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Advent ist Begegnung, Erwartung, Umkehr, Überraschung und noch so viel mehr als nur Lichterglanz und Konsum. In den 24 Geschichten und Gedichten verbirgt sich das Leben vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Zeiten. Das Adventskalender-Buch will durch die Tage des Advents begleiten und dazu einladen, den eigenen Platz an der Krippe zu finden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2013
Copyright © 2013, Anja Ollmert
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 1494441764
ISBN-13: 978-1494441760
Umschlagdesign: Create Space
Umschlagfoto: marikaml, „Weihnachten 2009“, CC-Lizenz (BY 2.0),
http://creativecommons.org/ licenses/by/2.0/de/deed.de
Das Coverbild stammt aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de
Mehr über die Autorin unter: www.anjaollmert.jimdo.com
Ein langer Weg führt nach Bethlehem. Du bist gefragt, deinen Platz einzunehmen im Geschehen um die Geburt Christi. Aber du gehst diesen Weg nicht allein.
24 Tage lang muss alles vorbereitet werden, damit das Kind auf die Welt kommen kann. 24 Texte begleiten deinen Weg, an dessen Ziel dieses Kind immer wieder neu in unsere Welt hineingeboren werden will.
Eine Unterkunft wird gesucht, der richtige Zeitpunkt ausgewählt, dann ist es so weit. Dann kommt es nur noch auf dich an, auf deine Bereitschaft, dich an der Krippe einzufinden und das Wunder zu bestaunen.
Die Jungfrau
Jedes Kind braucht eine Mutter,
selbst ein Göttliches,
das Mensch werden will.
Eine Mutter
die sich hingibt,
die sich öffnet,
die sich herunter neigt,
die ihre Hand reicht,
die das Leben schenkt,
die das Lachen vorlebt,
die das Lieben lehrt,
die sich für nichts zu schade ist,
die sich selbst vergisst,
die in die Arme schließt,
die Glauben schenkt,
die Vertrauen wachsen lässt,
die erste Schritte lenkt,
die den ersten Schritt macht,
die Tränen trocknet,
die Tränen vergießt,
die nicht Nein sagt zu deinen Fragen
und nicht zu dir.
Nur mit ihr schafft Gott das Unglaubliche:
Aus einer Jungfrau
wird (d)eine Mutter.
Was sagen bloß die Leute?
Franzi sitzt auf dem Bett. Sie kann nicht glauben, was sie sieht. Dieses Ding aus der Apotheke erklärt ihr, was sie getan hat, letztens, als sie nicht abgelehnt, sich nicht gewehrt hat gegen ihren Freund. Weil sie befürchtete, dass er sie verlässt, wenn sie ihn nicht tun lässt, was er will.
Nun hat sie den Salat. Sie bekommt ein Kind. Unehelich – als wenn das heute noch etwas zu bedeuten hätte. Ja, vor Jahrzehnten war das ein Makel, den man kaum abschütteln konnte. Ein Zeichen, das Mutter und Kind auf Lebenszeit als Fehler anhing. Aber heute? Da ist das kein Thema mehr. Doch was hat sie davon?
Sie hat Angst. Angst vor dem, was die Leute sagen. Angst vor ihrer Chefin, die sie rausschmeißen wird, so kurz vor Ende der Ausbildung, so kurz vor dem Weihnachtsfest. Angst vor den Eltern. Schließlich wohnt sie noch bei ihnen. Sie wird ihre Hilfe benötigen, wenn das Kind da ist. Franzi ist auf die Hilfe angewiesen, nicht nur finanziell. Und Matthias? Dem wird sie es nicht sagen. Der ist längst mit Steffi unterwegs. Seine Liebe zu ihr ist schnell gestorben, nachdem er sein Ziel erreicht hatte.
Sie wirft einen hoffnungslosen Blick in ihre Zukunft: Franzi, die alleinerziehende junge Mutter, die ihren Job verloren hat, mit dem Kind bei den Eltern in ihrem alten Kinderzimmer haust und der kein Typ mehr zu nahe kommt. Franzi, deren Nachbarn einen Bogen machen, wenn sie ihr auf der Straße begegnen und in deren Kinderwagen keiner einen Blick werfen wird. Ist ja alles so peinlich und eigentlich sollte sie sich was schämen, die Franzi.
Franzi, die zu dumm war, diese Schwangerschaft zu verhindern, oder doch wenigstens rechtzeitig abzubrechen, schließlich gab es dafür genug Stellen, an die man sich wenden konnte. Deshalb wechseln die früheren Schulkollegen die Straßenseite, wenn sie einen von ihnen trifft.
Franzi, die sich in diesem Augenblick zu freuen beginnt auf das kleine winzige Leben in ihr, dass sie noch gar nicht spüren kann, von dem sie aber genau weiß, dass es da ist.
Abends sitzt sie mit den Eltern beim Essen. Der Vater schaut die Nachrichten, die Mutter fragt sie nach ihrem Tag. Franzi holt tief Luft und sagt nur einen einzigen Satz:
„Ich bin schwanger!“ Ängstlich schlägt ihr das Herz bis zum Hals. Nun wird sie sehen, was die Eltern dazu sagen. Und sie traut ihren Ohren nicht, als die Mutter nach einer Schrecksekunde antwortet:
„Da werde ich aber früh Oma, Franzi! Aber keine Angst, gemeinsam schaffen wir das." Franzis Vater sagt nichts, stattdessen steht er auf und nimmt seine Tochter fest in die Arme. Dann erklärt die Mutter noch:
„Wie es passiert ist, kannst du mir auch morgen erzählen. Heute wollen wir feiern. Aber Sekt gibt es nur für Papa und mich.“
Franzi ist erleichtert. Mit dieser Reaktion hat sie nicht gerechnet. Doch sie spürt deutlich, dass die Eltern sie lieben und dass das Baby es hier gut haben wird, bei ihnen. In ihr schlägt ein Freudefunke Wurzeln.
Am nächsten Morgen steht sie im Büro. Wieder ist die Angst groß, den ersten Schritt zu wagen und sich der Chefin zu erklären. Da kommt sie schon.
„Guten Morgen, Franziska. Sie wollten mich in einer dringenden Angelegenheit sprechen? Nehmen Sie doch Platz.“ Franzi sinkt auf den Stuhl nieder, ringt ihre Hände im Schoß und schaut Frau Toller nicht an.
„Ich bekomme ein Kind. Ich kann die Ausbildung nicht zu Ende machen, schätze ich.“ Endlich ist es raus.
„Das meinen Sie doch nicht ernst, Franziska? Bis zur Prüfung sind es nur noch ein paar Wochen. Wenn das Baby kommt, haben Sie die längst hinter sich. Und sicher finden wir eine Tagesmutter, wenn Sie wieder arbeiten wollen nach der Elternzeit. Vielleicht hat meine noch einen Platz frei, bis es so weit ist.“ Franziska traut sich nun, Frau Toller anzusehen. Ein offener verständnisvoller Blick ruht auf ihr. Kein Vorwurf liegt darin.
„Danke!“ quetscht sie heraus. Für mehr fehlen ihr die Worte. Der Funke in ihr glimmt weiter.
Ein paar Tage später kommt sie aus der gynäkologischen Praxis und läuft ausgerechnet Matthias, ihrem Ex-Freund, in die Arme.
„Wie geht es dir?“, fragt er rundheraus.
„Gut, wieso fragst du?“ Franzi ist kurz angebunden.
„Ich hab da was gehört und konnte es kaum glauben…“ Was er gehört haben wollte, ließ Matthias offen.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Franzi wird es ihm nicht sagen.
„Ich habe gehört, dass du ein Baby erwartest.“ Eine sanfte Wortwahl für einen jungen Mann, der sonst immer obercool daherkommt, findet Franzi.
„Und, was geht dich das an? Du hast deinen Spaß gehabt. Jetzt wartet sicher Steffi auf dich.“ Sie wendet sich ab und will schnell verschwinden. Aber Matthias hält sie zurück.
„Ich nehme an, das Baby ist von mir. Und wenn du Zeit für einen Kaffee hast, dann sollten wir darüber sprechen, wie es weitergeht mit uns.“
Hat er wirklich „mit uns“ gesagt? Und was war mit Steffi? Franzi staunt. Matthias will tatsächlich Verantwortung übernehmen. Innerlich wird ihr ganz warm.
Frau Kraus aus dem Erdgeschoss spricht Franzi einige Wochen später an als sie die Treppe hinuntergeht.
„Hallo Franziska. Na, wie geht es dir und deinem Baby? So langsam sieht man ja was. Ist bestimmt spannend, wenn man das neue Leben in sich spürt, oder?“ So viele Sätze hat Frau Kraus noch nie mit Franzi gesprochen. Sonst ist sie stumm wie ein Fisch. Und jetzt das!
„Meine Tochter erwartet auch ihr erstes Kind.“