könnten wir doch … ich meine, wir könnten doch versuchen, die Klauen des Friedens zu finden.«

Pheasant stieß ein schockiertes Zischen aus. »Ich finde diesen Krieg nicht gut, aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir unseren Stamm und unsere Heimat verlassen sollten. Wir sind Erdflügler. Wir gehören in unser Dorf.«

»Es sei denn, du bist der Meinung, dass wir gehen sollten«, meinte Marsh, der sich an Reed schmiegte. »Ich werde tun, was du entscheidest.«

»Das werden wir alle«, murmelte Umber.

Reed wusste, dass sie ihm gehorchen würden. Doch auch er hatte keine Ahnung, was er tun sollte – seinen Stamm verraten oder das Leben seiner Geschwister riskieren?

»Du brauchst das nicht heute Abend zu entscheiden«, sagte Pheasant schon etwas freundlicher. »Wir sind mit knapper Not davongekommen. Lasst uns erst mal nach Hause fliegen und schlafen. Morgen früh wird es uns allen besser gehen.«

Reed nickte. Sie standen auf und streckten ihre verkrampften Flügel, so gut das unter den Bäumen ging. Kiefernnadeln, die nach Winterfeuern rochen, rieselten auf ihre Schuppen herab.

»Was haben diese Eisflügler eigentlich hier gemacht?«, fragte Marsh, während er mit den Klauen stampfte.

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Reed. »Es sah so aus, als hätten sie auf uns gewartet, dabei sind wir doch keine wichtige Patrouille. Vielleicht waren sie wegen etwas anderem hier und wir hatten einfach Pech und haben ihre Aufmerksamkeit erregt.«

»Vielleicht waren sie wegen der Zweibeinersiedlung hier«, meinte Umber.

»Was für eine Zweibeinersiedlung?« Reed sah ihn überrascht an.

»Kannst du es denn nicht riechen?«, fragte Umber. »Wir haben einen Teil davon überflogen – die Siedlung ist ziemlich gut im Wald versteckt.«

»Wie kann dir so etwas mitten in einer überstürzten Flucht auffallen?«, wollte Pheasant wissen.

Umber zuckte mit den Flügeln.

»Warum sollten sich die Eisflügler für eine Zweibeinersiedlung interessieren?«, fragte Sora leise.

Einen Moment lang überlegten alle, dann sahen sie Reed an.

»Ich weiß es nicht«, stammelte er hilflos. Er hatte das Gefühl, dass er das in letzter Zeit ziemlich oft sagte.

»Das ist jetzt nicht wichtig«, meinte Pheasant, während sie die Flügel ausbreitete. »Wichtig ist nur, dass wir dank Reed eine weitere Schlacht überlebt haben.«

Ich frage mich, ob sie das wirklich glauben, dachte er. Ich tue es jedenfalls nicht.

»Und ich hoffe, wir überleben auch die nächste«, sagte Marsh bedrückt.

»Ich hoffe, dass wir das gar nicht müssen«, warf Umber ein. »Ich hoffe, dass Clay die Prophezeiung erfüllt und ganz bald den Krieg beendet und die Welt rettet, bevor wir noch einmal kämpfen müssen. Glaubt ihr das nicht auch? Vielleicht schafft er es ja.«

»Vielleicht«, erwiderte Pheasant. »Ich hoffe es jedenfalls.«

»Ich auch«, sagte Reed. Sein Blick ging zu den Sternen. Bevor uns der Krieg noch jemanden nimmt, den ich lieb habe. Bevor unser Dorf zerstört wird, bevor ich mich zwischen meiner Treue zu meinem Stamm und dem Leben meiner Geschwister entscheiden muss. Bevor wir noch jemanden töten müssen. »Ich hoffe es auch.«

1. KAPITEL

Wo ist sie?

Starflight hatte den Verdacht, dass er tot war, aber ihm tat alles weh. Immer wenn er versuchte, die Augen zu öffnen, legte sich bleischwere Dunkelheit auf seine Lider. Nase und Kehle waren wund und schmerzten, als hätte man sie mit einem Krokodilschwanz ausgekratzt.

Geht es ihr gut?

Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er geträumt hatte und was tatsächlich geschehen war.

Vielleicht war er noch immer in der Höhle unter dem Berg. Vielleicht hatten seine Freunde nie versucht, ihren Erziehern zu entkommen. Vielleicht war das alles ein einziger, langer Albtraum, der mit der Ankündigung von Morrowseers Besuch begonnen hatte.

Schön wär’s.

Doch Starflight konnte sich noch ganz genau daran erinnern, dass der große Nachtflügler ihn zur Seite genommen hatte. Er hatte einen ermüdenden Vortrag gehalten und mit erhobener Klaue gesagt: »Du musst deinem Ruf als Nachtflügler gerecht werden« und »Nachtflügler sind die geborenen Anführer« und »Du musst dafür sorgen, dass die anderen dich respektieren und deinen Anweisungen folgen, sonst bist du die größte Enttäuschung, die unser Stamm je hervorgebracht hat« … So etwas hätte sich Starflight nicht einfach ausdenken können. Es war wirklich geschehen.

Als er sich auf die Seite rollte, spürte er, wie sich der zerklüftete Fels in seine Schuppen bohrte.

Hatte es den Palast der Himmelsflügler tatsächlich gegeben? Waren die Drachlinge wirklich gefangen genommen worden, kaum, dass sie endlich einmal das Sonnenlicht gesehen hatten? Das Gefängnis hoch oben auf den Felsnadeln. Der glühend heiße Sand der Arena, der nach Blut und Angst gerochen hatte. Königin Scarlets Freude darüber, ihn, einen echten Nachtflügler, gefangen genommen zu haben, und ihre Begeisterung angesichts der Aussicht darauf, ihn sterben zu sehen.

Nein, es musste alles wahr sein, denn Starflight erinnerte sich daran, dass er von den Nachtflüglern »gerettet« worden war. Ihm war noch im Gedächtnis, wie seine Freunde zu kleinen Punkten unter ihm geworden waren, blau und braun und gleißend hell, und er wusste, dass es tatsächlich geschehen war, denn es fühlte sich so an wie jetzt: als wäre er eine Schriftrolle, die jemand in der Mitte auseinandergerissen hatte, sodass keines der Wörter einen Sinn mehr ergab.

Werde ich sie jemals wiedersehen?

Ich hoffe, sie ist nicht hier. Ich hoffe, sie ist irgendwo, wo ihr nichts geschehen kann.

»Ich glaube, mit dem da stimmt was nicht.«

War das eine Stimme gewesen?

Er versuchte zu lauschen, doch seine Träume zogen ihn wieder in die Dunkelheit.

Morrowseer hatte ihm noch einen zweiten Vortrag gehalten. Es sei unbedingt notwendig, dass Starflight der Anführer der Drachlinge sei, alles hänge von ihm ab. Und eine neue Anordnung: Er müsse die anderen davon überzeugen, Blister zur nächsten Königin der Sandflügler zu wählen.

»Vielleicht haben sie ihn ja aus Versehen getötet. Aber das wäre schon in Ordnung. Vielleicht komme ich dann an seiner Stelle in die Prophezeiung.«

»Fierceteeth, ich glaube nicht, dass es so funktioniert.«

Und dann war da noch das Königreich des Meeres. Niemand hatte ihm zuhören wollen. Er war einfach nicht zum Anführer geboren. Seine Freunde hatten ihn fast ausgelacht, als er versucht hatte, für Blister zu sprechen.

Noch ein Gefängnis, noch eine Flucht, bei der Starflight keine Hilfe gewesen war. Und dann der Regenwald und die sonderbaren, künstlich geschaffenen Tunnel. Einer, der in das Königreich des Sandes führte, und einer, der offenbar die Verbindung zu der verborgenen Heimat der Nachtflügler war.

Daran erinnerte sich Starflight noch.

Er erinnerte sich daran, wie er es angestarrt hatte – das finstere Loch in dem Baum, das zu einer Heimat führte, die er nie gesehen hatte.

»Ich wette, er wacht auf, wenn ich ihn beiße.«

»Und ich wette, Morrowseer wirft dich in den Vulkan, wenn er Bissspuren an seinem Liebling aus der Prophezeiung findet.«

»Ich wette, meine Mama reißt ihm den Kopf ab, wenn er es versucht!«

Jetzt war Starflight sicher, dass er Stimmen hörte – fremde Stimmen, ganz in der Nähe.

Die Erinnerung an den Regenwald verblasste. Starflight versuchte, sich darauf zu konzentrieren – auf jene letzten Momente, als sie den Tunnel bewacht hatten, damit die Nachtflügler nicht hindurchkamen und die Regenflügler angriffen. Was war geschehen?

»Er sollte jetzt wirklich mal aufwachen und interessant sein, sonst bringt Morrowseer ihn wieder weg, bevor wir ihn etwas fragen können.«

»Ich habe da eine Idee.«

Krallen kratzten über Fels, dann war wieder alles ruhig.

Starflights Augenlider waren so schwer, dass er sie nicht öffnen konnte, als hätte jemand noch ein paar Schuppen zusätzlich auf sie gelegt. Er ließ sich wieder von der Dunkelheit einhüllen.

Richtig – er hatte das Loch bewacht. Zusammen mit Clay. Die Strahlen der Morgensonne zuckten durch die grünen Blätter, tintenfischblaue Blumen reckten ihre Blüten nach dem Licht. Sunny war wieder im Dorf, bei Tsunami, und sah zu, wie Glory versuchte, Königin der Regenflügler zu werden.

Sunny hatte ihnen am Abend vorher etwas zu essen gebracht. Ihre goldenen Schuppen hatten seine dunklen Flügel berührt, als sie ihm die sonderbaren violetten Früchte gegeben hatte.

Ich liebe dich, würde er nie zu ihr sagen. Hasse mich nicht für das, was die anderen Nachtflügler getan haben. Glaub nicht, dass ich so bin wie mein Stamm. Hör nicht auf Glorys Beschreibung meines Königreichs, der Rauch, das Feuer, der Gestank, der Tod, die gefangenen, gefolterten Regenflügler und die grausamen schwarzen Drachen. Sieh mich nicht so an, als wäre ich einer von ihnen, als könnte ich tun, was sie getan haben.

Und dann hatte sie ihm einen Blick zugeworfen und gelächelt. In Sunnys Augen hatte er sich als Starflight sehen können, als jemand, der in Ordnung war, so, wie er war.

Ihr Freund.

Was alles besser und schlimmer zugleich machte.

»Pass doch auf! Ich gehe nicht noch mal zurück und hol noch mehr, wenn du alles verschüttest.«

»Dann schaff deine fetten Flügel aus dem Weg, du Schwachkopf.«

Wieder die Stimmen. Starflight versuchte, die flüchtigen Erinnerungen festzuhalten, sich ins Gedächtnis zu rufen, was geschehen war, bevor alles dunkel geworden war.

Er hatte das Loch angestarrt und sich gefragt, wie die anderen Nachtflügler waren. Ob sie alle so Furcht einflößend wie Morrowseer waren. Ob sie ihm zuhören würden, wenn er durch das Loch ging und mit ihnen redete. Und was, wenn er es schaffte, die Nachtflügler und die Regenflügler vom Kämpfen abzuhalten? Wenn seine Stammesgenossen ihn verstanden und an ihn glaubten, wenn sie der Meinung waren, es sei besser, klug zu sein als mutig? Wenn es ihnen egal war, dass er keine besonderen Nachtflüglerfähigkeiten hatte?

Was würde Sunny dann von mir denken?

Vermutlich Folgendes: Wer seid ihr und was habt ihr mit Starflight gemacht? Denn er würde nie im Leben den Mut haben, allein durch den Tunnel zu gehen.

Und dann hatte Clay plötzlich gerufen: »Hast du das gesehen? Ich glaube, das war ein Wildschwein! Ich bin gleich wieder da!« Der arme, verfressene Clay war zwischen den Bäumen verschwunden und hatte Starflight bei dem Loch allein gelassen …

Kurz darauf waren dunkle Flügel aus dem Loch hervorgequollen, dunkle Krallen hatten sich um seine Schnauze gelegt, eine dunkle Stimme hatte in sein Ohr gezischt: »Keinen Mucks oder dein Freund ist tot.« Noch eine dunkle Stimme: »Vorsicht ist besser als Nachsicht«, obwohl Starflight keinen Ton von sich gegeben hatte. Er hatte gewusst, dass es wehtun würde, noch bevor der Schlag seinen Kopf getroffen hatte. Das war das Letzte, an das er sich …

PLATSCH!

Starflight wurde mit einem lauten Schrei wach. Er riss die Augen auf. Eiskaltes Salzwasser ergoss sich über seine Schnauze, lief an seinem Hals hinunter und sickerte unter seine Schuppen. Das lähmende Gefühl der Verwirrung war im Nu verschwunden.

»Es hat funktioniert!«, jubelte eine der ihm unbekannten Stimmen.

»Mist«, sagte eine andere. »Ich habe ihn für tot gehalten.«

Als Starflight den Kopf schüttelte, drohte sein Schädel vor Schmerzen zu explodieren. Er rieb sich die Schnauze und versuchte, das Salzwasser aus seinen brennenden Augen zu wischen.

Er war von sieben oder acht dunklen Schatten umgeben, die er nur verschwommen erkennen konnte. Hinter ihnen zuckten Linien aus glühendem roten Licht über die Wände. Das eiskalte Wasser hatte seine Nüstern für einen Moment freigespült, doch jetzt spürte Starflight, wie ihm schwüle, rauchige Luft in die Nase stieg.

»Wer seid ihr?«, stieß er hervor. Jedenfalls versuchte er es.

»Hm. Ich dachte, er würde uns angreifen«, sagte eine dritte Stimme. »Das würde ich tun.«

»Er sieht nicht sehr gefährlich aus«, meinte eine andere Stimme skeptisch. »Sie hätten jemanden aussuchen sollen, der größer ist. Findet ihr nicht auch? Größer und furchterregender und wilder.«

»So wie ich«, sagte die Stimme, die gehofft hatte, Starflight sei tot.

»Ihr habt alle ganz winzige Regenflüglerhirne«, sagte eine weitere Stimme. Starflight kam schon gar nicht mehr mit. »Er war noch in seinem Ei, als sie ihn mitgenommen haben. Sie wussten nicht, ob er groß oder furchterregend werden würde. Sie wussten nicht einmal, ob er männlich oder weiblich sein würde. Sonst hätten sie natürlich ein Mädchen ausgesucht.«

»So wie mich.«

»Wer seid ihr?«, wiederholte Starflight mit rauer Stimme und musste husten.

Einer der Schatten kam so nahe an ihn heran, dass er das Gesicht eines missmutig aussehenden Drachenmädchens erkennen konnte, das ein oder zwei Jahre älter war als er. Es fummelte an seiner Schnauze herum, sah sich seine Zähne an, stieß ihn in die Brust, sodass er wieder husten musste, untersuchte seine Krallen und seufzte laut.

»Ein Schwächling«, verkündete es. »Ich hätte ihn auch zurückgeschickt.«

»Das sagst du doch nur, weil du hoffst, dass sie dich an seiner Stelle nehmen«, sagte ein anderer Drachling, während er näher kam. Er tätschelte Starflight fast freundlich den Kopf. »Aber so funktionieren Prophezeiungen nicht.«

»Wir werden schon sehen«, murmelte das Drachenmädchen.

»Das ist Fierceteeth«, sagte der freundlichere Drachling zu Starflight. »Beachte sie gar nicht. Ältere Schwestern sind immer der Meinung, dass sie alles besser können als man selbst. Ich weiß das, ich habe nämlich auch eine. Ich heiße übrigens Mightyclaws.«

»Schwester?«, stammelte Starflight, während er Fierceteeth verwirrt anblinzelte.

»Stimmt. Das ist jetzt der herzergreifende Teil mit der Familienzusammenführung«, sagte Fierceteeth. »Selbe Mutter, verschiedene Väter. Glauben wir jedenfalls. Wie fühlst du dich?« Sie musterte ihn von den Hörnern bis zum Schwanz. »Krank? Sehr krank? Könnte es sein, dass du im Sterben liegst?«

»Welchen Teil von hellste Nacht verstehst du denn nicht?«, sagte ein anderer Drachling, der hinter Fierceteeth stand. »Hast du im Unterricht nicht aufgepasst? Die Ereignisse müssen zu den Prophezeiungen passen. Hallo, fremder Drache. Ich bin Mindreader. Aber keine Angst – ich verspreche, dass ich mich aus deinem Kopf heraushalten werde.«

Die Älteren im Raum lachten schallend, als wäre das eben der lustigste Witz in der Geschichte Pyrrhias gewesen. Die drei Drachlinge, die jünger als Starflight aussahen, verdrehten genervt die Augen, als wären sie es gewohnt, von den anderen Witze zu hören, die keinen Sinn ergaben.

Starflight rieb sich verwirrt über die nassen Schuppen.

Jetzt, wo sein Sehvermögen zurückkehrte, konnte er erkennen, dass er sich in einer langen, schmalen Höhle befand, deren Wände in regelmäßigen Abständen mit Vertiefungen versehen waren. Die kleinen Nischen im Fels hatten genau die richtige Größe für Drachenbetten, und in einer davon lag er gerade, zusammengerollt, nicht weit von einem hohen Durchgang entfernt, der offenbar der einzige Weg nach draußen war. Neben ihm stand ein gewaltiger, hohler Felsbrocken auf dem Boden, den die Drachlinge wohl zum Sammeln des Salzwassers benutzt hatten, mit dem sie ihn übergossen hatten.

Es sah nicht aus wie ein Gefängnis. Es sah aus wie ein Schlafsaal.

In Löchern in den Wänden lagen heiße Kohlen, die den Raum in ein warmes rotes Glühen tauchten. Durch Oberlichter an beiden Enden der Höhle drang trübes graues Licht herein.

Starflight zählte mindestens fünfzig Schlafplätze, doch nur ungefähr elf davon schienen benutzt zu werden. In manchen Nischen waren grobe Decken zu unordentlichen Haufen aufgetürmt, während in anderen der Boden mit Gegenständen übersät war, bei denen es sich wohl um Muscheln und verschnörkelte Steine handelte. In einigen der mit Decken versehenen Kuhlen lagen Schriftrollen, bei deren Anblick es Starflight in den Krallen juckte, doch die meisten waren kahl und leer.

Schlafplätze für Drachlinge, aber keine Drachlinge, die sie benutzen.

Starflight erinnerte sich an etwas, das Morrowseer gesagt hatte, kurz nachdem er Starflight vor den Himmelsflüglern gerettet hatte. »Wir können es uns nicht leisten, Nachtflügler zu verlieren, selbst dann nicht, wenn sie ein bisschen seltsam sind«, hatte er gemurmelt.

Vielleicht stimmt etwas nicht mit meinem Stamm, dachte Starflight. Vielleicht verlieren sie aus irgendeinem Grund Drachlinge – oder sie haben von vornherein zu wenige von ihnen.

Es roch nach Schwefel und verwesten Tieren. Als Fierceteeth sich über Starflight beugte und ihn wieder in den Bauch stupste, wurde ihm bewusst, dass der Fäulnisgeruch zum größten Teil von den Drachlingen selbst kam. Sie stanken alle ganz fürchterlich aus dem Maul. Auch Morrowseers Atem hatte nicht gerade nach Veilchen gerochen, aber das hier war noch viel schlimmer. Starflight musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht zurückzuweichen, wenn sie ihn ansprachen.

Außerdem waren sie entsetzlich dünn, jeder Einzelne von ihnen, mit hervorstehenden Rippenknochen, blutunterlaufenen Augen und trockenem Husten. Selbst die Drachlinge, die überleben, sind in ziemlich schlechter Verfassung, dachte Starflight.

Er streckte sich vorsichtig und warf dabei einen Blick zum Ausgang. Es sah nicht so aus, als wäre er versperrt; soweit Starflight das beurteilen konnte, hätte er die Höhle ohne Weiteres verlassen können. Vermutlich gibt es irgendwo eine Wache, dachte er. Oder jede MENGE Wachen. Oder vielleicht etwas richtig Gruseliges, so wie Königin Corals Zitteraale. Oder einen Lavafluss wie den, der die Regenflügler in ihren Gefängnishöhlen einschließt.

Ein eiskalter Schauer kroch über seine Wirbelsäule.

»Warum bin ich hier?«, platzte er heraus.

Die Drachlinge sahen sich an.

»Weil du versagt hast«, schlug Fierceteeth vor. »Nehme ich jedenfalls an.«

»Das wissen wir doch gar nicht«, warf Mightyclaws ein. »Zwei der großen Drachen haben dich vor ein paar Stunden hier reingebracht und seitdem wirfst du dich hin und her und murmelst alles Mögliche.«

»Ja, du machst dir eine Menge Sorgen um Sunny. Wer ist Sunny?«, wollte einer der anderen Drachlinge wissen.

Starflight überlegte, ob er sich in den Vulkan stürzen sollte. »Ein Drachling«, murmelte er. Ich hoffe, es geht ihr gut.

»Ich will etwas über das Festland hören«, sagte Mindreader begierig. »Erzähl uns alles. Wir haben gehört, dass es dort Bäume gibt, die größer sind als Drachen, und Gegenden, in denen der Himmel blau ist. Stimmt das? Oder ist es gelogen? Was ist das Tollste, das du je gesehen hast? Was ist das Beste, das du je gegessen hast?«

»Ihr wart noch nie auf dem Festland?«, wunderte sich Starflight.

»Drachlinge dürfen die Insel erst verlassen, wenn sie zehn Jahre alt sind«, erklärte Mightyclaws. »Vorher trauen sie uns offenbar nicht zu, die Geheimnisse der Nachtflügler zu bewahren.«

Sämtliche Drachlinge schnaubten verächtlich.

»Du bist die einzige Ausnahme«, sagte Fierceteeth voller Hohn.

»Er und der andere«, fügte Mindreader hinzu. »Meine Mama hat gesagt, dass es noch einen anderen gibt.«

»Ich kenne keine Nachtflüglergeheimnisse«, sagte Starflight.

»Oh«, erwiderte Mightyclaws. »Das ist wohl auch eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass du nichts verrätst.«

Das hektische Scharren von Krallen auf dem Fels vor der Höhle kündigte ein Drachenmädchen an, das noch kleiner als die anderen und etwa drei Jahre alt war. Es rannte herein und keuchte: »Er kommt!«

Sofort stoben die Drachlinge auseinander und hüpften auf ihre Schlafplätze. Die Hälfte von ihnen vergrub sich in die Decken und tat so, als würde sie ein Nickerchen machen. Einige schnappten sich ihre Schriftrollen und bemühten sich, so auszusehen, als würden sie lernen, andere beschäftigten sich mit den Gegenständen, die in ihren Nischen herumlagen. Fierceteeth setzte sich auf ihr Bett, klappte die Flügel zusammen und starrte finster auf den Eingang.

Als Starflight schwere Schritte hörte, wünschte er sich, wieder bewusstlos zu sein. Er musterte das Oberlicht und fragte sich, ob er hindurchpassen würde, obwohl er ganz genau wusste, dass er viel zu viel Angst hatte, um es zu versuchen.

Begleitet von einem kratzenden, zischenden Geräusch betrat Morrowseer die Höhle. Er warf Fierceteeth einen missbilligenden Blick zu, dann sah er Starflight finster an.

»Steh auf«, herrschte er den Drachling an. »Die Königin der Nachtflügler will dich sehen.«

2. KAPITEL

Mit Drachenköniginnen hatte Starflight bis jetzt keine allzu guten Erfahrungen gemacht.

»Mi-ich?«, stammelte er. »Jetzt? Meinst du jetzt gleich? Sollte ich nicht … eigentlich bin ich ja gar nicht darauf vorbereitet, und ich … mein Äußeres … ich sehe nicht gerade so aus … um eine Königin zu besuchen … ich meine, vielleicht könnte ich ja …«

»Hör auf zu flennen und folge mir.« Mit einem lauten Knurren stolzierte Morrowseer aus der Höhle.

»Jetzt mach schon«, zischte Mightyclaws. Er flatterte ungeduldig mit den Flügeln, weil Starflight zögerte.

Starflights Krallen verfingen sich in den kleinen Löchern im Höhlenboden, und er stolperte, als er dem riesigen Nachtflügler nacheilte. Vulkangestein, dachte er, während er die Wände betrachtete. Ich frage mich, wann der Vulkan das letzte Mal ausgebrochen ist. Angesichts des dumpfen Grollens unter seinen Klauen und der Hitze, die durch den Boden stieg, schien er alles andere als erloschen zu sein.

Morrowseer führte ihn durch einen gewundenen Tunnel hindurch nach oben, ohne sich auch nur ein Mal nach ihm umzusehen.

»Meine Freunde …«, begann Starflight. »Sunny und die anderen … sind sie …«

Der große schwarze Drache drehte sich nicht um.

Starflight ging ein paar Minuten lang weiter, dann holte er tief Luft und versuchte es noch einmal: »Wann kann ich wieder zurück?«

Ein verächtliches Schnauben war die einzige Antwort. Starflight schluckte seine Fragen hinunter und zog nervös die Flügel an sich. Er hatte das Gefühl, als würden die Wände immer näher kommen.

Er sah keine Wachen und keine Flüsse aus Lava. Er sah überhaupt keine anderen Nachtflügler.

Aber während sie durch den Tunnel gingen, hörte Starflight etwas über sich – ein zischendes, murmelndes Geräusch, das immer lauter wurde, als sie näher kamen.

Drachenstimmen, die wild durcheinanderredeten und sich stritten.

Tiefes Grauen kroch durch jede Schuppe von Starflights Körper. Nur die Angst vor dem, was Morrowseer mit ihm machen würde, hielt ihn davon ab, sich umzudrehen und durch den Tunnel zurückzurennen.

Schließlich traten Morrowseer und Starflight durch einen hohen Torbogen in eine Höhle voller Drachen. Die Wände waren vor lauter Drachenflügeln gar nicht mehr zu sehen, Nachtflügler hingen wie Fledermäuse von Steinritzen, Felsbrocken und der Decke herab. Die mit dunklen Schuppen besetzten Drachenköpfe drehten sich einer nach dem anderen zu ihnen. Schweigen senkte sich über die Versammlung.

Doch eine Stimme rief: »Wir sollten jetzt angreifen. Wir hätten gestern angreifen …«, und brach dann abrupt ab, als der Sprecher den Drachling bemerkte.

Starflight fragte sich wieder, ob er träumte, denn hier war sein schlimmster Albtraum wahr geworden: eine Höhle voller wütender Nachtflügler, die ihn alle anstarrten.

»Pass doch auf«, knurrte Morrowseer, als Starflight stolperte und gegen den riesigen Nachtflügler stieß. Und dann sah Starflight, was vor ihren Klauen lag.

Nach wenigen Schritten fiel der Felsenpfad zu beiden Seiten steil ab, sodass nur noch ein schmaler Streifen aus Gestein übrig war, auf dem man stehen konnte. Und unter ihm brodelte ein See aus glühender orangefarbener Lava. Starflight spürte, wie sich die Hitze schwer auf seine Schuppen legte.

Morrowseer trat zurück in die Sicherheit des Torbogens und schob Starflight noch ein Stück nach vorn, sodass der Drachling ganz allein auf dem Felsvorsprung stand, umgeben von Lava.

Lava und Nachtflüglern.

Und sie wissen alle, was ich denke, fuhr es ihm entsetzt durch den Kopf. Sie können alle meine Gedanken lesen. Sie wissen, dass ich Angst habe und schwach und hilflos bin, und dass ich nicht glaube, Blister sollte die nächste Königin werden, und dass ich das hier für einen ganz furchtbaren Ort zum Leben halte und …

Hör auf, an das zu denken, was sie nicht in deinem Kopf sehen sollen!

Mit all seiner Willenskraft konzentrierte sich Starflight auf die Höhle und deren Details. Denk an das, was du siehst. Denk an nichts anderes.

Jetzt wurde ihm klar, dass es genau genommen gar nicht Hunderte von Drachen waren, die ihn gerade anstarrten. Während Starflight eine grobe Schätzung durchführte, versteckte er seine anderen Gedanken hinter Bergen von Zahlen. Vielleicht vierzig. In der Höhle waren etwa vierzig schwarze Drachen, die meisten von ihnen so groß wie Morrowseer, was bedeutete, dass sie ziemlich alt sein mussten. Sie waren alle so dünn wie die Drachlinge in der Schlafhöhle und viele von ihnen hatten schmutzige Verbände auf ihren Schuppen, wunde Stellen an Schnauzen und Flügeln und Blutspuren um die Nüstern. Diese Drachen sahen aus wie das genaue Gegenteil der bunten, gesunden, gut genährten Regenflügler.

An der Höhlenwand direkt gegenüber fiel Starflight eine freie Stelle auf. Es sah aus, als hätte jemand einen Kreis in das Gestein gehauen, dessen Durchmesser in etwa der Flügelspanne des Drachlings entsprach, und dann viele kleine Löcher hineingebohrt, von denen keines größer als ein Drachenauge war.

Die anderen Drachen sahen immer wieder zu diesem Kreis hin, als würden sie darauf warten, dass etwas passierte.

Auf einem Felsvorsprung neben dem Kreis kauerte ein Drachenweibchen, über dessen Brust sich eine große Narbe zog. Seine Flügel hingen sonderbar schlaff nach unten und es trug einen Reif aus Diamanten um den Hals. Eine zweite Kette aus kleineren Diamanten war um seine Hörner gewunden.

Aber das kann doch nicht die Königin sein, dachte Starflight. Sie strahlte keinerlei Autorität aus. Im Gegensatz zu den anderen Königinnen, die er kennengelernt hatte, verströmte sie keine Macht bis in die Flügelspitzen.

Doch nach einem Moment der Verwirrung begriff er, dass der durchlöcherte Kreis eine Art Wandschirm war und dahinter ein Drache sein musste, der ihn durch die Löcher hindurch anstarrte. Eiseskälte kroch in Starflights Schuppen. Niemand konnte sie sehen, doch ihre Gegenwart erfüllte die Höhle wie schwerer Rauch.

Die Königin der Nachtflügler.

Die Schriftrollen beschrieben sie immer als geheimnisvoll und sehr zurückgezogen lebend, doch Starflight hatte sich nicht vorstellen können, dass sie sich sogar vor ihrem eigenen Stamm versteckte.

Warum?

Weil es die Angst vor ihr noch größer macht, gab er sich selbst die Antwort.

»Das ist er?«, bellte einer der Drachen.

»Ja«, knurrte Morrowseer. »Wir haben ihn heute Morgen aus dem Regenwald geholt.«

Die Drachen in der Höhle raschelten unruhig mit den Flügeln.

»Hat er uns schon etwas gesagt?«, fragte der nächste. »Was wissen sie? Was haben sie vor?«

»Wie schnell werden sie angreifen?«, knurrte ein anderer.

»Und wie konnte dieser Regenflügler fliehen?«, wollte ein weiterer wissen, als mehrere Drachen auf einmal zu sprechen begannen. »Wir haben gehört, dass ihm ein Erdflügler geholfen hat. Ein Erdflügler! Wie ist er hergekommen? Warum haben wir sie nicht getötet, bevor sie entkommen konnten?«

Sie reden über Glory und Clay, dachte Starflight schaudernd.

»Das war der Regenflügler, vor dem ich euch gewarnt habe«, schnauzte Morrowseer die anderen an. »Der, mit dem die Klauen des Friedens den toten Himmelsflügler ersetzt haben.« Er spuckte in die Lava. »Und deshalb habe ich ihnen auch gesagt, dass sie ihn töten sollen.«

»Ausgerechnet ein Regenflügler«, meinte der mit Diamanten geschmückte Drache. »Was für ein bedauerlicher Fehler.«

»Wir hatten ihn doch«, sagte ein Drache mit verbogenen Hörnern. »Hier. Direkt in unseren Klauen. Und niemand hat ihn getötet?«

»Wer weiß, was er gesehen hat«, rief ein anderer Drache. »Wenn er den Regenflüglern unseren Plan verrät …«

»Davon kann er nichts wissen«, warf Morrowseer ein.

»Er weiß von dem Tunnel zwischen den beiden Königreichen«, widersprach ihm ein anderer Drache, der an der hinteren Felswand hockte. »Und der Drachling ist mit ihm zusammen entkommen. Er hat dem Regenflügler sicher erzählt, was er in der Festung gesehen hat. Was ist, wenn sie es herausfinden?«

Lautes Gezeter erfüllte die Höhle.

Was herausfinden? Starflight starrte auf seine Klauen und wünschte, sie würden nicht so schlottern. Er hatte Angst, vor lauter Zittern das Gleichgewicht zu verlieren und in die Lava zu stürzen, was aber nicht einmal auf der Liste der zwanzig Dinge stand, über die er sich gerade wirklich ernsthafte Sorgen machte. Was haben die Nachtflügler vor?

Sein Blick ging zu dem Wandschirm, hinter dem sich die Königin versteckte. Bis jetzt hatte sie noch kein einziges Wort von sich gegeben. Aber das Kribbeln unter seinen Schuppen sagte ihm, dass sie ihn beobachtete. Vermutlich hatte sie ihn seit dem Moment, in dem er die Höhle betreten hatte, nicht aus den Augen gelassen.

Plötzlich beugte sich der Drache mit den Diamanten zu dem Wandschirm und legte den Kopf schief.

Sofort breitete sich tiefe Stille in der Höhle aus. Nichts und niemand bewegte sich, bis auf die blubbernden Blasen in der Lava. Jeder einzelne Nachtflügler schien den Atem anzuhalten.

Starflight konnte nichts hören – keine königliche Stimme, die von ihrem Versteck aus Befehle erteilte –, doch der Diamantdrache nickte und richtete sich wieder auf.

»Königin Battlewinner sagt, dass ihr die Schnauze halten und ihn fragen sollt.« Zu Starflights Entsetzen deutete der Drache auf ihn. »Deshalb ist er schließlich hier. Bringt ihn dazu, uns zu sagen, was die Regenflügler wissen und was sie als Nächstes tun werden.«

Sämtliche anwesenden Drachen wandten den Kopf und starrten ihn an.

In die Lava zu stürzen schien plötzlich gar keine schlechte Idee zu sein.

»Ähm«, stotterte Starflight mehrmals. »Ich … ich … ähm …«

»Sprich oder ich werde dich auf der Stelle umbringen«, brummte Morrowseer hinter ihm.

Starflight presste die Vorderklauen zusammen und holte tief Luft. »Sie heißt Glory«, platzte es aus ihm heraus.

Die Drachen fauchten wütend. So eine Information war für sie nicht von Interesse.

»Sie … sie hat gesagt, dass ihr Regenflügler gefangen haltet.« Bitte sagt mir, dass sie sich geirrt hat. Sagt mir, dass alles nur ein Versehen ist.

Doch niemand korrigierte ihn.

Sollte er den Nachtflüglern von Glorys Plan erzählen? Sollte er ihnen sagen, dass sie versuchte, Königin der Regenflügler zu werden, damit sie eine Armee zusammenstellen und die verschwundenen Drachen retten konnte? Und dass sie sie auf keinen Fall unterschätzen sollten?

Würde er seine Freunde verraten, wenn er die Nachtflügler über all das informierte?

Oder würde er seinen Stamm verraten, wenn er es nicht tat?

Die stickige, verrauchte Luft in der Höhle legte sich schwer auf Starflight.

Und was, wenn ich alles wieder in Ordnung bringen kann?

Das ist die Chance, die du gewollt hast. Du hast Glory gebeten, mit den Nachtflüglern reden zu können. Du wolltest ihnen die Chance geben, sich zu erklären – du wolltest eine friedliche Lösung finden, damit du dich nicht für eine Seite entscheiden musst, wenn es Krieg gibt.

Doch jetzt, wo er hier war und in die dunklen Augen der Nachtflügler starrte, wollte ihm einfach keines der beeindruckenden Worte einfallen, die er hatte benutzen wollen.

Plötzlich fuhr ihn einer der am nächsten stehenden Drachen an: »Sag uns einfach, ob sie uns angreifen wollen oder nicht!«

»Ja«, platzte Starflight heraus. »Ich meine … ich glaube, ja.«

Seine Antwort löste einen derartigen Tumult aus, dass Starflight sich hinsetzte und die Flügel über dem Kopf zusammenschlug. Er hatte das Schlimmstmögliche gesagt. Er hatte alles noch viel schlimmer gemacht für Glory und die Regenflügler, und jetzt brachte er es nicht einmal fertig, das Maul aufzumachen und es mit der großartigen »Diplomatie« zu versuchen, die er immer für so eine gute Idee gehalten hatte.

Sie würden mir sowieso nicht zuhören, sagte er sich, aber er wusste, dass das nicht stimmte. Er hatte einfach nicht den Mut, es herauszufinden.

»Das spielt keine Rolle«, krächzte eine heisere, gurgelnde Stimme. »Regenflügler sind uns sowieso nicht gewachsen.«

Ein furchtbar entstellter Drache zwängte sich an Morrowseer vorbei, kroch in die Höhle und starrte die anderen Nachtflügler finster an. Seine Schnauze war durch eine große Narbe verunstaltet, die eine seiner Nüstern geschlossen, mehrere Schuppen geschmolzen und garstig aussehende, nässende Blasen an seinem Kiefer hinterlassen hatte.

Der Drache mit den Diamanten runzelte die Schnauze. »Vengeance, du bist nicht zu dieser Versammlung eingeladen worden.«