Worauf wartet Ihr noch? - Anja Ollmert - E-Book

Worauf wartet Ihr noch? E-Book

Anja Ollmert

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Beschreibung

Der Advent ist eine besondere Zeit im Jahr. Von Kindheit an warten wir im Dezember auf das Weihnachtsfest. Auch bei Erwachsenen ist der Reiz eines Adventkalenders nicht vergessen. In diesem literarisch-spirituellen Adventskalender finden sich Geschichten und Gedichte für alle, die diese Wartezeit bewusst erleben wollen. Sie sind herzlich eingeladen, sie allein oder im Kreis der Familie zu genießen und so den Advent als besinnliche Zeit zu erleben. "Worauf wartet ihr noch", möchte Sie dabei begleiten.

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Veröffentlichungsjahr: 2013

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Anja Ollmert

Worauf wartet Ihr noch?

Adventliches für 24 Tage

Für alle Leserinnen und Leser, die die Wartezeit im Advent nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1. Dezember - Wintermelodie

 

Es säuselt in den Häuptern astgekrönter Wipfel, ihr Blattwerk ist dahin und sie sind kahl.Durch ihre Silhouetten sieht man alle Gipfel,die Spitzen aller Berge, selbst das Tal.Ihr Klang ist hölzern und doch Melodievon Winterzauber, eiskristall-verklirrt,für den, der sich bei dieser Witt ‘rungan einen Winterwaldesrand verirrt.Der Wind spielt mit den Zweigen und es knirschtim Takt der Schnee, zertreten unter jedem Schritt.Der Bach, der sich vom Gipfel dort im Bett wiegt,bringt kaltes Höhenwasser rhythmisch plätschernd mit.Lausch auf das leiseste Geräusch, das tiefe Atmenam Saum des Waldes in der Winterruh,so wirst du still und stiller, voller Wehmut,hörst der Natur beim Winteratmen zu.Sei still, du Mensch und lass dich doch verzaubern.So wie es heute klingt, erklingt es morgen nicht.Es ist der Platz, an dem du ohne Zaudern,den Klang von Winter hörst und siehst sein Licht.Es trägt die Melodie auf seinen Strahlen,durchdringend Zweige, Wasserlauf und dein Gemüt,will heilen dich von manchen Qualen,die dich beschweren, denn du bist sie müd.Drum hör genau, was dir die Bäume flüstern,das Klirren eisigen Kristalls,das Säuseln eines kalten Winds, das Plätscherndes nimmermüden Wasserfalls.Nimm 's mit nach Haus und lass es wirken,dass dir die Zukunft klar wie dieser Wald erscheint.Und glaube, der dies alles hat geschaffen,der hat auch dich und mich damit gemeint.

2. Dezember - Licht muss man teilen

Bernd hatte es kommen sehen: Der Advent war mit riesengroßen Schritten herangeeilt. Schon Wochen vorher lagen Plätzchen und Kalender, mit Schokolade gefüllt, in den Supermärkten, drängelten sich Weihnachtsmänner wie frierend aneinander auf den Regalen, gesäumt von kitschigen Engelchen und leuchtenden Rentiergespannen. Dieser Anblick löste in Bernd eine alljährliche Panik aus.

Nun endlich war der Einsatz all dieser Süßwaren und Dekorationen gerechtfertigt und er saß einmal mehr allein vor einem Adventskranz mit vier erwartungsfroh aufgerichteten Kerzen. Dabei hatte er sich im letzten Advent fest vorgenommen, dass es in diesem Jahr anders sein würde. Nächtelang hatte er sich durch die Profile von Online-Kontaktbörsen gearbeitet. Hatte die Vorzüge der einzelnen Damen miteinander verglichen, Briefe und E-Mails formuliert und sie das ein oder andere Mal sogar abgesendet. Antworten blieben jedoch aus. Bernd war vermutlich nicht originell genug, nicht attraktiv genug, da, wo er sogar ein Bild mitgeschickt hatte. Er war ein Langweiler, den niemand haben wollte. Und niemand schien zu ahnen, wie sehr er vor allem im Advent darunter litt. Als er fast widerwillig ins Wochenende ging, hatten seine Kollegen geschwärmt von Kaminfeuer, Selbstgebackenem, Basteln mit den Kindern und Kuscheln mit Frau oder Freundin, dazu ein Glühwein, ein wenig Musik und natürlich Kerzenschein. Den hatte Bernd wenigstens auch. Langsam riss er ein Streichholz an der Reibefläche an und hielt das brennende Hölzchen an den jungfräulichen Docht. Wann würde sich endlich jemand für ihn entzünden können?

Die Kerzenflamme fraß sich an dem wachsgetränkten Baumwollfaden entlang und wurde größer. Bernd starrte in das helle Licht hinein und grübelte. Woran lag es nur, dass er allein war? Dass er mit sich selbst nichts anzufangen wusste, als auf dem Sofa zu hocken und darauf zu warten, dass die Traumfrau an der Tür klingelte?

Es schellte. Bernd zuckte zusammen. Wer konnte das sein? Er erwartete niemanden. Es schellte ein zweites Mal, nun schon ein wenig ungeduldiger, wie es schien. Bernd schob die Füße in die ausgelatschten Pantoffeln und schlurfte zur Tür. Er sah durch den Sucher, konnte aber nur einen undeutlichen Schemen erkennen. Klar, er hatte ja auch die Brille nicht auf.

"Moment", rief er laut und ging zurück, um sie zu holen. Wieder an der Tür holte er tief Luft. Es kostete ihn Überwindung, die Tür zu öffnen. Was würde ihn dort erwarten?

Er griff nach der Klinke und drückte sie zögerlich herab. Sein Blick begegnete einer jungen Unbekannten.

"Entschuldigung, hätten Sie wohl eine Kerze für mich? Ich bin gestern erst eingezogen und habe völlig vergessen, dass heute der erste Advent ist. Und Advent ohne Kerze, das geht für mich gar nicht", erklärte sie ihr Erscheinen. Bernd konnte vor Überraschung kaum reden. Ein eigentümliches Geräusch tat seine Zustimmung kund. Aber Mist, er hatte ja nur die vier Kerzen auf seinem Kranz. Was sollte er jetzt tun? Er murmelte etwas wie:

"Kommen Sie doch einen Augenblick herein", wandte sich in Richtung Wohnzimmer und ging geradewegs zum Tisch, auf dem sein Adventskranz stand. Die junge Frau folgte ihm. Bernd nestelte an dem Kranz herum, noch ehe sie protestieren konnte, brach ein paar Zweige ab und bog die Befestigung einer Kerze so lange hin und her, bis sie nachgab. Dass ihm dabei heißes Wachs auf die Finger tropfte, schien er nicht zu spüren. Dann hielt er endlich Kerze und Tannengrün in den Händen und gab ihr beides.

„Der schöne Kranz...", murmelte die junge Frau ein wenig irritiert.     „Kein Problem", nuschelte Bernd. „Licht soll man teilen, damit es mehr werden kann."     „Danke", strahlte die Frau ihn an. „Ich bin Evi."     „Bernd", sagte er kurz. Seine Schüchternheit war eine wahre Last.     „Am nächsten Sonntag gibt es bei mir sicher Kaffee und Kuchen, wenn ich bis dahin alles ausgepackt habe. Sie sind herzlich eingeladen. Sagen wir, so um vier?" Bernd begann langsam zu begreifen, dass sie eine Einladung ausgesprochen hatte.

„Gerne, ich komme sehr gerne", stammelte er überrascht.     „Ich wohne in der vierten Etage, direkt über Ihnen", erklärte Evi noch, nahm ihre adventlichen Gaben fest in die Hand und ging zur Wohnungstür. „Schön, dass Sie das Licht teilen", sagte sie beim Hinausgehen.

Bernd schloss die Tür hinter Evi. Er ging zurück zu seinem zerrupften Kranz, auf dem die erste von drei Kerzen hell leuchtete. Sollte er ihn wieder herrichten?

Nein. Der zweite Advent konnte gar nicht schnell genug kommen.

3. Dezember - Weihnachten heute

Stellen Sie sich vor, Weihnachten würde heute passieren. Schon der Advent stellt uns in der Gegenwart vor fast unlösbare Aufgaben. Wir sollen uns Zeit nehmen, auf etwas zu warten, das wir in seiner Tragweite kaum erfassen können: Ein Kind, das die Welt retten soll, will in unsere unrettbare Welt geboren werden.

Die Israeliten vergangener Zeiten warteten unaufhörlich auf den Erlöser, tun es bis heute. Jede junge Frau, die damals ein Kind erwartete, hatte die Hoffnung, die Mutter des erwarteten Erlösers zu sein. Dabei wussten die Frauen nicht, was sie da wirklich erwartete, was von ihnen erwartet wurde.

Allein dieses Wortspiel der Erwartung ließe sich unendlich fortführen, bis hin zu unseren heutigen Erwartungen – wir wollen immer alles, das ganze Glück, die ganze Freude, das vollkommene Miteinander, den absoluten Reichtum – kaum jemand gibt sich mit dem, was er hat, einfach zufrieden. Und wir wollen all das möglichst sofort.

Von Warten kann keine Rede sein und Erwartung ist uns längst fremd.

Das neue Fahrrad, die Playstation, das aktuellste Handy, Buch oder Spielzeug; schon unsere Kinder besänftigen wir immer häufiger mit der Fülle, erfüllen ihnen alle Wünsche, dass oft genug kein einziger Herzenswunsch mehr übrig bleibt und bleiben ihnen doch so Vieles schuldig.

Wenn jemand gefragt wird, was er sich wünscht, und er antwortet etwas so Nebulöses wie  „Den Weltfrieden“,  wird er von vielen belächelt –  und doch ist derzeit so wenig Frieden auf der Welt, wie selten zuvor. Auf den Frieden werden wir noch lange warten müssen, so viel steht fest. Das liegt auch daran, dass der Frieden vor allem eines nötig hat: die eigene Zufriedenheit.

Das Glück, andere sein lassen zu können, wie sie sind. Die Gelassenheit, manche Dinge hinnehmen zu können, auch wenn sie mir nicht gefallen. Doch ein Funke Hoffnung bleibt, ein aufgehender Stern, dessen Aufleuchten wir nicht übersehen dürfen. Und statt immer nur Veränderung zu erwarten, stellen wir doch einmal unerwartete Erwartungen an uns selbst.

Leuchten wir denen auf dem Weg, die immer noch im Dunkeln tappen und herumirren.

Lasst uns schwanger gehen mit einem Frieden, und ihn austragen.      Ihn gebären in unsere alltägliche Welt.      Schenken wir dem ein Lächeln, der uns das Leben schwer macht.     Erwarten wir das Unerwartete.     Leisten wir uns das Hoffnungsfrohe, das uns und allen Frieden bringt.