Wo ist die Mitte des Weltalls? - Jorge Cham - E-Book
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Wo ist die Mitte des Weltalls? E-Book

Jorge Cham

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Beschreibung

Was ist in einem Schwarzen Loch? Warum sind Zeitreisen unmöglich? Und gibt es eine zweite Erde? Der Cartoonist Jorge Cham und der Physiker Daniel Whiteson sind Experten darin, Astronomie und Astrophysik so zu erklären, dass sie jeder versteht. Diesmal haben sich die beiden die häufigsten, schwierigsten und haarsträubendsten Fragen ihrer YouTube-Fans vorgenommen. Mit ihrer typischen Mischung aus Humor, genial einfacher Wissensvermittlung und coolen Cartoons sorgen sie für Aha-Erlebnisse. Ein Leitfaden durch die verwirrenden Aspekte von Raum und Zeit – witzig und galaktisch schlau.

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Seitenzahl: 337

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Für Oliver

J.C.

Für Silas und Hazel, deren ungebremste Flut aus Fragen das Schreiben dieses Buchs ebenso inspiriert wie unterbrochen hat.

D.W.

INHALT

Eine häufig erfragte Einleitung

Wieso kann ich nicht in die Vergangenheit reisen?

Wieso haben uns noch keine Außerirdischen besucht? Oder waren sie doch schon da?

Gibt es Sie mehrmals?

Wie lange wird die Menschheit überleben?

Was passiert, wenn mich ein Schwarzes Loch einsaugt?

Warum können wir uns nicht teleportieren?

Gibt es irgendwo da draußen eine andere Erde?

Was hält uns davon ab, zu den Sternen zu reisen?

Wird ein Asteroid die Erde treffen und uns alle umbringen?

Sind Menschen vorhersehbar?

Wo kommt das Universum her?

Wird die Zeit irgendwann anhalten?

Ist ein Leben nach dem Tod möglich?

Leben wir in einer Computersimulation?

Wo liegt das Zentrum des Universums?

Können wir aus dem Mars eine neue Erde machen?

Können wir einen Warp-Antrieb bauen?

Wann wird die Sonne erlöschen?

Warum stellen wir Fragen?

Danksagung

Impressum

EINE HÄUFIG ERFRAGTE EINLEITUNG

Jeder Mensch hat Fragen.

Das ist untrennbar mit dem Menschsein verbunden. Kann sein, dass wir uns als Spezies nicht bei Vielem einig sind, weder bei der Politik noch bei unserer Lieblingsmannschaft oder dem besten Laden für einen Döner um 12 Uhr mittags. Aber es gibt etwas, das uns eint: das Verlangen nach Wissen. Wir alle stellen uns Fragen, und tief im Inneren sind es immer die gleichen.

Wieso kann ich nicht in die Vergangenheit reisen? Gibt es mich da draußen nochmal? Wo kommt das Universum her? Wie lange werden die Menschen noch da sein? Und wer isst um diese Zeit überhaupt Döner?

Zum Glück haben wir Antworten.

In den letzten paar Hundert Jahren hat die Wissenschaft erstaunliche Fortschritte gemacht, sodass wir zu einigen sehr grundlegenden Fragen über das Universum eine ganze Menge zu sagen haben. Natürlich gibt es noch immer riesige ungelöste Rätsel (siehe dazu unser vorheriges Buch No idea – Keine Ahnung! Vorletzte Antworten auf die letzten Fragen des Universums), doch insgesamt betrachtet scheinen die Dinge in der Abteilung „Das Universum verstehen“ für uns Menschen gut zu laufen. So gut sogar, dass es in unseren Augen höchste Zeit war, dass jemand eine Sammlung leichtverständlicher und comic-beladener Antworten auf einige der am häufigsten gestellten Fragen der Menschheit zusammenträgt.

Wir werden in diesem Buch einigen der tiefgründigsten und existenziellsten Fragen auf den Grund gehen, die man sich über sich selbst, den Planeten und das Wesen der Wirklichkeit stellen kann. Haben Sie sich je gewundert, warum uns bislang noch keine Außerirdischen besucht haben (vorausgesetzt, dass sie nicht doch schon da waren)? Oder ob Sie wahrlich einzigartig oder doch nur eine vorprogrammierte Simulation in irgendeinem außerirdischen Computerspiel sind? Liegen Sie nachts wach und fragen sich, ob es ein Leben nach dem Tod geben kann? In Ihren Händen halten Sie Antworten auf all diese Fragen.

In jedem Kapitel behandeln wir eine häufig gestellte Frage und hoffen, unterwegs die ein oder andere verblüffende Wahrheit über unser erstaunliches Universum aufzudecken. Betrachten Sie dieses Buch einfach als Vorbereitung auf Ihre nächste Cocktailparty oder als faszinierende Kurzlektüre beim Gang zur Toilette (zum Glück haben wir die einzelnen Kapitel ziemlich kurz gehalten).

Sie fragen sich jetzt vielleicht, was uns dazu qualifiziert, diese Fragen zu beantworten. Wir können Ihnen versichern, dass wir über die bestmögliche Qualifikation verfügen, um bei allen möglichen Themen als Experten durchzugehen: Wir haben einen Podcast.

Unser zweimal wöchentlich erscheinender Podcast mit dem bescheidenen Titel „Daniel and Jorge Explain the Universe“ (dt.: Daniel und Jorge erklären das Universum) behandelt Themen, die von Mikrowellen über intergalaktische Phänomene bis hin zu hypothetischen Elementarteilchen reichen.

Aber vor allem war es die Beantwortung der Fragen unserer Hörer, die uns zum Schreiben dieses Buches inspiriert hat. Für uns ist das einer der spannendsten Aspekte beim Podcast-Machen. Nichts bereitet uns mehr Freude, als unseren Posteingang zu öffnen und auf die wohlüberlegte Frage eines neugierigen Lesers zu stoßen.

Und wir bekommen definitiv eine Menge Fragen! Die Fragenden gehören den unterschiedlichsten Berufs- und Altersgruppen (9 bis 99) an und leben in den unterschiedlichsten Teilen der Welt. Sie wären überrascht, was für erstaunliche Fragen zum beobachtbaren Universum ein Neunjähriger aus dem englischen Devonshire haben kann.

Das Stellen von Fragen und das Verlangen nach Wissen liegen uns anscheinend im Blut. Viele würden behaupten, dass es zu den Freuden des Lebens dazugehört, über das Wesen des Kosmos und unseren Platz darin nachzudenken. Und natürlich kann es auch frustrierend sein, die Antworten nicht sofort zu kennen oder am Ende mit noch mehr Fragen dazustehen (wie in einigen Kapiteln dieses Buchs) – aber schon allein das Stellen der Frage hat eine gewisse Macht.

Wer Fragen stellt, geht nämlich davon aus, dass es möglich ist, die Antworten darauf zu finden. Wir halten das für einen Akt der Hoffnung. Denn was könnte hoffnungsvoller sein als daran zu glauben, dass das Universum und all seine wundersamen Rätsel eines Tages entwirrt und verstanden werden könnten?

Also schließen Sie sich uns an, während wir die kollektive Neugierde unserer Mitmenschen anzapfen und uns in die Fragen versenken, die sie regelmäßig aus der Fassung bringen. Manche Antworten werden Sie überraschen und vielleicht sogar Ihre Sicht auf das Universum infrage stellen. Manch andere werden Ihnen quälend unvollständig erscheinen, weil sie an die Grenze des menschlichen Wissens stoßen.

Erinnern Sie sich in jedem Fall einfach daran, dass das Stellen der Frage am meisten Freude bereitet.

Viel Spaß!

P.S.: Und vergessen Sie nicht zu spülen.

WIESO KANN ICH NICHT IN DIE VERGANGENHEIT REISEN?

Wer hat eigentlich gesagt, dass es nicht möglich sei, in die Vergangenheit zu reisen?

Der Wunsch, in der Zeit zurückreisen zu können, ist sehr verbreitet. Wer von uns würde nicht gern zurückgehen und sich mit berühmten Persönlichkeiten aus der Geschichte unterhalten oder wichtige Ereignisse mit eigenen Augen miterleben? Man könnte beispielsweise herausfinden, wer John F. Kennedy wirklich umgebracht oder was die Dinosaurier erledigt hat.

Auch aus handfesteren Gründen wäre es großartig, für kleinere Dinge in die Vergangenheit reisen zu können, zum Beispiel um einen Fehler zu korrigieren, den man gemacht hat. Wenn Sie sich Kaffee über die Hose gekippt haben, könnten Sie in die Vergangenheit reisen und … ihn nicht drüber kippen. Wenn Sie etwas zu Ihrem Chef gesagt haben, das Sie mittlerweile bereuen, könnten Sie einfach zurückgehen und es nicht sagen. Wenn Sie eine Pizza mit Ananas darauf bestellt und anschließend festgestellt haben, dass das wirklich eklig ist, dann könnten Sie zurückreisen und eine vernünftige Pizza bestellen. Als hätten Sie eine Lösch-Taste (das Pendant zur Kombination Strg + Z beziehungsweise Command + Z für Mac-Schnösel) fürs Universum.

Und trotzdem haben Wissenschaftler bislang keine derartige Apparatur gebaut. Die Vergangenheit ist und bleibt unveränderlich. Die Zeit erweist sich noch immer als unser großer Widersacher und es scheint, als seien wir dazu verdammt, unsere vergangenen Fehler ein Leben lang zu bereuen. Dieses Universum kennt keinen zweiten Anlauf.

Aber warum? Wieso hat es den Anschein, dass wir die Zukunft verändern können, aber nicht die Vergangenheit? Gibt es irgendein fundamentales physikalisches Gesetz, das Zeitreisen unmöglich macht, oder ist es einfach nur ein technisches Problem? Und wo liegt da überhaupt der Unterschied?

Nun – es wird Sie vielleicht angenehm überraschen zu hören, dass Physiker das Zeitreisen bislang nicht wirklich ausgeschlossen haben. Technisch gesehen ist es sogar möglich, in der Zeit zurückzugehen. Zwar nicht so, wie Sie es aus Filmen kennen, aber es dürfte dennoch nicht unmöglich sein, eine Rückspultaste zu bauen. Tatsächlich werden wir sogar am Ende dieses Kapitels eine brandneue, von Physikern anerkannte Idee für das Zeitreisen vorstellen.1

Also rücken Sie Ihre Zeitreisenschutzbrille zurecht und machen Sie Ihren DeLorean startklar, denn wir sind im Begriff, eine Antwort auf die eine zeitlose Frage zu liefern: Wieso kann ich nicht in die Vergangenheit reisen … zumindest noch nicht?

MACHBAR, MÖGLICH ODER NICHT UNMÖGLICH

Zunächst sollten wir klarstellen, was wir meinen, wenn wir fragen, ob etwas „möglich“ ist. Das hängt davon ab, wen man fragt.

Falls man einen Ingenieur fragt, ob so etwas wie Zeitreisen möglich ist, wird er das bejahen, wenn er denkt, dass er in weniger als zehn Jahren und für unter einer Billion Euro eine Zeitmaschine bauen kann.Fragt man aber einen Physiker, ob etwas möglich ist, wird dieser die Frage anders betrachten. Für einen Physiker ist etwas möglich, wenn ihm kein physikalisches Gesetz einfällt, das dagegenspricht.

Zum Beispiel:

Weil das hier ein Buch über Physik und das Universum ist, nehmen wir die Sichtweise des Physikers ein. Damit geht es für uns in diesem Kapitel darum herauszufinden, ob das Zeitreisen irgendwelche Gesetze des Universums verletzt, und nicht, ob es 14,7 Fantastilliarden Euro kosten und soundso viele Jahrhunderte dauern würde, um es zu realisieren. Wir vertrauen darauf, dass die Ingenieure eines Tages einen Weg finden werden, es umzusetzen, sobald die Physiker es erstmal für möglich erklärt haben. Danach besteht ihr nächster Schritt darin, das Ganze an die Softwareleute weiterzugeben, die dafür eine App schreiben können („Siri, kipp’ den Kaffee zurück!“).

Um herauszufinden, ob es von Physikern grünes Licht fürs Zeitreisen geben kann, müssen wir zuallererst das gleiche Verständnis von Zeit haben wie sie. Die Zeit ist ein sehr schlüpfriges Thema, das die Menschen schon seit langer … ähm, naja Zeit eben … verwirrt und verblüfft. In der Physik begreift man die Zeit im Wesentlichen als die Sache, die es möglich macht, dass sich das Universum verändert. Sie ist das Fließen, die Bewegung, die Art, wie das Damals zum Jetzt wird. Sie ist es, die eine Reihe von Momentaufnahmen in einen geschmeidigen Film verwandelt.

Schließlich hat es wirklich den Anschein, als fließe das Universum gleichmäßig voran. Es springt nicht einfach nur wild von einem Augenblick zu einem komplett anderen. Sie sitzen nicht noch gerade mit diesem Buch hier auf Ihrer Couch und plötzlich am Strand. Das liegt daran, dass die Vergangenheit dem, was in der Gegenwart passieren kann, Grenzen auferlegt. Wenn Sie eben noch einen Kaffee geschlürft haben, sehen die Möglichkeiten für die Gegenwart unter anderem so aus, dass Ihnen der Kaffee schmeckt oder Sie ihn sich auf die Hose schütten. Dass Sie sich plötzlich in einen blauen Drachen verwandeln, der fermentierten Selleriesaft trinkt, gehört nicht dazu.

Die Vergangenheit gibt vor, welche Formen unsere Zukunft annehmen kann. Das Ganze nennt sich „Ursache und Wirkung“ und steht im Mittelpunkt der Bemühungen der Physik, sich einen Reim auf dieses verrückte, durchgeknallte und kaffeebesudelte Universum zu machen – und auf die Art, wie es sich verändert.

Solche Veränderungen ereignen sich allmählich und brauchen Zeit. Nichts in diesem Universum ist unmittelbar – Ereignisse sind miteinander verknüpft. Wenn Sie eine Pizza zubereiten wollen, gehört dazu ein bestimmter Prozess. Sie können nicht einfach mit den Fingern schnipsen und ein bisschen Mehl, ein paar Tomaten und Käse augenblicklich in eine Pizza verwandeln. Das Universum verlangt, dass Sie nach Schema F vorgehen: Sie müssen die Zutaten mischen, den Teig kneten, die Tomaten kochen, Wein trinken, die Pizza backen und so weiter.2 Es gilt, ein paar Schritte zu befolgen, um von einer Konfiguration (den rohen Zutaten) zu einer anderen (der heißen Pizza) zu gelangen. Die Zeit ist das, was all jene Schritte miteinander verbindet, und ohne sie ergibt das Universum einfach überhaupt keinen Sinn.

Mit diesem Verständnis der Zeit im Hinterkopf, wollen wir jetzt ein paar Möglichkeiten fürs Zeitreisen durchspielen.

ES GIBT KEIN ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

Einer der verlockendsten Gründe fürs Zeitreisen ist der Wunsch, in die Vergangenheit zu springen und irgendwas zu verändern, um dadurch die Zukunft zu beeinflussen. Zum Beispiel, um den Kaffee nicht zu verschütten oder Anteile von Netflix statt von Blockbuster Video (R. I. P.) zu kaufen. Man würde in der Vergangenheit gern etwas ändern, um anschließend wieder in die Gegenwart zurückzuspringen und die Früchte seiner eigenen Manipulationen zu ernten.

Diese Vorstellung ist mit einem großen Problem verbunden: Sie ergibt schlicht und ergreifend überhaupt keinen Sinn.

Wenn wir Zeit als die Art begreifen, in der das Universum voran fließt (oder die Pizza bäckt), dann können wir problemlos einsehen, dass es Quatsch wäre, die Vergangenheit zu ändern. Nehmen wir an, Sie wachen um 8 Uhr morgens auf und machen sich einen Kaffee. Das Problem ist nur, dass der Kaffee scheußlich schmeckt. Sie beschließen also, in Ihre Zeitmaschine zu hüpfen, nach 8 Uhr zurückzukehren und sich einen Tee statt Kaffee zu machen.

Das ergibt vielleicht Sinn, wenn es in einem Film passiert, aber nicht aus physikalischer Sicht.

Aus physikalischer Sicht existiert eine Konfiguration des Universums (die, in der scheußlicher Kaffee gemacht wurde), die keinen Bezug zu vergangenen Konfigurationen des Universums hat. Wie kam der scheußliche Kaffee zustande, wenn Sie sich stattdessen einen Tee gemacht haben? Für einen Physiker wird dadurch das Prinzip von Ursache und Wirkung verletzt: Es gibt eine Wirkung (scheußlichen Kaffee), aber keine Ursache (Sie haben stattdessen Tee gemacht). Mit anderen Worten: Als hätten Sie eine Pizza gemacht, ohne je die Zutaten zu mischen.

Unglücklicherweise wird es dadurch unmöglich, die Vergangenheit zu verändern. Gegen das Prinzip von Ursache und Wirkung zu verstoßen bedeutet, dass das Universum mit sich selbst nicht vereinbar ist – und das ist für Physiker ein absolutes No-Go.

Sie fragen sich jetzt vielleicht: Aber was ist mit geteilten Zeitlinien? Alternativen Geschichten? Ich hab’ das doch in den Avengers-Filmen gesehen! Zum Leidwesen von Doc Brown (und Iron Man) ergibt auch das keinen Sinn. Wie kann man eine Zeitlinie verändern oder eine neue erschaffen, wenn bereits die Grundidee von Veränderung selbst von der Zeit abhängt? Zeitlinien stehen für Veränderung, also können sie sich nicht selbst verändern. Und während die Vorstellung eines Multiversums durchaus etwas ist, das Wissenschaftler ernsthaft in Betracht ziehen, gilt das nicht für die Möglichkeit, zwischen alternativen Universen hin und her zu wandeln oder uns für eines davon zu entscheiden.

Aus Sicht der Physik gibt es also viele Gründe, warum man nicht plötzlich in eine andere Zeit springen und irgendwelche Sachen ändern kann – und das bedeutet, dass sich Ihr Traum, den Aktienmarkt zu manipulieren und mithilfe der Physik reich zu werden, gerade in Luft ausgelöst hat.3

WO EIN PHYSIKER IST, IST AUCH EIN WEG

Bedeutet das strikte Festhalten an Ursache und Wirkung, dass Zeitreisen unmöglich sind? Nicht wirklich! Es bedeutet lediglich, dass es unmöglich ist, die Vergangenheit zu verändern. Was wäre also, wenn wir in die Vergangenheit reisen wollten, ohne sie zu verändern? Das könnte tatsächlich funktionieren. Nehmen wir an, Sie würden gern die Dinosaurier sehen oder vorausspringen und sich die Zukunft anschauen. Geht das? Nach unserem heutigen Physikverständnis ist das absolut möglich (fragen Sie bloß noch nicht die Ingenieure, ob das machbar ist).

Um zu verstehen, wie das gehen könnte, müssen Sie sich allerdings an den Gedanken gewöhnen, dass der Raum mehr ist als nur der Raum. Physiker betrachten Raum und Zeit gern zusammen als etwas, das (nicht gerade sehr einfallsreich) als „Raumzeit“ bezeichnet wird.

Wir sind es gewohnt, uns in der Nähe der Erdoberfläche durch den Raum zu bewegen, wo die Dinge einfach sind. Man wirft einen Ball nach oben, er fällt wieder runter. Man läuft seitwärts, man bewegt sich seitwärts. Genauso einfach ist es mit der Zeit hier auf der Erde: Die Uhr läuft vorwärts und alle Uhren auf der Welt sind einer Meinung.

Doch die Physik lehrt uns, dass sich der Raum in manchen Teilen des Universums wirklich merkwürdig verhält. In solchen Fällen ist es das Beste, ihn sich als Einheit mit der Zeit vorzustellen. Aus Sicht eines Physikers bewegen wir uns nicht nur in der Zeit durch den Raum – wir bewegen uns durch eine einzige Sache, die Raumzeit heißt.

Und die Raumzeit ist merkwürdig. Sie tut Dinge, die für unseren Verstand nur schwer vorstellbar sind, wie sich zu krümmen. Und sich auf sich selbst zusammenzufalten. Sie kann sogar Schleifen bilden.

Lassen Sie uns gemeinsam ein paar Wege erkunden, auf denen diese Eigenartigkeit der Raumzeit das Zeitreisen möglich machen könnte.

Unendlich lange Zylinder aus Staub

Nach Einstein krümmt sich die Raumzeit immer dann, wenn sich etwas Massereiches in der Nähe befindet. Das ist seine Vorstellung von Gravitation: Es handelt sich eher um eine Verzerrung von Raum und Zeit als um eine Kraft. So kreist der Mond nicht etwa um die Erde, weil unsere Schwerkraft an ihm zieht, sondern weil er an einem Trichter aus Raumzeit entlangsaust, die von der Erdmasse gekrümmt wird – wie ein Rennwagen, der auf einer Kreisbahn seine Runden dreht.

Doch Masse krümmt nicht nur den Raum. Sie dehnt und staucht auch die Zeit – und merkwürdige Massekonfigurationen können mit der Zeit die seltsamsten Dinge anstellen. Zum Beispiel dürfte man zu etwas Erstaunlichem in der Lage sein, wenn man einen unendlich langen Zylinder aus rotierendem Staub erzeugte: In der Nähe dieser sonderbaren rotierenden Staubsäule würden sich Zeit und Raum in einer Weise krümmen, durch die man sich in einer Schleife durch die Zeit bewegen könnte. Das heißt, dass ein Objekt theoretisch einem Pfad folgen könnte, der es wieder an den Ort – und den Zeitpunkt – zurückbringt, von dem es gestartet ist.

Wurmlöcher

Unsere moderne Variante der Raumzeit kann auch noch auf andere eigenartige Arten gekrümmt und verzerrt werden. Sie kann sich auf sich selbst zusammenfalten und zwischen unterschiedlichen Raumzeit-Punkten einen Tunnel – beziehungsweise eine Abkürzung – bilden. Diese Abkürzung wird als „Wurmloch“ bezeichnet. Sie können sich so ein Wurmloch wie eine Verzerrung oder Neuordnung der Raumzeit vorstellen, die zwei unterschiedliche Punkte miteinander verbindet.

Die meisten Leute verstehen unter Wurmlöchern etwas, das verschiedene Punkte im Raum miteinander verbindet (weshalb sie sich potentiell für Reisen zu entlegenen Galaxien eignen). Theoretisch können Wurmlöcher aber auch verschiedene Zeitpunkte miteinander verbinden. Nicht vergessen, es handelt sich um ein großes Ganzes namens Raumzeit. So ein Wurmloch könnte Sie nicht nur zu Ihrem liebsten Bubble-Tea-Shop ans andere Ende der Stadt befördern; es könnte Sie auch dorthin bringen, bevor Bubble-Tea überhaupt in Mode kam.

GIBT ES WIRKLICH KEINEN ZWEITEN ANLAUF?

Das Erstaunliche an den beiden gerade erwähnten Möglichkeiten ist, dass sie Zeitreisen möglich machen, ohne gegen die Naturgesetze zu verstoßen. Solange Sie nicht versuchen, die Vergangenheit zu verändern, könnten Sie sich in dieser gekrümmten Raumzeit hin- und herbewegen und sich von ihr in die Vergangenheit (oder die Zukunft) bringen lassen.

Das Ganze steht unter dem Vorbehalt, dass sie Sie in dieselbe Raumzeit zurückbringen würde, in der Sie zuvor waren (Sie würden lediglich eine Abkürzung nehmen oder eine Schleife drehen). Das bedeutet also, dass Sie die Vergangenheit nicht mal ändern könnten, wenn Sie es wollten. Vielleicht sind Sie tatsächlich zurückgegangen und haben Ihr 8-Uhr-morgens-Selbst davor gewarnt, Kaffee zu kochen, aber wenn dem so ist, würden Sie sich auch daran erinnern, weil Sie beide zur selben Zeitlinie gehören. Die Tatsache, dass Sie scheußlichen Kaffee gekocht haben und sich nicht daran erinnern können, beim Aufeinandertreffen mit Ihrem künftigen Selbst davor gewarnt worden zu sein, bedeutet, dass Ihr künftiges Selbst überhaupt niemals in die Vergangenheit zurückgereist ist.

Könnten wir das wirklich tun? Die Wahrheit lautet: Physiker wissen es nicht! Das Ganze gehört in die Kategorie „soweit bekannt nicht unmöglich4, aber soweit wir wissen total unpraktisch“. Kein Mensch hat je einen unendlich langen Zylinder aus Staub erzeugt. Wir wissen auch nicht wirklich, wie man Wurmlöcher findet, geschweige denn, wie eines zu öffnen oder zu kontrollieren wäre. Aber das Coole daran ist, dass „soweit bekannt nicht unmöglich“ bedeutet, dass es trotzdem weiterhin möglich ist. Sie werden es zwar nicht schaffen, den Kaffee von Ihrer Hose zurück in die Tasse zu bekommen, aber Sie könnten noch immer die Dinosaurier besuchen oder einen Blick in die Zukunft werfen.

GO WITH THE FLOW

An diesem Punkt sind Sie vielleicht etwas enttäuscht, dass das Zeitreisen zwar wahrscheinlich möglich ist, es sich aber nicht um die Art des Zeitreisens handelt, die Sie sich vermutlich erträumt hatten. Natürlich wäre es bestimmt cool, echte Dinosaurier zu sehen, aber wie groß kann der Spaß schon sein, wenn Sie die Erfahrung mit einer Riesenladung Kaffee auf der Hose machen müssen?

Vor diesem Hintergrund erfüllt es uns mit Stolz, Ihnen hier und jetzt unsere brandneue Idee für eine andere Form des Zeitreisens vorzustellen, eine Idee, die Ihnen sogar die Chance auf eine Lösch-Taste bietet, ohne dabei gegen das Prinzip von Ursache und Wirkung zu verstoßen. Sicher, wir haben uns das alles nur für dieses Buch hier überlegt und höchstens ein paar Stunden über die ganze Sache nachgedacht – aber hey, alle großen Ideen der Physik haben irgendwann mal klein angefangen, und immerhin ist wenigstens einer von uns ein gelernter Physiker.

Sind Sie bereit? Hier kommt sie: Was wäre, wenn wir den Lauf der Zeit umkehren könnten?

Sie müssen wissen, dass es in der Physik jede Menge Gesetze gibt, die festhalten, wie sich das Universum mit der Zeit verändert. Doch all diese Gesetze setzen voraus, dass die Zeit vergeht. Keines davon sagt uns wirklich etwas darüber, wie der Lauf der Zeit funktioniert. So wissen wir zum Beispiel nicht, warum die Zeit in die eine Richtung fließt (vorwärts) und nicht in die andere. Ja, tatsächlich wissen wir nicht einmal, dass die Zeit wirklich vorwärts fließen muss. Fast alle physikalischen Gesetze funktionieren ganz wunderbar in beide Richtungen.

Fast alle. Es gibt ein oder zwei physikalische Gesetze, bei denen es scheint, dass sie vorwärts und rückwärts anders funktionieren. Zum Beispiel besagt der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik, dass die Dinge mit der Zeit dazu tendieren, weniger geordnet zu sein, und Wärme sich ausbreitet.5 Das ist der Grund, weshalb es wahrscheinlicher ist, ein Glas zu zerbrechen als zerbrochenes Glas wieder zusammenzufügen.

Dieses Gesetz verlangt aber gar nicht wirklich, dass die Zeit vorwärts verläuft. Es besagt nur, dass die Unordnung abnehmen müsste, falls die Zeit rückwärts verliefe. Das mitzuerleben wäre bestimmt seltsam und wir haben noch nie gesehen, wie die Zeit rückwärts fließt – aber die Physik kann es nicht ausschließen.

Was uns direkt zu unserer Idee bringt: Was wäre, wenn man eine Maschine bauen würde, die in der Läge wäre, den Lauf der Zeit selektiv umzukehren? So könnte sie beispielsweise den Lauf der Zeit im Inneren der Maschine umkehren. Die Maschine selbst würde sich nirgendwohin bewegen oder reisen. Für Außenstehende würde sie einfach nur rumstehen und auch später noch da sein. Doch im Inneren der Maschine gälten andere Regeln. Dort drinnen würden die Teilchen das Gegenteil von dem tun, was sie in einem zeitlich vorwärts gerichteten Universum normalerweise tun.

Wenn Sie den Lauf der Zeit auf diese Weise kontrollieren könnten, wäre es möglich, gewisse Dinge, die sich ereignen, ungeschehen zu machen. Sie könnten sich etwa Ihr Büro im Inneren der Maschine einrichten und auf normalen Zeitverlauf einstellen. So könnten Sie die Maschine anweisen, den Lauf der Zeit kurzfristig umzukehren, falls Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Ihren Kaffee verschütten. Während im Rest des Universums alles ganz normal weiterverliefe, würde Ihr Kaffee im Inneren in die Tasse zurückfinden. Und wenn die Maschine dann wieder auf normalen Zeitverlauf umschalten würde, hätten Sie

wieder eine saubere Hose an. Allerdings würden dabei natürlich auch Ihre Gedanken zurückgesetzt werden, weshalb Sie sich selbst außerhalb der Maschine vielleicht eine Nachricht hinterlassen sollten, mit dem Kaffee vorsichtiger zu sein.

Es dürfte schwierig sein, zu erkennen, wo der Unterschied zwischen dem Zurückreisen in der Zeit einerseits und dem Umkehren des Zeitverlaufs an einem bestimmten Ort andererseits liegt. Doch dieser Unterschied ist in physikalischer Hinsicht wichtig. Es ist nicht etwa so, dass Sie oder die Maschine in eine andere Zeit reisen (und damit gegen das Prinzip von Ursache und Wirkung verstoßen); Sie kehren einfach nur den Lauf der Zeit in einem begrenzten Raum um. Wenn man sich den Lauf der Zeit wie einen großen Fluss vorstellt, lässt sich das eher mit dem Erzeugen kleiner Wirbelströme vergleichen, die vorübergehend rückwärts fließen.

Und falls Ihnen dieses Szenario etwas zu beengend vorkommt, können wir unsere imaginäre Technologie auch auf eine neue Stufe heben. Was wäre, wenn man eine Maschine baute, die stark genug wäre, um das Gegenteil zu bewirken? Was, wenn sie den Lauf der Zeit im gesamten Universum umkehren könnte – mit Ausnahme dessen, was sich in der Maschine befindet? In diesem Fall könnten Sie in die Maschine steigen, auf den Knopf drücken und dabei zusehen, wie das gesamte Universum um Sie herum rückwärts verläuft. Beim Verlassen der Maschine würden Sie eine Version des Universums betreten, die technisch gesehen jünger ist (auch wenn sie ohne Sie entaltert wäre).

Was könnten Sie in diesem jüngeren Universum alles tun? Sie könnten Netflix-Aktien kaufen, mit John F. Kennedy rumhängen oder das Kaffeetrinken aufgeben.6

Ist das eine verrückte Idee? Ja. Wissen wir irgendwas darüber, wie man die Zeit dazu bringt, rückwärts zu verlaufen, oder die Entropie dazu bringt, abzunehmen? Nein. Könnte es funktionieren? Wir haben keine Ahnung. Ist es unmöglich? Nein, nicht nach allem, was wir bisher über die Physik wissen!

Und deshalb, liebe Ingenieure, liegt es jetzt an euch.

1 Zumindest wurde sie von einem Physiker anerkannt.

2 Okay, Weintrinken wird vom Universum nicht zwingend verlangt.

3 Es war sowieso noch nie ein realistischer Traum, mithilfe der Physik reich zu werden.

4 Hier sollten wir erwähnen, dass manche Physiker Einsteins Theorie für ein kleines bisschen falsch halten und denken, dass diese Zeitschleifen vielleicht unmöglich sind.

5 Man sagt: Die Entropie in einem geschlossenen System nimmt mit der Zeit zu oder bleibt gleich (Anm. d. Übers.).

6 Jetzt mal ehrlich, hätten Sie das schon früher gemacht, hätte uns das eine Menge Ärger erspart.

WIESO HABEN UNS NOCH KEINE AUSSERIRDISCHEN BESUCHT? ODER WAREN SIE DOCH SCHON DA?

Können Sie es kaum erwarten, dass Außerirdische auf der Erde landen, oder erfüllt es Sie mit Angst und Schrecken?

Es gibt vieles, worauf man sich freuen kann, wenn Außerirdische uns jemals besuchen sollten. Überlegen Sie doch mal: Wenn die Außerirdischen in der Lage sind, die riesigen Entfernungen des interstellaren Raums zu überwinden und uns zu finden, bedeutet das, dass sie viel weiter entwickelt sind als wir. Denken Sie an all die Fragen, die wir ihnen stellen könnten! Wie funktioniert das Universum? Wie hat alles angefangen? Wie habt ihr es geschafft, zu den Sternen zu fliegen? Und warum belegen manche Leute ihre Pizza mit Ananas? Wäre es nicht unglaublich, wenn irgendwelche Außerirdischen einfach auftauchen und uns all die Antworten sagen würden? Wir könnten uns Hunderte oder Tausende Jahre mühseliger physikalischer Arbeit1 sparen und die Antworten sofort bekommen.

Aber mal langsam: Was, wenn der Besuch der Außerirdischen nicht ganz so gut ausgeht wie von uns erhofft? Es könnte durchaus furchterregend sein, von einer weiter entwickelten, fremden Zivilisation besucht zu werden. Ein Blick in die Geschichte der Menschheit genügt. Was passiert normalerweise, wenn eine fortschrittlichere Zivilisation auf eine andere trifft? Sitzen sie friedlich beim Essen zusammen und lassen einander an ihrem Wissen und ihrem intellektuellen Reichtum teilhaben? Nein. Das Ganze geht für die „erkundete“ Zivilisation meistens nicht sonderlich gut aus.

Wie dem auch sei, das Ganze wird mit Sicherheit ein folgenschweres Ereignis werden, was für uns die Frage aufwirft: Wieso haben uns die Außerirdischen nicht längst besucht? Schließlich stehen die Chancen ziemlich gut, dass da draußen im Universum Leben existiert. Allein in unserer Galaxis gibt es Unmengen von Sternen (ungefähr 250 Milliarden) – und da draußen gibt es Billionen oder sogar unendlich viele Galaxien. Außerdem hat etwa jeder fünfte Stern genauso einen Planeten wie die Erde, sodass es Trillionen (wenn nicht unendlich viele!) Möglichkeiten für die Entstehung von Leben gibt. Dass die Erde der einzige Ort im gesamten Universum ist, auf dem sich Leben (und noch dazu intelligentes) entwickelt hat, scheint ziemlich unwahrscheinlich.

Warum haben uns Außerirdische dann noch nicht besucht? Gehen sie uns aus dem Weg, oder ist das Universum einfach zu groß, um mal kurz bei den Nachbarn vorbeizuschauen? Und wie könnten sie uns überhaupt finden?

Um das herauszubekommen, wollen wir vier mögliche Szenarien betrachten.

SZENARIO #1: SIE HABEN UNS GEHÖRT UND SIND AUF DEM WEG ZU UNS

Eine Möglichkeit ist, dass uns die Außerirdischen gehört haben und längst unterwegs zu uns sind. Vielleicht sind sie ja gute Zuhörer und haben die eine oder andere Radio- und Fernsehsendung abgefangen, die wir seit einer Weile gedankenverloren ins All ausstrahlen. Und so haben sie, voller Faszination und Begeisterung für unseren Humor, umgehend ein Raumschiff starten lassen, das in dieser Sekunde direkt auf uns zusteuert.

Was hat die Physik zu diesem Szenario zu sagen? Ist es möglich, dass Außerirdische unsere Signale entdeckt haben? Und hatten sie überhaupt genug Zeit, um es bis jetzt hierher zu schaffen?

Eine Einschränkung besteht darin, dass wir noch nicht so lange Funksignale abgeben. Erst vor rund 100 Jahren hat unsere Spezies damit begonnen, Funk- und Fernsehsignale auszustrahlen. Und auch wenn Ihnen Lichtgeschwindigkeit superschnell vorkommt, wenn Sie im Stau stecken und einfach nur nach Hause wollen – das Weltall ist sehr groß. Deshalb dauert es selbst bei Botschaften, die mit Lichtgeschwindigkeit verschickt werden, sehr lang, bis sie bei irgendeiner potentiell fremden Welt ankommen.

Und selbst wenn die dortigen Bewohner unsere Botschaften vernommen hätten, würden sie lange brauchen, um uns besuchen zu kommen.

Befassen wir uns also mit den physikalischen Aspekten ihrer Reise. Zunächst mal gehen wir davon aus, dass sie sowas wie ein Raumschiff haben, das sich mit einem beachtlichen Teil der Lichtgeschwindigkeit fortbewegt (sagen wir mit halber Lichtgeschwindigkeit beziehungsweise rund 150 Millionen Kilometern pro Sekunde). Sie machen sich jetzt vielleicht Gedanken darüber, wie lange die Außerirdischen bräuchten, um auf so ein enormes Tempo zu beschleunigen. Doch überraschenderweise macht das nur einen geringen Teil ihrer Reise aus, während sie die meiste Zeit trotzdem mit Vollgas unterwegs sein könnten. Das gilt sogar für Wesen, die ähnlich weich sind wie wir selbst und sich schon bei Beschleunigungskräften in Höhe von wenigen Erdanziehungen in Pudding verwandeln. Zum Beispiel könnten auch Sie es bei einer moderaten Beschleunigung von 2g (der doppelten Fallbeschleunigung der Erde) in unter einem Jahr auf halbe Lichtgeschwindigkeit bringen.

Rechnen wir das Ganze aus. Weil wir erst seit etwa 100 Jahren Funksignale abgeben, müssten alle Außerirdischen, die in Kürze auftauchen, in etwa 33 Lichtjahren Entfernung von uns leben: Es würde 33 Jahre dauern, bis unser Signal mit Lichtgeschwindigkeit dort ankäme und etwa 66 Jahre, bis sie es mit ihrem Raumschiff hierher schaffen würden (wir gehen hier davon aus, dass es mit halber Lichtgeschwindigkeit fliegen kann). In diesem Szenario hatten alle Außerirdischen, die weiter als 33 Lichtjahre von uns entfernt leben, bisher keine Chance, hierher zu gelangen. Sie hatten einfach nicht genügend Zeit, um die Botschaft zu empfangen und die Reise abzuschließen.

Könnten in 33 Lichtjahren Entfernung von uns Außerirdische leben?

Wie wir wissen, ist das uns am nächsten gelegene Sternsystem (Proxima Centauri) nur wenig mehr als vier Lichtjahre entfernt. Und wie es der Zufall will, verfügt dieses System über einen erdgroßen Planeten, der einen jener Sterne umkreist. Falls es dort wirklich Außerirdische gibt, die unser Signal gehört haben, hätten sie jede Menge Zeit gehabt, in ein Raumschiff zu springen und uns zu besuchen. Wieso haben sie es also nicht getan? Ein Erklärungsversuch lautet: Sie haben auf das Serienfinale von „Lost“ gewartet, das 2010 ausgestrahlt wurde und 2014 bei ihrem Planeten ankam. Das heißt, dass wir ab dem Jahr 2022 damit rechnen können, dass sie hierherkommen und sich beschweren.

Was wäre, wenn wir weiter draußen suchen würden? Wir wissen, dass es im Umkreis von 33 Lichtjahren etwas mehr als 300 Sternsysteme gibt, von denen circa 20 Prozent vermutlich über einen erdähnlichen Planeten (definiert als ein Planet von annähernd gleicher Größe und heimeliger Entfernung zu seinem Stern wie unsere Erde) verfügen. Demnach könnten etwa 65 erdähnliche Planeten unsere frühesten Funksignale gehört und längst eine Delegation von Außerirdischen zu uns geschickt haben.

Haben Sie aber nicht. Wieso nicht?

Es kann natürlich viele Gründe geben, weshalb die Außerirdischen unser Signal zwar gehört, uns aber nicht besucht haben. Vielleicht hat ihnen das, was sie gehört haben, nicht gefallen, oder es interessiert sie einfach nicht, oder sie haben keine Lust. Es ist allerdings nur schwer vorstellbar, dass sich eine intelligente – und wahrscheinlich genauso isoliert wie wir selbst lebende – Zivilisation die Chance entgehen ließe, in der Nachbarschaft anzuklopfen oder zumindest einen kurzen Blick zu wagen oder zu antworten.

Die Tatsache, dass wir bis jetzt von keiner intelligenten außerirdischen Zivilisation besucht worden sind, die auf unsere Funksignale antwortet, deutet vielleicht auf eine viel näherliegende Wahrheit hin: dass es auf diese kurze Entfernung gar keine intelligenten außerirdischen Zivilisationen gibt. Vielleicht sagt es uns, dass die Chance, bei insgesamt 65 Planeten auf intelligentes Leben zu stoßen, unter zwei liegt (wir selbst und eine weitere Zivilisation). Das ist die Erklärung, die am wahrscheinlichsten scheint. Denn schließlich stehen unsere eigenen Chancen, überhaupt hier zu sein, deutlich schlechter als 1 : 32,5, wenn man die Geschichte des Lebens auf der Erde und die prekäre Lage unserer Zivilisation betrachtet.

SZENARIO #2: SIE STOLPERN ZUFÄLLIG ÜBER UNS

Falls das Ausbleiben von außerirdischen Besuchern bei uns daran liegt, dass sich keine in Hörweite befinden, müssen wir uns vielleicht andere Gründe oder Wege ausdenken, wie sie uns finden könnten. Schließlich haben unsere Funksignale bisher nur einen winzigen Bruchteil der Galaxis erreicht – circa 100 Lichtjahre in alle Himmelsrichtungen, während die Milchstraße über 100.000 Lichtjahre groß ist. Da ist es keine Überraschung, dass ein Großteil der Galaxis keine Ahnung hat, dass wir überhaupt existieren.

Welchen anderen Grund könnte eine fremde Zivilisation, die weit außerhalb der Hörweite unserer Funksignale lebt, sonst für einen Besuch bei uns haben?

Na ja, die Galaxis ist ein paar Milliarden Jahre alt. Was wäre, wenn es da draußen eine unglaublich weit entwickelte außerirdische Spezies mit großem Forscherdrang gibt? Wie stehen die Chancen, dass sie irgendwann zufällig über uns stolpern werden, wenn sie seit Tausenden oder Millionen von Jahren auf Forschungsreise sind?

Warum eine außerirdische Spezies so viel Zeit in die Erforschung der Galaxis stecken sollte, ist ein bisschen schwer vorzustellen. Vielleicht ist sie ja auf der Suche nach guten Fernsehsendungen oder leckeren neuen Snacks (womit hoffentlich nicht wir gemeint sind), oder sie hofft darauf, neue Rohstoffe oder Lebensräume zu finden? Was auch immer ihr Grund ist, gehen wir einfach davon aus, dass sie irgendwo da draußen sind und suchen.

Könnten Sie uns finden?

Zunächst mal wollen wir ein paar Annahmen über ihr Forschungsvorhaben treffen. Als erstes gehen wir davon aus, dass sie Raumschiffe benutzen. Wie viele Raumschiffe müssten sie losschicken und wie lange würde es dauern, bis sie jeden Planeten in der Galaxis besucht hätten?

Wir wissen, dass es im Weltraum im Durchschnitt alle 1250 Kubiklichtjahre einen erdähnlichen Planeten gibt und dass die durchschnittliche Distanz zwischen diesen Planeten in etwa elf Lichtjahre beträgt. Manchmal findet man zwei davon im selben Sonnensystem, manchmal liegen 50 bis 100 Lichtjahre zwischen ihnen. Für eine lange Reise ist der Durchschnitt entscheidend und dieser Durchschnitt beträgt etwa elf Lichtjahre.

Wenn sich nun alle außerirdischen Forschungsschiffe mit halber Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, bräuchte jedes davon 22 Jahre, um von einem Planeten zum nächsten zu gelangen. Schickt man also nur ein einziges Raumschiff los, um die gesamte Galaxis zu erkunden, würde es etwa eine Billion Jahre dauern, bis es jeden einzelnen Planeten darin besucht hätte. Wenn es bei dieser Mission darum geht, leckere Snacks zu entdecken, schafft man es damit also unmöglich nach Hause, bevor sie kalt werden.

Die gute Nachricht lautet, dass sich das Ganze durch den Start von mehreren Raumschiffen beschleunigen lässt. Solange sie in unterschiedlichen Richtungen unterwegs sind und es zwischen ihnen zu keinen Überschneidungen kommt, kann man umso mehr Planeten erkunden, je mehr Schiffe man losschickt.

Schickt man 1000 Raumschiffe los (vorausgesetzt, das passiert von einem relativ zentralen Punkt aus), kann man innerhalb von einer Milliarde Jahren jeden erdähnlichen Planeten der Milchstraße besuchen. Und mit jedem weiteren Raumschiff, das man losschickt, verkürzt sich die Zeit zur Erkundung der Galaxis immer weiter. Würden eine Million Schiffe starten, würde es eine Million Jahre dauern, bei einer Milliarde Schiffen sinkt diese Zahl auf 50.000 Jahre. Allerdings bringt es einem ungefähr ab dieser Zahl von Raumschiffen nichts mehr, noch mehr davon loszuschicken, weil jedes trotzdem genauso lang bräuchte, um den Rand der Galaxis zu erreichen (rund 50.000 Jahre).

50.000 Jahre mag nach einer sehr langen Zeit klingen, doch verglichen mit dem Alter der Milchstraße (13,5 Milliarden Jahre) und unseres Planeten (4,5 Milliarden Jahre) ist das so gut wie gar nichts.

Wenn es da draußen also wirklich eine außerirdische Zivilisation gibt, die 1. aktiv andere Planeten besucht und 2. über die nötigen Ressourcen verfügt, um eine riesige Forschungsflotte zu bauen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zu uns gelangen würde. Und falls sie es mit ihrer Suche nach dem perfekten Snack ernst meinen, bedeutet es außerdem, dass sie vermutlich ziemlich oft bei der Erde vorbeischauen würden. Denn sobald sich die Raumschiffe erst mal in der gesamten Galaxis verteilt haben, können sie jeden Planeten in weniger als 50.000 Jahren erreichen.

Das alles beruht auf der Annahme, dass nur eine solche weit entwickelte Zivilisation existiert. Was wäre, wenn da draußen viele von ihnen auf Erkundungstour wären? In diesem Fall wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Außerirdischer – irgendeiner von ihnen – über uns stolpert, sogar noch höher.

Was heißt es also, dass wir bisher von keinem außerirdischen Forschungsschiff besucht worden sind? Unsere Spezies ist mindestens schon seit mehreren Zehntausend Jahren schlau genug, um zu begreifen, was um uns herum passiert (die Geschichtsschreibung reicht etwa 5000 Jahre in die Vergangenheit zurück, und einige Höhlenmalereien sind über 40.000 Jahre alt). Wenn so ein Forschungsschiff vorbeigekommen wäre, hätten Sie inzwischen wahrscheinlich davon erfahren.

Die Tatsache, dass wir (nach unserem Wissen) bislang noch nicht von forschungsreisenden Außerirdischen besucht worden sind, sagt uns, dass es da draußen vielleicht gar keine Milchstraßen-erforschenden Zivilisationen gibt. Womöglich hat das Ausbleiben außerirdischer Besuche eher ökonomische Gründe als physikalische oder biologische: Vielleicht ist der Weltraum einfach zu groß und die Sterne zu weit entfernt, sodass es sich nicht wirklich lohnt, andere Planeten in der Galaxis zu besuchen und zu erforschen.

SZENARIO #3: DIE AUSSERIRDISCHEN SIND EXTREM SCHLAU

Okay, vielleicht ist der Bau einer gigantischen, eine Milliarde Schiffe starken Flotte einfach zu viel für jede außerirdische Zivilisation. Sind wir mal ehrlich: Eine Milliarde Raumschiffe für nichts als ein paar neue Snacks zu bauen und zu bemannen, ist unheimlich viel Arbeit. Wie sonst könnten Außerirdische uns also je finden?

Nun ja, es gibt da noch ein anderes denkbares Szenario, das aber extraviel Fantasie erfordert. Was, wenn die Außerirdischen wirklich superschlau sind, und zwar so schlau, dass sie sich effizientere Methoden für die Erforschung der Galaxis ausgedacht haben?

Lassen Sie uns bitte erstmal ausreden: Was wäre, wenn die Außerirdischen sich selbst replizierende Forschungsschiffe bauen würden?

Stellen Sie sich Raumschiffe vor, die ins Weltall hinausfliegen und dann mehr von sich anfertigen. Man könnte mit einer Handvoll dieser selbstfliegenden Schiffe loslegen und sie zu nahegelegenen Sonnensystemen schicken. Bei der Ankunft bestünde ihre erste Aufgabe darin, das Sonnensystem nach Leben abzusuchen. Zudem könnte man sie mit leistungsstarken Kameras ausstatten, mit deren Hilfe sie die Planetenoberflächen aus dem Weltraum fotografieren und so das ganze Theater von Start und Landung umgehen könnten.

Als nächstes würden sie sich auf die Suche nach den nötigen Rohstoffen machen, um mehr von sich zu bauen. Im Asteroidengürtel unseres Sonnensystems treiben beispielsweise jede Menge Metalle und die Zutaten für Raketentreibstoff herum – riesige Brocken aus Eisen, Gold, Platin und Eis. Ein KI-gesteuertes Raumschiff könnte die Rohstoffe einsammeln, die es braucht, um mehrere (sagen wir fünf) Kopien von sich zu bauen und anzutreiben. Daraufhin könnten jene fünf neuen Schiffe zu neuen Zielen aufbrechen und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Diese Strategie lässt die Zahl der Raumschiffe exponentiell ansteigen. Wenn man mit fünf Schiffen anfängt, werden daraus 25, während es nach der fünften Runde 3125 Schiffe wären. Nach der neunten Runde hätte man annähernd zwei Millionen Schiffe und nach nur 13 Runden läge die Zahl der Raumschiffe bei mehr als einer Milliarde.

Das bedeutet, dass eine einzige schlaue außerirdische Zivilisation Sonden losschicken könnte, die in der Lage wären, in weniger als einer Million Jahren die gesamte Galaxis zu erkunden. Und sie müsste dazu nichts weiter tun, als die ersten fünf Schiffe zu bauen. Mit einem Schlag hat sich die ökonomische Seite der ganzen Sache verbessert.

Das alles klingt natürlich nach einer ziemlich komplizierten Technologie, ist aber etwas, worüber inzwischen selbst menschliche Ingenieure nachdenken. Doch auch wenn wir nicht einmal annähernd dazu in der Lage sind, könnte es für eine ältere und weiter entwickelte Zivilisation durchaus möglich sein. Und wer weiß, vielleicht werden selbst wir in ein paar Hundert Jahren solche Schiffe bauen können.

Das Wichtige daran ist, dass es nur eine Zivilisation braucht, um den Ball ins Rollen zu bringen und zum Schluss bei einer Milliarde Schiffe zu landen. Falls es da draußen also wirklich Außerirdische gibt und sie clever genug sind, stehen die Chancen, dass wir bereits von einem ihrer sich selbst kopierenden Schiffe besucht worden sind, ziemlich gut.

Die Tatsache, dass wir bislang noch nicht erlebt haben, wie so eine Sonde ankommt und sich bemerkbar macht, kann natürlich alles Mögliche bedeuten. Vielleicht gibt es da draußen gar keine so weit entwickelte Zivilisation, und es liegt an uns, diese Idee voranzutreiben. Oder es gibt sie wirklich und ihnen hat bloß die Idee nicht gefallen.