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Ohne Motivation findet kein Lernen statt – zumindest kein nachhaltiges. Die Bedeutung von Motivation im Unterricht kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dennoch glauben viele Lehrpersonen, sie könnten die Handlungsbereitschaft und die Willenskraft ihrer Schülerinnen und Schüler so gut wie nicht beeinflussen. Inez De Florio-Hansen stellt über 30 konkrete und bewährte Motivierungsstrategien für den Französischunterricht vor (Arbeitsblätter im Download), die das Gegenteil belegen. Die Motivierungsstrategien beziehen sich auf neun verschiedene Aspekte des Unterrichts, beispielsweise die Stellung und das Ansehen des Französischen im schulischen Kontext, das Klassenmanagement und ein lernförderliches Klassenklima sowie die Stärkung des Durchhaltevermögens durch motivierende Denkweisen und Lernaktivitäten. Sie machen deutlich, dass Lehrpersonen nicht nur als Modell für Motivation und Leistung dienen, sondern dass sie das motivationale Geschehen im Französischunterricht durch ausgewählte Strategien und Techniken nachhaltig verbessern können.
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Seitenzahl: 177
ibidem-Verlag, Stuttgart
Inhaltsverzeichnis
Einführung: Motivierungsstrategien im Fremdsprachenunterricht
Grundlegende Motivationstheorien
Motivation im Fremdsprachenunterricht
Motivierungsstrategien in der Praxis
Teil I Grundlegende Voraussetzungen
Kap. 1 Stellung und Ansehen des Französischen im schulischen Kontext
Stratégie 1 : Savez-vous que …?
Stratégie 2 : Il y a d’autres élèves dans votre établissement scolaire qui apprennent le français
Stratégie 3 : Pourquoi ne pas créer un jeu vidéo en coopération avec d’autres matières comme les maths ou les arts plastique ?
Stratégie 4 : Passez à l’offensive et faites connaître vos expériences avec les partenaires français
Stratégie 5 : N’est-ce pas motivant de savoir informer les autres ?
Stratégie 6 : Connaissez-vous EMILE?
Kap. 2 Heterogenität, Diversität, Anerkennungskultur als motivierende Faktoren
Stratégie 7 : Vive la diversité !
Stratégie 8 : Aucun/aucune n’est pas comme les autres
Stratégie 9 : Réfléchir sur soi-même
Kap. 3 Die Lehrperson als Modell für Motivation und Leistung
Stratégie 10 : Personne n’est parfait, mais …
Stratégie 11 : Un questionnaire pour le prof
Stratégie 12 : Inventer des activités motivantes
Kap. 4 Befragungen zum Fremdsprachenlernen als Motivationsquelle
Stratégie 13 : Ne pas renoncer à ses objectifs
Stratégie 14 : Un questionnaire ordinaire – à quoi bon ?
Stratégie 15 : Comment intégrer les langues et les cultures différentes dans l’enseignement des langues étrangères ?
Teil II Motivation in der Unterrichtspraxis
Kap. 5 Klassenmanagement und lernförderliches Klassenklima
Stratégie 16 : La mise en pratique n’est pas si facile
Stratégie 17 : La compétition – un problème ?
Stratégie 18 : Les devoirs – cause de frustration ?
Stratégie 19 : Détendez-vous : exercices de respiration et relaxation
Kap. 6 Festlegung und Begründung von Zielen als Ausgangspunkt für motiviertes, erfolgreiches Lernen
Stratégie 20 : Pourquoi se fixer des objectifs ?
Stratégie 21 : Quoi faire à Reims ?
Stratégie 22 : Une tâche complexe : se fixer des objectifs intermédiaires
Stratégie 23 : Trouvez des points de départ adéquats et motivants
Kap. 7 Zum Einfluss von Feedback auf Motivation und Willenskraft
Stratégie 24 : Une initiative assez intelligente, n’est-ce pas?
Stratégie 25 : Motiver les partenaires par des rétroactions adéquates
Stratégie 26 : Quoi faire pour surveiller, contrôler et évaluer les processus d’apprentissage?
Stratégie 27 : Commenter les actions du professeur – bon courage!
Teil III Ausbau und Stärkung der Motivation
Kap. 8 Stärkung des Durchhaltevermögens durch motivierende Denkweisen und Lernaktivitäten
Stratégie 28: Avez-vous déjà pensé: osez réussir ?
Stratégie 29 : Qu’en est-il de votre persévérance ?
Stratégie 30 : Créer un exercice de vocabulaire intéressant
Kap. 9 Zur Rolle der Selbstevaluation im motivationalen Geschehen
Stratégie 31: Pourquoi ne pas gagner un peu de temps?
Stratégie 32: Vous êtes-vous déjà observé(e) ?
Stratégie 33 : Pourquoi est-ce utile et motivant d’écrire un journal d’apprentissage ?
Ausklang
Downloadverzeichnis
Literaturverzeichnis
Im ersten Abschnitt erläutere ich kurz einige grundlegende Motivationstheorien. Dabei wähle ich aus der Fülle allgemeiner Theorien diejenigen aus, die auch beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen wirksam sind.
Im zweiten Abschnitt geht es um Modellierungen, die sich konkret auf die Motivierung im Fremdsprachenunterricht beziehen. Anhand eines kurzen Überblicks zeige ich auf, wie sich bestimmte Schwerpunktsetzungen seit den 1950er Jahren weiterentwickelt haben. Dabei lassen sich im Groben drei Phasen unterscheiden: 1. die sozio-psychologische Perspektive, 2. die kognitive Perspektive und 3. die prozessorientierte Perspektive.
Den Abschluss dieser Einführung bilden wichtige Hinweise für die Praxis. Zum einen liste ich Bereiche des Unterrichts auf, in denen Lehrende und Lernende das motivationale Geschehen durch ausgewählte Strategien und -techniken nachhaltig verbessern können. Zum anderen erläutere ich, wie man die zahlreichen praxisbezogenen Strategien mit Hilfe der jeweiligen Activités im Französischunterricht umsetzen kann.
Unserem Handeln liegen in aller Regel Beweggründe, d. h. Motive, zugrunde, deren Gesamtheit als Motivation bezeichnet wird. Das menschliche Streben nach bestimmten Zielen oder Objekten beruht auf emotionalen und neuronalen Grundlagen, die schwer zu fassen sind. Die Hirntätigkeit lässt sich nämlich nur während des motivationalen Geschehens oder im Nachhinein feststellen. Aus der neurowissenschaftlichen Erkenntnis, dass es beim emotionalen Geschehen zu einer vermehrten Ausschüttung von Neurotransmittern kommt, lassen sich keine Hinweise für zukünftiges Verhalten, also auch nicht für die Unterrichtsplanung und -gestaltung, ableiten.
Motivation ist, wie angedeutet, nicht direkt beobachtbar; sie lässt sich allenfalls aus den Aktionen und Aussagen eines Individuums erschließen. In der neueren Motivationsforschung wird Motivation in zwei Phasen unterteilt. Untersuchungen haben ergeben, dass die allgemeine Bereitschaft, etwas zu tun bzw. etwas zu lernen, nicht mit der Umsetzung in die Tat, also einer konkreten Lernhandlung, gleichzusetzen ist. Im Unterricht kann man immer wieder beobachten, dass sich Schülerinnen und Schüler bei bestimmten Aufgaben und Aktivitäten passiv verhalten oder sogar abschalten, obwohl sie im Prinzip gern Französisch lernen. Sie setzen ihre durchaus vorhandene Motivation zeitweise nicht in konkretes Handeln um. Das kann beispielsweise folgende Gründe haben: Sie sind gedanklich mit etwas anderem beschäftigt oder die von der Lehrkraft vorgeschlagene Aktivität spricht sie nicht an.
Die erste Phase des Motivationsprozesses beinhaltet also lediglich die Handlungsbereitschaft. Sie stellt noch keine konkrete Umsetzung der Absichten in Handlungen dar. Lernende mögen motiviert sein, engagieren sich aber nicht in Lernaktivitäten. Dazu bedarf es zusätzlich der Umsetzungskompetenz. Erst die tatsächliche Ausführung der Lernhandlung führt zu einem sicht- bzw. fassbaren Ergebnis. Die dazu nötige Willenskraft wird als Volition bezeichnet. Sie bildet die zweite Phase des Motivationsprozesses.
MOTIVATION
Erste Phase des Zweite Phase des
Motivationsprozesses: Motivationsprozesses:
Motivation (Beweggründe) Volition (Willenskraft)
Ausgangspunkt: Emotionen in Ausgangspunkt: Verbindung mit Zielrichtung Konkretisierung, Planung und Vorbereitung des Vorhabens
latente Disposition
Handlungsbereitschaft Ausführung des Vorhabens
Motivation ist ein Phänomen, das sich auf alle Lebensbereiche bezieht. Motivationstheorien beeinflussen folglich auch die Pädagogische Psychologie und die Didaktik. Mit anderen Worten: Die adäquate Motivierung der Schülerinnen und Schüler kann zu einer Verbesserung des Klassenklimas und einer Erhöhung des Unterrichtserfolgs beitragen. In diesem Zusammenhang sind die Rückmeldungen, welche die Schülerinnen und Schüler im Rahmen von fremdsprachenbezogenen Lernprozessen erhalten, von besonderer Bedeutung (vgl. Kap. 5). Feedback (rétroaction) und Motivation sind aufs engste miteinander verbunden.
Motivationstheorien dienen darüber hinaus der Erkundung und Verbesserung sozialer Beziehungen. Es geht darum, die Beweggründe für das Verhalten anderer Menschen zu verstehen, um gemeinsame Vorhaben zum Erfolg zu führen. Aufgrund der besonderen Bedeutung, die der Kooperation der Lernenden untereinander zukommt, ist das wechselseitige Verständnis auch für erfolgreiches Lernen im Unterricht entscheidend.
Was Menschen motiviert, ist von Individuum zu Individuum höchst unterschiedlich. Das Zusammenspiel zwischen Faktoren, die im einzelnen Menschen selbst angelegt und ausgebildet sind, und solchen, die von Umwelteinflüssen abhängen, lässt sich nur schwer analysieren. Daher verwundert es nicht, dass sich im Laufe der Zeit, vor allem in den letzten Jahrzehnten, eine sehr große Zahl von Motivationstheorien herausgebildet hat. Die meisten dieser Theorien können eine gewisse Gültigkeit für sich beanspruchen. Eine umfassende, allgemeingültige Darstellung von Motivation fehlt jedoch, und es fragt sich, ob es sie überhaupt geben kann.
Da wir uns im Rahmen dieses Trainingsbuches mit Motivierungsstrategien für den Französischunterricht beschäftigen, beschränke ich mich auf einige allgemeine wissenschaftliche Befunde, die für das Lehren und Lernen fremder Sprachen relevant sein können. Sie werden im Rahmen des Buches für den Fremdsprachenunterricht konkretisiert.
Eine wichtige Unterscheidung besteht darin, ob man die Untersuchung motivationaler Vorgänge auf Inhalte bezieht oder ob man vornehmlich die bei der Motivierung ablaufenden Prozesse analysiert. Daher unterscheidet man zwischen Inhalts- und Prozessmodellen. Ein bekanntes, weit verbreitetes Inhaltsmodell ist die Bedürfnispyramide von Abraham H. Maslow (1954), die von elementaren Nöten kontinuierlich zu höherrangigen Bedürfnissen fortschreitet.
Im Fremdsprachenunterricht und vor allem im Unterricht der 2. und 3. Fremdsprache kommen hauptsächlich die höher und die am höchsten eingestuften Bedürfnisse zum Tragen: Sozialbedürfnis, der Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung sowie die Selbstverwirklichung, in der Maslow die eigentliche Quelle des Wachstums sieht.
Eine große Rolle spielen in unserem Zusammenhang auch die sogenannten Anreizmodelle, bei denen Individuen auf selbst gewählte sowie von außen gesetzte Anreize reagieren. Als Anreiz im Sinne der zahlreichen Modelle dieser Forschungsrichtung bezeichnet man situative Reize, die ein motivationales Geschehen anregen bzw. auslösen können. Dabei spielen affektive Reaktionen eine besondere Rolle; sie beinhalten auch eine grundlegende Bewertung der Anreizsituation. Während solche Modellierungen für den Fremdsprachenunterricht lange Zeit abgelehnt wurden, werden wie auch immer geartete Belohnungen als Auslöser und Verstärker von Motivation zunehmend in Schule und Unterricht einbezogen. Dies schließt auch angemessene Formen des Wettbewerbs ein (vgl. Kap. 4).
Im Zusammenhang mit motivationalen Anreiztheorien hat das Stichwort ‚Erwartung‘ besondere Bedeutung. Erwartung bezieht sich auf die Einschätzung, ob sich ein bestimmter Zielzustand aus der Ausgangssituation ergeben wird. Nicht nur allgemein, sondern speziell im Fremdsprachenunterricht spielt die Erfolgswahrscheinlichkeit eine große Rolle. Zunächst müssen die Lernenden über die anvisierten Ziele informiert werden und deren Nutzen einsehen. Es genügt jedoch nicht, ein Ziel für erstrebenswert zu halten. Zusätzlich ist die Einschätzung entscheidend, ob man das angestrebte Ziel auch erreichen kann. Daraus ergibt sich die folgende Gleichung:
Wert des angestrebten Ziels x Erwartung seiner Erreichbarkeit
Wenn ein Individuum ein Ziel nicht für sinnvoll hält, spielt die Erreichbarkeit keine Rolle. Umgekehrt können Menschen bestimmte Ziele wertschätzen, gehen aber davon aus, dass sie sie nicht erreichen können. In beiden Fällen ist die Motivation gleich null, weil es sich bei der Gleichung nicht um eine Addition, sondern um eine Multiplikation handelt.
Motivation wurde lange Zeit als überdauernder, kaum veränderbarer Faktor betrachtet. Lehrpersonen wussten und wissen zwar, welch wichtige Rolle die Motivation für das Lernen spielt, schätzen ihren eigenen Einfluss auf die Motivation einzelner Schülerinnen und Schüler aber als gering ein. Inzwischen weiß man, dass Motivation zwar eine relativ stabile Größe ist, dass sie aber durch geeignete Maßnahmen beeinflusst werden kann. Neben der großen Zahl von übergreifenden Motivationstheorien gibt es eine Reihe von Modellen, die sich auf motivationale Aspekte beim Erlernen von Zweit- bzw. Fremdsprachen beziehen. Im Wesentlichen lassen sich drei grundlegende, ineinandergreifende Sichtweisen auf die L2-Motivation unterscheiden, die in speziellere Theorien untergliedert sind.
1. Die sozio-psychologische Perspektive, die vom Ende der fünfziger Jahre bis ca. 1990 vorherrschte, fokussierte hauptsächlich auf den sozialen Kontext und die soziale Interaktion. Der Hauptvertreter dieser Richtung ist Robert Gardner. Seine mehrfach überarbeitete Modellierung bezieht sich in erster Linie auf den Zweitsprachenerwerb und den Unterricht im Zielsprachenland.
Dennoch lassen sich folgende Überlegungen und Erkenntnisse der sozial-psychologischen Perspektive auf unseren Kontext, nämlich das Lehren und Lernen von Fremdsprachen außerhalb der Zielsprachenkultur, übertragen. Neben dem sozialen Kontext und der sozialen Interaktion kommt dem auf sprachliche Phänomene bezogenen Selbstvertrauen große Bedeutung zu. Lernende müssen nach und nach zu der Überzeugung gelangen, dass sie – entsprechendes Engagement und Durchhaltevermögen vorausgesetzt – die Anforderungen zielsprachiger Kommunikation meistern können.
2. Die kognitive Wende bzw. die kognitive Revolution von ca. 1980 bis 1990 hatte großen Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht. Sie führte zur kognitiven Perspektive. Da Kognition alle Prozesse umfasst, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen, gehören auch Prozesse dazu, welche die fremdsprachenunterrichtliche Motivation beeinflussen. Was ein Lernender über seine Fähigkeiten und Potenziale sowie seine Grenzen denkt, bleibt nicht ohne Einfluss auf motivationale Aspekte. Mit dieser Erkenntnis knüpft die kognitive Perspektive an die Forderung nach Selbstvertrauen der sozio-psychologischen Perspektive an.
Aufgrund des weitreichenden Charakters von Kognition umfasst die kognitive Perspektive eine Reihe von Teiltheorien, nämlich die Selbstbestimmungstheorie (2a), die Attributionstheorie (2b) und die sozial-konstruktivistische Theorie (2c):
2a. Die Theorie der Selbstbestimmung (Self-Determination Theory; vgl vor allem Deci & Ryan 1993; iidem 2008) geht von einem Kontinuum der Selbstbestimmung aus. Edward L. Deci und Richard M. Ryan fordern ein kontinuierliches Fortschreiten von extrinsischer zu intrinsischer Motivation. Damit beziehen sie sich auf eine bekannte psychologische Theorie, die im Fremdsprachenunterricht seit langer Zeit berücksichtigt wird.
Ist eine Schülerin oder ein Schüler intrinsisch motiviert, lernt sie oder er aus eigenem Antrieb und persönlichem Interesse. Für extrinsisch motivierte Lernende sind Lob und Anerkennung von außen entscheidend. Es ist keineswegs leicht herauszufinden, ob eine Schülerin oder ein Schüler intrinsisch oder extrinsisch motiviert ist, weil beide Facetten bei einem einzigen Lernenden vorkommen und außerdem zeitlich variieren können. Generell sind Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer bemüht, den Unterricht so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler nach und nach zu einem Lernen aus eigenem Antrieb fortschreiten.
Zusätzlich zur Unterscheidung in intrinsische und extrinsische Motivation gibt es die Gegenüberstellung von integrativer und instrumenteller Motivation (vgl. Gardner & Lambert 1972). Integrative Motivation zielt auf den Wunsch nach partieller Identifikation mit der Zielsprache und den jeweiligen Kulturen ab; instrumentelle Motivation sieht äußere Vorteile in Fremdsprachenkenntnissen, z. B. für den beruflichen Aufstieg. Die Unterscheidung extrinsisch – intrinsisch nimmt in erster Linie das Lernen in den Blick, während die Gegenüberstellung instrumentell – integrativ stärker auf die Sprache und die mit ihr verbundenen kulturellen Aspekte fokussiert.
Ohne Zweifel ist es nicht zielführend, die eine oder andere Ausprägung der Motivation höher zu bewerten. Auch extrinsische oder instrumentelle Motivation kann zu guten Lernergebnissen führen, wenn der jeweilige Anreiz für den individuellen Lernenden von besonderer Bedeutung ist. Außerdem können Lehrpersonen letztlich nicht erwarten, dass die Schülerinnen und Schüler für alle Fächer auf der Grundlage des eigenen Interesses gleichermaßen motiviert sind.
Im Zusammenhang mit der Selbstbestimmungs-Theorie wird außerdem häufig hervorgehoben, dass ein autonomiefördernder Unterrichtsstil der Lehrperson nicht ohne Einfluss auf die Lernenden bleibt. Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich durch das Vorgehen der Lehrkraft zu eigener Selbstbestimmung ermutigt bzw. in ihrem Verhalten bestätigt. Auch das kann Motivationsschübe auslösen (vgl. Kap. 3; Kap. 4).
2b. Eng verbunden mit der Selbstbestimmungstheorie ist die sogenannte Attributionstheorie (Attribution Theory) (u.a. Alderman 2008). Sie bezieht vergangene Lernerfahrungen in die Betrachtung ein. Für ihre Erfolge und Misserfolge ziehen die Lernenden spezifische Begründungen, sogenannte Attributionen, heran. Die Ursachen, auf die sie ihre Erfolge und Misserfolge zurückführen, können in ihrer Person begründet sein oder sich auf die äußeren Umstände beziehen (internal vs. external). Wie Lernende mit ihren jeweiligen Erfahrungen umgehen, d. h. ob sie internale und/oder externale negative Attributionen als veränderbar empfinden, bleibt nicht ohne Wirkung auf ihre Motivation.
2c. Die auf Lew Vygotsky und Jean Piaget zurückgehende sozial-konstruktivistische Theorie (Social Constructivist Theory) geht von der Überzeugung aus, dass jeder den Sinn der Welt selbst konstruiert. Dadurch rücken die individuellen Lernenden und in der Folge ihre Motivation ins Zentrum der Überlegungen.
3. Von kognitiv-ausgerichteten Ansätzen wurde der Fokus seit Ende der 1990er Jahre mehr und mehr auf den dynamischen Charakter von Motivation verlagert. Bei dieser prozessorientierten Perspektive geht es um kurz- sowie längerfristige Abfolgen und Veränderungen der Motivation. Ein bekanntes Prozessmodell ist das von Zoltán Dörnyei und Ema Ushioda (22009), auf das ich in den folgenden Kapiteln ausführlich eingehe. Prozessmodelle unterscheiden drei grundlegende Phasen:
preactional stage
actional stage
postactional stage
In den folgenden Kapiteln dieses Trainingsbuchs geht es um die wichtigsten Bereiche von Schule und Unterricht, in denen Motivation angeregt und gestärkt werden kann. Die Handreichung ist in die folgenden 16 Kapitel unterteilt:
Teil I: Grundlegende Voraussetzungen (Kap. 1-4)
Stellung und Ansehen des Französischen im schulischen Kontext
Heterogenität, Diversität, Anerkennungskultur als motivierende Faktoren
Die Lehrperson als Modell für Motivation und Leistung
Befragungen zum Fremdsprachenlernen als Motivationsquelle
Teil II: Motivation in der Unterrichtspraxis (Kap. 5-7)
Klassenmanagement und lernförderliches Klassenklima
Festlegung und Begründung von Zielen als Ausgangspunkt für motiviertes, erfolgreiches Lernen
Zum Einfluss von Feedback auf Motivation und Willenskraft
Teil III: Ausbau und Stärkung der Motivation (Kap. 8-9)
Stärkung des Durchhaltevermögens durch motivierende Denkweisen und Lernaktivitäten
Zur Rolle der Selbstevaluation im motivationalen Geschehen
Ausgehend von einer kurzen Einleitung zur Rolle des jeweiligen Themenaspekts stelle ich in jedem Kapitel drei bis sechs Motivierungsstrategien mit entsprechenden Activités vor. Diese Lernaktivitäten stehen auch im Download als Arbeitsblätter für die Hand der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung (entsprechende Hinweise siehe Downloadverzeichnis auf S. 191).
Da Motivation, wie oben ausgeführt, ein vielfältiges Geschehen darstellt, ist es nicht immer einfach, einzelne Strategien bestimmten Kapiteln zuzuordnen. Der jeweilige Themenaspekt geht aus dem Titel und der kurzen Einleitung zu den einzelnen Strategien hervor, so dass die entsprechenden Activités auch in anderen Zusammenhängen erarbeitet werden können.
Die Strategien sind so gestaltet, dass sie direkt zur Stärkung der Motivation beitragen können. Ihr Hauptziel ist es jedoch, zum Nachdenken über motivationale Aspekte anzuregen und so eine längerfristige Wirkung auszulösen. Sie liefern also vor allem Denkanstöße.
Generell können die Arbeitsblätter ohne Veränderungen in den angegebenen Lernjahren eingesetzt werden. Häufig aber wird es so ein, dass sie an den Kenntnisstand, die Bedürfnisse und die Interessen der Lernenden angepasst werden müssen. In jedem Fall ist es sinnvoll, dass die Lehrkraft eine kurze Einführung zur jeweiligen Strategie gibt. Die einleitenden Bemerkungen vor den jeweiligen Activités bieten sich für entsprechende Hinweise an.
Einzelne Lernaktivitäten werden nach Bedarf an passender Stelle in den laufenden Französischunterricht integriert; da sie bis auf Ausnahmen in französischer Sprache gestaltet sind, tragen sie auf jeden Fall zur Verbesserung der Sprachkenntnisse bei. Darüber hinaus fördern sie verschiedene soziale und affektive Teilkompetenzen. Die Activités können aber auch in Auswahl zu einer kurzen Unterrichtseinheit mit dem Titel: Que savons-nous de la motivation? De la disponibilté à la mise en pratique zusammengefasst werden (vgl. Brohm 2012). Im günstigsten Fall, d. h. wenn die Lernenden einen entsprechenden Reflexionsstand erreicht haben, stellt die Lehrperson ihnen die Themenaspekte der einzelnen Lernaktivitäten eines Kapitels kurz vor, so dass die Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden können, welche Strategien für sie von Interesse sind.
Motivation ist in allen Lebensbereichen in irgendeiner Form wirksam. Beweggründe, die Motivation letztlich ausmachen, sind fast immer mit Emotionen verbunden. Deshalb spielen motivationale Aspekte bei allen menschlichen Denkvorgängen und Handlungen – bewusst oder unbewusst – eine wichtige Rolle. Daraus folgt, dass Motivation ein höchst individueller Faktor ist, dessen Ausprägungen sehr vielfältig sind.
Das gilt selbstverständlich auch für Schule und Unterricht. Motivationale Aspekte in Form von Handlungsbereitschaft und Umsetzungskompetenz bestimmen aber nicht nur das Unterrichtsgeschehen im engeren Sinn. Der Lernkontext basiert auf grundlegenden Voraussetzungen, die das motivationale Geschehen beeinflussen.
Motivationsstärkend und folglich lernfördernd ist zunächst einmal die Stellung des jeweiligen Faches im Curriculum der Schule. Das gilt insbesondere für Französisch, das vor allem in der Sekundarstufe II mit der Konkurrenz des allgegenwärtigen Englisch und in den letzten Jahren auch des Spanischen zu kämpfen hat. Eine Intervention ist daher dringend geboten. Wie sie aussehen kann und in welcher Form Schülerinnen und Schüler einbezogen werden können, wird in Kapitel 1 dargestellt und an Beispielen exemplifiziert.
Grundlegend für das Unterrichtgeschehen ist auch der Umgang mit Heterogenität und Diversität, die im Französischunterricht nicht so stark ins Gewicht fällt, wie beispielsweise im Fach Englisch, das in allen Schulformen unterrichtet wird bzw. unterrichtet werden muss. Das eröffnet die Möglichkeit, sprachliche und kulturelle Unterschiede im Französischunterricht positiv zu bewerten und eine Anerkennungskultur auszubilden (Kap. 2).
Obgleich Motivation vom Individuum selbst abhängt, bedeutet das nicht, dass Lehrpersonen das motivationale Geschehen nicht beeinflussen können. Sie können Anregungen geben, wie die Schülerinnen und Schüler sich selbst motivieren bzw. ihre vorhandene Motivation ausbauen können. Eine wichtigste Voraussetzung in diesem Zusammenhang ist die Lehrkraft selbst. Da Lernen in der Regel am Modell erfolgt, steigert es die Motivation der Lernenden beträchtlich, wenn die Lehrperson ihre Vorbildfunktion in Bezug auf Motivation und Leistung wahrnimmt. Die Lernaktivitäten in Kapitel 3 tragen dazu bei, Einblicke der Lernenden in die Lehrerrolle zu vertiefen und sie für sich zu nutzen.
Eine weitere Voraussetzung für motivations- und leistungssteigernden Unterricht ist die Einstellung der Lernenden zum Fremdsprachenlernen, in unserem Fall zum Erlernen des Französischen. Dabei werden Fragebögen nicht zu statistischen Zwecken eingesetzt, sondern als Motivierungsstrategie. Sie liefern den Schülerinnen und Schülern Einblicke in ihre Beweggründe. Vor allem aber bewirken Strategien in diesem Zusammenhang motivationssteigernde Impulse für die individuellen Lernenden (Kap. 4).
Es ist selbstverständlich, dass es die Motivation von Schülerinnen und Schüler fördert, wenn die Schulleitung, gleichgültig welche Fachrichtung sie vertritt, eine positive Haltung gegenüber dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen zum Ausdruck bringt. Dabei geht es nicht in erster Linie um das weithin dominierende Englisch, sondern insbesondere um die Sprachen, die als 2. und/oder 3. Fremdsprachen an der jeweiligen Schule gelernt werden.
Französischlehrkräfte tun gut daran, die Schulleitung regelmäßig über bevorstehende Initiativen zu informieren, z. B. wenn multimediale Ausstellungen von Austauschfahrten sowie die Präsentation gelungener Schülerarbeiten in der Schulöffentlichkeit geplant sind.
Am nachhaltigsten wirken solche Informationen auf die Schulleitung und darüber hinaus, wenn die Französischlehrerinnen und -lehrer einer Schule oder eines Schulverbunds sich zusammenschließen und möglichst mit einer Stimme sprechen. Die Zusammenarbeit der Französischlehrkräfte bietet sich selbstverständlich noch aus zahlreichen weiteren Gründen an. Gemeinsam lassen sich Projekte und sonstige Initiativen besser planen und leichter in die Tat umsetzen. Zudem ist es einfacher, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Schulöffentlichkeit auf größere, von mehreren Lerngruppen erarbeitete Projekte zu lenken. Die Zusammenarbeit der Französischlehrerinnen und -lehrer einer Schule oder eines Schulverbunds führt darüber hinaus zu einem intensiven (übergreifenden) Austausch der jeweiligen Lerngruppen.
Die folgenden praxisorientierten Vorschläge berücksichtigen eine Anzahl von Motivierungsstrategien, die Lehrkräfte in der einen oder anderen Form vermutlich bereits in ihrem Unterricht umsetzen. Sie werden dennoch angeführt, um ein stufenweises Fortschreiten von gängigeren zu komplexeren Vorhaben zu dokumentieren. Zudem kann dadurch ein alternatives Vorgehen bei bereits praktizierten Motivierungsstrategien und -techniken angeregt werden. Generell sind die folgenden Vorschläge nicht in allen Details ausgeführt; die Anregungen sind auf die jeweilige Lerngruppe abzustimmen und je nach Lernkontext entsprechend auszugestalten. Die höhere Motivation und die besseren Lernergebnisse, die durch die folgenden Strategien und Techniken erreicht werden, betreffen nicht ausschließlich kognitive Aspekte, sondern berücksichtigen vor allem emotionale und sozialen Bereiche des Lernens.