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Man nennt mich nicht nur Wylde, weil es mein Nachname ist, sondern aufgrund meiner Wildheit. Ich mag einer der neuesten Spieler des Arizona Vengeance-Teams sein, doch die Berühmtheit, die damit einhergeht ein Eishockeyprofi zu sein, ist mir nicht fremd. Ob es um einen Fan geht, der ein Autogramm haben möchte, oder um ein Puck-Häschen, das auf mehr aus ist, ich habe mich an die Aufmerksamkeit gewöhnt. Ich genieße sie nicht nur, ich nutze sie auch aus. Sagen wir es so: mein Bett ist selten leer. Als mich eine hübsche Rothaarige in einem Buchladen abrupt innehalten lässt, gehe ich hinein und lasse meinen Charme spielen. Clarke Webber ist jedoch kein bisschen von meiner geistreichen Art und meinem guten Aussehen beeindruckt. Und als sie von meinem Ruhm erfährt, mag sie mich noch weniger. Glücklicherweise bin ich immer für Herausforderungen zu haben. Je näher ich Clarke kennenlerne, desto klarer wird mir, dass meine Tage als Playboy gezählt sind. Ich werde Clarkes Herz erobern. Es ist an der Zeit, weniger wild zu werden. Teil 7 der Reihe rund um das Arizona Vengeance-Eishockeyteam von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.
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Seitenzahl: 299
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Sawyer Bennett
Arizona Vengeance Teil 7: Wylde
Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Joy Fraser
© 2020 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Wylde (Arizona Vengeance, Book #7)“
© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
(www.art-for-your-book.de)
© Coverfoto: Shutterstock.com
ISBN Print: 978-3-86495-572-3
ISBN eBook: 978-3-86495-573-0
Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.
Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Autorin
Wylde
Ich liebe es, in der Innenstadt von Phoenix zu leben. Meine Eigentumswohnung liegt am Rand des Szeneviertels mit allen Trend-Cafés, Fine-Dining-Lokalen und Luxusläden. Abends brauche ich nur einen Block zu Fuß Richtung Westen zu gehen und schon bin ich mitten im Nachtleben. Fünf Blocks südlich befindet sich das Stadion, in dem die Vengeance Eishockey spielen. Daher steht mein Geländewagen meistens in der Tiefgarage, es sei denn, ich fahre damit zum Flughafen wegen eines Auswärtsspiels, aber dann rufe ich oft ein Uber.
Schon immer habe ich das Stadtleben vorgezogen. Bevor ich zu den Arizona Vengeance gekommen bin, spielte ich in Dallas für die Mustangs. Das Stadtleben ist für einen ledigen Mann ein toller Spielplatz, das ich nicht gegen ein Haus in den Vororten tauschen würde. Einige meiner Teamkameraden haben sich dorthin zurückgezogen, um in schicken Villen zu wohnen.
Ich lasse den Aufzug in den vierten Stock links liegen und nehme lieber die Treppen hoch zu meiner Wohnung. Schließlich bin ich ein Profisportler und sollte vier Stockwerke rauf und runter bewältigen können.
Als ich in die Luft des Junimorgens trete, muss ich mich erst kurz von dem Schock der trockenen Hitze erholen. Man sollte meinen, dass ich mich nach vielen Jahren im Südwesten zwischen Dallas und Phoenix daran gewöhnt haben sollte, aber als jemand aus New England tue mich immer noch schwer, ohne jegliche Luftfeuchtigkeit zu existieren.
Dennoch will ich heute wieder mein Training aufnehmen und lasse mich von brennenden Lungen nicht abhalten.
Erst vor zehn Tagen hat mein Team den Stanley Cup gegen den Titelverteidiger, die Carolina Cold Fury, gewonnen. Zehn Tage voller Faulheit, ungesundem Essen und zu viel Bier. Fast jeden Abend war ich mit meinen Kumpels auf der Rolle, betrank mich und nahm immer ein anderes Puck-Häschen mit nach Hause. Aber Mann, ich ertrage so viel Vergnügungssucht nur bis zu einem bestimmten Grad. Denn als Profisportler muss man sich einen besonderen Lebensstil angewöhnen.
Ich habe das Training schon immer ernst genommen. Meine Trainer haben mir schon früh ein Talent bescheinigt, doch meinen Körper zu fit zu halten, gehörte auf jeden Fall dazu. Das bedeutete gesunde Ernährung, Training und die geistige Einstellung, gewinnen zu wollen, sogar außerhalb der Saison.
Dort befinden wir uns jetzt, in der herrlichen Sommerpause, was allerdings nicht bedeutet, dass ich nichts zu tun habe.
Ab heute trainiere ich wieder voll. Das Trainingscamp beginnt erneut in drei kurzen Monaten, und der Druck, der auf uns lastet, mindestens genauso gut zu spielen wie in der letzten Saison, und möglichst noch besser, ist enorm. Dazu kommt, dass mein Vertrag am Ende der nächsten Saison ausläuft. Auf keinen Fall werde ich weniger als hundert Prozent geben.
Heute starte ich also wieder. Ich laufe üblicherweise mindestens dreißig Kilometer die Woche, aufgeteilt in vier oder fünf Morgenrunden.
Viele meiner Defense-Kollegen laufen nicht, sondern konzentrieren sich lieber auf Krafttraining und Muskelausdauer. Das ist auch wichtig, aber aus irgendeinem Grund habe ich das Laufen schon immer geliebt. Dabei kann ich völlig abschalten, und das ist sehr meditativ. Außerdem verbrennt es jede Menge Kalorien. Dadurch kann ich mehr essen, was super ist, denn ich liebe Essen.
Ich halte auf dem Gehweg an und mache ein paar Dehnübungen für die Beine. Es folgen zwei Wiederholungen den ganzen Block zu meiner Wohnung entlang. Leute, die mich anstarren, weil sie mich erkennen, beachte ich nicht weiter. Das passiert nicht oft. Zwar bin ich ein bekannter Spieler der Arizona Vengeance, ein First Line Defenseman, aber nicht die ganze Stadt besteht nur aus Eishockeyfans. Meistens kann ich überall hingehen, ohne erkannt zu werden, was natürlich auch davon abhängt, wo ich mich aufhalte. In Sportbars werde ich um Autogramme gebeten. Im Supermarkt ist es dagegen eher unwahrscheinlich. Besonders, weil ich gern Sonntagfrüh einkaufe, und da sind die Märkte wie ausgestorben.
Nach den Dehnübungen beginne ich mit langsamem Joggen Richtung Osten. Nach dem ersten Viertel der Strecke erhöhe ich das Tempo. Die Kopfhörer sind aufgedreht und DJ Khalil treibt mich an.
Meine Gedanken wandern und beschäftigen sich damit, wie ich den Sommer verbringen möchte. Bisher habe ich noch nicht viel darüber nachgedacht. Ich bin generell eher der spontane Typ. Ich sollte nach Hause nach New Hampshire fliegen und meine Mom besuchen, doch der Gedanke ist deprimierend und demotivierend. Ich verwerfe die Idee. Wir haben nicht die beste Beziehung zueinander, und ich besuche sie nur ab und zu aufgrund eines Pflichtgefühls, und nicht etwa, weil ich mich freue, sie wiederzusehen. Das mag krass klingen, aber sie würde dasselbe sagen.
Normalerweise würde ich den Sommer an einem Strand verbringen, aber in zwei Wochen fliege ich auf die amerikanischen Jungferninseln zu Brooke und Bishops Hochzeit. Das ganze Team wird eine Woche den Stanley Cup und die Hochzeit feiern. Das wird eine einzige lange Party und ich freue mich darauf.
Vielleicht kann ich mich für ein paar Tage nach Wyoming absetzen und angeln gehen. Das habe ich mir in den vergangenen Jahren angewöhnt und es macht mir viel Spaß. Oder ich könnte ein bisschen durch Europa touren. Ein paar meiner Teamkameraden wären zu einem solchen Abenteuer jederzeit bereit. Doch alle Pläne müssen bis nach der Hochzeit Anfang Juli warten, und die Wochenenden bis dahin sind schon verplant.
Weiter vorn sehe ich, dass sich auf dem Gehweg eine Baustelle befindet. An der nächsten Ampel will ich links abbiegen und warte auf der Stelle joggend auf Grün. Andere Fußgänger gehen los und ich laufe weiter. Der morgendliche Berufsverkehr ist schon vorbei, die meisten Leute sind bei der Arbeit, und dennoch muss ich Fußgängern ausweichen.
In dieser Straße war ich noch nie. Ich komme an einem Café, an einer kleinen Drogerie und einem Buchladen vorbei. Ich schaue durch das Fenster der Buchhandlung und sehe eine unglaublich schöne Frau an der Kasse sitzen. Im Vorbeilaufen sehe ich sie nur kurz, aber das rotbraune Haar, zu einem lockeren Knoten hochgesteckt, und die auffallend schönen Augen hinter einer viereckigen, schwarz gerahmten Brille erregen meine Aufmerksamkeit.
Ich mag Brillen nicht besonders, doch ihr steht sie. Ich konnte nicht sehen, ob sie grüne oder blaue Augen hat. Jedenfalls haben sie eine helle Farbe, die in starkem Kontrast zu ihrer feurigen Haarfarbe steht. Einzelne Strähnchen umrahmen ihr schönes Gesicht.
Und genauso schnell, wie ich sie gesehen habe, bin ich auch schon an dem Buchladen vorbei und am Ende des Blocks. Um auf meine Runde zurückzukommen, sollte ich rechts abbiegen und mich stadtauswärts wenden, aber ich werde den Gedanken an die Schönheit nicht los und beschließe, noch einen Blick auf die Frau zu werfen. Anstatt umzudrehen, erhöhe ich meine Geschwindigkeit und umrunde den Block, um meine Kilometer zu absolvieren.
Als ich vor dem Laden ankomme und langsamer werde, um sie genauer zu betrachten, muss ich enttäuscht feststellen, dass sie nicht mehr an der Kasse sitzt. Sie ist nirgends zu sehen. Zugegeben, in dem Laden ist viel los. Er ist mehr als nur ein Buchladen. Ich sehe Tische und frei stehende Regale mit allem möglichen Schnickschnack. Er wirkt gemütlich, einladend und vollgestellt, aber ich sehe keine schöne Rothaarige.
Und wieder lasse ich den Laden hinter mir, und die Gelegenheit, die diese Frau dargestellt hat, existiert nicht mehr.
Am Ende des Blocks bin ich fest entschlossen, rechts abzubiegen und meine Runde wieder aufzunehmen. Aus irgendeinem Grund überquere ich jedoch nicht die Straße, als es Grün wird. Ich jogge auf der Stelle, blicke zum Buchladen zurück und überlege.
„Ach, scheiß drauf“, murmele ich und laufe in diese Richtung.
Kurz vor dem Laden werde ich erneut langsamer, atme tief ein, bis sich mein Herzschlag normalisiert hat. Ich schalte die Musik am Handy, das an meinem Bizeps befestigt ist, aus. Meine Atmung beruhigt sich schnell, denn trotz der faulen zehn Tage bin ich immer noch gut in Form. Ich wische mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und atme tief durch. Ich lese das Schild über der Ladentür. Clarke’s Corner, steht dort in Goldschrift gemalt. Ein Türglöckchen kündigt mich an, als ich die Tür öffne.
Eine raue Stimme ruft von irgendwo hinter den Regalen: „Bin gleich bei Ihnen!“
„Keine Eile“, antworte ich und sehe mich um. Der Laden ist wirklich hübsch. Das gesamte Mobiliar, inklusive der vier langen Reihen Bücherregale, ist hochglanzweiß lackiert. Die Regale sind übervoll, Paperbacks reihen sich an Hardcover-Ausgaben. An den hellblauen Wänden hängen Gemälde, die von lokalen Künstlern stammen könnten. Sie sind mit Preisschildern ausgezeichnet, also stehen sie wohl zum Verkauf. Es gibt Tische mit Lesezeichen, Kerzen, kleinen Lämpchen, Bilderrahmen und anderen Dekoartikeln.
„Hallo“, sagt die Stimme von vorhin, doch diesmal aus der Nähe.
Ich drehe mich um und sehe die schöne Frau. Möglichst unauffällig betrachte ich sie genauer. Sie trägt verwaschene Jeans, rosa Sandalen und ein weißes Tanktop mit einem durchsichtigen, weiten, mintgrünen Oberteil darüber, das ihr von einer Schulter gerutscht ist.
Ihre Augen sind haselnussbraun-grün und die Brille ist aus Schildpatt mit einem dünnen Goldrand. Verstohlen schaue ich hin und sehe, dass sie keinen Ehering trägt. Überhaupt keinen Fingerschmuck. In den Ohrläppchen hat sie goldene Stecker, sie blitzen unter den losen Haarsträhnen hervor, die ihr Gesicht umrahmen, das klassisch schön ist, ohne geschminkt zu sein. Ich kann nicht einmal Augen-Make-up wie Mascara oder Lidschatten entdecken. Nur frische, klare Haut und wache Augen, die mich anschauen.
„Willkommen bei Clarke’s Corner“, sagt sie freundlich. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Äh …“ Ich bin sprachlos. Schließlich kann ich schlecht sagen: Nein, danke. Ich habe Sie beim Joggen durchs Fenster gesehen und will Sie anbaggern, weil Sie so schön sind.
Doch, eigentlich könnte ich genau das sagen. Das habe ich schon getan, wenn mir eine Frau sehr gefiel. Ich sehe nicht schlecht aus und habe Um-den-heißen-Brei-Schleichen nie als bereichernd empfunden. Ich bin eher der direkte Typ.
Mit dem Daumen deute ich hinter mich. „Eigentlich bin ich gerade vorbeigejoggt …“
„Es ist ganz schön heiß heute, um einfach so herumzurennen. Geht es Ihnen wirklich gut? Wollen Sie sich kurz hinsetzen oder so?“
Cleveres Mädchen. Und sie steht anscheinend auf Offenheit.
Grinsend hebe ich die Arme, als ob ich bei etwas erwischt worden wäre, und beeindrucke sie mit meinen Grübchen beim Lächeln. „Okay, ertappt. Ich war joggen und noch nie in dieser Straße. Als ich den Laden gesehen habe, ist mir eingefallen, dass ich am Wochenende zu einer Hochzeit muss und noch kein Geschenk habe.“
Gelogen.
Also, fast.
Am Wochenende findet wirklich eine Hochzeit statt. Mein Teamkamerad Erik heiratet seine Verlobte Blue. Ich habe bereits ein Geschenk, aber kein Problem damit, noch eins zu kaufen.
„Haben Sie schon eine Vorstellung oder brauchen Sie ein paar Vorschläge?“
„Vorschläge, bitte.“ Ich schenke ihr ein leicht verlegenes, doch hoffentlich charmantes Lächeln. „Shoppen gehen ist nicht mein Ding.“
Sie geht zu einem Regal mit Töpferware, das mit interessanten Einzelstücken befüllt ist. Sie nimmt eine Vase in die Hand, die zimtfarben und mit gelben Mustern verziert ist.
„Wie wäre es mit so etwas?“
Ich nehme die Vase in die Hand und tue so, als ob ich sie gründlich betrachten würde. „Ich glaube eher nicht, dass diese ihren Geschmack trifft.“
In Wahrheit käme die Vase schon hin. Ich kenne mich nicht allzu gut aus mit solchen Dingen, aber wenn ich das erste akzeptiere, das sie mir zeigt, ist das Gespräch schnell zu Ende und ich muss wieder gehen.
Als Nächstes zeigt sie mir zwei Messingkerzenständer.
„Zu formell“, sage ich.
Dann einen Porzellanbilderrahmen.
„Zu weiblich.“
Eine Spieluhr.
„Auch zu weiblich.“
Als Nächstes zeigt sie mir einen ausgefallenen Weinflaschenöffner. Das ist das ideale Geschenk. Zögerlich nicke ich lächelnd. „Perfekt.“
„Super.“ Sie geht an mir vorbei zur Kasse.
Sie riecht nach Vanille mit einem Hauch von Orange. Ich mag den Duft und weiß gar nicht mehr, wann mir der Geruch einer Frau je so gefallen hat.
„Soll ich es als Geschenk einpacken?“
„Das wäre fantastisch.“ Alles, was mir die Möglichkeit gibt, sie um ein Date zu bitten, ist mir recht.
Und das werde ich auf jeden Fall tun.
Sie ist heiß und hat etwas Nerdiges mit der Brille und dem unschuldigen Duft. Ihre Kleidung ist leicht zu groß, nicht figurbetont und nicht so offenherzig wie bei den meisten Frauen, mit denen ich sonst ausgehe. Sie ist wie eine Brise frischen Winds. Was mich erstaunt, denn ich habe noch nie auf diesen Typ Frau gestanden.
„Wie lange arbeiten Sie schon hier?“, frage ich genial einfallsreich, während sie unter dem Tresen nach dem Geschenkpapier greift.
„Der Laden gehört mir“, antwortet sie, ohne mich anzusehen.
In ihrem Ton schwingt ein Lachen und gleichzeitig Stolz mit, weil ich nicht auf die Idee gekommen bin, sie könnte die Besitzerin sein.
„Wow“, sage ich überrascht und ehrlich beeindruckt. Der Laden muss recht gut laufen, denn das hier ist ein Bezirk in Phoenix, in dem die Mieten teuer sind.
„Vor einem halben Jahr habe ich eröffnet. Ich habe mir meinen Lebenstraum damit erfüllt und so.“
„Wie schön.“ Ich sehe sie bewundernd an, als sie mir den Rücken zudreht. „Dann nehme ich an, dass Sie Clarke sind von Clarke’s Corner?“
Schnell dreht sie sich um und ich kann gerade noch den Blick von ihrem Hintern nach oben heben. „Genau. Ich bin Clarke Webber.“
„Aaron Wylde“, antworte ich. Ich beobachte sie genau, um festzustellen, ob sie mich erkennt, denn schließlich bin ich hier ein bekannter Eishockeyspieler. Doch schon beim Reinkommen schien sie mich nicht erkannt zu haben, oder sie ist eine exzellente Schauspielerin.
Sie nickt nur freundlich. „Schön, Sie kennenzulernen.“
Tja, sie hat keine Ahnung, wer ich bin, was bedeutet, dass sie kein Eishockeyfan ist. Das überrascht mich nicht. Auch wenn die Vengeance letztes Jahr viel Aufmerksamkeit damit erregt haben, nach Phoenix zu kommen, ist nicht jeder ein Fan. Erst letztens habe ich einen Artikel gelesen, der von 2,9 Millionen TV-Zuschauern beim Finale des Stanley Cups sprach. Im Vergleich dazu haben 19,3 Millionen Menschen das Finale von Game of Thrones gesehen. Eishockey ist offensichtlich eher eine Nischensportart.
Clarke wendet sich mir zu und holt mich aus den Gedanken.
„Wird die Hochzeit formell oder eher locker gefeiert?“
Sie hält mir zwei verschiedene Geschenkpapiere hin. Wahrscheinlich ist eins davon schicker als das andere, aber woher zum Geier soll ich das wissen?
„Sie findet im Freien statt, also tippe ich auf locker.“
„Okay.“ Sie beschäftigt sich mit dem Einpacken und entfernt zuerst das Preisschild.
Ich plappere weiter, was ziemlich ungewöhnlich für mich ist. „Es war eine spontane Entscheidung. Das Paar ist verlobt und wollte eigentlich größer feiern, aber eine plötzliche Schwangerschaft kam dazu, und jetzt haben sie entschieden, noch vor der Geburt zu heiraten.“
„Oh, wie schön.“ Man hört ihr das Lächeln an. „Und falls sie schon einen Flaschenöffner haben, was sehr gut der Fall sein könnte, ist es immer gut, noch einen in Reserve zu haben.“
Nachdem das Geschenk eingepackt ist, geht sie an die Kasse. Ich gerate in Panik, denn gleich ist alles erledigt. Dann wird von mir erwartet, dass ich mit dem Flaschenöffner, den ich gar nicht brauche, den Laden verlasse – und die schöne Frau wird nur noch eine Erinnerung sein.
Ich zerbreche mir das Hirn, um das Gespräch in die Richtung zu lenken, die ich brauche, um sie zu einem Date einzuladen.
Fuck. Das ist echt schwer.
Das kommt sicher davon, nichts Besseres als ein Playboy zu sein, der von Bett zu Bett hüpft. Normalerweise kann ich mich auf mein Aussehen oder meine Bekanntheit verlassen. Die meisten meiner Eroberungen finden nach den Spielen in Bars statt, in denen sich mir buchstäblich Dutzende Puck-Häschen an den Hals werfen und von denen ich mir nur eins aussuchen muss, das mir am besten gefällt.
„Was für Bücher verkaufst du denn?“ Ich gehe zum Du über, da wir beide noch jung sind.
Clarke blinzelt mit diesen verträumten Augen und zieht die Brauen leicht zusammen, als wäre das eine abwegige Frage an eine Buchladenbesitzerin.
„Ähm, ein bisschen von allen Genres. Und wenn ich etwas nicht habe, kann ich es problemlos bestellen. Hast du ein bestimmtes Buch im Sinn?“
Schon wieder eine Unterhaltung, die in eine Sackgasse führt. Ich habe seit Jahren kein Buch mehr gelesen.
Clarke
Wäre der Mann nicht so verdammt attraktiv, würde ich das Gespräch abwürgen, damit er endlich geht.
Aber nur, weil er der schönste Mann ist, den ich je gesehen habe, bedeutet das nicht, dass er ein guter Mensch ist. Ich weiß selbst am besten, dass gutes Aussehen nichts mit dem Inneren eines Menschen zu tun hat. Im Gegenteil. Wahrscheinlich ist es eher ein guter Hinweis darauf, dass es sich um ein egoistisches Arschloch handelt. Zumindest nach meiner Erfahrung, die wahr ist und bestätigt wurde.
Und, Gott, er ist außerdem ein bisschen seltsam. Er ringt um Worte und versucht krampfhaft, ein Gespräch am Laufen zu halten. Wirkt nervös und benimmt sich absolut merkwürdig. Wäre er nicht so höflich, könnte ich glatt Angst bekommen, doch ich glaube, er ist einfach nur seltsam.
„Leider fehlt mir momentan die Zeit zum Lesen“, erwidert der Mann auf meine Frage nach dem Buch.
Wie hieß er noch gleich? Ervin? Allen?
Aaron?
Ich betrachte ihn genauer. Er ist definitiv einer dieser Freizeitsportler. Seine Fitnessklamotten sind teuer. Er trägt eine edle Armbanduhr, was bedeutet, dass er gut verdient. Vielleicht ein Vermögensberater? Einer von denen, die gern in Form bleiben, um im Anzug gut auszusehen. Sicherlich ist er Mitglied in einem exklusiven Club, in dem man an fünf Tagen die Woche Golf und nebenher Flag Football spielt.
Ich lächele höflich, möchte aber am liebsten die Augen verdrehen, wenn jemand sagt, er hätte keine Zeit zum Lesen. Wenn man Bücher liebt wie ich, dann findet man die Zeit dazu. Wenn jemand nicht liest, dann weil er es nicht mag, was ihn in meinen Augen zu einem dummen Menschen macht. Ich meine, wer mag denn keine Bücher? Man lernt etwas aus ihnen, sie bringen einen zum Weinen und zum Lachen und befördern einen in andere Welten.
Der Mann ist wirklich seltsam.
„Ich tippe das schnell in die Kasse ein …“
Er schlägt sich mit der Hand vor die Stirn, als wäre ihm etwas eingefallen, bei dem es um Leben und Tod geht. „Da ist ja noch eine Hochzeit! In zwei Wochen muss ich zu noch einer Hochzeit und brauche dafür auch ein Geschenk. Und wenn ich darüber nachdenke, ist im Juli noch eine, also brauche ich noch zwei Geschenke.“
„Oh, okay“, murmle ich, lege das eingepackte Geschenk auf den Tresen und gehe nach vorn. Der Typ ist echt komisch drauf. „Mal sehen, was wir noch finden.“
Fünfzehn Minuten später haben wir für das eine glückliche Paar eine Vase ausgesucht und für das andere einen Bildband mit Fotos aus dem Südwesten. Ich soll alles ebenfalls einpacken, was ich schnell erledige, bevor ich es dann in die Kasse eintippe.
„Ich weiß, dass das etwas plötzlich kommt“, sagt der Mann zögerlich, „aber würdest du zu der Hochzeit am Wochenende als meine Begleiterin mitkommen? Es gibt eine tolle Party danach mit einem super BBQ und einer Live-Band.“
Ich hoffe, dass mein Lächeln höflich und bedauernd genug ausfällt. „Das ist nett von dir, aber nein, danke.“
„Hast du einen festen Freund?“
„Nein.“ Dumm von mir, ich hätte einfach Ja sagen sollen.
„Bist du verheiratet?“
Verdammte Wahrheit. Ich schüttele den Kopf. „Nein, aber …“
„Dann sag bitte Ja.“ Er verströmt Selbstsicherheit, lehnt sich an den Tresen und lächelt keck.
Zugegeben, es ist ein umwerfendes Lächeln, komplett mit Grübchen und allem Drum und Dran. „Es tut mir leid, Ervin …“
Das nervt ihn ein wenig. „Aaron.“
„Aaron“, wiederhole ich und verkneife mir ein Lachen. „Aber, nun ja … du bist leider nicht mein Typ.“
Sein überraschtes Blinzeln sagt mir, dass das wohl noch keine zu ihm gesagt hat.
Er runzelt die Stirn. „Und was genau ist dein Typ?“
Eigentlich habe ich keinen bestimmten. Ich war schon mit verschiedenen Männern aus. Mit einem DJ, einem Sommelier, einem Dachdecker, allein in den vergangenen zwei Monaten. Doch dieser Mann bringt meine Alarmglocken zum Läuten. Nicht aus Angst, sondern er scheint geradezu nach Komplikationen zu riechen.
Da ich stets auf meine Intuition höre, tische ich ihm noch eine weitere Lüge auf, von der ich weiß, dass sie bei ihm funktionieren wird, schließlich hat er schon einiges von sich preisgegeben. „Ich stehe mehr auf intelligente Nerds. Du weißt schon, diese Leute, die ständig die Nase in ein Buch stecken und auf Anhieb Marcel Proust zitieren können.“
Er blinzelt irritiert und hat kein Wort verstanden. Wirklich ein reiner Sportlertyp. Anscheinend habe ich ihn so schockiert, dass er verstummt ist. Er sagt nichts mehr, während ich die Kasse bediene.
„Das macht dann 179,32 Dollar.“
Aaron holt einen Clip aus der Hosentasche, in dem Geldscheine und eine Kreditkarte stecken. Er zahlt mit der Karte.
Ich stecke seine Geschenke in eine Tragetüte, während er einen neuen Versuch startet, mich zu einem Date zu überreden.
„Wie wäre es mit einer kleinen Wette? Wenn ich gewinne, gehst du mit mir zu der Hochzeit“, sagt er plötzlich.
Er ist hartnäckig, das muss man ihm lassen. Ich muss zugeben, dass er meine Neugier geweckt hat. Ich neige den Kopf leicht zur Seite. „Woran hast du dabei gedacht?“
„Nun ja, ich habe früher viel gelesen“, sagt er schnell und stützt sich mit beiden Unterarmen auf dem Tresen ab. Seine Augen funkeln herausfordernd. „Damals in der Highschool und so. Gib mir ein Zitat aus einem bekannten Klassiker, der dir gefällt, und wenn ich errate, wer es geschrieben hat, kommst du mit zur Hochzeit.“
Ich frage mich, ob das eine wohlüberlegte Falle ist. Aber nein, er ist wirklich nicht an Büchern interessiert. Er hat noch nicht einen Blick auf meine Bücherregale geworfen, in denen sich wunderbare Literatur befindet. Er schießt ins Blaue hinein, und egal, welches Zitat ich ihm gebe, er wird wahrscheinlich sagen, es sei aus Melvilles Moby Dick, oder mit irgendetwas anderem herausplatzen, das eine phallische Symbolik hat.
„Okay.“ Ich schaue an die Decke und denke an die wunderbaren Klassiker, die ich liebe. Ein paar, die zu leicht zu erraten wären, lasse ich außer Acht. Zum Beispiel Der Ruf der Wildnis, Wer die Nachtigall stört und Gullivers Reisen.
Eines erscheint mir im Moment sehr passend.
Ich lächele ihn verschmitzt an. „Einen unreifen Menschen erkennt man daran, dass er edel für eine Sache sterben will, während ein reifer Mensch demütig für eine Sache leben will.“
Aarons Gesicht ist leer wie eine unbemalte Leinwand. Er wirkt nicht, als ob er überhaupt nachdenken würde, runzelt nicht die Stirn oder reibt sich das Kinn.
Ich stecke den Kassenbon in die Tüte, schiebe sie über den Tresen und versuche, nicht selbstgefällig zu grinsen.
„Das ist von Salinger“, sagt Aaron in neutralem Tonfall. „Der Fänger im Roggen, glaube ich.“
Ich bin überrascht, dass mir nicht das Kinn auf den Tresen hinunterfällt. Ich muss feststellen, dass ich den Mann ernsthaft unterschätzt habe. Ich habe ihn für einen Hinterwäldler gehalten, für ein ungebildetes Individuum, und das nur aufgrund seines Aussehens und seiner Aussage, keine Zeit zum Lesen zu haben.
Oder er verarscht mich irgendwie.
Skeptisch verenge ich die Augen, was ihn amüsiert.
„Möchtest du Verdoppeln oder nichts spielen?“, schlägt er vor. „Ich brauche an dem darauffolgenden Wochenende auch noch eine Begleitung zur Hochzeit.“
Er muss es zufällig erraten haben. Der Fänger im Roggen war doch zu einfach. Jeder mit einem Highschool-Abschluss kann das wahrscheinlich erraten. Ich habe es ihm viel zu leicht gemacht.
„Deal“, antworte ich und bin sicher, dass er es nicht noch mal erraten kann. Ich suche nach einem Buch. Etwas Romantisches. Und zur Situation passend.
„Wir alle wissen, dass er ein stolzer, unangenehmer Mann ist. Aber das bedeutet nichts, wenn du ihn wirklich magst.“
Erleichtert sehe ich, dass Aaron auch Sinn für Humor hat, denn er ist nicht beleidigt, sondern lacht auf. Er schüttelt den Kopf. „Touché.“ Eine Welle des Triumphgefühls wäscht über mich, doch dann spricht er weiter. „Stolz und Vorurteil. Jane Austen.“
„Wie zur Hölle … du veräppelst mich doch!“
Er zeigt mir seine leeren Hände. „Wie denn? Habe ich etwa ein geheimes Zitatenbuch irgendwo versteckt?“
„Du hast mich reingelegt!“
„Nein“, korrigiert er. „Ich habe dir einen Wettstreit angeboten und du hast ihn angenommen.“
„Ich komme mir aber verarscht vor“, murmele ich.
„Wenn du mich vorher gefragt hättest, ob ich belesen bin, hättest du nicht mitgespielt. Ich kann nichts dafür, dass mein Dad Professor für Englische Literatur war. Ich glaube, dass ich viel mehr Klassiker zitieren kann als du als Buchhändlerin.“
Bevor ich etwas sagen kann, wird die Ladentür schwungvoll geöffnet, sodass sich das Glöckchen fast überschlägt und die Tür an einen Schautisch knallt.
Peinlich berührt zieht die Frau das Genick ein und sagt: „Sorry.“
Veronica, meine beste Freundin. Was das Aussehen angeht, hat sie alles, was ich nicht habe. Lange Beine, große Brüste und Haare in der Farbe California-Goldblond. Sie trägt ein Designer-Fitness-Outfit und hat einen Becher mit einer Kaffeespezialität aus dem Café nebenan in der Hand.
Aaron sieht sie kurz an, doch sein Blick verweilt nicht auf ihr. Er wendet sich direkt wieder mir zu. Er nimmt sein Handy aus dem Band um seinen Arm. „Gib mir deine Handynummer.“
Alles in mir rebelliert dagegen. Doch nur, weil ich mir selbst übel nehme, ihn derartig falsch eingeschätzt zu haben. Nun bin ich in ein Date mit einem Mann geraten, bei dem sämtliche meiner Alarmglocken läuten.
Vorwurfsvoll rattere ich meine Nummer herunter. Er tippt sie in sein Handy und ruft mich sofort an. Mein Handy befindet sich in meiner Handtasche hinter dem Verkaufstresen, doch ich ignoriere es. Er will mir damit nur seine Nummer übermitteln. Ich werde sie bei mir einspeichern und mir später eine Ausrede einfallen lassen, um das Date abzusagen. Eine kurze Textnachricht sollte genügen.
„Ich sehe dir an, was in deinem hübschen Kopf vorgeht“, sagt er neckend. Meine Wangen werden heiß. „Du willst mir nachher per Nachricht absagen. Aber das ist eine Gewissenssache. Ich habe fair gewonnen, und wir werden sehen, wie viel Ehrgefühl in dir steckt.“
Ich knurre tief in meiner Kehle. Er wagt es tatsächlich, mir den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Da mir Integrität wichtig ist, kann ich jetzt auf keinen Fall mehr absagen.
„Aber du kannst mir gern deine Adresse schreiben.“ Er zwinkert und nimmt seine Einkaufstüte vom Tresen. „Damit ich weiß, wo ich dich am Samstag abholen soll. So um fünf Uhr nachmittags.“
Ich werfe einen Blick zu Veronica. Sie tut so, als würde sie die Waren betrachten, aber ich weiß, dass sie genau zuhört.
Ich sehe Aaron an und hebe das Kinn. „Ich gebe meine Adresse keinem Fremden. Du kannst mir schreiben, wo die Hochzeit stattfindet, und wir treffen uns dort.“
„Okay, auch gut.“ Er dreht sich um und geht zur Tür.
Veronica steht ihm im Weg, doch er nickt ihr nur höflich zu und geht an ihr vorbei. Hinter seinem Rücken fächert sie sich theatralisch Luft zu, womit sie zeigt, wie heiß sie ihn findet. Ich kann kaum erwarten, sie darauf hinzuweisen, dass er dies wahrscheinlich in der spiegelnden Scheibe der Tür vor ihm sehen kann.
Aaron legt die Hand an die Klinke und dreht sich noch einmal um. „Wenn du Lust hast, mich vor der Hochzeit noch ein bisschen besser kennenzulernen, brauchst du mich nur anzurufen. Wir können gern etwas trinken oder essen gehen. Oder einfach über klassische Literatur reden, wenn du magst.“
Mein Gesicht wird schon wieder heiß. Eine weitere Erinnerung daran, wie falsch ich lag und dass wir tatsächlich etwas gemeinsam haben.
Der dumme Sportler ist anscheinend gar keiner.
Das Glöckchen klingelt fröhlich, als er die Tür öffnet und hinausgeht. Veronica verrenkt sich den Hals, um ihm so lange wie möglich hinterherzusehen. Als er außer Sichtweite ist, dreht sie sich verwundert zu mir um.
„Clarke Angelica Webber“, sagt sie anklagend und kommt auf den Tresen zu. „Du kleines Luder. Flirtest mit Kunden und ergatterst ein Date mit Adonis. Wow.“
„Ach, sei still“, knurre ich völlig humorlos. Das kann ich mir bei ihr erlauben, denn wir sind schon seit dem Kindergarten befreundet.
„Nein, sei du still“, antwortet sie sofort übertrieben schnippisch. Dann lacht sie und winkt ab. „Nein, sei lieber nicht still, sondern erzähl mir alles von Anfang an.“
Das tue ich und beginne bei dem Moment, als er den Laden betrat.
„O Mann“, sagt sie beeindruckt. „Und er hat einfach so Salinger erkannt? Wow.“
„Ich hätte mir denken können, dass es eine Falle war.“
„Was ärgert dich daran denn so sehr?“, fragt sie und bietet mir ihren Kaffee an.
Ich rieche Zimt. Köstlich. Ich gehe mit dem Becher in der Hand um den Tresen herum und wir setzen uns in die Leseecke im viktorianischen Stil. Ich nippe noch einmal an dem Kaffee und gebe Veronica den Becher zurück.
„Er ist einfach nicht mein Typ.“ Hoffentlich bohrt sie nicht weiter nach. Aber es handelt sich um Veronica. Sie kennt mich und all meine Schwächen und fiesen Ängste.
„Du meinst, er ist selbstbewusst, gut aussehend und gesellig.“
„Ich mag selbstbewusste Männer.“ Sogar in meinen Ohren klingt das gelogen.
Sie wirft mir einen bevormundenden Blick zu. „Ach, bitte. Du bist eine echte Beta-Daterin.“
Ich winke ab. „Ich weiß nicht mal, was das sein soll.“
„Doch, das weißt du. Es ist das Gegenteil von Alpha, und du tendierst dazu, dich mit Männern einzulassen, die nicht viel Durchsetzungsvermögen ausstrahlen. Kurz gesagt, du gehst auf Nummer sicher.“
„Aus gutem Grund.“
Veronicas Ausdruck wird milder. Sie hat mich an meinem Tiefpunkt erlebt, an dem ein Mann schuld war, der mich verletzt hat.
Sie legt eine Hand auf meine. Bevor ich wie ein Baby anfange zu heulen, weil sie Mitleid hat und ihre Finger mit meinen verschränkt, schnappe ich mir mit der freien Hand noch einmal ihren Kaffee.
„Bring mir das nächste Mal auch einen Kaffee mit, dann trinke ich dir nicht deinen weg.“
Wylde
Während unserer ersten Saison in Phoenix hat sich das Team das Sneaky Saguaro als Lieblingsbar ausgesucht. Es ist auch ein Restaurant mit Biergarten und bietet über hundert verschiedene Biersorten an. Das Sneaky befindet sich in einem zweistöckigen, riesigen Gebäude, in dessen Mitte ein fast acht Meter hoher Saguaro-Kaktus wächst. Der Laden ist jeden Tag gut besucht.
Ich komme gern her, weil das Essen scharf ist, das Bier kalt und die Kellnerinnen eine knappe Uniform tragen. Sie besteht aus abgeschnittenen Jeans-Shorts und einem karierten Cowboyhemd, das unter den Brüsten geknotet ist. Der dazu passende Cowboyhut und die Stiefel sind niedlich, aber unwesentlich.
Im Erdgeschoss befindet sich das Restaurant und dort wird das Essen serviert. Im ersten Stock ist die Bar und man bekommt nur etwas zu trinken. Da das Team dieses Lokal als offiziellen Treffpunkt auserkoren hat, bekommen wir hier eine Sonderbehandlung. Auch dass wir den Cup gewonnen haben, trägt dazu bei. Ein Anruf genügt und man reserviert uns im Barbereich einen großen Tisch.
„Cheers“, sage ich und halte meinen Krug mit dem Narragansett-Lagerbier hoch. Vier Mann stoßen mit mir an, und wir trinken, um die Party in Schwung zu bringen.
Nun ja, es ist nicht wirklich eine Party. Nur Abendessen und Bierchen mit ein paar Kameraden. Mit denen, die noch Single sind, wohlgemerkt. Das sind zwar nicht meine besten Freunde, aber wir sind Brüder im Geiste durch die Spielerkameradschaft.
Meine engsten Freunde sind diejenigen, mit denen ich in der First Line spiele. Mit ihnen bin ich am häufigsten zusammen. Ich weiß, wie sie denken, und kann ihre Spielzüge erahnen. Diese Jungs haben jetzt feste Beziehungen und führen ein anderes Leben, sodass unsere gemeinsame Zeit geschrumpft ist. Das nehme ich ihnen nicht übel, sondern im Gegenteil, ich freue mich für sie. Sie leben ein gutes Leben, so, wie es sein sollte.
Ich habe die Jungs heute eingeladen, weil einige neu im Team sind und andere möchte ich gern näher kennenlernen. Links neben mir sitzt Kane Bellan. Er ist unser neuestes Mitglied. Er wurde in den Play-offs von den Cold Fury gegen Rafe Simmons getauscht. Rafe wollte wieder nach Hause nach North Carolina, weil sein Vater Krebs hatte. Unser glorreicher Besitzer Dominik Carlson machte es möglich.
Kane ist eine Bereicherung. Als Center hält er die Second Line stabil. Das Team nennt ihn liebevoll neckend Superman. Nicht nur wegen seines Könnens auf dem Eis, sondern weil er wie Clark Kent aussieht. Er hat tiefschwarze Haare, stechend blaue Augen und ein kantiges Kinn.
Neben ihm sitzt James Steele, der Left Winger der Second Line. Er kam letztes Jahr von den Quebec Royals ins Team. Mit dreiunddreißig gehört er schon zu den älteren Spielern. Die Fans nennen ihn beim Nachnamen Steele, aber wir nennen ihn Jim. Er ist noch verheiratet, aber seit ein paar Monaten getrennt. Ich habe ihn eingeladen, damit er nicht allein zu Hause herumhängen muss.
Neben Jim und gegenüber von mir an dem runden Tisch sitzt Jett Olsson. Ein siebenundzwanzigjähriger Schwede, der auf den Schlittschuhen fast so schnell ist, wie sein Vorname vermuten lässt. Er ist der Right Winger der Second Line und ein Ladykiller. Seit unsere Kellnerin zum ersten Mal an den Tisch gekommen ist, zieht er sie mit Blicken aus, und ich bin ziemlich sicher, dass er heute Abend mit ihr nach Hause geht.
Neben mir sitzt Baden Oulett, unser Reserve-Goalie. Er ist wohl der Gefestigtste und Verlässlichste des ganzen Teams. Er ist der Ersatz für einen der besten Goalies aller Zeiten, unseren Legend Bay. Das bedeutet, dass er jederzeit in Bestform und bereit sein muss, spontan und unerwartet einzuspringen und genauso gut wie Legend oder sogar noch besser zu spielen. Eine riesige Verantwortung für einen Ersatztorwart. Ein enormer Druck. Zwar hat Legend die meisten Spiele der Saison selbst gespielt und ist noch nie wegen Verletzung ausgefallen – ich klopfe auf Holz –, doch Baden stand bei verschiedenen Gelegenheiten im Netz und machte seine Sache sehr gut. Das lässt unser Team glänzend aussehen, denn damit haben wir einen Goalie, der uns locker durchziehen kann, sollte Legend ausfallen. Und das ist ein Vorteil, um den uns so manches Team beneidet.
Das sind also meine neuen Kumpels, mit denen ich abhänge, während meine engsten Freunde die Harmonie der Monogamie und die wahre Liebe genießen.
Innerlich schnaube ich, denn auch wenn ich mich für meine Freunde freue, ist das nichts, was ich selbst anstrebe. Eines Tages vielleicht. Wenn ich mit dem Eishockey aufhöre und mich zur Ruhe setze. Bis dahin genieße ich es, jede willige Pussy zu bekommen, die ich möchte, mich niemandem gegenüber rechtfertigen zu müssen und die besten Freunde der Welt zu haben. Was könnte man sich noch wünschen?
Ich sehe Kane links neben mir an. „Hast du dich inzwischen gut eingelebt?“
Der arme Kerl musste direkt zu Beginn der Play-offs vor zwei Monaten durch das ganze Land umziehen. Wir hatten ununterbrochen Training, Teammeetings, Reisen und Spiele. Er musste praktisch aus seinen Kartons leben. Aber jetzt hatten wir zwei Wochen nach dem Stanley Cup frei und alle konnten sich in die Off-Saison verabschieden.
Kane nickt. „Ich konnte endlich alles auspacken. Aber irgendwann muss ich noch die leeren Kartons wegfahren. Ein Zimmer steht immer noch voll damit.“
Kane wohnt ein paar Blocks von mir entfernt in einem anderen Wohnkomplex mit Eigentumswohnungen in der Innenstadt.
„Sag mir Bescheid, wann du das machen willst, dann helfe ich dir. Wir können sie auf meinen Pick-up laden“, biete ich ihm an.