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Lang erwartet: der neue Gedichtband von Joachim Sartorius. Für Joachim Sartorius ist der Dichter ein Erinnerer. Seine neuen Gedichte sind Aufstände der Sprache gegen die Vergänglichkeit, ganz gleich, ob sie von griechischen Säulen, der Nymphe Arethusa, Eidechsen, Friseuren oder verschwundenen Milieus handeln. Vor allem ist er ein Augenmensch. »Wohin mit den Augen«: Vieldeutig muss dieser Titel gelesen werden. Als Geblendetsein von großer Sinnlichkeit. Als Scham, etwas sehen zu müssen, dessen Zeugenschaft man kaum übernehmen kann. Als Anspielung darauf, dass einem im Laufe eines langen Lebens eher mehr als weniger Augen wachsen. Sartorius führt uns zu den ihm vertrauten Orten: Tunis, Alexandria, die Levante, das weiße Meer. Im Zentrum der Gedichte steht die sizilianische Stadt Syrakus, selbst Gedächtnisort, selbst eine gleißende Erfindung der Erinnerung. Aufgehellt wird der existenzielle Ernst, der diese mittelmeerischen Meditationen durchzieht, durch ein mehrteiliges Capriccio über die türkische Katze des Dichters, ihre Launen, ihren funkelnden Übermut. Ich bin der Hirt, der Feigen schlitzt. Schön spreche ich über die grauen Schafe. Und schöner noch über die dunklen Gräber. Den ersten Schmetterling, braun und nervös. Hoch auf dem Berg liegt aufgeschlagen das Bestimmungsbuch für die Arten seines Flugs.
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Seitenzahl: 35
JOACHIM SARTORIUS
WOHIN MIT DEN AUGEN
GEDICHTE
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Meine geschätzten Augen, es steht nicht zum Besten mit euch.
Ihr liefert mir unscharfe Zeichnung,
Und wenn Farbe, dann vernebelt.
Doch wart ihr die Koppel königlicher Spürhunde,
Mit der ich seinerzeit früh morgens aufbrach.
Meine begierigen Augen, ihr habt viele
Länder und Städte, Inseln und Meere geschaut.
Gemeinsam begrüßten wir großartige Sonnenaufgänge,
Als der weite Atem uns zum Lauf
Über Wege mit verdunstendem Tau rief.
Nun habt ihr etwas gesehen, das in mir verborgen ist,
In Rückblick oder Traum verwandelt.
(…)
Czesław Miłosz
Die Nacht wäscht das Meer.
Am Morgen ist das Wasser neu.
Auf der Netzhaut wird Licht
mit Gischt bezahlt.
Ich bürste Salz vom Tisch.
Ich küsse die Augen der Echse.
Ich schneide das Brot.
Ungemein hell wird der Tag.
Später nimmt dir die See
die Münzen ab
und ritzt in eine jede
den Namen einer Nymphe
für das lange Glück,
am Leben zu sein.
für (und nach) Vincenzo Consolo
Vor uns das Meer, so hoch wie unsere Augen,
Fischerboote im leichten Seegang, morgen wird es
Sardinen geben, Rotbarsch oder den großen Schwertfisch.
Er, nur er, wird am Markt zwei Nelken in den Augen haben,
mit Zitronenmelisse gefüllt das Maul, die Kiemen mit Basilikum,
und der Händler wird schneiden, oho – ho! mit dem breiten Messer
den Schwertfisch schneiden, bis nur noch Kopf und Schwert
mit dem blutigen Haken übrig bleiben. Dabei denke ich
an die bunten Raketen, die gestern bei der Hochzeit
in San Giovanello in den Himmel geschossen wurden
und ins Meer fielen, brutzelnd wie Fische, brutzelnd
wie der Schwertfisch in unserer Küche – morgen.
Morgen, beim Gelage, bei den Düften von Myrrhe und Melisse,
werden wir an Mytilene denken, gegenüber Kleinasiens Küste,
die Hauptstadt von Lesbos. Stimmt es, was Cicero sagte,
dass eine Statue von Sappho in der Stadthalle von Syrakus
errichtet wurde? Aus Porphyr? Wenig ist gewiss, die Fragmente
nicht zu ergänzen, die Stimmen von den Booten in Stücken.
Hier sind nur Kapern und Liebeskraut.
Wenn du auf den Berg steigst, siehst du
von fern die Schulter der schönen Göttin
(wie die Alten die Hauptinsel nannten).
Die reife Sonne funkelt im Köcher und sinkt.
Sagt sie uns an? Später, in der Dämmerung,
die Körper zwischen Stein und Gischt.
Wir lassen uns in Fähren zurücktragen,
in Innenstädte, zu Plätzen im Neonlicht.
Verstreuen dort vom Durst benommene Worte.
Seit immer schon ist alles Vergangene hier und jetzt.
Die runde Erde ohne Baum, das schroffe Blatt.
Die Steine spielen gleichgültig mit dir, die Katzen.
Was sagte die Nebeninsel? Dass du dich zu Ende