Winning - Jack Welch - E-Book

Winning E-Book

Jack Welch

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Beschreibung

Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Jack Welch ist die größte lebende Managementlegende. General Electric wurde unter seiner Führung eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt. In »Winning« gibt er sein fundiertes Wissen weiter – handfeste, erprobte und garantiert wirksame Methoden – die ihn bis heute weltweit einflussreich machen. Welch verrät, was zu tun ist, um als Manager außergewöhnlich erfolgreich zu werden.

»Sie werden nie wieder ein anderes Managementbuch benötigen!« Warren Buffett

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Jack Welch; Suzy Welch

Winning

Das ist Management

Aus dem Englischen von Herbert Allgeier; Astrid Bangert; Maria Bühler; Birgit Lamerz-Beckschäfer; Dzifa Vode für Delius Producing Berlin.

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Jack Welch ist die größte lebende Managementlegende. General Electric wurde unter seiner Führung eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt. In »Winning« gibt er sein fundiertes Wissen weiter – handfeste, erprobte und garantiert wirksame Methoden – die ihn bis heute weltweit einflussreich machen. Welch verrät, was zu tun ist, um als Manager außergewöhnlich erfolgreich zu werden.

»Sie werden nie wieder ein anderes Managementbuch benötigen!« Warren Buffett

Über die Autoren

Jack Welch stand zwanzig Jahre an der Spitze von General Electric. Viele bahnbrechende Managementkonzepte wurden von ihm mit Erfolg eingeführt. Heute begeistert Welch mit seinen Vorträgen weltweit unzählige Manager.

Suzy Welch ist Autorin und war Chefredakteurin der renommierten Harvard Business Review.

Für die vielen tausend Männer und Frauen, die mir durch ihre Fragen zeigten, wie viel ihnen das Business bedeutet.

Der Autor spendet sein Honorar für wohltätige Zwecke.

Inhalt

Einleitung»Jeder Tag bringt eine neue Frage«

Grundsätzliches

1. Leitbild und WerteViel heiße Luft um eine ganz konkrete Sache

2. OffenheitDas dunkelste Kapitel der Geschäftswelt

3. DifferenzierungGrausam und darwinistisch? Versuchen wir es mit fair und effektiv

4. Mitspracherecht und MenschenwürdeAlle dürfen mitspielen

Ihr Unternehmen

5. FührungEs geht nicht nur um Sie

6. PersonalrekrutierungWas die besten Kandidaten auszeichnet

7. PersonalmanagementSie haben die richtige Mannschaft – und jetzt?

8. Getrennte WegeAller Abschied ist schwer

9. VeränderungenVersetzen Sie Berge

10. KrisenmanagementVon »Ach, du lieber Himmel« zu »Alles wieder im Lot«

Ihre Konkurrenz

11. StrategieDie Soße macht’s

12. BudgetierungDie Neuerfindung eines Rituals

13. Organisches WachstumEtwas Neues beginnen

14. Fusionen und ÜbernahmenJagdfieber, Habgier & Co

15. Six SigmaBesser als ein Besuch beim Zahnarzt

Ihre Karriere

16. Der richtige JobWer ihn gefunden hat, wird nie mehr von »Arbeit« sprechen

17. BeförderungenPardon, Abkürzungen gibt es nicht

18. Heikle ThemenDieser verdammte Chef

19. Die Balance zwischen Beruf und PrivatlebenWas sie schon immer darüber wissen, aber nicht hören wollten

Was noch zu sagen bleibt

20. Hier, dort, überallFragen, die nicht unter den Tisch fallen sollten

Danksagung

Register

Einleitung»Jeder Tag bringt eine neue Frage«

Nach dem Abschluss meiner Autobiografie – eine aufregende Sache, aber auch eine Mordsschinderei, die ich damals irgendwie in meinen Arbeitstag zwängte – hatte ich mir geschworen, nie wieder ein Buch zu schreiben.

Wie man sieht, habe ich es doch getan.

Wenn ich überhaupt eine Entschuldigung vorbringen kann, dann die, dass die Idee zu diesem Buch eigentlich gar nicht von mir stammt.

Sie wurde an mich herangetragen.

Die Idee zu Winning war sozusagen ein Ruhestandsgeschenk von Zehntausenden wunderbarer Menschen, die ich seit meinem Ausscheiden bei General Electric getroffen habe. Es ist ein Geschenk all der engagierten, neugierigen, mutigen und ehrgeizigen Männer und Frauen, die das Business so sehr mochten, dass sie mir jede erdenkliche Frage gestellt haben. Um ihnen antworten zu können, musste ich nur mein Wissen und meine Erfahrungen heranziehen, filtern und in Worte fassen sowie durch die Geschichten anderer ergänzen. Schon nahm dieses Buch Gestalt an.

Die Fragen, auf die ich in diesem Buch Bezug nehme, sind mir erstmalig Ende 2001 und fast das gesamte Jahr 2002 hindurch auf der Promotiontour für meine Autobiografie gestellt worden. Die offensichtlich starke Verbundenheit vieler Menschen mit General Electric hat mich damals schier überwältigt. Rund um den Globus erzählten sie mir bewegende Geschichten von ihren Erlebnissen als Mitarbeiter von GE oder Anekdoten aus der Zeit, als ihre Schwestern, Väter, Tanten oder Großväter für das Unternehmen arbeiteten.

Gleichzeitig überraschte es mich, wie viele Leute sich nach Strategien für den Unternehmenserfolg erkundigten.

In Radiosendungen baten mich Anrufer, das Bewertungssystem von GE zu erklären, nach welchem die Mitarbeiter in drei Leistungskategorien eingeteilt, entsprechend befördert oder entlassen werden. Besucher von Signierstunden wollten wissen, ob meine Aussage, dass der Personalchef eines Unternehmens ebenso wichtig ist wie der Finanzvorstand, wirklich ernst gemeint sei. (Das ist sie!) Bei einer Veranstaltung in der Business School der Universität von Chicago bat mich ein indischer Teilnehmer mit MBA, einmal genau zu erläutern, wie eine wirklich gute Mitarbeiterbeurteilung aussieht.

Auch nach der Werbetour bombardierte man mich mit Fragen – in Flughäfen, Restaurants und Aufzügen. Einmal schwamm sogar jemand in der Brandung vor Miami Beach zu mir herüber. Er wollte meine Meinung zu einem bestimmten Franchise-Geschäft hören, das ihm durch den Kopf ging. Die meisten Fragen wurden mir jedoch in den rund 150 Diskussionsrunden gestellt, an denen ich in den letzten drei Jahren in Städten auf der ganzen Welt teilgenommen habe – von New York bis Shanghai, von Mailand bis Mexico City. Das Publikum solcher Veranstaltungen kann aus dreißig oder fünftausend Menschen bestehen. Zusammen mit einem Moderator, meist einem Wirtschaftsjournalisten, sitze ich dann auf dem Podium und versuche sämtliche Fragen zu beantworten, die den Teilnehmern in den Sinn kommen.

Und das waren nicht wenige: Wie wird man mit der chinesischen Konkurrenz fertig? Wie geht man mit begabten, aber schwierigen Mitarbeitern um? Wie findet man den richtigen Job? Wie führt man Six Sigma ein? Wie stellt man das richtige Team zusammen? Wie führt man Personal in unsicheren Zeiten? Wie überlebt man Fusionen und Übernahmen? Wie erarbeitet man die ultimative Erfolgsstrategie?

Was kann ich tun, wenn ich glänzende Resultate erziele, jedoch für einen Schwachkopf arbeite, den das nicht zu interessieren scheint? Was mache ich, wenn ich der Einzige in der Firma bin, der Veränderungen für nötig hält? Oder wenn bei der Aufstellung des Jahresbudgets alle versuchen, die Erwartungen und damit auch die Zielvorgaben herunterzuschrauben? Oder wenn ich ein tolles neues Produkt auf den Markt bringen will, die Geschäftsleitung mir jedoch die nötigen Befugnisse und Mittel verweigert?

Was soll ich machen, wenn die Manager in meiner Firma um den heißen Brei herumreden? Oder wenn ich einen Mitarbeiter entlassen muss, den ich zwar mag, der es jedoch einfach nicht packt? Oder wenn mein Unternehmen nun schon seit einem Jahr an einer Krise herumdoktert?

Es gab buchstäblich Tausende von Fragen, und doch haben sie im Grunde fast alle in dieselbe Richtung gezielt: Wie wird man zum Gewinner?

Daneben wurden Fragen zur Vereinbarkeit von Kindern und Karriere und zu vielen anderen Dingen gestellt, die Sie in Angriff nehmen wollen: Golf spielen, Ihr Haus renovieren oder mit einer Sportveranstaltung Geld beschaffen.

Ich wurde gefragt, ob man seine Träume verwirklichen kann, ohne sich Feinde zu machen, und ich bin nach volkswirtschaftlichen Trends, aufstrebenden Branchen und Währungsschwankungen gefragt worden.

Es gab buchstäblich Tausende von Fragen, und doch haben sie im Grunde fast alle in dieselbe Richtung gezielt: Wie wird man zum Gewinner?

Genau darum geht es in diesem Buch – um Erfolg. Wahrscheinlich hätte mich kein anderes Thema der Welt dazu gebracht, jemals wieder ein Buch zu schreiben.

In meinen Augen ist Erfolg etwas Phantastisches. Nicht gut, sondern phantastisch.

Wirtschaftlicher Erfolg ist großartig, weil Menschen sich entfalten können, wenn Unternehmen florieren. Es entstehen Arbeitsplätze und es gibt mehr Chancen für alle. Die Leute blicken optimistisch in die Zukunft, denn sie verdienen genug Geld, um ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen und sich eine bessere Gesundheitsversorgung leisten zu können. Sie kaufen sich Ferienhäuser und sorgen fürs Alter vor. Außerdem bietet ihnen der Erfolg die Möglichkeit, über die bloßen Steuerzahlungen hinaus der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Wohltätige Organisationen können mit Zeit und Geld unterstützt werden, oder man kann bei der Schülerbetreuung helfen, um nur zwei Möglichkeiten zu nennen. Erfolg beflügelt; er macht die Welt einfach ein bisschen besser.

In meinen Augen ist Erfolg etwas Phantastisches. Nicht gut, sondern phantastisch. Wirtschaftlicher Erfolg ist großartig, weil Menschen sich entfalten können, wenn Unternehmen florieren. Es entstehen Arbeitsplätze und es gibt mehr Chancen für alle.

Wenn Unternehmen hingegen scheitern, leiden alle darunter. Die Menschen bekommen Angst. Es fehlt ihnen an finanzieller Sicherheit und damit auch an Zeit und Geld, um sich für andere zu engagieren. Die täglichen Sorgen verunsichern ganze Familien. Außerdem zahlen Arbeitslose nur wenig oder gar keine Steuern.

Und wo wir schon dabei sind – lassen Sie uns kurz über Steuern beziehungsweise über den Staat im Allgemeinen reden.

Der Staat ist ohne Zweifel ein wichtiger Pfeiler der Gesellschaft. In erster Linie schützt er uns vor den heimtückischen und anhaltenden Gefahren für die nationale Sicherheit, mit denen wir heute und wohl auch in absehbarer Zukunft konfrontiert sind. Doch sorgt er darüber hinaus für vieles mehr: für ein Rechts- und ein Bildungssystem, für Polizei und Feuerwehr, die Instandhaltung von Autobahnen und Häfen sowie die Bereitstellung von sozialen und medizinischen Einrichtungen. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Natürlich werden diese staatlichen Tugenden mit Steuereinnahmen finanziert, denn Regierungen erwirtschaften kein Geld. Sie unterstützen zwar den wirtschaftlichen Antrieb, aber sie sind nicht selbst dessen Motor.

Der Motor einer gesunden Wirtschaft sind erfolgreiche Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Indem sie dem Staat Steuereinnahmen verschaffen, bilden sie die Grundlage für freie, demokratische Gesellschaften.

Genau aus diesem Grund ist Erfolg phantastisch.

Es versteht sich von selbst, dass man auf die richtige Art und Weise zum Erfolg kommen muss: sauber, den Regeln entsprechend. Daran gibt es absolut nichts zu rütteln. Unternehmen und Menschen, die sich nicht an die Regeln des fairen Wettbewerbs halten, haben Erfolg nicht verdient. Doch interne Prozesse auf der Unternehmensseite und Aufsichtsbehörden sorgen zum Glück dafür, dass die bösen Jungs meistens entdeckt werden und die rote Karte gezeigt bekommen.

Ehrliche Unternehmen und Geschäftsleute – und das ist die große Mehrheit – müssen ihre Marschroute zum Erfolg selbst abstecken.

Dieses Buch bietet ihnen dafür eine Wanderkarte.

Im Übrigen richtet sich Winning nicht speziell an leitende Manager und Vorstandsmitglieder. Falls es ihnen eine Hilfe ist – wunderbar, ich hoffe es sehr. Das Buch ist jedoch ganz besonders all jenen gewidmet, die an vorderster Front stehen. Dazu gehören Geschäftsinhaber und Angehörige des mittleren Managements, ebenso Fabrikleiter und Fließbandarbeiter. Außerdem sollen Hochschulabsolventen auf der Suche nach ihrem ersten Job, MBAs, die über neue Berufswege nachdenken, und Unternehmer angesprochen werden. Mit Winning möchte ich alle Menschen unterstützen, die voller Ehrgeiz und Leidenschaft zu Werke gehen – ganz egal, in welcher Position sie arbeiten.

Sie werden in diesem Buch viele Menschen kennen lernen. Bei einigen werden Sie vielleicht Parallelen zu sich selbst entdecken. Sie begegnen zum Beispiel dem Vorstandschef eines Unternehmens, das sich edle Werte wie Qualität, Kundenservice und Respekt auf die Fahnen geschrieben hat, ohne jedoch jemals richtig zu definieren, was es bedeutet, nach diesen Werten zu leben. Sie werden über einen Manager lesen, der sich in einem Meeting mit einem anderen Unternehmensbereich schwarz ärgert, weil ihm bewusst wird, dass seine Mitarbeiter noch viel bessere Ergebnisse erzielen könnten, wenn sie nur für eine Minute aufhören würden, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Sie lernen einen Angestellten kennen, der seit Jahren schwache Leistungen bringt, aber so lieb, nett und ahnungslos ist, dass man es einfach nicht übers Herz bringt, ihn zu entlassen. Oder den Kollegen, dem niemand mehr in die Augen blicken kann, weil seine Tage im Unternehmen gezählt sind und bereits feststeht, dass ihm der Stuhl vor die Tür gestellt werden wird. Und schließlich treffen Sie Angestellte, die ihr Mittagessen am »Tisch der verlorenen Träume« einnehmen – so ihre eigene Bezeichnung – und dort ihre Abneigung gegen die Vorgesetzten zur Schau tragen. Nicht zu vergessen die Ingenieurin, die sich über fünfzehn lange Jahre eine beeindruckende Karriere aufgebaut hat, um diese an einem einzigen Tag hinzuwerfen. Sie erkannte, dass sie es privat und beruflich immer allen recht gemacht hatte, nur sich selbst nicht.

Außerdem stelle ich Ihnen viele Menschen vor, an deren Innovationskraft, Klugheit und Intellekt wir uns ein Beispiel nehmen können.

Dazu gehört zum Beispiel David Novak, der dynamische junge CEO von Yum! Brands. Indem er alle 33.000 Restaurants der Kette in einen Brutkasten für neue Ideen verwandelte, wurde das gesamte Unternehmen zu einer lernenden Organisation. Zu nennen ist auch der großartige Change Agent Denis Nayden von Oak Hill Capital Management, dem selbst gute Leistungen nie gut genug sind und der eine unglaubliche Ausstrahlung und Überzeugungskraft besitzt. Oder Jimmy Dunne, der sein Unternehmen aus den Trümmern des World Trade Center wieder aufgebaut hat. Er tat dies mit Liebe, Hoffnung und der Überzeugung, dass nichts unmöglich ist.

Ein anders Beispiel ist Susan Peters, berufstätige Mutter und zweithöchste Personalchefin bei GE, die ein Buch darüber schreiben könnte, wie man Berufs- und Privatleben trotz vieler Hürden unter einen Hut bringt. Oder Chris Navetta, CEO von U.S. Steel Kosice, der eine wirtschaftlich kränkelnde Stadt in der Slowakei beim Strukturwandel unterstützt hat, indem er aus einem ehemals staatlichen Stahlwerk ein blühendes und rentables Unternehmen machte. Kenneth Yu, Leiter der Geschäfte von 3M in China, der das Wachstum der moderat wachsenden Geschäftsbereiche explodieren ließ, indem er das scheinheilige Ritual der jährlichen Budgetierung abschaffte und stattdessen einen offenen Dialog über Marktchancen nach dem Motto »Alles ist möglich« eingeführt hat. Wir treffen auf Mark Little, der nach einer Herabstufung bei General Electric zunächst am Boden zerstört war, dem jedoch mit Mut, Ausdauer und exzellenten Ergebnissen ein beeindruckendes Comeback gelang.

Menschen sind das A und O, wenn es um den Unternehmenserfolg geht. Daher befasst sich dieses Buch intensiv mit Menschen – in einigen Fällen mit ihren Fehlern, viel öfter jedoch mit ihren Erfolgen. Vor allem beschäftigt sich das Buch mit Ideen und der großen Kraft, die sie besitzen, wenn wir sie in die Tat umsetzen.

Vielleicht macht sich bei dem einen oder anderen Leser jetzt Skepsis breit, weil ihm das Thema Erfolg zu facettenreich und zu komplex erscheint, um es in zwanzig Kapiteln abzuhandeln – ganz egal, wie viele Ideen und Menschen in diesem Buch vorgestellt werden.

Ja, es stimmt, Erfolg ist facettenreich und komplex, und er fällt einem gewiss nicht in den Schoß.

Trotzdem ist Erfolg möglich. Sie können ihn herbeiführen. Allerdings müssen Sie dafür die Voraussetzungen kennen.

Dieses Buch enthält keine Patentrezepte, denn die gibt es nicht.

Jedoch werden in den einzelnen Kapiteln verschiedene Richtlinien erläutert, denen Sie folgen können. Dazu gehören bestimmte Vorschriften und Regeln, die Sie berücksichtigen sollten, sowie Fehler, die Sie vermeiden können. Das Kapitel über Strategieentwicklung stellt ein dreistufiges Verfahren vor. Das Kapitel über die Suche nach dem passenden Job beschäftigt sich mit guten Vorzeichen und Warnsignalen, die es zu beachten gilt. Einige Ratschläge werden Sie wieder und wieder hören. Dazu gehört auch, dass die Mannschaft mit den besten Spielern gewinnt. Sie sollten sich also die besten Spieler heraussuchen und dauerhaft an sich binden. Zermartern Sie sich nicht zu lange den Kopf, sondern handeln Sie. Egal, in welchem Unternehmensbereich Sie arbeiten, Sie sollten unablässig zum Lernen anregen. Legen Sie eine positive Einstellung an den Tag und hüten Sie sich davor, die Opferrolle zu übernehmen. Und vor allem: Haben Sie um Himmels willen Spaß.

Legen Sie eine positive Einstellung an den Tag und hüten sie sich davor, die Opferrolle zu übernehmen. Und haben Sie um Himmels willen Spaß.

Ja, haben Sie Spaß.

Das Business ist ein Spiel, und dieses Spiel zu gewinnen ist der absolute Wahnsinn!

Wegweiser

Bevor wir anfangen, möchte ich Ihnen kurz erklären, wie das Buch aufgebaut ist. Es hat vier Teile.

Der erste Teil mit dem Titel Grundsätzliches stellt verschiedene Konzepte vor. Er enthält wahrscheinlich mehr Managementphilosophie, als an einem durchschnittlich gefüllten Arbeitstag von den meisten Geschäftsleuten zeitlich zu bewältigen wäre, und gewiss mehr, als mir in meinen Arbeitsjahren je am Stück durch den Kopf gegangen ist. Meiner Herangehensweise an das Unternehmertum liegen jedoch verschiedene Prinzipien zugrunde, die ich im ersten Teil erläutern möchte.

Kurz gefasst handelt es sich dabei um vier grundsätzliche Aspekte: erstens um die Bedeutung eines aussagekräftigen Leitbildes mit konkreten Unternehmenswerten, zweitens um die Notwendigkeit von Transparenz in allen Unternehmensbereichen, drittens um ein leistungsbezogenes Personalmanagement und viertens um das Mitspracherecht der Mitarbeiter und die Menschenwürde.

Der zweite Teil des Buches, Ihr Unternehmen, befasst sich mit betriebsinternen Angelegenheiten. Hier geht es um dynamische Prozesse – um Menschen, Verfahren und Unternehmenskulturen. Die einzelnen Kapitel gehen auf Unternehmensführung, Einstellungsverfahren, Personalmanagement, Freisetzung von Personal, Change Management und Krisenmanagement ein.

Hieran schließt der Teil Ihre Konkurrenz an, der sich mit der Welt außerhalb Ihres Unternehmens auseinander setzt. Es wird dargelegt, wie Sie sich strategische Vorteile verschaffen und sinnvolle Budgets aufstellen können. Darüber hinaus werden Möglichkeiten des organischen Wachstums sowie Fusionen und Übernahmen erörtert. Außerdem wird versucht, ein Thema zu erhellen, das noch immer neben Faszination für Verwirrung sorgt. Die Rede ist von dem Qualitätsmanagementkonzept Six Sigma.

Der nächste Teil trägt den Titel Ihre Karriere und geht der Frage auf den Grund, wie Sie den Verlauf und die Qualität Ihres Berufslebens steuern können. Das einleitende Kapitel zeigt Ihnen, wie Sie den richtigen Job finden – nicht nur am Anfang Ihres Berufslebens, sondern zu jedem Zeitpunkt. Ein anderes Kapitel gibt Ihnen Tipps und Ratschläge für den Aufstieg im Unternehmen. Und ein weiteres setzt sich mit einem Problem auseinander, mit dem wir alle irgendwann einmal konfrontiert sind, nämlich für einen miesen Chef arbeiten zu müssen. Das letzte Kapitel dieses Teils ist dem menschlichen Bedürfnis gewidmet, alles auf einmal erreichen zu wollen. Wie Sie mittlerweile sicher festgestellt haben, ist das normalerweise nicht realisierbar. Dagegen ist es durchaus möglich und sogar wichtig zu wissen, wie Ihr Chef zu Ihren jeweiligen Plänen steht. Darum wird es unter anderem in diesem Kapitel gehen.

Abschließend beantworte ich unter dem Titel Was noch zu sagen bleibt neun Fragen, die in keine der zuvor genannten Kategorien passen. Sie beschäftigen sich mit der »Bedrohung durch die chinesische Konkurrenz«, der Unterschiedlichkeit von Mitarbeitergruppen, dem Einfluss neuer Gesetze wie dem Sarbanes-Oxley Act1 und damit, wie die Wirtschaft auf gesellschaftliche Risiken wie AIDS reagieren sollte. Dort findet sich auch die Frage, wie Jeff Immelt, mein Nachfolger bei GE, seine Sache macht. (Mit einem Wort: hervorragend.) Man wollte von mir wissen, wie es um mein Golfspiel bestellt ist und ob ich daran glaube, einmal in den Himmel zu kommen.

Diese Frage hat mir allerdings die Sprache verschlagen.

Das haben die restlichen Fragen in diesem Buch zwar nicht, aber sie haben mich dazu gebracht, gründlich darüber nachzudenken, woran ich glaube und warum.

Winning gibt Antworten auf die meisten Fragen, aber nicht auf alle; schließlich unterliegt die Geschäftswelt wie auch der Rest der Welt einem steten Wandel.

Wie sagte ein niederländischer Unternehmer im vergangenen Jahr zu mir: »Jeder Tag bringt eine neue Frage. Das ist es, was uns immer wieder antreibt.« Es gibt neue Fragen, und es gibt auch neue Antworten. Seit meinem Ausscheiden bei General Electric habe ich fast ebenso viel über das Business gelernt wie zu meinen aktiven Zeiten dort. Aus jeder einzelnen Frage, die mir gestellt wurde, habe ich etwas gelernt.

Und ich hoffe, dass Sie aus meinen Antworten lernen können.

TEIL 1

GRUNDSÄTZLICHES

Kapitel 1Leitbild und WerteViel heiße Luft um eine ganz konkrete Sache

Bitte haben Sie etwas Geduld, während ich über unternehmerische Leitbilder und Werte spreche.

Ich schicke das vorweg, denn beide Begriffe sind sehr abstrakt; sie werden in der heutigen Geschäftswelt übermäßig beansprucht und sehr oft falsch verstanden. Meine Zuhörer fragen mich häufig – oft mit einem Anflug von Panik in der Stimme – nach der Bedeutung und Relevanz dieser Ausdrücke. In New York wurde ich einmal gefragt: »Können Sie uns bitte den Unterschied zwischen einem Leitbild und einem Unternehmenswert nennen und uns erklären, worin der Sinn dieser Unterscheidung liegt?« Business Schools schüren die Verwirrung, indem sie ihre Studierenden immer wieder Unternehmensleitbilder aufschreiben und über Werte diskutieren lassen: eine Übung, die noch sinnloser wird, da sie im luftleeren Raum stattfindet. Viele Unternehmen unterziehen ihre leitenden Manager einer ähnlichen Prozedur, meist in dem Bestreben, eine hübsche Tafel mit edel klingenden Worten zu schaffen, die man sich in die Empfangshalle hängen kann.

Diese Versuche enden allzu oft in einer Ansammlung von Plattitüden, die bei den Mitarbeitern höchstens Verwirrung oder Misstrauen hervorrufen. Wer hat noch nie ein Leitbild gesehen, in dem es heißt, dass »das Unternehmen XY höchsten Wert auf Qualität und Service legt« oder dass »Kundenfreundlichkeit beim Unternehmen Soundso oberste Priorität genießt«? Nennen Sie mir eine einzige Firma, die keinen Wert auf Qualität, Service oder Kundenfreundlichkeit legt! Und wer kennt nicht ein Unternehmen, das nach endlosen, hitzigen Debatten Werte hervorbringt, die trotz der besten Absichten klingen, als wären sie einem Universalkatalog der guten Tugenden entnommen worden: »Integrität, Qualität, exzellente Leistungen, Service und Respekt«. Ich bitte Sie – jedes anständige Unternehmen achtet diese Werte. Und offen gesagt, ist Integrität eine Grundvoraussetzung. Wer Integrität nicht im Blut hat, sollte das Spielfeld gar nicht erst betreten dürfen.

Ein gutes Leitbild und gute Unternehmenswerte sind dagegen so praxisnah, dass man sich sofort etwas darunter vorstellen kann. Das Leitbild macht deutlich, wohin die Reise geht, und die Werte beschreiben die Verhaltensweisen, die einen ans Ziel bringen werden. Wo wir gerade davon sprechen: Wenn es nach mir ginge, könnten wir den Ausdruck »Werte« gerne grundsätzlich durch »Verhaltensweisen« ersetzen. Um der lieben Tradition willen werde ich jedoch weiterhin die gängige Terminologie verwenden.

Erstens : Zum Thema Leitbild …

Meiner Erfahrung nach beantwortet ein effektives Leitbild im Wesentlichen folgende Frage: »Wie wollen wir in unserem Geschäftsfeld erfolgreich sein?«

Ein brauchbares Leitbild beantwortet weder die Frage, wo in der guten alten Zeit die Stärken des Unternehmens lagen, noch beschreibt es das Unternehmen so, dass sich nur ja keine Geschäftseinheit, keine einzige Abteilung und kein hohes Tier auf den Schlips getreten fühlt.

Die Frage, wie sich in einem bestimmten Geschäftsfeld Erfolge erzielen lassen, hat bestimmenden Charakter. Sie zwingt Unternehmen, Entscheidungen über Mitarbeiter, Investitionen und andere Ressourcen zu treffen. Und sie schützt Unternehmen davor, den weit verbreiteten Fehler zu begehen, mit dem Leitbild ausdrücken zu wollen, dass man jedem Wunsch gerecht werden wird – jederzeit. Diese Frage zwingt Unternehmen, ihre Stärken und Schwächen zu definieren, um herauszufinden, wo sie in der Wettbewerbsarena gewinnbringend mitmischen können.

Gewinnbringend, genau darauf kommt es an. Selbst Ben & Jerry’s, der »Rettet die Welt«-Eiscremehersteller aus Vermont mit Hippievergangenheit, weist »profitables Wachstum« und »Wertsteigerung für seine Anteilseigner« als einen der drei Pfeiler seines Leitbildes aus. Auch die Vorstandsetage von Ben & Jerry’s weiß, dass die schönsten sozialen Ziele der Welt ohne finanziellen Erfolg nicht verwirklicht werden können.

Das heißt nicht, dass ein Unternehmensleitbild nicht plakativ sein kann oder höheren Zielen verpflichtet sein sollte. Ben & Jerry’s beispielsweise streben an, »Eiscreme ausschließlich aus natürlichen Zutaten in den ausgefallensten Geschmacksrichtungen« zu verkaufen, und wollen »die Lebensqualität innerhalb der Gesellschaft auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene verbessern«. Diese Formulierung ist großartig, weil sie Menschen motivieren und zu Höchstleistungen treiben kann.

Letzten Endes bringen effektive Leitbildformulierungen das Mögliche und das Unmögliche miteinander in Einklang. Sie zeigen Mitarbeitern einen klaren Weg zur Profitabilität auf und geben ihnen das gute Gefühl, Teil eines großen, wichtigen Ganzen zu sein.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Von 1981 bis 1995 erklärten wir in unserem Leitbild bei General Electric, dass wir uns zum »wettbewerbsstärksten Unternehmen der Welt entwickeln« und auf allen Märkten den ersten oder zweiten Rang einnehmen wollten. Alle Geschäftsbereiche, die diese Vorgabe nicht erfüllen konnten, sollten umstrukturiert, verkauft oder geschlossen werden. Es war klar, was dieser Auftrag bedeutete oder beinhaltete. Er war konkret und hatte nichts Abstraktes an sich. Aufgrund der globalen Ausrichtung verpflichtete das Leitbild außerdem zu ehrgeizigen, höheren Zielen.

Letzten Endes bringen effektive Leitbildformulierungen das Mögliche und das Unmögliche miteinander in Einklang.

Dieses Leitbild entstand auf verschiedenen Wegen. Wichtig war vor allem, dass wir in einer Zeit, in der Geschäftsstrategien in den Vorstandsetagen geheim gehalten wurden und sämtliche Informationen darüber aus der Gerüchteküche des Unternehmens stammten, offen darüber sprachen, welche Geschäftsbereiche schon auf Platz 1 oder 2 standen und welche Bereiche schnell umstrukturiert oder geschlossen werden mussten. Diese Offenheit schockierte, wirkte aber auch Wunder, weil das Leitbild für unsere Mitarbeiter greifbar wurde. Vielleicht haben sie geflucht, wenn Geschäftsbereiche verkauft wurden, doch sie haben es verstanden.

Die endgültige Festlegung des Leitbildes sollte jedoch dem Topmanagement vorbehalten sein. Diese Aufgabe kann und darf nur Personen anvertraut werden, die letztlich für das Leitbild verantwortlich gemacht werden können.

Außerdem kamen wir in jedem großen oder kleinen Meeting immer wieder auf das Leitbild zu sprechen. Jede Entscheidung, jede Initiative wurde mit unserem Leitbild verknüpft. Wir belohnten Mitarbeiter öffentlich, die sich für das Leitbild stark machten, und setzten Mitarbeiter vor die Tür, die aus irgendeinem Grund nicht damit umgehen konnten. Letztere wünschten sich meist die »gute alte Zeit« zurück.

Möglicherweise hätte 1981 nach zahlreichen Debatten und eingehenden Analysen von Technologien, Konkurrenten und Kunden auch ein ganz anderes Leitbild für GE formuliert werden können: zum Beispiel zum innovativsten Hersteller von Elektroprodukten aufzusteigen. Wir hätten auch entscheiden können, dass die schnelle und gründliche Globalisierung aller Geschäftsbereiche, unabhängig von ihrer Marktposition, der profitabelste Weg für uns wäre.

Mit jedem dieser Leitbilder hätte General Electric einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Andere Geschäftsbereiche wären gekauft und verkauft, andere Mitarbeiter eingestellt und entlassen worden und so weiter. Theoretisch habe ich gegen diese Leitbilder nichts einzuwenden. Sie sind handfest und anschaulich. Die Ausrichtung auf Elektroprodukte hätte den meisten Mitarbeitern gefallen, weil sie ihrem Bild von GE als innovativem Elektrogerätehersteller entspricht. Der Globalisierungsansatz dagegen hätte viele Leute in Alarmstimmung versetzt. Das ist bei schnellen Veränderungen fast immer der Fall.

Lassen Sie mich abschließend einige Worte sagen zu der Entwicklung von Leitbildern und der Frage, wie man ein Leitbild erarbeitet.

Meiner Meinung nach ist es ein Kinderspiel, und Input erhalten Sie überall. Hören Sie also auf die klugen Leute im Unternehmen, egal, in welchem Bereich sie arbeiten. Die endgültige Festlegung des Leitbildes sollte jedoch dem Topmanagement vorbehalten sein. Diese Aufgabe kann und darf nur Personen anvertraut werden, die letztlich für das Leitbild verantwortlich gemacht werden können.

Tatsächlich ist das Leitbild eine Art Nagelprobe für die Unternehmensführung.

Hier zeigt sich ihre wahre Qualität.

… und jetzt zu den Werten

Wie ich bereits erwähnt habe, stehen Werte einfach für Verhaltensweisen – möglichst konkret, handfest und so anschaulich, dass wenig Raum für Phantasie bleibt. Mitarbeiter müssen Unternehmenswerte als Wegweiser nutzen können, weil die Werte das »Wie« des Unternehmensauftrags beschreiben und Mittel zum obersten Zweck sind – dem Erfolg.

Anders als beim Leitbild sollten bei der Formulierung der Unternehmenswerte alle Mitarbeiter mitreden dürfen. Das kann chaotische Züge annehmen, aber das ist egal. In kleinen Betrieben können die Beschäftigten über Betriebsversammlungen in die Diskussion einbezogen werden. In größeren Unternehmen ist das schwieriger. Mit Hilfe von unternehmensweiten Meetings, Schulungen oder ähnlichen Mitteln können Sie jedoch viele persönliche Gespräche ankurbeln und über das Intranet weiterreichenden Input einholen.

Die breite Beteiligung an den Wertediskussionen ist wirklich wichtig. Auf diese Weise erhalten Sie mehr Beiträge, mehr Ideen und vor allem auch viel mehr Unterstützung für die Werte, die schließlich formuliert werden.

Die eigentliche Festlegung der Unternehmenswerte muss im Übrigen schrittweise erfolgen. Die Unternehmensleitung kann eine erste Version erarbeiten, die jedoch tatsächlich genau das sein sollte – eine erste Version. Dieser Text muss dann von Mitarbeitern im gesamten Unternehmen gründlich geprüft werden, immer und immer wieder. Dabei sollte das Führungsteam sich zurücknehmen und für eine Atmosphäre sorgen, in der die Leute es für ihre Pflicht halten, sich einzubringen.

Wenn Sie in einer Firma arbeiten, in der offene Worte Sie in Teufels Küche bringen können, wird diese Art der Werteentwicklung nicht funktionieren. So ist das nun mal. Solange Sie bei diesem Arbeitgeber bleiben, werden Sie mit der hübschen Tafel in der Empfangshalle und den wohlklingenden Phrasen leben müssen.

Falls Sie jedoch in einem Unternehmen tätig sind, das lebendige Debatten begrüßt – und davon gibt es viele –, sollten Sie sich schämen, wenn Sie nicht an dem Prozess teilnehmen. Wenn Sie sich Werte und Verhaltensweisen wünschen, die Sie verstehen und mit denen Sie leben können, müssen Sie sich für diese Werte stark machen.

Kommen Sie zur Sache

Als ich gerade frisch zum CEO ernannt worden war, habe ich auch den Fehler gemacht, mit vagen, unbestimmten Werten zu hantieren. 1981 schrieb ich zum Beispiel im Jahresbericht, dass GE-Führungskräfte »der Realität ins Auge sehen«, »sich für herausragende Leistungen einsetzen« und »verantwortlich handeln«. Diese Phrasen klangen gut, waren aber weit davon entfernt, konkrete Verhaltensweisen zu beschreiben.

Bis zum Jahr 1991 hatten wir aber schon große Fortschritte erzielt. Von 1988 bis 1991 verbrachten über 5.000 Mitarbeiter einen Teil ihrer Arbeitszeit damit, an der Entwicklung unserer Firmenwerte mitzuwirken. Danach waren diese Werte wesentlich präziser und griffiger, und wir druckten sie auf laminierte Plastikkarten. Der Text enthielt Handlungsanweisungen wie »Überschreiten Sie Grenzen und nutzen Sie immer die besten Ideen – egal, wo sie herkommen« oder »Schieben Sie der Bürokratie einen Riegel vor« und »Beurteilen Sie Veränderungen anhand der Wachstumsmöglichkeiten, die sie mit sich bringen«.

Einige dieser Verhaltensweisen mussten natürlich näher erläutert und interpretiert werden. Das taten wir überall – ob in Mitarbeitergesprächen oder am Getränkeautomaten.

Seit ich aus dem Unternehmen ausgeschieden bin, ist mir klar geworden, dass wir die Gespräche über unsere Werte und Verhaltensweisen noch viel intensiver hätten gestalten können. Im Jahr 2004 beobachtete ich, wie Jamie Dimon und Bill Harrison gemeinsam die Werte und Verhaltensweisen für das neue Unternehmen erarbeiteten, das aus der Fusion von Bank One und JPMorgan Chase entstanden war. Der Text, den sie nutzten, um den Dialog in Gang zu setzen, stammte von Bank One. Er listete die Werte und zugehörigen Verhaltensweisen so detailliert auf, wie ich es noch nie gesehen hatte.

Betrachten wir einmal den Unternehmenswert »Wir behandeln unsere Kunden so, wie wir selbst behandelt werden möchten«. Das ist in sich schon eine ziemlich konkrete Formulierung, doch Bank One hatte zudem noch zehn oder zwölf Verhaltensweisen festgelegt, die diesen Wert mit Leben füllen sollten. Es folgt eine kleine Auswahl:

Konflikte unter Profit-Centern dürfen nie dazu führen, dass Kunden nicht optimal betreut werden.

Behandeln Sie Kunden fair. Es dauert einige Zeit, gute Kundenbeziehungen aufzubauen. Versuchen Sie nicht, auf Kosten dauerhafter Beziehungen kurzfristige Gewinne zu erzielen.

Suchen Sie immer nach Wegen, um die Geschäftsbeziehung mit uns zu erleichtern.

Kommunizieren Sie täglich mit Ihren Kunden. Solange die Kunden mit Ihnen sprechen, sprechen sie nicht mit unseren Konkurrenten. Vergessen Sie nicht, sich zu bedanken.

Ein weiterer Unternehmenswert von Bank One lautete: »Wir verfolgen das Ziel, durch effiziente, herausragende Abläufe zum kostengünstigsten Anbieter zu werden.« Unter anderem wurden für diesen Wert folgende Verhaltensweisen vorgegeben:

Schlanker ist besser.

Schieben Sie der Bürokratie einen Riegel vor.

Gehen Sie hart gegen Verschwendung vor.

Abläufe sollten schnell und einfach sein.

Rauben Sie sich nicht gegenseitig die Zeit.

Investieren Sie in die Infrastruktur.

Wir sollten unser Geschäft am besten kennen. Wir brauchen keine Unternehmensberater, die uns sagen, was wir zu tun haben.

Wenn Ihnen diese Genauigkeit übertrieben oder schulmeisterlich erscheint, kann ich das verstehen. Als ich Jamies Beschreibung der Werte und Verhaltensweisen – fünf Seiten voller Einzeiler! – zum ersten Mal sah, wäre ich beinah vom Stuhl gefallen. Als ich sie las, erkannte ich aber, welche Überzeugungskraft darin lag.

All die Geschichten, die ich in den letzten Jahren von Angehörigen von Firmen aus allen Teilen der Welt gehört habe, haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass man seine Unternehmenswerte und zugehörigen Verhaltensweisen gar nicht zu genau beschreiben kann.

Werte brauchen Unterstützung

Klare Werte und Verhaltensanweisungen nützen nicht viel, wenn die Umsetzung nicht gezielt gefördert wird. Um Werten wirkliche Bedeutung zu verleihen, müssen Unternehmen Mitarbeiter belohnen, die sie befolgen, und jene »bestrafen«, die sie missachten. Glauben Sie mir: Das macht es viel leichter, am Markt zu gewinnen.

Wenn wir bei GE einen Spitzenmanager entließen, der nicht nach unseren Firmenwerten lebte, wurde darauf immer unglaublich positiv reagiert. Wir machten daraus auch keinen Hehl. Über einen Zeitraum von zehn Jahren ergaben die jährlich durchgeführten Mitarbeiterbefragungen regelmäßig, dass das Unternehmen immer stärker nach seinen Werten lebte. Dadurch fühlten sich unsere Leute diesen Werten nur noch mehr verpflichtet. Und mit zunehmender Mitarbeiterzufriedenheit verbesserten sich auch unsere wirtschaftlichen Ergebnisse.

Werte und Leitbild – gemeinsam sind sie stark

Ein konkretes Leitbild ist großartig. Das Gleiche gilt für Werte, die bestimmte Verhaltensweisen vorgeben. Damit Leitbild und Unternehmenswerte eine erfolgversprechende Einheit bilden können, müssen sie sich gegenseitig verstärken.

Wenn Sie mich fragen, erscheint es naheliegend, dass die Unternehmenswerte das Leitbild unterstützen. In der Realität sieht es jedoch erstaunlich oft anders aus. Wenn die tragenden Elemente eines Unternehmens nicht miteinander in Beziehung stehen, ist das eher auf eine unbewusste Unterlassung als auf Vorsatz zurückzuführen. Das kommt häufig vor.

Oft zerreißt die Verbindung zwischen Leitbild und Unternehmenswerten wegen kleiner Krisen im geschäftlichen Alltag: Ein Wettbewerber lässt sich in Ihrer Stadt nieder und senkt die Preise, Sie ziehen nach und untergraben damit Ihr Leitbild, welches beinhaltet, konkurrenzfähig durch einen herausragenden Kundenservice zu sein. Oder die Konjunktur lässt nach, Sie kürzen Ihren Werbeetat und vergessen darüber, dass Ihr Leitbild besagt, dass eine bestimmte Marke gefördert und ausgebaut werden soll.

Vielleicht halten Sie die geschilderten Probleme für unbedeutend oder meinen, sie seien vorübergehender Natur. Werden diese Probleme nicht behoben, können sie einem Unternehmen jedoch ernsthaft schaden und es im schlimmsten Fall sogar zerstören.

Beispiele hierfür sind die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen und Enron, ein Unternehmen, das seine Ursprünge im Energiesektor hat. Was diesen beiden Unternehmen passiert ist, sehe ich folgendermaßen:

Arthur Andersen wurde vor fast 100 Jahren gegründet. Das ursprüngliche Leitbild beinhaltete, zu der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu avancieren, die weltweit den größten Respekt und das größte Vertrauen genießt. Das Unternehmen verwies stolz darauf, dass es den Mut habe, nein zu sagen – selbst wenn es dadurch einen Klienten verlieren würde. Arthur Andersen wurde erfolgreich, weil es die kompetentesten und gewissenhaftesten Wirtschaftsprüfer einstellte und sie dafür belohnte, dass ihre Arbeit dem Unternehmen rund um den Globus das Vertrauen anderer Firmen und Aufsichtsbehörden einbrachte.

Oft zerreißt die Verbindung zwischen Leitbild und Unternehmenswerten wegen kleiner Krisen im geschäftlichen Alltag.

Die Boomzeiten der achtziger Jahre brachen an, und Arthur Andersen beschloss, eine Sparte für Unternehmensberatung aufzubauen. Die Branche war »heiß« und versprach tolle Gewinne. Das Unternehmen stellte zusätzliche Hochschulabsolventen ein und zahlte ihnen die immer utopischeren Gehälter, die in der Beratungsbranche üblich wurden. Im Jahr 1989 wurde die Firma in zwei Einheiten aufgeteilt: in die traditionelle Wirtschaftsprüfungsabteilung namens Arthur Andersen und in Andersen Consulting. Beide gehörten der Dachgesellschaft Andersen Worldwide an.

Beratungsfirmen legen auf Gewissenhaftigkeit generell weniger Wert als auf Kreativität und aggressives Verkaufsverhalten – sie schleusen ihre Mandanten von einem Projekt zum nächsten. Insbesondere in den neunziger Jahren herrschte in der Beratungsbranche eine wahre Cowboy-Mentalität, was auch auf die Wirtschaftsprüfungssparte von Andersen abfärbte. Einige Wirtschaftsprüfer ließen sich mitreißen und warfen die Werte über Bord, an denen sie sich so lange orientiert hatten.

Fast die gesamten neunziger Jahre hindurch führte Arthur Andersen mit sich selbst Krieg. Das Beratungsbusiness unterstützte unwillig die Wirtschaftsprüfung, und die Wirtschaftsprüfer verabscheuten die Prahlerei der Beratertypen. Wie sollten die Mitarbeiter unter diesen Umständen wissen, wie sie sich zu verhalten hatten, wie das Leitbild des Unternehmens aussah oder welche Werte die größte Bedeutung besaßen? Die Antworten wären in den beiden Unternehmensbereichen sicher unterschiedlich ausgefallen. Und es ist wenig überraschend, dass die Partner schließlich vor Gericht landeten, weil sie sich nicht über die Aufteilung der Firmengewinne einigen konnten.

2002 brach die Gesellschaft zusammen, was nicht zuletzt am fehlenden Zusammenhang zwischen ihrem Leitbild und ihren Werten lag.

Die gleiche Dynamik führte in vielerlei Hinsicht auch zur Pleite von Enron:

Enron war einmal ein einfaches, eher unauffälliges Pipeline- und Energieunternehmen. Alles drehte sich darum, Gas möglichst schnell und preiswert von A nach B zu transportieren. Das war ein Leitbild, das die Mitarbeiter dank ihres Fachwissens in der Energiebeschaffung und Energieverteilung exzellent umsetzten.

Dann änderte das Unternehmen sein Leitbild – genau wie Arthur Andersen es getan hatte. Irgendjemand kam auf die Idee, aus Enron eine Handelsgesellschaft zu machen, um das Wachstum zu beschleunigen.

Bei Arthur Andersen teilten sich Wirtschaftsprüfer plötzlich ein Büro mit Betriebswirten in Armani-Anzügen. Bei Enron fuhren die Jungs im Blaumann – bildlich gesprochen – plötzlich mit schicken Erfolgstypen im Aufzug.

Das neue Leitbild von Enron sah neben dem Handel mit Energie den Handel mit verschiendensten anderen verkäuflichen Gütern vor. Dieser Wandel ließ die Herzen damals sicherlich höher schlagen, doch offensichtlich nahm sich niemand die Zeit, darüber nachzudenken und zu erklären, welche Werte und zugehörigen Verhaltensweisen dieses berauschende Vorhaben unterstützen sollten. Plötzlich wollten alle ins Verkaufsbüro, und das Pipelinegeschäft und die Energieerzeugung gerieten ins Hintertreffen. So entstanden ein gewisses Ungleichgewicht und Probleme, all die smarten Anzugträger mit den nötigen Schecks zu versorgen. In diesem Zusammenhang – dem fehlenden Zusammenhang – muss der Zusammenbruch von Enron betrachtet werden.

Genau wie bei Arthur Andersen endet auch diese Geschichte einer fehlenden Verbindung zwischen Leitbild und Unternehmenswerten damit, dass Tausende von unschuldigen Mitarbeitern ihren Job verloren. Was für eine Tragödie!

Dieses Kapitel hat mit der Feststellung begonnen, dass Geschäftsleute viel über Unternehmensaufträge und Werte sprechen, dabei jedoch häufig mehr heiße Luft als konkrete Aktionen hervorbringen. Eigentlich will das niemand, doch das Abstrakte der beiden Begriffe scheint nichts anderes zuzulassen.

Sie haben jedoch viel zu viel zu verlieren, wenn Sie Ihr Leitbild und Ihre Werte nicht klar und deutlich formulieren. Das soll nicht heißen, dass Ihr Unternehmen zwangsläufig das gleiche Schicksal erleidet wie Arthur Andersen und Enron – das sind zwei Extrembeispiele für schwindende Leitbilder und Werte. Doch Ihr Unternehmen wird sein Potenzial nicht einmal annähernd ausschöpfen, wenn die einzigen Leitlinien aus einer Aufzählung hübscher Gemeinplätze bestehen, die schön gerahmt im Foyer prangen.

Ich weiß, dass Geduld und sehr viel Engagement erforderlich sind, um ein brauchbares Leitbild zu formulieren und Werte zu erarbeiten, die dieses Leitbild fördern. Es wird lange, zähe Meetings geben, obwohl Sie viel lieber nach Hause wollen. Es wird E-Mail-Debatten geben, obwohl Sie lieber ungestört Ihrer Arbeit nachgehen möchten. Und es wird schmerzhafte Momente geben, in denen Sie sich von liebgewonnenen Mitarbeitern trennen müssen, die das Leitbild nicht verstehen oder die Werte nicht befolgen. An solchen Tagen werden Sie sich vielleicht wünschen, Ihr Leitbild und Ihre Werte wären vage und allgemein gehalten.

Aber dann taugen sie nichts.

Nehmen Sie sich die Zeit. Bringen Sie die Energie auf. Füllen Sie Leitbild und Unternehmenswerte mit Leben.

Kapitel 2Offenheit Das dunkelste Kapitel der Geschäftswelt

Ich war schon immer ein großer Fan von Offenheit. Tatsächlich habe ich mich bei General Electric mehr als zwanzig Jahre lang für Offenheit eingesetzt.

Seit meinem Ausscheiden bei GE weiß ich, dass Offenheit noch seltener ist, als ich dachte. Meiner Ansicht nach ist mangelnde Aufrichtigkeit sogar das dunkelste Kapitel der Geschäftswelt.

Was schafft sie nicht für Probleme – sie blockiert gute Ideen, schnelles Handeln und hält kompetente Mitarbeiter davon ab, sich mit ihren ganzen Fähigkeiten und ihrem Wissen einzubringen. Mangelnde Offenheit ist tödlich.

Mit Aufrichtigkeit und Transparenz – die Sie niemals ganz erreichen werden – geht alles schneller und besser.

Wenn ich hier von »mangelnder Offenheit« spreche, meine ich damit nicht böswillige Unaufrichtigkeit. Ich rede davon, dass zu viele Leute – zu oft – nicht offen sagen, was sie denken. Sie meiden klare Worte und sprechen Ideen nicht aus, mit denen sie eine lebendige, kontroverse Diskussion anstoßen könnten. Sie öffnen sich nicht, sondern halten Kommentare oder Kritik zurück. Sie schweigen, um anderen ein besseres Gefühl zu geben oder um Konflikten aus dem Weg zu gehen, und sie versuchen schlechte Nachrichten zu versüßen. Sie behalten Dinge für sich und horten Informationen.

All das fällt unter mangelnde Offenheit, und es ist absolut schädlich.

Trotzdem findet man fehlende Offenheit in fast allen Bereichen des Business.

Auf meinen Reisen in den letzten Jahren haben mir Mitarbeiter unzähliger Unternehmen von einem völligen Mangel an Offenheit erzählt, den sie tagtäglich in allen erdenklichen Meetings erleben – egal, ob es dabei um das Budget, ein bestimmtes Produkt oder die Strategie geht. Sie haben von der Bürokratie, den Hierarchien, den geheimen Machenschaften und der Unaufrichtigkeit berichtet, die so entstehen. Und sie wollten wissen, wie man die Unternehmenskultur derart verändern kann, dass die Mitarbeiter geradeheraus ihre Meinung sagen, sich der Realität stellen und Ideen aus allen Blickwinkeln betrachten können.

All das fällt unter mangelnde Offenheit, und es ist absolut schädlich.

Mangelnde Offenheit wird vor allem im Zusammenhang mit Leistungsbeurteilungen beklagt.

Tatsächlich höre ich das so oft, dass ich mein Publikum schließlich immer bitte, mir per Handzeichen folgende Frage zu beantworten: »Wie viele von Ihnen haben im letzten Jahr nach einem Beurteilungsgespräch genau gewusst, in welchen Bereichen Sie sich verbessern müssen und wo Sie im Unternehmen stehen?«

An guten Tagen melden sich 20 Prozent der Teilnehmer, in der Regel eher 10 Prozent.

Interessanterweise verbessert sich das Ergebnis nicht großartig, wenn ich den Spieß umdrehe und frage, wie oft meine Zuhörer ihre Mitarbeiter offen und ehrlich beurteilt haben.

Vergessen Sie Ihre externen Konkurrenten, wenn Ihr schlimmster Feind die Art und Weise ist, wie Sie im Unternehmen miteinander kommunizieren.

Der Offenheitseffekt

Sehen wir uns einmal an, wie Offenheit zum Erfolg führt. Grundsätzlich lassen sich drei Wege unterscheiden.

Erstens werden durch Offenheit mehr Menschen in die verschiedenen Debatten einbezogen, und wenn mehr Menschen am Gespräch teilnehmen, kommen logischerweise auch mehr Ideen auf den Tisch. Es wird also eine größere Zahl von Ideen besprochen, auseinander genommen und verbessert. Die Leute reden freiheraus, öffnen sich und lernen dadurch. Jedes Unternehmen, jede Abteilung oder jedes Team, das mehr Mitarbeiter und ihre Meinungen ins Gespräch einbindet, erlangt einen unmittelbaren Vorteil.

Zweitens wirkt Offenheit entscheidungsfördernd. Wenn Ideen vor allen offen gelegt werden, können sie schneller besprochen, erweitert, verbessert und in die Tat umgesetzt werden. Diese Methode – auf den Tisch bringen, besprechen, verbessern, entscheiden – ist nicht nur vorteilhaft, sondern auf unseren globalisierten Märkten von heute unerlässlich. Sie können davon ausgehen, dass das fünfköpfige Start-up-Unternehmen bei Ihnen um die Ecke oder in Shanghai schneller agieren kann als Sie. Offenheit ist eine Möglichkeit, mit solchen Akteuren Schritt zu halten.

Drittens senkt Offenheit Kosten, und zwar erheblich, auch wenn sich die Einsparungen niemals genau beziffern lassen. Sie macht kurzen Prozess mit sinnlosen Meetings und überflüssigen Berichten, in denen lediglich bestätigt wird, was ohnehin schon alle wussten. Offenheit ersetzt alberne PowerPoint-Folien, einschläfernde Präsentationen und langweilige Klausurtagungen durch echte Diskussionen über Unternehmensstrategie, Produkteinführungen oder Mitarbeiterleistungen.

Rechnen Sie all diese Vorzüge zusammen, und Sie werden erkennen, dass Sie sich mangelnde Offenheit einfach nicht leisten können.

Warum also nicht?

Angesichts der großen Vorteile, die eine offene Unternehmenskultur mit sich bringt, fragt man sich, warum sie so selten ist.

Sagen wir es so: Das Problem beginnt früh.

Schon in der Kindheit bringt man uns bei, schlechte Nachrichten abzumildern und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Das gilt in allen Kulturen, allen Ländern und allen sozialen Schichten. Ob Sie in Island oder in Portugal aufwachsen – Sie beschweren sich nicht über die Kochkünste Ihrer Mutter, bezeichnen Ihren besten Freund nicht als Fettwanst und sagen Ihrer Großtante nicht, dass Sie ihr Hochzeitsgeschenk scheußlich finden. Das würden Sie einfach nicht tun.

Als wir neulich auf eine Cocktailparty in einem noblen Vorort eingeladen waren, ereignete sich folgender Vorfall: Bei Weißwein und Sushi beklagte eine Frau in einer kleinen Runde den schrecklichen Stress, dem die Musiklehrerin an der örtlichen Grundschule ausgesetzt sei. Andere Gäste fielen ein, und die Runde war sich einig, dass Viertklässler einen wirklich zum Wahnsinn treiben können. Bevor die Musiklehrerin heilig gesprochen werden konnte, schaltete sich zum Glück ein weiterer Gast ins Gespräch ein und sagte: »Seid Ihr noch ganz bei Trost? Diese Lehrerin hat fünfzehn Wochen Urlaub im Jahr!« Sie zeigte auf den Arzt, der in der Runde stand und die ganze Zeit zustimmend genickt hatte. »Robert«, fuhr sie fort, »du triffst jeden Tag Entscheidungen über Leben und Tod. Dein Mitleid mit der Lehrerin wird sich doch wohl in Grenzen halten, oder?«

Schon in der Kindheit bringt man uns bei, schlechte Nachrichten abzumildern und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

So viel dazu, wie man höfliches Geschwätz verstummen lässt. Nach diesen Worten löste sich die Runde in Richtung Bar auf.

Offenheit bringt Menschen aus der Fassung.

Das war ein eher belangloses, amüsantes Beispiel. Wenn Sie versuchen, das Thema Offenheit zu verstehen, versuchen Sie nicht weniger, als die Natur des Menschen zu verstehen. Psychologen und Sozialwissenschaftler untersuchen seit Hunderten von Jahren, warum Menschen nicht sagen, was sie denken. Philosophen befassen sich sogar schon seit Jahrtausenden mit dieser Frage.

Nancy Bauer, eine gute Freundin von mir, ist Philosophieprofessorin an der Tufts-Universität. Als ich sie auf das Thema Offenheit ansprach, erzählte sie mir, dass die meisten Philosophen in diesem Punkt zu dem gleichen Schluss kommen wie ein Großteil von uns Laien mit zunehmendem Alter und zunehmender Erfahrung. Früher oder später erkennen wir, dass Leute mit ihrer Meinung hinterm Berg halten, weil es schlichtweg einfacher ist. Wenn wir ungeschminkte Wahrheiten wiedergeben, handeln wir uns leicht Probleme ein und rufen Ärger, Schmerz, Verwirrung, Traurigkeit oder Ablehnung hervor. Zu allem Überfluss fühlen wir uns dann auch noch verpflichtet, diese Probleme wieder aus der Welt zu schaffen, was äußerst unangenehm und zeitraubend sein kann. Daher rechtfertigen wir unsere mangelnde Offenheit damit, dass wir andere Personen nicht vor den Kopf stoßen wollen und dass der Anstand es gebietet, die Wahrheit zu verschweigen oder Notlügen zu erfinden. Tatsächlich, so Nancy, bringen Philosophen wie Immanuel Kant jedoch schlagkräftige Argumente dafür vor, dass mangelnde Offenheit im Grunde einzig und allein dazu dient, sich selbst das Leben leichter zu machen.

Früher oder später erkennen wir, dass Leute mit ihrer Meinung hinterm Berg halten, weil es schlichtweg einfacher ist.

Laut Nancy hatte Kant noch mehr zu dem Thema auf Lager. Er vertrat die Ansicht, mangelnde Offenheit sei häufig darauf zurückzuführen, dass Menschen den Gesamtzusammenhang nicht erkennen. Sie haben Angst, andere Personen könnten sich von ihnen zurückziehen, wenn sie Unangenehmes offen aussprechen. Dabei übersehen sie, dass mangelnde Offenheit die extremste Art der Entfremdung darstellt. »Kant sah hierin eine große Ironie«, so Nancy. »Er vertrat die Ansicht, dass Menschen Offenheit meiden, um sich bei anderen beliebt zu machen, damit aber das Vertrauen erst zerstören und auf diese Weise die Gesellschaft letztendlich unterhöhlen.«

Ich habe Nancy geantwortet, dass man das Gleiche auch über die Unterhöhlung der Geschäftswelt sagen kann.

Damals wie heute

Es ist relativ neu, dass Offenheit in der amerikanischen Geschäftswelt entscheidende Bedeutung besitzt. Bis Anfang der achtziger Jahre kamen Großunternehmen wie GE weitgehend ohne Offenheit aus, wie überhaupt fast alle Firmen unabhängig von ihrer Größe. Diese Unternehmen waren ein Produkt des militärischindustriellen Gefüges, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war. Es gab praktisch keine globale Konkurrenz, und die Unternehmen einer Branche waren sich so ähnlich, dass sie eher wie Kollegen als wie Konkurrenten wirkten.

Nehmen wir die Stahlindustrie. Etwa alle drei Jahre forderten gewerkschaftlich organisierte Arbeiter über Unternehmensgrenzen hinweg Lohnerhöhungen. Die Stahlkonzerne kamen diesen Forderungen nach und gaben die Mehrkosten an die Automobilindustrie weiter, die sich das Geld wiederum beim Verbraucher zurückholte.

Das funktionierte prima, bis die Japaner mit ihren preiswerten Importwagen durchschnittlicher Qualität auftauchten. Diese Autos wurden in wenigen Jahre zu qualitativ hochwertigen und gleichzeitig preiswerten Wagen entwickelt, die oft in nicht gewerkschaftlich organisierten Fabriken in den USA hergestellt wurden.

Bis zum Erscheinen der ausländischen Konkurrenz hatten die meisten amerikanischen Unternehmen mit lebendigen Diskussionen und schnellem Handeln, wie sie offene Unternehmen kennzeichnen, sehr wenig zu tun. Sie hatten einfach keine Verwendung dafür. So führten unzählige bürokratische Ebenen und überholte gesellschaftliche Verhaltensregeln in vielen Betrieben zu einer Art erzwungener Höflichkeit und Förmlichkeit. Es gab nur sehr wenige offene Debatten über Strategien oder Werte, und Entscheidungen wurden hinter verschlossenen Türen getroffen. Bei Mitarbeitergesprächen wurde ein bestimmter Höflichkeitsabstand gewahrt. Gute Leute wurden gelobt, schlechte Leute wurden bis zur Rente in abgelegenen Abteilungen geparkt – die Finanzstärke der Unternehmen machte es möglich.

So wahrten alle das Gesicht und das Geschäft ging langsam seinen Gang. Der Status Quo wurde akzeptiert. Falschheit stand auf der Tagesordnung, und Leute mit Initiativgeist, Köpfchen und Mut wurden als Störenfriede oder Schlimmeres tituliert.

Man könnte meinen, dass Offenheit angesichts all ihrer Wettbewerbsvorteile bei den Japanern gut hätte ankommen müssen. Doch weder in Japan noch in Irland, Mexiko, Indien oder China, um nur einige der großen Gewinner der Globalisierung zu nennen, konnte sich Offenheit durchsetzen. Stattdessen greifen die meisten Unternehmen im globalen Wettbewerb auch heute noch zu konventionellen Mitteln: Entlassungen, drastische Kostensenkungen und bestenfalls Innovationen.

Auch wenn Offenheit sich langsam ihren Weg bahnt, spielt sie als Waffe im Konkurrenzkampf nach wie vor eine untergeordnete Rolle.

Offenheit ist machbar

Kommen wir jetzt zu den schlechten Nachrichten. Obwohl Offenheit für den Erfolg unerlässlich ist, ist es schwierig und zeitaufwändig, sie in Gruppen egal welcher Größe einzuführen.

Es ist schwierig, weil Sie dabei gegen die menschliche Natur und eingefahrene Verhaltensweisen ankämpfen, und es dauert tatsächlich jahrelang. Bei GE haben wir fast zehn Jahre gebraucht, bis Offenheit sich einigermaßen durchgesetzt hatte; doch auch nach zwanzig Jahren war sie noch nicht immer und überall selbstverständlich.

Dennoch ist es machbar. Wer Offenheit anstrebt, muss sie belohnen, anpreisen und darüber reden. Dieser Prozess hat übrigens nichts Wissenschaftliches an sich. Machen Sie Mitarbeiter, die Offenheit an den Tag legen, öffentlich zu Helden. Vor allem müssen Sie selbst Offenheit praktizieren, vielleicht sogar ein wenig übertrieben. Auch wenn Sie nicht der Boss sind.

Versetzen Sie sich gedanklich für eine Sekunde in ein Meeting, auf dem darüber diskutiert wird, wie man einer Abteilung mit einer veralteten Produktlinie zu neuem Wachstum verhelfen kann. Alle sitzen um den Tisch herum und schwadronieren höflich darüber, wie schwer es ist, sich auf diesem speziellen Markt durchzusetzen. Man spricht über den harten Wettbewerb. Man packt die ewig gleichen Gründe aus, warum Wachstum nicht möglich ist und warum diese Abteilung sich in einem schwierigen Umfeld eigentlich sogar ganz gut schlägt. Am Ende klopfen sich alle gegenseitig auf die Schultern für den »Erfolg«, den sie »unter den gegebenen Umständen« erzielt haben.

Wer Offenheit anstrebt, muss sie belohnen, anpreisen und darüber reden. Vor allem müssen Sie selbst Offenheit praktizieren, vielleicht sogar ein wenig übertrieben.

Innerlich könnten Sie platzen und denken bei sich: »Schon wieder die alte Leier. Ich weiß, dass Bob und Mary dort drüben genauso denken wie ich – unsere Selbstzufriedenheit wird uns noch umbringen.«

Nach außen hin spielen Sie alle drei das Spiel mit. Sie nicken brav. Stellen Sie sich nun ein Umfeld vor, in dem Offenheit Trumpf ist. Sie, Bob oder Mary würden Fragen wie diese stellen:

»Gibt es für diese Sparte nicht eine Idee für ein neues Produkt oder einen neuen Service, auf die wir einfach noch nicht gekommen sind?«

»Können wir den Bereich mit einer Übernahme in Schwung bringen?«

»In den Geschäftsbereich werden so viele Ressourcen gepumpt. Warum, verdammt noch mal, sehen wir davon nichts?«

Was für eine Versammlung wäre das! Wie viel mehr Spaß hätten Sie, und wie viel mehr würden Sie alle davon profitieren!

Häufig tritt in Geschäftsbereichen, die von selbstgefälligen Führungsteams geleitet werden, ein Phänomen auf, das Sie selbst aus Meetings kennen, in denen es um längerfristige Planung geht. Die Manager prahlen mit zweistelligen Wachstumsraten – sagen wir 15 Prozent – und demonstrieren mit unzähligen PowerPoint-Folien, wie gut sie ihre Sache machen. Das Topmanagement nickt, doch Sie wissen, dass man aus der Sparte noch viel mehr herausholen könnte. Die Sache wird noch dadurch erschwert, dass die Jungs mit den Folien Kollegen von Ihnen sind und unter Ihnen folgendes ungeschriebenes Gesetz gilt: Wenn du mir nicht an den Karren fährst, lass’ ich dich auch in Ruhe.

Offen gesagt fällt mir nur ein Weg ein, wie Sie aus dieser Klemme herauskommen können – bohren Sie so nach, dass es von den anderen nicht als Bedrohung aufgefasst wird:

»Hut ab, da habt ihr saubere Arbeit geleistet. Das ist unser bester Geschäftsbereich. Warum teilen wir ihm nicht mehr Ressourcen zu und versuchen, noch mehr herauszuholen?«

»Mit dem tollen Team, das ihr aufgebaut habt, muss es da draußen zehn Kandidaten geben, die ihr übernehmen könntet. Habt ihr das weltweit geprüft?«

Solche und ähnliche Fragen können eine reine Selbstbeweihräucherungsparty in ein konstruktives Arbeitsmeeting verwandeln.

Wahrheit und ihre Konsequenzen

Vielleicht denken Sie jetzt, dass Sie solche Fragen unmöglich stellen können, weil Sie dann als Streber dastehen. Dabei möchten Sie doch ein guter Teamplayer sein.

Es stimmt, dass aufrichtige Kommentare die Leute erst einmal aus der Fassung bringen. Je höflicher, bürokratischer oder förmlicher Ihr Unternehmen ausgelegt ist, desto stärker werden Sie Ihre Kollegen mit Ihren unverblümten Worten beunruhigen und verärgern – das kann für Sie unter Umständen übel ausgehen.

Hier besteht also ein gewisses Risiko und nur Sie können entscheiden, ob Sie dieses Risiko eingehen wollen.

Je näher Sie der Führungsetage sind, umso leichter können Sie in Ihrer Firma natürlich für Offenheit und Aufrichtigkeit sorgen. Machen Sie aber nicht Ihren Vorgesetzten oder den CEO verantwortlich, wenn man bei Ihnen um den heißen Brei herumredet, denn ein offener Dialog kann überall beginnen. Ich habe meine Meinung auch gesagt, als ich damals bei Noryl vier Mitarbeiter hatte. Noryl war die kleinste und jüngste Einheit von GE, einem hierarchisch strukturierten Unternehmen, in dem Klartext nicht gerade hoch im Kurs stand.

Es stimmt, dass aufrichtige Kommentare die Leute erst einmal aus der Fassung bringen.

Ich war damals jung und in unternehmenspolitischen Dingen noch sehr unerfahren – geschützt hat mich das rasante Wachstum unserer Sparte.

Es kam uns damals gar nicht mutig vor, unsere Meinung zu sagen – wir wussten einfach nicht genug, um zu wissen, was Offenheit ist. Es schien uns natürlich, die Dinge beim Namen zu nennen, Einwände vorzubringen, zu debattieren und schnell zu handeln. Wenn wir damals irgendetwas waren, dann unglaublich wettbewerbsfähig.

Nach jeder Beförderung waren die ersten Feedbackgespräche – ob Budgetverhandlungen oder Mitarbeiterbeurteilungen – stets heikel und unangenehm. Die meisten Mitglieder meines neuen Teams waren offene Diskussionen nicht gewöhnt. Zum Beispiel redeten wir bei einer Personalprüfung über einen bestimmten Mitarbeiter und stellten einhellig fest, dass bei dem Burschen Hopfen und Malz verloren war. Seine schriftliche Beurteilung ließ ihn aber aussehen wie den »Mitarbeiter des Jahres«. Als ich meine Kollegen auf die Heuchelei ansprach, bekam ich zu hören: »Ja, ja, du hast ja Recht, aber warum sollten wir das so aufschreiben?«

Ich erklärte ihnen den Grund und lieferte überzeugende Argumente für Offenheit.

Bei der nächsten Gesprächsrunde hatte sich die neue Offenheit bereits positiv ausgewirkt – schließlich arbeiteten bessere Leute im Team – und von Mal zu Mal vergrößerte sich die Zahl meiner Mitstreiter.

Es gab jedoch auch andere Stimmen.

Von meinem allerersten Tag bei GE bis zu dem Tag, an dem ich CEO wurde – ganze zwanzig Jahre später –, mahnten mich meine Chefs im Hinblick auf meine unverblümte Art zur Vorsicht. Ich wurde als grob und ruppig bezeichnet und ständig darauf hingewiesen, dass meine Offenheit meiner Karriere über kurz oder lang schaden würde.

Meine Chefs mahnten mich im Hinblick auf meine unverblümte Art zur Vorsicht. Meine Karriere liegt mittlerweile hinter mir, und ich kann sagen, dass sie durch Offenheit erst möglich geworden ist.

Meine Karriere bei GE liegt mittlerweile hinter mir, und ich kann sagen, dass sie durch Offenheit erst möglich geworden ist. Immer mehr Menschen haben sich für Offenheit entschieden – durch Mitsprache und mit viel Energie. Wir haben uns geradeheraus unsere Meinung gesagt und haben alle davon profitiert.

Wir haben in diesem Kapitel sehr viel über einen Begriff gesprochen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Offenheit funktioniert, weil sie alles viel leichter macht.

Es stimmt vielleicht, dass Offenheit der menschlichen Natur widerspricht. Ebenso unnatürlich ist es jedoch, jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen, damit wir um 6.10 Uhr den Zug erwischen. Oder am Schreibtisch Mittag zu essen, damit wir das wichtige Meeting um eins nicht verpassen. Wir tun viele Dinge für unser Team oder unser Unternehmen, die uns nicht leicht fallen. Das Gute an Offenheit ist, dass sich dieses unnatürliche Verhalten absolut bezahlt macht.

Eine Welt, in der alle jederzeit unverblümt sagen, was sie denken, ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlich würden wir uns eine solche Welt mit den entsprechenden Informationen auch gar nicht wünschen. Aber wenn wir diesen Weg auch nur bis zur Hälfte gehen, wäre mangelnde Offenheit nicht länger das dunkelste Kapitel der Geschäftswelt.

Darin würde eine große Veränderung zum Guten liegen.

Kapitel 3Differenzierung Grausam und darwinistisch? Versuchen wir es mit fair und effektiv

Wenn einer meiner Werte wirklich für Wirbel gesorgt hat, dann ist es die Differenzierung.

Einige Menschen lieben das Konzept – sie schwören darauf, führen ihr Unternehmen mit dessen Hilfe und betrachten es als Schlüssel zu ihrem Erfolg. Andere hassen die Idee. Sie finden sie gemein, hart, praxisfremd, demotivierend oder unfair und glauben, dass sie geheime Machenschaften fördert – oder alles zusammen. Während einer Radiosendung über mein erstes Buch fuhr eine Dame in Los Angeles extra von der Autobahn ab, um anzurufen und die Differenzierung als »grausam und darwinistisch« zu bezeichnen. Und das war erst der Anfang ihres Kommentars.

Ich bin – unverkennbar – ein großer Fan der Differenzierung. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie aus mittelmäßigen Unternehmen Spitzenplayer gemacht hat, und ich halte sie moralisch für so vertretbar, wie ein Managementsystem es eben sein kann. Differenzierung funktioniert.

Unternehmen gewinnen, wenn Manager klar und nachvollziehbar zwischen guten und schlechten Geschäftsbereichen und Mitarbeitern unterscheiden, wenn sie die Starken fördern und die Schwachen aussieben. Unternehmen leiden, wenn alle Geschäftsbereiche und Mitarbeiter gleich behandelt und betriebliche Mittel nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden.

Im Grunde geht es bei der Differenzierung lediglich um die Aufteilung von Ressourcen. Diese Aufteilung zählt zu den Hauptaufgaben von Führungskräften – dafür werden sie bezahlt. Da in Unternehmen sowohl die finanziellen Mittel als auch die Zeit für Führungsaufgaben begrenzt sind, investieren gute Führungskräfte dort, wo sie mit der höchsten Rendite rechnen können. In den anderen Bereichen wird entsprechend gekürzt.

Falls das darwinistisch klingt, füge ich hinzu, dass in meinen Augen die Differenzierung nicht nur die effizienteste und effektivste Form der Betriebsführung ist, sondern auch die fairste und freundlichste. Letztendlich profitieren alle davon.

In meiner Zeit bei GE wurde das Thema sehr hitzig diskutiert, im Laufe der Jahre entwickelten sich jedoch die meisten Mitarbeiter zu starken Befürwortern der Differenzierung – sie war unsere Form der Geschäftsführung. Als ich GE verließ, war die Differenzierung dort kein heißes Eisen mehr. Außerhalb des Unternehmens sieht das allerdings anders aus. Auf der ganzen Welt werden mir zum Thema Differenzierung die meisten Fragen gestellt. Wie schon gesagt: Einige mögen das Konzept, andere hassen es und viele verwirrt es. Wenn ich in meinem ersten Buch eine Sache ändern könnte, dann würde ich der Differenzierung einige Seiten mehr widmen und diesen Punkt ausführlicher erklären. Dabei würde ich betonen, dass man das System der Differenzierung nicht schnell einführen kann beziehungsweise darf. Bei GE haben wir rund zehn Jahre gebraucht, um eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die die Differenzierung erst möglich macht.

In diesem Kapitel geht es jedoch nicht um die praktische Umsetzung. Ich möchte klarstellen, warum ich an die Differenzierung glaube und warum Sie das ebenfalls tun sollten.

Differenzierung – was ist das?

Eines der großen Missverständnisse im Zusammenhang mit der Differenzierung liegt in der Annahme, dass sie sich nur auf Menschen bezieht. Dadurch bleibt eine Hälfte der Differenzierung unberücksichtigt, denn das Konzept eignet sich zur Führung von Mitarbeitern und von Geschäftsbereichen.

Im Grunde besagt die Differenzierung, dass ein Unternehmen aus zwei Teilen besteht: aus Software und Hardware.

Die Software ist schnell erklärt – das ist das Personal.

Die Hardware hängt von den Umständen ab. In Großunternehmen setzt sie sich aus den verschiedenen Geschäftsbereichen zusammen. In kleinen Firmen sind es die Produktlinien.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Differenzierung in Sachen Hardware. Das Konzept ist unkompliziert und sorgt viel weniger für Zündstoff.

Jedes Unternehmen verfügt über starke, mittelmäßige und schwache Geschäftsbereiche oder Produktlinien. Für eine effektive Beurteilung müssen Manager wissen, welche Geschäftsbereiche oder Produkte in welche Kategorie fallen, und sie müssen entsprechend investieren.

Dafür braucht man natürlich eine klare Definition von »stark«. Bei GE bedeutete es, dass ein Geschäftsbereich auf seinem Markt den ersten oder zweiten Rang einnahm. Schnitt er schlechter ab, mussten die zuständigen Manager ihn aufräumen, das heißt verkaufen oder als letzten Ausweg schließen. Andere Unternehmen treffen ihre Investitionsentscheidungen nach anderen Regeln. Beispielsweise stecken sie ihr Geld und ihre Zeit nur in Geschäftsbereiche oder Produktlinien, die ein zweistelliges Umsatzwachstum versprechen. Oder sie investieren ausschließlich in Geschäftsbereiche oder Produktlinien mit einem internen Zinsfuß von mindestens 15 Prozent.

Da sowohl die finanziellen Mittel als auch die Zeit für Führungsaufgaben begrenzt sind, investieren gute Führungskräfte dort, wo sie mit der höchsten Rendite rechnen können. In den anderen Bereichen wird entsprechend gekürzt.

Generell mag ich rein finanzielle Investitionskriterien wie den internen Zinsfuß nicht, weil Zahlen leicht manipuliert werden können – Sie müssen nur bei einem Investitionsvorschlag den Restwert oder eine andere wichtige Kennzahl ändern. Entscheidend ist nur eines: Für die Differenzierung Ihrer Geschäftsbereiche oder Produktlinien brauchen Sie ein durchschaubares Bezugssystem, das von allen Mitarbeitern des Unternehmens verstanden wird. Ob Ihre Leute das System mögen oder nicht – sie müssen es verstehen und mit ihm umgehen können.