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Dieses Buch, geschrieben anlässlich des hundertsten Geburtstages eines Vereins, ist kein Almanach voller Zahlen, Tabellen und Namen. Vielmehr versucht es, die Geschichte eines Vereins mit der Geschichte seiner Umgebung und seiner Zeit in Einklang zu bringen.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Alexander Remde
Wo die Pappeln blühen
Eine Fußballgeschichte
1906 – 1956
Zum hundersten Geburtstag des FC Spandau 06
© 2008, 2024
Vorwort
In bestimmten Momenten neigt der Mensch dazu, ein Resümee zu ziehen. Besonders an Geburtstagen, die durch zehn oder 25 teilbar sind, kann er sich nicht beherrschen, in die Vergangenheit zu blicken und alles einer Bewertung, sei es melancholischer oder statistischer Natur, zu unterziehen. Dieses Buch, geschrieben anlässlich des hundertsten Geburtstages eines Vereins, ist kein Almanach voller Zahlen, Tabellen und Namen. Vielmehr versucht es, die Geschichte des Vereins mit seiner Umgebung und seiner Zeit in Einklang zu bringen.
Naturgemäß sind die weiter entfernteren Jahre interessanter, weil vieles mit der Zeit vergeht. Menschen, Erinnerungen, Gebäude, Plätze und Dinge, die einmal unersetzlich erschienen, sind jetzt niemandem mehr wichtig. Das macht es nicht einfacher, darüber zu berichten, aber es ist eine reizvolle Aufgabe. Und wichtig sind schließlich nicht die Substanzen, die vergehen, sondern die Sehnsüchte und Träume, die uns treiben.
Mein spezieller Dank geht an jene, die durch Material oder Gespräche dazu beitrugen, ein Bild von den Gemein-schaften in mir zu zeichnen, die unter den verschiedensten Namen Wettkampf und Geselligkeit suchten.
Lothar „Läppel“ Lehmann
Gerhard „Moppel“ Sill
Herbert Stolze
Gerd Schinor
Wolfgang „Spacka“ Hessler
Dieter Krüger
Daniel Mohr
Horst Trempel
Klaus Fricke
Volker Lüttke
Ete Enders
Der Wetterbericht der Deutschen Seewarte der Kaiser-lichen Marine meldete am 6. Juni 1906:
„Am höchsten ist der Luftdruck über dem südlichen Nordseegebiete, am niedrigsten über Südosteuropa. In Deutschland ist das Wetter ruhig, kühl und vielfach heiter; in dem Streifen Magdeburg-Breslau fanden Niederschläge statt. Berlin hatte gestern Nachmittag Gewitter.“ Das Thermometer sollte maximal auf 19 Grad Celsius steigen. Für Ostdeutschland wurde „ziemlich kühles und wolkiges Wetter“ erwartet.
In Spandau, einer Stadt des Havellandes vor den Toren Berlins, entstand zu jener Zeit südlich der heutigen Altstadt ein Vorort namens „Wilhelmstadt“ (so genannt seit 1897, vorher Potsdamer Vorstadt). Der Boulevard Pichelsdorfer Straße mit dem Metzer Platz als Zentrum und die Wohnviertel um die Weißenburger Straße, Adamstraße oder Jordanstraße waren zu jener Zeit Gegenden, in denen die nicht gerade gut begüterten Familien lebten. An der Wilhelmstraße sorgten schon früh morgens Heeresmusiker auf dem Exerzierplatz mit Trommeln, Pfeifen und Trompeten für eine „Knüppelmusik“, Rekruten übten in Scheingefechten mit Platzpatronen.
An jenem nicht allzu warmen 6. Juni 1906, einem Mittwoch, trafen sich 30 bis 40 junge Leute in der Kneipe des Wirtes Schulz, Adamstraße Ecke Jägerstraße. Die meisten von ihnen wohnten in der Adamstraße oder den umliegenden Straßen, einige kamen auch aus der etwas entfernteren Seeburger Straße. Gesprächsthema an diesem Abend war die Gründung eines Fußballclubs. Oft hatte man in der Vergangenheit die Spiele zwischen den Vereinen „Triton“ und „Teutonia“ auf dem Exerzierplatz verfolgt. Diese stammten aber aus dem nördlichen Spandau (Oranienburger Vorstadt, später Neustadt) und so schlossen sich die Wilhelmstädter an jenem Tage zum „Sport-Club Britannia 1906“ zusammen. Zum ersten Präsidenten (damals Vereinsleiter genannt) wurde Gustav Damm gewählt/bestimmt, die Vereinsfarben waren Schwarz und Weiß.
Nun, heutzutage kann jeder Fußballverein auf Sportplätzen spielen die sich in seinem Besitz befinden oder die von den zuständigen Sportämtern zugeteilt werden. Auch langjährige Pachtverträge sichern den Spielbetrieb. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sah das aber etwas anders aus...
Die Spieler des SC Britannia 06 schleppten begeistert sämtliches Sportgerät, wozu zum Beispiel auch Torstangen gehörten, in eine Gegend, die damals die „Schumannschen Fichten“ genannt wurde. Heute finden wir dort den Weinmeisterhornweg, so genannt, weil ebenda seit 1509 Winzer Weinberge anlegten. Eine Strecke von anderthalb Kilometern war zurückzulegen, dann wurde alles aufgebaut, schließlich begann das Spiel und letztendlich wurde nach dem Schlusspfiff alles mit zerschundenen Knochen wieder zurückgetragen. Lagerstätte für das Gerät war das Vereinslokal. Enthusiasmus beschreibt wohl am ehesten dieses Tun in einer Zeit, in der das Streben nach einer 40-Stunden-Woche schon Verrat an Reich und Kaiser sein konnte. Noch im Gründungsjahr schloss sich der Sport-Club Britannia 06 der Märkischen Spielvereinigung an.
Solche Verbände gab es noch nicht lange. In Berlin wurde 1895 der „Tor- und Fußball-Bund Berlin“ gegründet, dem folgte zwei Jahre später der „Verband Deutscher Ballspielvereine“, der sich ab 1902 „Verband Berliner Ballspielvereine“ nannte.