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Säugetiere, Vögel, Reptilien, Insekten - die Vielfalt der Tierwelt ist fast unermesslich. Den scheuen Fuchs, die blitzschnelle Libelle oder den seltenen Seeadler mit der eigenen Kamera in Szene zu setzen, ist aber nicht so einfach. Wie komme ich nah genug an die Tiere heran? Wie schaffe ich es, scharfe Aufnahmen zu machen, obwohl mein Motiv ständig in Bewwgung ist. Wie fange ich die Besonderheit des Moments ein, wenn er nach langem Warten endlich gekommen ist? Der erfahrene Wildtierfotograf Mario Müller öffnet in diesem Ratgeber seine Trickkiste und verrät die besten Profi-Tipps: von Ausrüstung und Tarnmöglichkeiten über die perfekte Bildkomposition bis hin zum Verhalten der Tiere. Dazu gibt es viele Foto-Workshops zum Lernen und Nachmachen.
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Seitenzahl: 168
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Vorwort
Tiere erfolgreich fotografieren
Arten richtig bestimmen
Tiere in ihrem Lebensraum
Das Verhalten von Tieren kennen
Die Tarnung der Tiere kennen
Fotografieren, ohne zu stören
Tierschutz hat oberste Priorität!
Fotografie am Nest: Nur für Profis
Technik und Ausrüstung
Kamera und Objektive
Einstellungen
Kameramodus
Belichtungsmessung
ISO
Autofokus
Histogramm
Speicherformat
Einstellungen auf einen Blick
Zubehör
Tarnung
Pro und contra Tarnverstecke
Tiere im Jahresverlauf
Frühjahr
Frühjahrszug, Balz und Brut der Vögel
Säugetiere im Frühjahr
Jungenaufzucht bei Vögeln
Sommer
Herbst
Brunft- und Paarungszeit von Rot- und Damwild
Der Herbstzug der Vögel
Winter
Wintergäste
Am Futterhaus
Säugetiere im Winter
Tiere in Szene setzen
Porträts
Action
Scharfe Bilder
Gewollte Bewegungsunschärfe
Mitzieher
Gemäldecharakter
Im Flug
Bildgestaltung
Das richtige Licht
Die Tageszeit
Lichtreflexe
Lichtsäume
Gegenlicht
Die blaue Stunde
Blitzlicht
Der richtige Zeitpunkt
Bildkomposition
Bildformate
Die Drittelregel
Diagonalen
Grafische Strukturen
Tiefe im Bild
Vorder- und Hintergrund
Die Perspektive
Workshops
Am Strand
Im Schleichgang
Ansitzfotografie
Bewegung
Bei jedem Wetter
Lichtsaum
Niedlichkeitsfaktor
Morgengesang
Porträt
Pastelltöne
Nebelnde Nebelkrähe
Schnabelleuchten
Beim Bade
Auf der Lichtung
Wintergast
Ertappt
Schnappschuss
Auf Augenhöhe
Schärfentiefespiel
Diagonale
Schneetreiben
Auf dem Sprung
Zweisamkeit
Im Morgenlicht
Kurze Pause
Formationsflug
Entdeckt
Schwarz-Weiß
Im Sand
Balz
Verteidigung
Komplementär
Trio
Spiegelbild
Punktlandung
Wassertropfen
Auf der Lauer
Morgendliche Jagd
Morgentoilette
Unbequeme Wahrheit
Danksagung
Über den Autor
Unter den vielen verschiedenen Stilrichtungen der Fotografie ist die Tierfotografie sicherlich eine der schwierigsten, aber auch beliebtesten. Dies zeigt sich zum einen an den vielfältigen Foren, die es im Internet gibt, aber auch an den Einsendungen bei den großen nationalen und internationalen Naturfotowettbewerben. In der Kategorie „Vögel“ sind immer die meisten Einsendungen zu verzeichnen. Woran mag das liegen?
Tiere, insbesondere Vögel, üben schon immer eine besondere Faszination auf uns Menschen aus, da sie etwas können, wozu Menschen nur mit technischen Hilfsmitteln in der Lage sind: das Fliegen! Größere Tiere beeindrucken uns schon immer als stolze Lebewesen und spielen in der Geschichte der Menschheit eine entscheidende Rolle. Das Halten wild lebender Tiere galt früher oft als Statussymbol und Machtgehabe gegenüber der Tierwelt. Viele Tiere wurden zudem gejagt, oft aus reinem Zeitvertreib. Leider ist dieses Phänomen bis heute nicht gänzlich abgeschafft, wobei die Mehrheit der Bevölkerung heute dem Natur- und Artenschutz positiv gegenübersteht. Der Schutz bestimmter Tier- und Artengruppen setzte erst vor etwa 150 Jahren ein. Der erste Nationalpark der Welt, der Yellowstone-Nationalpark in den USA, wurde zum Schutz der dort lebenden Tiere 1872 gegründet und war Vorbild für den Naturschutz, der sich ab dieser Zeit weltweit verbreitete.
Tiere kommen auf allen Kontinenten vor. Von den heißesten Wüsten Afrikas oder Australiens bis in die kältesten Gebiete der Erde in Sibirien oder in der Antarktis sind praktisch alle Lebensräume, zumindest zeitweise, von Tieren bewohnt. Selbst in den großen Ballungsräumen und Städten leben bestimmte Arten mit Menschen auf engstem Raum zusammen und sind somit allgegenwärtig. Diese Nähe zum Menschen hat sicherlich die Häufigkeit der Tierfotografie begünstigt. Jedem ist es heute möglich, Tiere zu fotografieren, ob am heimischen Vogelhaus, im Park und Wald oder in den entferntesten Regionen dieser Erde.
In Deutschland sind die Vögel, neben den Insekten, die artenreichste Gruppe an Tieren. Das Interesse an der Vogelfotografie ist deshalb bei einheimischen Tierfotografen besonders groß. Aus diesem Grund nimmt die Vogelfotografie einen großen Anteil in diesem Buch ein, um es dir möglich zu machen, diese Tiergruppe gekonnt in Szene zu setzen.
Füchse sind oft an Menschen gewöhnt, sodass man sich ihnen bis auf wenige Meter nähern kann.
Für jeden Fotografen, ob Hobbyoder Berufsfotografen, ist das Spektrum der Tierfotografie gewaltig. Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien oder Insekten, die Vielfalt der Tierwelt ist fast unermesslich. Durch die subjektive Wahrnehmung von uns Menschen ergibt sich mit den Stilmitteln der Fotografie eine Vielzahl an unterschiedlichen Deutungen. Es entstehen immer wieder neue Bilder mit den gleichen Motiven. Dabei erlebt die Tierfotografie eine enorme Entwicklung und ist natürlich auch gewissen Trends unterworfen. Von der reinen formatfüllenden Fotografie eines Tieres zur Bestimmung über die Abbildung von Tieren in ihrer natürlichen Umgebung bis zur künstlerischen Darstellung der Tierwelt ist heute alles möglich.
Die Tierfotografie hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Noch vor 20 Jahren waren viele Tierfotografen von Haus aus Ornithologen oder Tierkenner. Mit fundierten ornithologischen oder tierkundlichen Kenntnissen eigneten sie sich die Technik der Fotografie autodidaktisch an. Die Fotografie wurde als Werkzeug zur Dokumentation benutzt. So konnten Beobachtungen festgehalten und Nachweise erbracht oder Reiseberichte erstellt werden, die auf Fachgruppenabenden und Naturschutztagungen regen Austausch ermöglichten.
Heute gibt es viele Gründe, warum jemand Tiere fotografieren möchte. Zum einen bestimmt natürlich immer noch die Dokumentation von Arten und deren Verhaltensweisen die Tierfotografie. Zunehmend gibt es aber Fotografen, die ein künstlerisches Interesse an Tieren haben. Solche Fotos gewinnen in letzter Zeit immer mehr das Interesse, sodass neue Trends entstanden. Verwischte Bewegungsabläufe, Perspektivwechsel, Spiegelungen, Bildgestaltung sind nur einige der Möglichkeiten, die dir zur Verfügung stehen. Darauf werde ich in diesem Buch ausführlich eingehen.
Rotwildrudel während der Brunft
Eine weitere Passion, die heute Tierfotografen antreibt, ist das Ausreizen der sich rasant entwickelnden Kameratechnik. Um die immer aufwendigeren Kameraausstattungen auszutesten, eignet sich die Tierfotografie bestens. Mit den Einstellungen von Belichtungszeit, ISO-Zahl und Blende kannst du hervorragend experimentieren.
Kranich bei Sonnenaufgang
Die Tierfotografie gehört zu den schwierigsten Arten der Naturfotografie. Das liegt daran, dass Tiere meist sehr schnell unterwegs und ständig in Bewegung sind. Im Gegensatz zur Landschafts- und Makrofotografie hast du in der Tierfotografie meist nicht die Zeit, um dich in Ruhe auf das Objekt einzustellen oder einzulassen. Oft musst du das gewünschte Motiv schnell und intuitiv erfassen. Das kann in der Regel nur funktionieren, wenn du das Verhalten der Tiere gut kennst und deine Technik aus dem Effeff bedienen kannst. Da sind wir auch schon bei den wichtigen Voraussetzungen für das Gelingen von guten Tierfotografien: Zeit, Geduld, gute Vorkenntnisse über das Verhalten der Tiere, das Beherrschen der Technik. Dies und ein Quäntchen Glück sind der Schlüssel zum Erfolg.
Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Tierfotografen arbeiten mit der Darstellung besonderer Momente und nutzen die verschiedensten Lichtstimmungen. Den perfekten Moment im perfekten Licht darzustellen, ist der Reiz, der uns Fotografen immer wieder besonders zeitig aufstehen lässt, um bei Sonnenaufgang längst schon am Zielort zu sein. Durch den Arten- und Farbreichtum in der Tierwelt kannst du deine persönliche Sichtweise auf die Tiere zeigen. Die unerschöpfliche Motivauswahl ist die Grundlage für den Anspruch, den du beim Fotografieren an dich selbst und deine Fotos stellst.
Oft entstehen gute Tierbilder im weitesten Sinne vor der eigenen Haustür. Zum einen kennst du dich dort am besten aus, bist bei besonderen Lichtsituationen schnell vor Ort oder dort einfach am häufigsten unterwegs. Wer sich oft in der Natur bewegt, wird schnell lernen, das Verhalten der Tiere dort einzuschätzen, die Tiere zu kennen und zur richtigen Tageszeit am richtigen Ort sein. Das sind die Grundvoraussetzungen, um gute Fotos zu erhalten.
Seeadler kurz nach dem Beutefang
Ein gutes Tierfoto weckt beim Betrachter Emotionen. Nur so prägt sich das Foto ein und wird nachhaltig wirken. Mit deinen Tierbildern kannst du die Schönheit der Natur zeigen, aber auch auf Missstände in der Natur aufmerksam machen. Mit deinen Fotos solltest du dich direkt für die Natur, den Naturschutz und die Erhaltung unserer Umwelt einsetzen. Geh mit deinen Fotos an die Öffentlichkeit, halte Vorträge oder veröffentliche Beiträge, um auf die Schönheit der Natur aufmerksam zu machen und Verständnis für ihre Sensibilität und Zerbrechlichkeit zu wecken.
Da sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen mit der Naturfotografie beschäftigen, wächst der Druck auf die Natur. Immer mehr Hobbyfotografen möchten Tiere und Landschaften in den unterschiedlichen Lebensräumen fotografieren. Dies birgt die Gefahr der Störungen für Tiere und Lebensräume. Mein Buch soll daher nicht nur Ratgeber sein, sondern gleichzeitig als Anleitung zum verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur dienen. Auf diese Weise möchte ich meinen Beitrag zum Schutz unserer empfindsamen Natur leisten und dir das richtige Werkzeug für gute Bilder, aber auch für den achtsamen Umgang mit der Natur mitgeben.
In diesem Sinne: Gut Licht!
Dein
Eines der wichtigsten Kriterien für ein gutes Tierfoto ist das richtige „Ansprechen“ der Tiere, bevor du sie fotografierst. Natürliche Verhaltensweisen und Lebensräume zu kennen, trägt wesentlich zum Erfolg bei. Deshalb ist es früher oder später notwendig, dir entsprechende Artenkenntnisse anzueignen. Dies erfordert viele Beobachtungsstunden in der Natur mit Bestimmungsbuch oder einem erfahrenen Naturkenner an deiner Seite.
Allein an Vögeln brüten über 500 Arten in Europa, dazu kommen Gäste, die auf dem Zugweg rasten, und die verschiedensten Federkleider. Bei dieser Menge an Arten kannst du aus vielfältigen Möglichkeiten schöpfen. Es ist nicht notwendig, dass du sofort alle Arten studierst. Beginne mit den am häufigsten vorkommenden Tieren in deiner Umgebung und arbeite dich mit der Zeit zu den selteneren Arten vor. Kennst du die häufigen Arten, kannst du später schon viele Spezies ausschließen, um zur richtigen Bestimmung einer Art zu gelangen.
Die Bestimmung der Säugetiere in Deutschland ist relativ einfach, obwohl sie doch immer wieder Probleme bereitet. Vor allem ähnliche Arten wie Waschbär oder Marderhund, Stein- oder Baummarder, Kegelrobbe oder Seehund können viele Fotografen nicht sicher bestimmen. Wenn du aber viel Zeit in der Natur verbringst, hast du gute Chancen, dir umfangreiche Kenntnisse anzueignen.
Kampfläufermännchen im Brutkleid
Kampfläuferweibchen sind viel schlichter gefärbt als die Männchen
Bei der Bestimmung einer Vogelart kannst du am Anfang nach einem Bestimmungsschlüssel vorgehen. Frag dich zuerst, ob die Art überhaupt in diesem Lebensraum (auch Habitat genannt) vorkommt und ob sie sich zu dieser Jahreszeit dort aufhält. Dazu sind in den meisten Bestimmungbüchern Verbreitungskarten abgebildet, aus denen du ablesen kannst, wo sich der jeweilige Vogel zu welcher Jahreszeit aufhält. Oft sind dort auch typische Verhaltensweisen, Angaben zur Nahrungsaufnahme, Federkleider und Flugbilder der Vögel beschrieben.
Als Nächstes solltest du eine Größenabschätzung vornehmen und dabei bekannte Vogelarten als Vergleichsarten heranziehen. Für die verschiedenen Größenvergleiche eignen sich: Haussperling, Amsel, Ringeltaube, Mäusebussard und Seeadler. Damit kannst du alle bei uns vorkommenden Arten größenmäßig einordnen. Beachten solltest du dabei immer die Lichtverhältnisse. Ein heller Vogel vor dunklem Hintergrund wirkt immer größer als ein dunkler Vogel vor dem gleichen Hintergrund. Ebenso wichtig ist die Tatsache, ob du mit dem Licht oder gegen das Licht beobachtest. Im Gegenlicht wirken die Tiere oft viel schlanker und zierlicher, da das Licht die Ränder des Tieres überstrahlt.
Nachdem die Größenordnung festgestellt ist, solltest du dir die Schnabelform und die Schnabellänge ansehen. Ist der Schnabel dünn oder kräftig, gerade oder gebogen und ist der Schnabel länger oder kürzer als der Kopf des Vogels? Danach solltest du weitere Details wie Körperform, Farben, Beine, Augen, Flügelbinden, Überaugenstreif und Muster auf Scheitel, Kehle, Brust, Bürzel und Schwanz beurteilen. Wegen der großen Ähnlichkeiten stellt die Bestimmumg von Watvögeln, sogenannten Limikolen, eine besondere Herausforderung dar.
Im Gegenlicht wirken Tiere oft kleiner, als sie sind, da die Ränder überstrahlt werden
Meerstrandläufer sind oft sehr schnell am Strand unterwegs. Die plumpe Körperform, die gelben Beine und die gelbe Schnabelbasis kennzeichnen den Vogel eindeutig.
Knutts im Jugendkleid. Gerade im Spätsommer ziehen an unserer Ostseeküste viele Jungvögel entlang, deren Bestimmung nicht so einfach ist.
In der Literatur sind oft nur Pracht- oder Brutkleid und das Schlichtoder Ruhekleid abgebildet. Das sogenannte Jugendkleid fehlt meist völlig. In diesem Federkleid sind aber gerade bei uns viele Limikolen im Spätsommer zu beobachten, wenn sie auf dem Durchzug hier rasten.
Wichtig für die Bestimmung von Vögeln ist die Beachtung des Alterskleides. Vögel mausern nach einem bestimmten Mauserzyklus. Als Jugendkleid bezeichnet man das Gefieder, sobald der Vogel flugfähig ist. Danach wechseln die Vögel in das erste Winterkleid. Singvögel wechseln vom Jugendkleid meist gleich in das Jahreskleid der Altvögel. Andere Arten durchlaufen mehrere Mauserzyklen, bevor sie ihr Alterskleid bekommen. Die Silbermöwe z. B. bekommt ihr Alterskleid erst, nachdem sie mehrere Mauserzyklen durchlaufen hat. Erst nach dem vierten Jahr sind die Jungvögel nicht mehr von den Altvögeln zu unterscheiden.
Erst nach vier Jahren erhalten die Silbermöwen ihr reinweißes Gefieder
FERNGLAS: UNABDINGBAR
Wegen der Vielzahl an Bestimmungsmerkmalen ist es unabdingbar, ein gutes Fernglas mitzuführen. Lege dabei Wert auf eine große Vergrößerung und geringes Gewicht, da du ohnehin viel an Ausrüstung bei dir hast. Mein Favorit ist eine 10 x 32- oder 10 x 42-Vergrößerung.
Stimme und Lautäußerungen von Tieren tragen ebenso dazu bei, Motive zu bestimmen und zu orten. Gerade im Wald sind die Stimmen der Vögel oder die Laute von Tieren oft der Schlüssel für ein gelungenes Tierfoto. Viele Tiere sind zu hören, bevor du sie siehst. Kenntnisse darüber sind deshalb sehr vorteilhaft. Mit Zeit, Geduld und vielleicht auch Unterstützung eines erfahrenen Ornithologen oder Naturkenners lassen sich die Tierlaute und Vogelstimmen erlernen. Es gibt auch eine Reihe von Tonträgern oder Apps mit Vogelstimmen und Tierlauten, mit denen du dein Gehör trainieren kannst. Dies ist eine gute Ergänzung, ersetzt jedoch nie die Erfahrung in der freien Natur.
Um bestimmte Vorstellungen vom Bild wie Licht, Reflexionen und Schatten umzusetzen, sind folgende Informationen im Vorfeld wichtig: Ist das Tier oder der Vogel ein Einzelgänger oder hält er sich meist im Rudel oder Schwarm auf? Bei Vögeln ist wichtig zu wissen, ob der Vogel ein Koloniebrüter, Baumbrüter, Höhlenbrüter, Felsbrüter, Bodenbrüter oder Gebäudebrüter ist.
Entscheidend sind ebenfalls Informationen zum Zugverhalten oder zu Wanderungen der Tiere. Ist der Vogel ein Zugvogel oder verbringt er den Winter bei uns? Sonst kann es passieren, dass du Vögel in der Natur suchst, die sich bereits in afrikanischer Sonne wohlfühlen. Welche Zugrouten fliegt der Vogel, wo befinden sich fotografisch günstige Rastplätze? Wo hält sich das Wild zu bestimmten Zeiten auf? Brunftplätze werden z. B. nur in Zeiten der Brunft aufgesucht, das heißt von September bis Oktober.
Jede Tierart verfügt über ganz eigene Verhaltensweisen bei der Nahrungsaufnahme. Bestimmte Orte und Zeiten sowie die Art und Weise sind kennzeichnend für jede einzelne Tierart, die ein guter Fotograf kennen muss. So gelingt dir irgendwann das emotionale Foto, das berührt und eine Geschichte erzählt.
Im ersten Licht des Tages konnte ich diesen Rehbock aus dem Auto heraus fotografieren
Die häufigste Form der Tarnung wird in der Biologie als Somatolyse bezeichnet. Darunter verstehen wir das „visuelle Auflösen oder Verschmelzen des Körpers mit seiner Umwelt“, also die Anpassung der Tiere in Form und Farbe an ihren Lebensraum. Die Tarnung dient hauptsächlich dem Zweck, unentdeckt zu bleiben, um z. B. vor Fressfeinden geschützt zu sein oder gut geschützt brüten zu können. Dazu entwickelten die Tiere im Laufe der Evolution verschiedenste Variationen von Tarnungen in Form und Farbe.
Viele Vögel vollziehen die Tarnung perfekt und richten sich dabei auch auf die unterschiedlichen Jahreszeiten mit den damit verbundenen farblichen Veränderungen in der Umwelt ein. In der Zukunft könnte durch die Klimaerwärmung und die immer zeitigere Schneeschmelze für einige Vögel ein Problem entstehen: Wenn die Vögel sich nicht dem zeitlichen Rhytmus anpassen, werden die meist hellen Winterkleider in der bereits farbigen Umwelt auffällig sichtbar. Im Herbst tritt die gleiche Situation ein: Die Vögel mausern in ihr Winterkleid, obwohl die Landschaft noch gar nicht winterlich ist, und sind abermals deutlich sichtbar für Feinde. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Prozess entwickelt.
Männliches Moorschneehuhn im Frühjahr. Der Schnee ist bereits abgetaut, aber das Schneehuhn trägt noch die Hälfte des komplett weißen Wintergefieders. Dadurch ist es weithin sichtbar und leichte Beute für Feinde.
Das Weibchen des Moorschneehuhns im Frühsommer, perfekt getarnt und kaum von der Umgebung zu unterscheiden
Die meisten Vögel wechseln ihr Federkleid nicht so extrem wie die Moorschneehühner. Bei den Limikolen unterscheiden wir auch in Pracht- und Schlichtkleid. Diese sind meist nicht so stark farblich verändert wie bei den Moorschneehühnern. Viele Limikolen besitzen eine unscheinbare Färbung, was ihre Bestimmung äußerst schwierig gestaltet.
Alpenstrandläufer auf dem Durchzug an der Ostseeküste. Links sind zwei Altvögel erkennbar, die noch das Brutkleid tragen, rechts ein Vogel im Jugendkleid.
Bei den meisten Vögeln übernehmen die Weibchen die Aufgabe des Brütens. Daher ist das Federkleid der Weibchen meist unauffälliger bzw. nicht so farbig wie das der Männchen. Dies hilft den Weibchen zusätzlich beim Brüten und der späteren Jungenaufzucht. Es gibt aber auch einige Beispiele in der Vogelwelt, wo dies gerade umgekehrt ist. Bei den Odinshühnchen ist das Weibchen kräftiger gefärbt als das Männchen. Bei dieser Art, wie auch beim Mornellregenpfeifer, übernimmt das Männchen das Brüten und die Aufzucht der Jungen.
Viele Kleinvögel sind perfekt an ihre Umgebung angepasst und machen es dir schwer, sie zu entdecken. Es gehört schon eine Menge Erfahrung dazu, gut getarnte Kleinvögel aufzuspüren und zu fotografieren. Außerdem wechseln viele von ihnen zu den Jahreszeiten das Gefieder vom Prachtkleid in ein Ruhe- oder Winterkleid. Genauso wie die Moorschneehühner auf dem Fjell in Norwegen hat auch die Schneeammer dort ihr Brutgebiet. Mit ihrem schwarzweißen Gefieder passt sie sich während der Brutzeit den flechtenbewachsenen Steinen auf dem Fjell hervorragend an.
Sind Schneeammern bei uns im Winter zu Gast, ist das Gefieder nicht mehr so reinweiß gefärbt wie im Brutgebiet. Der helle Bauch bleibt erhalten, aber die Rückenpartien sind bräunlich gefärbt. So sind die Schneeammern im Überwinterungsgebiet auf den Feldern oder am Strand weniger auffällig. Kleinvögel, die im Gras am Boden oder versteckt in Bäumen und Sträuchern brüten, haben oft ein einfaches gestricheltes Gefieder, das sie mit ihrer Umgebung verschmelzen lässt.
Nachtaktive Vögel müssen noch besser getarnt sein, da sie tagsüber meist bewegungslos im Baum oder im Geäst sitzen. Entdecken Kleinvögel eine sitzende Eule oder einen Kauz am Tag, starten sie mitunter laut rufend Scheinangriffe auf die ruhenden Großvögel. Diese flüchten dann oft zu einem ruhigeren Standort.
Männliche Schneeammer auf dem Fjell – perfekte Tarnung vor den flechtenbewachsenen Felsen
Wie gut Kleinvögel an die Umgebung angepasst sind, zeigt hier der Birkenzeisig. Durch sein gestricheltes Gefieder ist er kaum von der Baumrinde zu unterscheiden.
Nicht nur Vögel tarnen sich in der Natur. Auch andere wild lebende Tiere sind perfekt angepasst. Gerade zur Jungenaufzucht ist es extrem wichtig, unauffällig zu sein, um seinen Nachwuchs nicht in Gefahr zu bringen. Auch die Jungen sind meist der Umgebung so angepasst, dass es schwerfällt, sie zu entdecken und zu fotografieren. Bedenke immer, dass die Tiere meist uns zuerst in der Natur entdecken, bevor wir sie wahrnehmen.
Dieses perfekt getarnte Rehkitz entdeckten wir erst kurz bevor wir die Kiefer zur Seeadlerberingung besteigen wollten. Wir verschoben die Beringung, um das Kitz nicht zu gefährden.
Säugetiere wechseln ihr Fell jährlich ebenfalls von einem Sommer- in ein Winterfell. Bei einigen Tieren fällt dieser Fellwechsel auch farblich extrem aus. Während beim Rotfuchs das dichtere Winterfell eine ähnliche Farbe hat wie das Sommerfell, kann beim Hermelin und Mauswiesel die Färbung völlig verschieden sein. Im Sommer sind beide Arten oberseits bräunlich und unterseits weiß gefärbt. Im Winter kann es sein, dass beide Arten in ein reinweißes Fell wechseln. Auch der in nördlichen Regionen beheimatete Polarfuchs hat ein dunkles Sommerfell und wechselt im Winter in ein reinweißes Fell.
Polarfuchs im dunklen Sommerfell. Das reinweiße Winterfell wäre zu dieser Jahreszeit zu auffällig auf dem Fjell.
Ein Rothalstaucher beim Brüten. Verlässt er das Nest, bedeckt er vorher die Eier mit Pflanzen, sodass diese vor Fressfeinden wie Kolkraben oder Krähen geschützt sind.
PRÄDATOREN-MANAGEMENT
In Deutschland liegen viele Limikolenbrutplätze innerhalb von Naturschutzgebieten oder Nationalparks. Das ist sehr wichtig, denn besonders Schnepfen, Rotschenkel und Regenpfeifer benötigen ruhige, geschützte Plätze zur Jungenaufzucht. Trotz seiner idealen Tarnfärbung bietet etwa der kleine Regenpfeifer Greifvögeln, Großmöwen, Füchsen und anderen Raubtieren einen relativ sicheren Jagderfolg. Prädatoren spielen bei der Bestandssituation dieser am Boden brütenden Vögel eine entscheidende Rolle.
Um die Bestände dieser seltenen Wiesenvögel zu erhalten, ist es heute unabdingbar, ein Prädatoren-Management durchzuführen. Ohne Bestandsregulierung der Prädatoren werden wir weitere wiesenbrütende Vogelarten verlieren, wie in den letzten Jahren den Kampfläufer und den Alpenstrandläufer. Auch der Bestand des Kiebitz ist laut NABUStudie von 1992 bis 2016 um 88 Prozent zurückgegangen!
Ein junger Sandregenpfeifer am Strand. Von Weitem ist er als Vogel kaum zu erkennen. Man verwechselt ihn eher mit einem Stein. Hier passt die Tarnfarbe des Jungvogels optimal zur Umgebung.
Besondere Sensibilität ist bei der Nestfotografie erforderlich. Du solltest niemals Veränderungen am Nest und der unmittelbaren Umgebung vornehmen. Der Vogel hat den für ihn am besten getarnten, idealen Brutplatz ausgesucht. Dies musst du unbedingt respektieren. Ergeben sich am Nest keine Fotomöglichkeiten, weil es womöglich ringsum getarnt bzw. eingebaut ist, solltest du ein anderes Nest suchen. Hier kannst du deine Ausdauer und Geduld als Tierfotograf unter Beweis stellen. Dein Motiv muss sich zu jeder Zeit sicher fühlen. Nur so wirst du Aufnahmen mit natürlichen Verhaltensweisen bekommen.