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Fürs Wünschen ist es nie zu spät, gerade in Zeiten des Umbruchs: wenn die Kinder aus dem Haus gehen oder das Berufsleben in den Ruhestand übergeht. Christiane Tramitz zeigt in ihrem Ratgeber, dass ein Leben ohne Wünsche kein richtiges Leben ist. Wohl jeder hatte schon einmal das Gefühl, das Leben zu verpassen – weil die tausend Pflichten des Alltags alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und keine Zeit mehr bleibt für die eigenen Wünsche, Träume und Sehnsüchte. Dabei wissen Psychologie und Verhaltensforschung seit langem: Erfüllte Wünsche steigern unser Selbstbewusstsein! Christiane Tramitz folgt dieser Erkenntnis und zeigt mit bewährten Tipps und Anregungen aus der Beratungspraxis, wie wir das Wünschen wieder lernen können. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es sehr unterschiedliche Wunsch-Typen gibt, dass aber jeder zum "Meister-Wünscher" werden kann, der selbstbewusst sagt: "Gewünscht, getan!" Christiane Tramitz ist promovierte Verhaltensforscherin und erfolgreiche Sachbuch-Autorin. Bei Knaur sind der Lebenshilfe-Erfolg "Ich und die anderen", den sie zusammen mit Jens Corssen geschrieben hat, sowie ihr einfühlsames Frauen-Porträt "Harte Tage, gute Jahre. Die Sennerin vom Geigelstein" erschienen.
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Seitenzahl: 307
Christiane Tramitz
Wünsch dir was!
Wer seinen Träumen folgt,wird glücklich
Knaur e-books
Wohl jeder hatte schon einmal das Gefühl, das Leben zu verpassen – weil die tausend Pflichten des Alltags alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und keine Zeit mehr bleibt für die eigenen Wünsche, Träume und Sehnsüchte. Dabei wissen Psychologie und Verhaltensforschung seit langem: Erfüllte Wünsche steigern unser Selbstbewusstsein. Christiane Tramitz folgt dieser Erkenntnis und zeigt mit bewährten Tipps und Anregungen aus der Beratungspraxis, wie wir das Wünschen wieder lernen können.
Ich wünsche mir ein Buch. Eins, das ich selber schreibe. Ein Buch über Wünsche. Ja, das wünsche ich mir. Ich wünsche mir ein eigenes Buch über Wünsche.
Aber wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir kein Buch über Wünsche. Sondern eins über unerfüllte Wünsche. Das wird dann ein Buch über Träume und Sehnsüchte, über Fantasien und Luftschlösser, über den Himmel auf Erden und über »Ach, was wäre, wenn …«.
Was habe ich mir im Leben nicht schon alles gewünscht? Als Kind Spielzeug, ein Pferd, einen Hund, oder war es in umgekehrter Reihenfolge? Später trendige Kleidung, Schallplatten. Dinge, wie Jugendliche sie eben lieben, meist materieller Natur, manche wurden von den Eltern erfüllt, manche nicht.
Dann kamen die Wünsche, die man vor dem Einschlafen träumt. Oder kurz nach dem Aufwachen. Das waren intime Wünsche, manchmal unerfüllbare, scheinbar unerfüllbare erträumte Wünsche. »Was wäre, wenn …«
Das waren Wünsche, die keine noch so verwöhnenden Eltern erfüllen können. Das waren Wünsche, die man sich nur selber erfüllen kann. Ich habe solche Wünsche noch heute, und ich weiß: Das Wünschen hört nie auf. Sicherlich, jeder kennt das Verhalten, das in dem resignativen Satz gipfelt: »Ja, wenn ich gekonnt hätte, wie ich gewollt habe!« Dann hätte ich eine Weltreise gemacht, »einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld«. Oder auch ohne Geld. Dann wäre ich mal ausgestiegen und hätte Schafe gezüchtet oder wäre Sennerin geworden. Ja, wenn ich gekonnt hätte, wie ich gewollt habe, hätte ich Sinologie studiert, ein paar Obstbäume gepflanzt, hätte damals Martin meine Liebe erklärt, wäre mit dem Kanu den Mississippi runtergepaddelt, oder wenigstens um Norwegen herum, hätte Klavier spielen gelernt, wenigstens für den Hausgebrauch, und ich hätte mir nicht auf dem Kopf rumtanzen lassen von irgendwelchen Chefs.
Aber die Umstände. Irgendwelche Umstände müssen dann, wir sind inzwischen schon etwas älter geworden und aus dem jugendlichen Überschwang heraus, als Ausrede herhalten. Für die Weltreise war das Geld nie da, für die Obstbäume kein Garten, bei Martin stand die Schüchternheit im Weg, und überhaupt, das habe ich alles nie wirklich gewollt, schon mal gar nicht den Mississippi runterpaddeln. Und die Chefs sitzen ohnehin am längeren Hebel. Es muss ja irgendwie weitergehen.
Zurück zum Wunsch nach einem Buch über Wünsche. Mit dem Gedanken daran trage ich mich schon seit einiger Zeit. Es kam nur immer etwas dazwischen. Mal war es dies, mal war es das. Aber vor allem waren es Ausreden.
Kann man das Wünschen lernen? Kann man lernen, sich Wünsche zu erfüllen? Kann man die vermeintlichen Hindernisse überwinden?
In dem Satz »Wenn ich gekonnt hätte, wie ich gewollt habe« steckt immer auch Bitterkeit, ein melancholischer Rückblick auf die verpassten Chancen. Aber warum sind sie verpasst? Sind sie nicht sehr oft aus eigener Unzulänglichkeit vertan worden?
Wir könnten stattdessen doch auch einmal sagen: »Ich mach das jetzt einfach!«
Und das tue ich jetzt und erfülle mir meinen Wunsch!
Eines vorab: Wünsche sind keine Frage des Alters. Der Mensch wünscht, seit er zum Menschen geworden ist. Er strebt, er begehrt, er träumt. Von manchen Wünschen weiß er nichts. Sie werden ihm zufällig erfüllt, oder ihre Erfüllung fällt vom Himmel. Wie der Blitzschlag, der den Baum entzündete und das Feuer und die Wärme brachte. Andere Wünsche sind diffus, und so manches gelingt zufällig und ohne Absicht, wie die Entdeckung Amerikas, als Christoph Kolumbus etwas völlig anderes als die Existenz dieses Kontinents beweisen wollte.
Unsere Wünsche sind in der Regel natürlich bescheidener, wir träumen nicht von der Eroberung des Mondes oder der Besiedlung des Mars. Aber diesen großen Wünschen liegen die gleiche Motivationen zugrunde wie unserem kleinen (aber doch auch großen) Wunsch nach Selbstverwirklichung: unter anderem die Gier. Wir gieren nach etwas anderem als dem, was wir haben. Und die Gier hat sich vom Neid entzünden lassen. Wir, seien wir ehrlich, sind neidisch auf das Auto, das Haus, das Glück des Nachbarn.
Aber was ist mit Wünschen, die man immer wieder träumt, wieder und wieder, morgens und abends? »Sollte ich nicht, ich würde so gerne …«
Irgendwann kommt das Alter. Man hat so viele Wünsche geträumt, etliche davon haben sich erfüllt, mindestens ebenso viele hat man versäumt. Man hat starke Wandlungen im Leben erlebt. Da wäre man gerne aus seiner Haut geschlüpft und hätte sich gewünscht, ein anderer Mensch zu sein. Und es gab Phasen, in denen man glaubte, Wünsche hätten keinen wirklichen Sinn mehr, weil sie ohnehin nicht in Erfüllung gingen.
»Wünsch dir was« – aber was?
Wünschen ist eine Kunst. Richtiges Wünschen.
Damit sind die Wünsche eines Meisterwünschers gemeint, Wünsche, die wir uns auch erfüllen können und die uns im Leben weiterbringen.
Ich meine Wünsche, die wir nicht verdrängen oder für die wir uns schämen müssten, weil wir fürchten, es könne uns ohnehin niemand verstehen. Wer sich mit über sechzig Jahren wünscht, Boxweltmeister aller Klassen zu werden, macht sich lediglich lächerlich oder hat Allmachtsfantasien. Das ist kein Wunsch, das ist ein Hirngespinst, ein falscher Wunsch, der jenseits aller Möglichkeiten liegt.
Wünsche: Das ist Wollen, Begehren im Kopf, Sehnen und Träumen, gleichermaßen faszinierend und mächtig. Wo kommen sie her, unsere Wünsche, und wozu sind sie da?
Wie kann man sie beherrschen, das Wünschen »lernen«? Warum gelingt es manchen Menschen, ihre Wünsche zu realisieren, und warum hecheln die meisten von uns ihren Wünschen nur hinterher, um am Ende zu resignieren und die eigenen Träume zu jugendlichen Spinnereien zu degradieren?
Die wichtigste aller Fragen an dieser Stelle aber ist:
Wie eigentlich wird man zum Meisterwünscher?
Wir Menschen wünschen nicht auf die gleiche Art, jeder von uns wünscht auf seine Weise. Mal verborgen, mal sehnsüchtig, heimlich, immer wieder aufs Neue hoffnungsvoll, ab und an mutig, gelegentlich fordernd, endlos und manchmal auch nimmersatt. Oder aber auch bloß zaghaft, verzweifelt und resigniert.
Wie wünschen Sie? Wie gehen Sie mit Ihren Wünschen um?
Wer ein atemloses, gehetztes Leben lebt, läuft Gefahr, zu rastlos und getrieben zu sein, um seine wirklichen Wünsche überhaupt wahrzunehmen. Wer von Termin zu Termin rast, immer auf der Suche nach Anerkennung und Erfolg, wird schwerlich an den Punkt gelangen, herauszufinden, was er wirklich will im Leben. Das »Erkenne dich selbst!« ist leicht gesagt – aber so schwer umzusetzen. Manager belegen, wenn sie das Manko erkannt haben, teure Kurse und begeben sich auf den Selbstfindungstrip, und sei es beim Überlebenstraining in der Wildnis.
Andere suchen und suchen, spüren die Ahnung des Wunsches, dass sich ihr Leben irgendwie ändern sollte. Aber wie, wodurch, womit?
So finden wir den devoten und bescheidenen Wunschtyp, der der Ansicht ist, er dürfe sich gar nichts gönnen, und der jeden Genuss und jede Auszeit schon als unverdientes Geschenk des Himmels ablehnt.
Ebenso schwer tut sich allerdings der maßlose Wünscher, der sich nicht entscheiden kann zwischen Wunsch A und B, weil es ja auch noch die Wünsche C, D und E gibt. Bis hin zum Wunsch Z und darüber hinaus. Dann gibt es noch die Gierigen und Neider, die nach immer mehr trachten, nie genug haben und stets das auch noch wollen, was andere haben. Der Nachbar hat das neueste Smartphone, also wünsche ich mir das auch. Aber sind das Wünsche?
Und schließlich gibt es noch die Menschen, die sagen: »Ach, ich bin wunschlos glücklich.« Eine stolze Behauptung. Aber gibt es das überhaupt, ein Leben ohne Wünsche? Nein, das gibt es nicht. Auch der Eremit und der Yogaguru wünschen sich etwas: wenigstens innere Einkehr.
All diese unterschiedlichen Wunschtypen haben eines gemeinsam: Ihr Wünschen geht in eine verkehrte Richtung, sie versäumen Wünsche, sie bereuen Wünsche.
Wir werden diese Wunschtypen hier alle kennenlernen, und dabei werden wir auch erfahren, warum Sie so wünschen, wie Sie es tun – und wie Sie zum Meisterwünscher werden können.
Dessen Wünschen nämlich ist ein besonderes, eines, das stimmig, erfüllbar, wohltuend ist. Es ist das Wünschen eines Lebenskünstlers. Um dieses Ziel zu erreichen oder ihm wenigstens näher zu kommen, werden in dem Buch einige Übungen vorgeschlagen, die von Experten entwickelt wurden. Bei vielen dieser Übungen handelt es sich um das tagebuchartige Aufschreiben von Gefühlen, Sehnsüchten und Wünschen. Selbstbeobachtung und Selbstbekräftigung stehen dabei im Mittelpunkt. Deren Ergebnisse zu notieren ist, wie Studien belegen, sehr effektiv. Geschriebenes ist wirkungsvoller als der bloße Gedanke. Vor allem, wenn es darum geht, sich in seinen Zielen und Wünschen selbst zu bekräftigen.
Wünsche sind ein weites Feld, schwer zu greifen, schwer zu definieren, auch schwer abzugrenzen von Begierde, Sehnsucht, dem Wollen und Träumen, denn sie gehen fließend ineinander über. In der Begierde steckt die Gier, sie ist stärker als das Wünschen. In der Sehnsucht liegt die Wehmut, sie ist oft bittersüß. In den Träumen, ob in denen des Tages oder denen der Nacht, erfüllen wir uns so manch einen unserer Wünsche. Sobald wir zurückkehren dorthin, wo sich unser reales Leben abspielt, wirken diese Wünsche zwar nach, aber verwirklicht sind sie deswegen noch lange nicht.
Wünsche sind vage, einige von ihnen werden zu konkretem Wollen, zu klaren Zielen, die wir angehen. Viele Wünsche aber schweben vor unseren Augen wie kleine Seifenblasen, bis sie zerplatzen.
Eine spezielle, rein auf Wünsche ausgerichtete Forschung gibt es nicht. Das Reich der Wünsche ist in andere Begrifflichkeiten eingebettet, in Handlungsziele etwa, in Motivationstheorien und in solch sperrige Begriffe wie Appetenz. Wer sich, wie beispielsweise der Psychologe Edvard Moser, um eine genaue Beschreibung des Wunsches bemüht, sieht in ihm eine »kleine Mikrowelt mit affektiv kognitiver Struktur und eigenem Gedächtnis … Er enthält einen Teil von Erfüllungsbedingungen, die fest mit ihm verknüpft sind, und eine Struktur antizipatorischer Affekte von Hoffnungen und Befürchtungen, die eine mögliche Aktualisierung betreffen.«
Wünsche lassen sich eben nicht eingrenzen, sich auf wissenschaftlicher Ebene nicht wirklich greifen. Sie sind, wie der berühmte Psychologe John Bowlby sagt, eine »umweltstabile Entität«, etwas modellhaft Existierendes, das nicht näher umschreibbar ist.
Wünsche haben etwas Faszinierendes, manchmal Mystisches, etwas Flüchtiges, manchmal Unberechenbares.
Ich versuche hier also gar nicht erst, einer exakten Definition zu folgen. Stattdessen beschreibe ich die Erkenntnisse aus den nahe gelegenen Disziplinen, unter anderem der Psychologie, Soziologie und der Philosophie. Wünsche stehen in diesem Buch für sämtliche inneren Vorgänge, die uns vorantreiben, uns meist glücklich machen und träumen lassen.
Was auch immer wir uns wünschen und wie auch immer wir mit diesen Wünschen umgehen, eines ist ihnen allen gemeinsam:. Ohne den Vorsatz, den einen oder anderen Wunsch anzugehen, ihn vorher gut reflektiert zu haben, wird nichts aus einem guten Wünschen.
Beginnen wir die Reise ins Reich der Wünsche. Und behalten wir dabei immer diesen einen Satz im Hinterkopf:
»Ich mach es jetzt einfach!«
Fragt man Menschen nach ihren Wünschen, reagieren sie meistens erstaunt.
»Drei Wünsche, so auf die Schnelle, hm«, sagen die einen. »Einen Sechser im Lotto«, sagen andere.
»Gesundheit und Glück für die Kinder«, sagen Väter und Mütter.
»George Clooney lässt sich scheiden und steht mit einem Blumenstrauß vor meiner Tür«, sagte Silke.
Alles nicht wirklich originell.
Gesundheit für Kinder und Familie ist der brave Wunsch. Der, den man äußert, wenn man nach seinen Wünschen gefragt wird. Aber das ist zu simpel, zu trivial. Wer würde schon, zumal öffentlich, zugeben, dass er ganz andere Wünsche hat als diese Selbstverständlichkeiten.
Die Scheidung von Mr. Clooney ist der frivole Wunsch. Bei Männern geht es dann vielleicht um Michelle Pfeiffer oder Scarlett Johansson. Aber was, wenn diese Herrschaften tatsächlich mit Blumen vor der Tür stünden? Haben Silke oder ihr männliches Pendant sich das wirklich gewünscht?
Der Sechser im Lotto. Ach, der ist doch nur materiell. 500000 Euro, eine Million, zwei, drei. Davon kann man sich Schmuck und Kleider kaufen, die in den Auslagen der Edelboutiquen und der großen Markenshops liegen, auch die Eigentumswohnung oder das Ferienhaus, von denen man nicht einmal weiß, wie sie aussehen sollen, man kann sich die Weltreise leisten oder die Luxuskarosse und, und, und … Ist es das, was Sie wünschen?
Welche drei Wünsche haben Sie? Schreiben Sie diese auf einen Zettel, stecken ihn in ein Kuvert und legen dieses in eine Schublade oder verwenden Sie es als Lesezeichen, das Sie durch dieses Buch begleitet.
Drei Wünsche.
Lassen Sie mich raten:
Viele von Ihnen haben auf den Zettel geschrieben:
»Ich hätte gerne mehr Zeit für mich, für meinen Partner, für meine Familie.«
Es könnte auch ein eigenes Haus, ein Ferienhaus, ein neues Auto, ein Flachbild-TV, eine luxuriös ausgestattete Küche oder ein edles Badezimmer auf dem Zettel stehen. Möglicherweise auch körperliche Fitness oder die Fähigkeit, viele Sprachen zu sprechen, zahlreiche Freunde zu haben.
Einige von Ihnen wünschen sich wahrscheinlich eine gesunde Umwelt und soziale Gerechtigkeit oder ähnlich ethisch und moralisch Wertvolles.
Wenn Sie derartige Wünsche aufgeschrieben haben, bewegen Sie sich im Mittelfeld der Deutschen. Glauben wir diversen repräsentativen Umfragen zum Thema Wünschen, erhält man zumindest solche Antworten, ein Potpourri aus materiellen und immateriellen Wünschen.
Was schätzen Sie, wie viel Prozent aller Wünsche gehen in Erfüllung?
Als wir Kinder waren, hatten unsere Wünsche wirkungsvolle Erfüller: Eltern, Großeltern, Patenonkel, Tanten, Freunde, manchmal auch als versteckte Schenker in Gestalt des Christkinds oder des heiligen Nikolaus.
Doch weil die Erwachsenen nicht alles erfüllen konnten und wollten, vor allem auch nicht sofort und unmittelbar, fanden wir als Kinder einen weiteren, überaus wirkungsvollen Wunscherfüller: das Spiel.
Wir erspielten uns unsere Wünsche und Traumwelten herbei, dabei wechselten wir ständig zwischen den unterschiedlichsten Welten hin und her. Wir bauten uns Höhlen, tauchten mit bunten Klötzchen und Figuren in eine Wunschwelt, in der wir bisweilen gerne gewesen wären. Unsere Wünsche waren fantastisch, naiv, meistens von Allmachtsfantasien begleitet.
Wir verkleideten uns, waren Superman, ein mutiger Ritter, eine schöne Prinzessin, ein wilder Indianer. Hemmungslos erspielten wir uns völlig unrealistische Wünsche. Mal waren wir von heute auf morgen groß und stark wie die Erwachsenen und erspielten uns Situationen, in denen wir Herr der Dinge waren. Wir konnten fliegen, konnten andere verlieren lassen, sie einsperren oder aussperren. Es lag in unserer Macht, stets Sieger zu sein.
Wir erfüllten uns – ohne Anspruch auf Perfektion – die meisten unserer Wünsche mit Kreativität und Fantasie. Es war eine schöne Zeit, weil wir uns im Spiel über die Gegebenheiten der Gegenwart hinwegsetzen konnten.
Wenn wir uns an die Selbst-Erfüllungen der kindlichen Wünsche zurückerinnern, an all die Ersatzgegenstände, die wir symbolisch zum Wunschobjekt machten: Was blieb uns später von dieser Fähigkeit? Wo ist sie hin, wann verlorengegangen? Wer erfüllt uns heute unsere Wünsche? Den einen oder anderen immer noch die Eltern, solange sie leben, später möglicherweise auch unsere Kinder, Freunde, vor allem auch der Partner.
Sobald wir jedoch darauf warten, dass andere uns unsere Wünsche von den Augen ablesen und auch noch erfüllen, werden wir schnell zum Jammerer, der ohnmächtig zusehen muss, dass nicht eintritt, was er sich wünscht.
Wie aber steht es um die Selbst-Erfüllung unserer Wünsche? Spielerisch leben wir sie nicht mehr aus, die unbeschwerte Art des Spielens genügt nicht mehr.
Im Lauf der Zeit treten im Spiel unsere Wunschwelten in den Hintergrund. Stattdessen spielen wir Denkspiele, wir messen uns mit anderen beim Schach, wir erleben spielerisch Abenteuer, wir versuchen uns im Glücksspiel, oder geraten in einen Flow, wenn wir Computerspiele spielen.
Bevorzugt flüchten wir mit unseren Wünschen in romantische Filmwelten, wenn uns nach Gefühlen zumute ist, oder wir befriedigen unsere Wunschwelten beim Lesen eines Romans, Kino im Kopf.
Kreative, künstlerisch Veranlagte können Wünsche in Bilder umsetzen oder in Lyrik und Prosa beschreiben.
Kehren wir zu Ihren drei Wünschen zurück. Seit wann tragen Sie diese in sich? Warum haben Sie sich diese Wünsche noch nicht erfüllen können?
An wem oder woran lag beziehungsweise liegt es?
Meine Antwort lautet: Es liegt an Ihnen selbst.
Lernen Sie sich auf den folgenden Seiten nun ein klein wenig besser kennen. Erfahren Sie, welch unterschiedliche Wunschtypen es gibt und wie diese mit ihren Wünschen umgehen. Vielleicht erkennen Sie sich in einem Typus auch wieder, und vielleicht wird Ihnen dann klar, warum Sie den einen oder anderen Wunsch versäumt oder verdrängt haben – und welchen Weg Sie einschlagen könnten, um aus möglicherweise festgefahrenen Wünschen herauszufinden.
Ja, Wünsche können sich festfahren, sie können zur Obsession werden. Erinnern wir uns, wie wir als Kinder Abenteuerbücher gelesen haben, Huckleberry Finn oder auch nur Hanni und Nanni. Hätten wir das erleben wollen? Nein, wir hätten es gerne erlebt haben wollen. Das ist ein großer Unterschied, den Wunsch nach einem abenteuerlichen Leben zu haben oder das abenteuerliche Leben gelebt zu haben, es also hinter sich zu haben und davon zu zehren. Es ist keineswegs unerheblich, ob das Halbblut Indianer-Joe mich, Huckleberry Finn, in Wirklichkeit attackiert oder nur in der Erinnerung attackiert hat. Wünsche zu haben ist das eine, Wünsche zu realisieren das andere. Und wenn der Wunsch, den Mississippi mit dem Kanu zu befahren, in Kontrast gerät zu der realen Angst vor Krokodilen, wird die Wunschrealisierung schwierig. Hinterher, nach überstandenem Kampf mit den Riesenechsen, ist alles einfach.
Eines Tages kam Corinna zu mir, um sich zu verabschieden. Sie ginge fort, alles habe sie gut organisiert, meinte sie. Corinna kehrte ihrem bisherigen Leben den Rücken. Und zwar komplett. Irland war ihr Ziel, dort hatte sie, ohne es irgendjemandem zu verraten, ein kleines Häuschen gekauft. Ihre Wohnung in München hatte sie aufgegeben, alles verkauft, was sie besaß. Sie hatte ihren Job gekündigt, und jetzt, da sie bereit war, sich ins Auto zu setzen und das Abenteuer eines neuen Lebens zu beginnen, klapperte sie ihren Freundeskreis ab und sagte adieu.
Corinna? Wir alle, die Corinna zu kennen meinten, waren sprachlos. Ausgerechnet Corinna, die sonst immer auf Sicherheit setzte, die in München einen guten Job hatte, eine wunderschöne Wohnung, vor allem aber einen großen, lieben Freundeskreis. Ausgerechnet sie gab alles auf?
Ein Leben in Irland, das war stets einer ihrer größten Träume gewesen, ja der Traum, das hatte Corinna immer erzählt.
Träumen von einem Umbruch, das tun viele von uns. Das Leben anders zu gestalten ist ein weitverbreiteter Wunsch, aber geht man den Umbruch auch an? Meistens ist man zu bequem, zu feige. Oder aber der Wunsch drängt doch nicht stark genug.
Ich bewunderte Corinna, irgendwie beneidete ich sie auch. Ich fragte mich, was sie dazu trieb, sich diese Änderung, den Umzug ins weit entfernte Irland, zu wünschen. Vor allem aber fragte ich mich, wie sie es schaffte, diesen lang ersehnten Traum auch umzusetzen.
»Ich mach es jetzt einfach!«, sagte Corinna, als wir uns umarmten.
Corinna wurde zu dem Thema in unserem Bekanntenkreis, sie löste heftige Debatten übers Wünschen aus.
Jeder erzählte von sich, von Freunden und Freundesfreunden, wie diese ihre Wünsche wünschten, wie sie sie sich erfüllten oder damit quälten, weil sie sich nicht trauten und so den Wunsch versäumten.
Da ist Torsten, der nach der Trennung von Frau und Kindern nach seinen Wünschen sucht, da ist Bettina, deren Kinder aus dem Haus sind, da ist Nina, die in ihrem Job nicht mehr wie bisher weitermachen will.
»Könnt ihr euch an eure allerersten wirklich großen Wünsche erinnern?«, fragte Torsten irgendwann mal in die Runde.
Wir grübelten, und langsam tauchten die alten Wünsche wieder auf.
Können Sie sich an einen Ihrer allerersten Wünsche erinnern?
Also noch einmal: Wie entsteht unser Wünschen eigentlich?
Am Anfang aller Wünsche, so lautet zumindest die Theorie des Begründers der Tiefenpsychologie, Sigmund Freud, steht ein innerer Mangel, den wir als Säugling empfunden haben. Wir hatten Hunger, Durst, uns war kalt, wir sehnten uns nach Berührungen, nach Vertrautem, nach Gemeinsamkeit und Geborgenheit.
Derartige Gefühle des Mangels wollen wir ausgeglichen haben. Und schon beginnen wir zu wünschen, wenngleich noch in einfachster Form. Es sind Wünsche im weitesten Sinne, wahrlich elementare Wünsche, solche, deren Aufgabe die Sicherung unseres nackten Überlebens ist.
Später, mit anderthalb Jahren, als wir uns bereits sicher auf zwei Beinen zu bewegen begannen und als wir es liebten, Kinderbücher vorgelesen zu bekommen, immer wieder die gleichen, weil wir von klein an Wiederholungen mochten, begannen wir, unsere Wünsche bewusst an entsprechende Erwartungen zu knüpfen. Was wir uns wünschten, sollte in Erfüllung gehen. Und zwar sofort! Ohne Aufschub! Schnell, schnell!
Es begannen die Zeiten, in denen sich so manch einer von uns im Supermarkt auf den Boden geworfen hat, weil der Wunsch nach einem Lolli oder Gummibärchen nicht in Erfüllung gegangen ist. Damals erfüllten wir uns unsere Wünsche bisweilen recht rigoros, schnappten uns einfach das, was wir haben wollten, entrissen dem Spielkameraden das Sandförmchen und die Schaufel gleich dazu. Noch konnten wir nicht entscheiden, was möglich ist und was wirklich werden könnte. Unser Spielzeug, für die Mädchen die Puppen, für die Jungs die Autos, um im Klischee zu bleiben, waren lebendig, sie hatten dem Psychologen Alan Leslie zufolge eigene Erlebniswelten.
Erst mit vier Jahren taucht der Wunsch als ein gewisses Konzept auf: Ich will das haben, ich will dorthin gehen, ich will, dass du mir das kaufst.
Kurze Zeit später, nachdem wir verstanden hatten, dass Wegschnappversuche auch ihre Grenzen haben, lernten wir auch das Märchenhafte des Wünschens kennen. Wir lagen in den Betten, lauschten den Erzählungen. Wünsche wurden in unserer Fantasie zur Realität.
Mutter, Vater, Großeltern, jemand, der sich Zeit nahm, saßen an der Bettkante und lasen: »In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat …« So beginnt das Märchen vom Froschkönig.
Und dann tauchten wir in Märchenwelten ein, in denen es böse Hexen gab, verwunschene Prinzessinnen, arglistige Königinnen, Feen und Wünsche, Wünsche über Wünsche.
Früh schon lernten wir aus den Märchen den moralischen Aspekt des Wünschens kennen. Wir lernten, dass die Wünschenden artig sein sollten, auch dass es bescheidenes, richtiges und gieriges, falsches Wünschen gibt.
Wünsche blieben mitnichten in der Märchenwelt hängen, sie wurden zur Realität, da waren ja das Christkind, der Nikolaus, der Osterhase, die Zahnfee … Ja, wir wurden zum Wünschen richtiggehend aufgefordert und konnten nahezu hemmungslos draufloswünschen.
Ach, was waren das für herrliche Zeiten. Bei der Frage »Was wünscht du dir zum Geburtstag?« mussten wir nicht so lange überlegen wie heute, um schließlich zu sagen: »Och, eigentlich habe ich ja alles.«
In unserem kindlichen Wunschdenken erschien uns noch alles möglich, Fantasie und Realität klafften nicht unüberwindbar auseinander.
Die unbeschwerte Zeit des Wünschens, vor allem jenes, das mit Erwartungen gekoppelt ist, ging irgendwann vorbei. Mehr und mehr lehrte uns die Erfahrung, dass wir keineswegs alles bekommen, was wir uns wünschen.
So schränkten wir uns im Wünschen ein, verlagerten es mitunter auf immaterielle, geistige Werte. Die Wünsche begannen sich auch auf unsere Identität zu beziehen, darauf, wie und wo wir leben und wer unser Leben begleitet.
Worin wurzeln die Wünsche? In uns selbst?
Oder werden diese Wünsche von anderen geprägt und sind eigentlich nicht wirklich unsere?
Es sind laut dem Psychologen Peter Gollwitzer viele Wurzeln, aus denen die Wünsche wachsen: aus unseren Interessen, Motiven, Werten und Einstellungen. Dabei können sie von unseren Eltern geprägt und anerzogen sein. Konsti, der kleine Sohn einer Freundin beispielsweise, bekam von klein auf zu Weihnachten, Ostern, zum Geburtstag und Namenstag ein Fahrzeug geschenkt. Ein kleines Spielzeugauto, ein Bobby-Car, später einen elektrisch betriebenen Kinderrennwagen. Mit dem Vater fuhr er, kaum dass Konsti sitzen konnte, Motorrad. Seine Begeisterung für schnelles Fahren wurde von Anfang an geweckt und gefördert. Kein Wunder, dass Konsti sich nichts sehnlicher wünscht, als in großen, schnellen Autos zu sitzen. Eltern können auf höchst subtile Weise die Wünsche ihrer Kleinen wecken. Das kann allein schon durch großes Lob geschehen. Die kleine Sofie klettert irgendwann auf den Schemel und klimpert auf dem Klavier der Eltern herum. Die brechen in ein euphorisches »Fein kannst du spielen, ganz fein!« aus. Sofie merkt, Klimpern löst Begeisterung und Lob aus. Nach dem Behavioristen Burrhus Frederic Skinner handelt es sich hier um eine verdeckte Beeinflussung, die mehr oder weniger aus einem Zufall resultierte.
Unsere Wünsche entsprießen dem kulturellen und sozialen Umfeld, in dem wir aufwachsen. Wir wünschen, was andere haben, wollen haben, was gerade begehrt ist.
Und schließlich ist da noch die Wurzel des Selbst, wenn also Wünsche aus uns selbst kommen – denn schließlich sind wir es, die unter all den Wünschen diejenigen herauspicken und verfolgen, die uns am besten gefallen.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen intrinsischen und extrinsisch motivierten Wünschen. Die intrinsischen stammen aus unserem tiefen Inneren. Nehmen wir an, in Ihrer Nachbarschaft liegt ein Heim für blinde Kinder. Jeden Sonntagnachmittag gehen Sie dorthin, um einer Gruppe etwas vorzulesen, denn es liegt Ihnen am Herzen, Gutes zu tun. Sie genießen diese Lesestunde mindestens genauso wie die Kinder. Der Wunsch zu lesen wurzelt in Ihnen selbst. Sie sind ein intrinsisch motivierter Vorleser. Nehmen wir weiter an, dass eines Tages die Heimleitung auf Sie zukommt und Ihnen ein Kuvert mit Geld mit folgenden Worten in die Hand drückt: »Wir haben alle gesammelt für Sie, damit Sie das Vorlesen nicht so ganz umsonst machen müssen. Und wir wollen Sie gerne auch zukünftig bezahlen, denn die Kinder sind so glücklich.« In diesem Moment wird mit großer Wahrscheinlichkeit Ihre intrinsische Motivation geschwächt, denn die Belohnung kommt nicht mehr nur aus Ihrem Inneren, sondern von außen. Sobald Sie nur noch lesen, um damit Geld zu verdienen, liegt Ihren Besuchen im Kinderheim eine ausschließlich extrinsische Motivation zugrunde. Ihr Wunsch, die Sonntagnachmittage dort zu verbringen, wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit geschmälert. Und kommt dann auch noch eine Kontrolle durch die Heimleitung hinzu, bei der geprüft wird, wie lange Sie vorlesen, wird sich Ihr Wunsch zu lesen langsam in eine Pflicht umwandeln. Sie bewerten das, was Sie tun, neu. Das führt zur Veränderung Ihrer Motivation, der Wunsch, jemandem Gutes zu tun, ist kein Wunsch mehr. Plötzlich entscheiden Sie nicht mehr autonom über Ihren Wunsch.
Wenden wir uns nun einem extrinsischen Beispiel zu: Wer hat sich sagen wir vor zwanzig, dreißig Jahren nach einem Handy gesehnt? Wer vor vierzig Jahren nach einem Videorekorder? Und wer vor hundert Jahren nach einem Telefon mit Drehscheibe? Man kannte dergleichen nicht, und dementsprechend existierten auch keine Wünsche danach. Heute gibt es kein Kind, das sich nicht ein Smartphone wünscht und glaubt, ohne es nicht überlebensfähig zu sein. Eines von vielen Beispielen für extrinsische Wünsche, die die Werbung hervorruft oder bestärkt. Wer will nicht die weißeste aller weißen Wäschen haben? Und wenn XY das schafft, wünsche ich mir eben XY im Hauptwaschgang.
Es ist nicht einfach, zwischen den extrinsischen und intrinsischen Wünschen zu unterscheiden. Wünsche ich mir das, was andere von mir erwarten? Wünsche ich mir ein gutes Image, Reichtum, ein großes Haus, weil ich dann meinen Eltern zeige, dass ich es geschafft habe? Oder wünsche ich mir ein exklusives Auto ganz tief im Inneren nur, um mal meinem Nachbarn vorzuführen, dass auch ich mir was leisten kann?
Menschen, deren Wünschen auf einer rein intrinsischen Motivation basiert, sind mit ihrem Leben zufriedener als jene, deren Wünschen auf extrinsischer Belohnung beruht.
Intrinsische Wünsche können aus Neugierde entstehen, weil wir etwas erleben wollen, weil wir Erfahrungen machen wollen, die wir noch nie gemacht haben. Einen Tandemsprung beispielsweise, weil wir das Gefühl des Fliegens erleben wollen, keinesfalls, um anderen zu beweisen, was wir uns alles trauen.
Intrinsische Wünsche können sich auch entwickeln, wenn sie mit vielen Emotionen verbunden sind, etwa wenn wir uns sozial engagieren und die Freude anderer genießen.
Bisweilen fallen die beiden Motivationsarten auch zusammen, und wir werden für das belohnt, was uns Freude bereitet. In einem solchen Fall schmälert die extrinsische Motivation die intrinsische nicht. Deswegen können sich all diejenigen unter uns glücklich schätzen, die ihre große Erfüllung in der Arbeit finden.
Unsere Bedürfnisse und Wünsche treiben uns in unterschiedlichen Bereichen an, entsprechend viele Motivationstheorien sind in der Forschung zu finden.
Der Motivationspsychologe Clayton P. Alderfer etwa unterscheidet in seiner Theorie drei Kategorien:
Die existenziellen Wünsche, die wir zum Überleben brauchen.
Die Beziehungs- und Kontaktbedürfnisse, sprich die Sehnsucht nach anderen, von diesen akzeptiert, geachtet, unterstützt und geliebt zu sein.
Die Entwicklungsbedürfnisse, bei denen es um die Selbstverwirklichung geht sowie um das kreative und produktive Weiterkommen.
Der Verhaltens- und Sozialpsychologe David McClelland meint, unsere Motivation entstünde aus dem Wunsch nach Erfolg und anspruchsvollen Zielen. Wir wollen Leistung zeigen, uns und anderen beweisen, besser zu sein.
Ein weiterer, tief in uns verwurzelter Wunsch ist der nach Macht, in der Gesellschaft einen guten Stand und Status innezuhaben. Menschen, deren Wünsche vor allem auf dieser Ebene zu finden sind, kümmern sich weniger um ihre Arbeitsleistung als um soziale Kontrolle und um ihr Ansehen bei anderen.
Dann gibt es noch jene Gruppe von Menschen, deren wichtigste Wünsche sich auf Menschen konzentrieren, auf enge, zufriedenstellende Beziehungen.
Die Wurzeln unserer Wünsche sind wie ein Geflecht, in das sämtliche Ansprüche ans Leben verwoben sind. Bei gierigen und neidischen Menschen etwa nähren sich diese Wurzeln aus sozialen und materiellen Vergleichen, bei den anderen, den Wunschträumern, aus einer diffusen Sehnsucht nach Unerreichbarem. Bei notorischen Pessimisten und den stets Gehetzten, die keinen Sinn fürs Wünschen verspüren, verkümmern die Wurzeln allmählich.
Die Verhaltensforschung fragt stets, wozu und warum sich Menschen so und nicht anders verhalten. Aufs Thema der Wünsche bezogen, fragt sie zunächst erst: Warum wünschen wir überhaupt? Warum verbringen wir so viel Zeit mit Gedanken an etwas, was wir gerne hätten, wollen, aber nicht haben? Es geht dabei nicht um die profanen Dinge: Montagmorgen, der Wecker läutet allzu schrill die Woche ein, und man wünscht sich, sich noch einmal umdrehen zu können. Es geht um die existenziellen Wünsche, um die, deren Erfüllung das Leben verändern würde. Oder von denen wir, das aber ganz gewiss, glauben, dass ihre Erfüllung unser Leben umkrempeln, bereichern, aufhellen würde.
Es tauchen unzählig viele Wünsche auf, die wir uns niemals erfüllen können. Dennoch wünschen wir. Ist das nicht vergeudete Zeit? Wäre es nicht besser, wir konzentrierten uns auf ein klares »Ich will und mache es auch«?
Wenn das Wünschen so unverbindlich ist, könnten wir es doch eigentlich auch sein lassen. Und anstelle des Wunsches das Wollen setzen. Denn das Wollen treibt uns wirklich zum Ziel. Oder auch das Begehren. Das regt etwas in uns, das motiviert uns, lässt uns handeln. Was setzen wir beispielsweise alles in Bewegung, wenn wir einen anderen Menschen begehren, uns nach ihm verzehren. Wir sind engagiert, versetzen Berge, um in seiner Nähe zu sein, wir nehmen uns alle Zeit dieser Welt, wir zeigen uns von unserer besten Seite, sind charmant, rücksichtsvoll und aufmerksam.
Doch wie sieht es bei unseren Wünschen aus? Was tun die schon mit uns? Sie bleiben meist im Verborgenen und nagen dort an uns. Der langgehegte Wunsch, eine Weltreise anzutreten, dringt erst an die Öffentlichkeit und in unser handelndes Bewusstsein, wenn wir die Koffer packen und losziehen. Welche Nutzen also haben Wünsche, die im Verborgenen bleiben?
»Wünschen ist was Leichtes und man kann es im Überfluss tun«, meint der Motivationspsychologe Heinz Heckhausen.
Der Wunsch ist unverbindlich und diskret, wenn man ihn nicht verrät. Sie kennen das Glücksgefühl, wenn Sie eine Sternschnuppe vom Himmel fallen sehen, schnell die Augen schließen und sich etwas wünschen. Das übrigens nur, weil unsere Vorfahren hinter dieser Himmelserscheinung göttliche Lichterfunken vermuteten, Dochte, die den Engeln beim Putzen der Himmelskerzen hinabfielen.
Die Sache hat nur einen Haken. »Aber nicht verraten«, sonst fühlt sich die Sternschnuppe auch verraten, verglüht im Nichts und versagt ihren Dienst als Wunscherfüllerin.
In unseren Köpfen schwirren Wünsche in enormer Zahl umher. Der Vorteil liegt auf der Hand: Nicht alle können in Erfüllung gehen, einige jedoch sicher.
Tragen wir eine ausgesprochene Vielfalt an Wünschen in uns, ist das Ausdruck von innerer Lebendigkeit. Und umgekehrt? Befinden wir uns in trauriger, schlechter Stimmung, ist es vorbei mit dem Wünschen, berichtet die Psychotherapeutin Anna Schoch von ihren Patienten. Oder, um es mit den Worten von Friedrich Nietzsche zu sagen: »Wünschen ist ein Anzeichen von Genesung und Besserung.« Der schwermütige, melancholische oder depressive Mensch hat keine Wünsche, weil er in dieser Stimmungsphase ohnehin nur alles schwarzsieht.
Dass wir Menschen Wünsche in uns tragen, ist also keineswegs ein bloß luxuriöses, träumerisches Beiprodukt unseres menschlichen Daseins. Nein, Wünsche sind äußerst wichtige Voraussetzungen dafür, dass es in unserem Leben vorangeht, dass wir unser Leben genießen.
Fatalerweise neigen wir aber dazu, uns zu wenig Gedanken über die Bedeutung des Wünschens zu machen. Wir nehmen unsere Wünsche nicht ernst, schieben sie beiseite, übersehen oder negieren sie. Wir geben den Wünschen erst dann Wichtigkeit, wenn wir es versäumt haben, sie zu träumen, sie zu verfolgen oder gar zu leben.
»Hätte ich doch …«, »Warum habe ich nicht …«, »Es wäre zu schön gewesen …«, »Wie sehr bereue ich, dass ich nicht …«, »Hätte ich auf mein Bauchgefühl gehört!«, lauter lamentierende Sätze, mit zunehmendem Alter, wenn man nicht mehr nur nach vorne blickt, sondern auch zurück, werden sie immer häufiger. Wenn man zurückschaut auf versäumte Wünsche und manchmal deutlich wird, dass Pfade, die ehemals verschlungen und schwierig erschienen, wohl eher ans Ziel geführt hätten. Jetzt ist die Zeit gekommen, unser bisheriges Wünschen zu reflektieren und das, was in unserem Leben noch kommen wird, allmählich mit Wunscherfüllungen zu bereichern.
Wir befinden uns nun an einem Scheideweg, an einem Punkt, an dem das Wünschen in den Vordergrund tritt. Endlich. Man müsste jetzt nur noch mutiger werden, sich weniger um die Konsequenzen scheren, weniger darüber nachdenken, was andere denken. Meistens sind Schicksalsschläge Anlass für derartige Überlegungen, eine organische Krankheit, der Verlust des Jobs, das Scheitern der Ehe oder die Zivilisationskrankheit der Neuzeit, die Burn-out genannte Depression.
Warum aber muss das Kind erst in den Brunnen fallen, bis wir den großen Wunsch nach Veränderung angehen?
Und genau darin liegt eine der wesentlichsten Funktionen unseres Wünschens. Es ist wichtiges Basismaterial für all unser Denken und Abwägen unseres Wollens. Es beflügelt unsere Gedanken und verleiht Mut. Als wichtiger Motor bahnt Wünschen Veränderungen in unserem Leben an.
»Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen. So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausgreifen das wahrhaft Mögliche in ein erträumtes Wirkliches«, schrieb Johann Wolfgang Goethe in Dichtung und Wahrheit.
Je facettenreicher unsere Wünsche sind, desto mehr Wege und Möglichkeiten sehen wir in unserem Leben. Vielfalt ist in allen Lebensbereichen hilf- und ertragreich, Monotonie und Eintönigkeit dagegen langweilig und zerstörerisch. »Sei verwegen und lebe«, war einmal auf einer Motivpostkarte zu lesen. Leicht gesagt, aber trotzdem wahr. Sei verwegen, trau dich und bekenn dich zu deinen Wünschen.
Anders als bei der Ziehung der Lottozahlen folgen unsere Wünsche nicht dem Zufallsprinzip, schon gar nicht, wenn sie zum Wollen werden.