Ann Swanson
Verstehen
Yoga
Die Anatomie der Yoga-Haltungen
Bestseller
Aktualisiert
& erweitert
Der
Verstehen
Yoga
Die Anatomie der Yoga-Haltungen
Ann Swanson
INHALT
Vorwort
DIE ANATOMIE
DES MENSCHEN 10
Von der Zelle
zum System
Das Skelett
Die Muskulatur
Das Nervensystem
Das Hormonsystem
Die Atmung
Das Herz-
Kreislauf-System
Das Lymphsystem
Die Verdauung
Das Harnsystem
Die Fortpflanzung
6 DIE ASANAS
ASANAS IM SITZEN
Vollkommener Sitz
Siddhasana
12
14
20
24
30
32
38
40
42
44
45
Schmetterling
Baddha Konasana
Katze Marjaryasana
Kuh Bitilasana
Kuhgesicht
Gomukhasana
Gedrehte Kopf-zum-Knie-
Haltung Parivrtta Janu
Sirsasana
Drehsitz Ardha
Matsyendrasana
Kindhaltung Balasana
Kamel Ustrasana
Königstaube Eka Pada
Rajakapotasana
46 ASANAS IM STEHEN
Berghaltung Tadasana
48
50
54
58
60
64
Vorbeuge Uttanasana
Stuhlhaltung
Utkatasana
Krieger I
Virabhadrasana I
Krieger II
Virabhadrasana II
Krieger III
Virabhadrasana III
Baum Vrksasana
Tänzer Natarajasana
68 Dreieck Trikonasana
72
76
80
84
88
90
94
98
102
106
110
114
118
122
UMKEHRHALTUNGEN 126
Herabschauender Hund
Adho Mukha
Svanasana
Kopfstand Sirsasana
128
132
Halber Schulterstand
Ardha Sarvangasana
Schulterbrücke
Setu Bandhasana
Rad Urdhva
Dhanurasana
136
140
144
ASANAS AM BODEN 148
Krähe Bakasana
Hoher Stütz
Kumbhakasana
Seitstütz Vasisthasana
Kobra Bhujangasana
Heuschrecke
Salabhasana
Beindehnung im
Liegen Supta
Padangusthasana
Twist im Liegen Supta
Matsyendrasana
150
154
158
162
166
170
174
YOGA FÜR
DAS WOHL-
BEFINDEN
Gelenke und
Beweglichkeit
Gesunde Wirbelsäule
Lebensphasen
Meditation
Savasana
Stress
Wie wirkt Yoga auf
das Gehirn?
Chronische Schmerzen
Transzendenz
Die Grenzen der
Wissenschaft
Yogatherapie
THERAPEUTISCHE
SEQUENZEN
178
180
182
184
188
190
196
198
200
Oberkörper
Rückenschmerzen
Unterer Körper
Schwangerschaft
206
210
212
214
216
Schwere Krankheiten 218
Mentale Gesundheit
222
Vorsichtshinweise
192 Glossar
Register
Bibliografie
Über die Autorin /
Dank
202
204
224
228
230
235
240
VORWORT
Als Tochter eines NASA-Forschers hat das
wissenschaftliche Denken mich von klein an tief
geprägt, und noch immer schwört ein Teil von mir auf
Daten, Methodik und Beweise. Schon als Kind führte
ich Tagebuch und hielt alles Mögliche in Tabellen
und Grafiken fest, von meinen Mahlzeiten bis zu den
Filmen, die ich ansah.
Ich war ein neugieriges Kind, das immer nach
dem Warum fragte. Meine Eltern empfahlen mir
dann, im Lexikon nachzuschlagen. Zugleich hatte
ich eine kreative Seite und interessierte mich für
Spiritualität. In meinen Notizbüchern finden sich
neben den Statistiken auch Geschichten, Gedichte
und farbenfrohe Zeichnungen.
Als ich Kunst studierte, rutschte ich in ein Burn-out
hinein und fand darüber, wie viele Menschen, zum
Yoga, um in schwierigen Lebensphasen Stress abzu-
bauen, Ängste zu bewältigen und – ein angenehmer
Nebeneffekt – körperlich fit zu bleiben. Ich hatte
damals nicht erwartet, dass Yoga mich auf scheinbar
magische Weise von Grund auf verändern würde.
Zu Beginn meiner Übungspraxis versuchte ich, die
Haltungen möglichst perfekt auszuführen. Erst nach
und nach wurde mir klar, dass es beim Yoga nicht um
»perfekte« Haltungen geht, sondern darum, im Frie-
den mit dem eigenen Körper und Geist im Hier und
Jetzt zu sein. Heute weiß ich, dass die Yogapositio-
nen meine Anatomie, und über meine Knochen und
Muskeln mein Gehirn, meine Psyche und meinen
energetischen Körper verändern. Ich erinnere mich,
wie ich nach einer Yogastunde während der Entspan-
nung ungeduldig auf meiner Matte lag und dachte:
Was für eine Zeitverschwendung! Inzwischen schätze
ich die Meditation und Entspannungsübungen sehr.
Die Forschung zeigt, dass Meditation buchstäblich
das Gehirn neu strukturiert. Wir können damit sämt-
liche Systeme im Körper positiv beeinflussen. Gibt es
eine effektivere Praxis?
Im Himalaya lernte ich viel über Yoga, Massage
und Heilkunst. Mein Lehrer Yogi Sivadas weckte
erneut mein Interesse für die Wissenschaft. Zurück
in den USA absolvierte ich Vorbereitungskurse fürs
Medizinstudium, um zu verstehen, wie genau die
Yogapraxis Körper und Geist so grund legend ver-
ändern kann.
Ich werde nie vergessen, wie ich im Seziersaal
zum ersten Mal ein menschliches Gehirn in den
Händen hielt. Für mich war das eine spiritu elle Erfah-
rung: Diese graue Masse hatte einmal mathemati-
sche Berechnungen gemacht und Liebe gefühlt. In
»Forschung und Wissen-
schaft haben viele Mythen
der Yogapraxis widerlegt.
diesem Moment wurde mir klar, dass das Geheimnis
der Yogapraxis in der Verbindung von Körper und
Geist liegt.
Yoga verstehen ist das Buch, das ich zu Beginn
meiner Yogapraxis gern gelesen hätte. In den Kursen
gaben Lehrende oft Anweisungen wie »beruhige
deinen Geist, indem du länger ausatmest« oder
»richte dein Knie über dem Knöchel aus« und ich
fragte mich ständig: Warum?
In den letzten zehn Jahren besuchte ich Work-
shops, las wissenschaftliche Arbeiten und absolvierte
mein Masterstudium in Yogatherapie an der Maryland
University of Integrative Health. In dieser Zeit füllten
sich meine Notizbücher mit Fakten, Zahlen, Skizzen
und Geschichten. Yoga verstehen ist das Ergebnis.
Das Buch ist weder eine umfassende Studie zur
menschlichen Anatomie im Yoga noch ein medizi-
nisches Nachschlagewerk. Ich möchte Neugier
wecken, Diskussionen anstoßen, Yogalehrende
und -lernende inspirieren, zu weiterer Forschung
animieren, mehr Yogapraxis in die Schulen und in den
Gesundheitsbereich bringen, und auf diese Weise
Yoga für mehr Menschen zugänglich machen.
Forschung und Wissenschaft haben viele Mythen
der Yogapraxis widerlegt, aber das hat Yoga in
«
meinen Augen nicht entzaubert. Vielmehr macht es
die transformierende Wirkung umso erstaunlicher.
Die Wissenschaft des Yoga steckt noch in den
Kinderschuhen, doch inzwischen gibt es viele span-
nende Forschungsansätze auf diesem Gebiet, und
die heilsamen Effekte des Yoga lassen sich immer
besser belegen.
Die Wissenschaft kann das Wie und Warum
vieler Dinge erklären, aber keine noch so umfassende
Studie kann mit der persönlichen Erfahrung mithal-
ten, die uns Veränderung und Heilung selbst erleben
lässt. Nur wir selbst können die Kraft der Yogapraxis
erfahren. Ich hoffe, dass dieses Buch seine Leser und
Leserinnen dazu bringt, neue Fragen zu stellen und
mit innerem Entdeckergeist das Warum hinter jeder
neuen Erkenntnis zu erkunden.
Ann Swanson, M. Sc.
Autorin und zertifizierte Yogatherapeutin und -lehrerin
www.scienceof.yoga
ÜBER DIESES BUCH
Yoga verstehen ist ein Ratgeber, der Aspekte von Kör-
per, Geist und Seele einbezieht. Ich freue mich immer,
wenn Menschen mir über die sozialen Medien mit-
teilen, dass das Buch neben ihrer Matte liegt. Bonus-
punkte gibt’s, wenn der Hund mitmacht.
Yoga schreibt nichts vor, sondern ist unendlich
anpassungsfähig. Es gibt nicht den einen richtigen
Weg, eine Asana auszuführen, und jeder Körper wird
seine eigene Varianten der Haltungen finden. Kennt-
nisse über Anatomie, Physiologie und Kinesiologie
helfen, den optimalen Nutzen aus den Asanas zu
ziehen. Orientieren Sie sich an der traditionellen Aus-
führung und finden Sie heraus, was und wie viel für Sie
am besten funktioniert. Niemand kennt Ihren Körper
besser als Sie selbst.
Ist Yoga wissenschaftlich fundiert? Yoga wird
zunehmend erforscht, insbesondere in Bereichen
wie geistige Gesundheit, Kognition, Krebstherapie,
chronische Schmerzen, Stoffwechsel- und Herz-
Kreislauf-Erkrankungen. Yoga zeigt messbare Vorteile
bei häufigen chronischen Gesundheitsproblemen, und
die Menschen genießen es und bleiben dabei. Sein
Erfolg beruht wahrscheinlich auf der Kombination von
Bewegung, Meditation, Atemübungen und grundsätz-
licher Lebenseinstellung. Yoga hat sich aus gutem
Grund bewährt: Weil es funktioniert.
Ist Yoga sicher? Studien zeigen, dass Asanas wahr-
scheinlich weniger Risiken bergen als herkömmliche
sportliche Übungen, zumal sie achtsam und langsam
ausgeführt werden und keinen Wettkampfcharakter
haben. Statistisch kommt es zu nur 0,6 Verletzungen
pro 1000 Übungsstunden, das ist deutlich weniger als
z. B. beim Gewichtheben (3,2), Fußball (3–17), Ballett
(4,4) und Laufen (18–33). Es empfiehlt sich aber, quali-
fizierte Yogalehrende oder Yogatherapeutinnen und
-therapeuten aufzusuchen, insbesondere wenn Sie
gesundheitliche Probleme oder Verletzungen haben.
(Hinweise für Lehrende auf S. 9).
Was ist neu in dieser Auflage? In Zusammenarbeit
mit dem Illustrator Arran Lewis habe ich die Abbildun-
gen überarbeitet, mehr inklusives Bildmaterial und
Variationen der Posen hinzugefügt. Außerdem haben
wir einen neuen Abschnitt (S. 206–223) mit therapeu-
tischen Sequenzen und praktischen Tipps für häufige
Probleme wie Rückenschmerzen, Anspannung, Herz-
gesundheit, Diabetes, Schwangerschaft und mehr ein-
geführt. Dabei haben wir uns auf neueste Forschungs-
ergebnisse gestützt.
Wie die erste Ausgabe enthält auch diese neue
Zitate aus aktuellen Studien, die in der Bibliografie
(S. 235) detailliert aufgeführt sind. Weitere Informatio-
nen unter www.scienceof.yoga/research
Folge deinem Dharma Als die erste Ausgabe 2019
erschien, war ich begeistert, dass sie in über 15 Spra-
chen übersetzt werden sollte. Voller Abenteuerlust
machte mich auf eine weltweite Lesereise, die in
Peru begann. Dann kam die Coronapandemie, und
meine Reisen nach Europa und Asien fielen aus. Ich
schwenkte um, entwickelte einen Online-Kurs und
schrieb ein Buch über Meditation.
Jetzt lebe ich auf Hawaii, habe kürzlich geheiratet
und erwarte mein erstes Kind. All das passt perfekt
zu meinem Dharma – dem wahren Weg, der uns alle
leitet. Wer sein Dharma entdecken will, muss sich
engagiert um sein Wohlbefinden kümmern. In einer
Welt, in der Lifestyle-Krankheiten auf dem Vormarsch
sind, kann Yoga gegensteuern. Die meisten schweren
Krankheiten – Krebs, Diabetes, Alzheimer – werden
Hinweis für Yogalehrende
Menschen, die Fußball spielen, laufen oder tanzen, wollen sich
meist mit anderen messen, sich körperlich fordern oder Spaß
haben. Wer sich für Yoga entscheidet, sucht meist Gesundheit
oder Heilung. Das verpflichtet uns als Lehrende zu einem höheren
Standard, der von der Philosophie des Ahimsa (Nicht-Schaden)
geleitet wird. Aus diesem Grund hier einige Sicherheitshinweise:
Eine zu schnelle oder zu starke Belastung kann beim Yoga zu Ver-
letzungen wie Verstauchungen oder Zerrungen führen. Beson-
dere Beachtung brauchen aber Menschen mit Bluthochdruck,
Osteoporose, Schlaganfall, Glaukom, Gelenkersatz und akuten
Verletzungen. Das Wissen um die wissenschaftlichen Hinter-
gründe von Yogastellungen – insbesondere bei Umkehrhaltungen,
akrobatischen Asanas und intensivem Pranayama – ist für Lehrer
wichtig, um eine sichere, integrative Umgebung zu schaffen, vor
allem für ältere Erwachsene und Menschen mit Beeinträchtigun-
gen oder chronischen Erkrankungen. Dieses Wissen ermöglicht es
Ihnen auch, Übungen für Schüler mit gesundheitlichen Problemen
therapeutisch anzupassen, um deren Nutzen zu optimieren.
Viele Schüler schätzen es, wenn ihre Übungen wissenschaftlich
untermauert sind. Ein Lehrer, der die Übungen intelligent anpassen
und individuelle Varianten vorschlagen kann, gibt seinen Schülern
den Spielraum, selbst zu entscheiden und zu handeln.
bestenfalls zu 5–10 % durch die Gene gesteuert. Eine
weitaus größere Rolle spielt der Lebensstil. Und Yoga
kann definitiv dem Lebensstil eine positivere, gesün-
dere Ausrichtung geben.
Studien zeigen, dass Gewohnheiten ansteckend
sind. Darum ist Gemeinschaft (oder Sangha) so
wichtig. Der wichtigste Garant für ein zufriedenes,
sinnhaftes und glückliches Leben sind starke Bezie-
hungen. Es ist nicht nur erfüllend, seinem Dharma zu
folgen, es kann sogar die Lebenserwartung um sie-
ben Jahre erhöhen. Mein Dharma ist es, die Wissen-
schaft hinter Yoga verständlich zu erklären und damit
Geist-und-Körper-Praktiken den Menschen näher
zu bringen. Was ist Ihr Dharma? Bleiben Sie dran,
und es wird sich zeigen.
Ihr Lebensabenteuer wartet auf Sie.
DIE ANATOMIE
DES MENSCHEN
Die meisten Bücher über Yoga-Anatomie legen den Fokus auf das
Muskel-Skelett-System, aber die Forschung zeigt, dass die Yogapraxis
auf sämtliche Systeme des Körpers wirkt. Auf den folgenden Seiten stelle
ich die wichtigsten Effekte vor. Wir betrachten dazu jedes Organsystem
einzeln, so, wie sie in der modernen Anatomie gesehen werden. Aus der
Sicht des Yoga jedoch bilden alle Systeme eine Einheit. Der Körper wird
als ein zusammenhängendes Ganzes gesehen.
VON DER ZELLE
ZUM SYSTEM
In der Biologie gilt wie beim Design: Die
Form folgt der Funktion. Die Strukturen des
Körpers richten sich nach ihren Aufgaben.
Die Anatomie ist die Analyse dieser Struktu-
ren, und die Physio logie ist die Analyse ihrer
Funktionsweisen.
BAUSTEINE
Atome sind die Bausteine der Materie, und Zellen
sind die Bausteine biologischen Lebens. Der
Mensch besteht aus etwa 37 Billionen Zellen, die
wiederum vier grundlegende Gewebe und elf
Organ systeme bilden. Zusammen formen sie eine
Einheit, die wir Körper nennen.
Elektronen
umgeben
den Kern.
Protonen und
Neutronen
sind im Kern.
Gewebe
Zusammen bilden Zellen verschiedene
Gewebetypen. Dieses einzigartig
strukturierte Gewebe ist Teil der Leber.
Die DNS enthält Infor-
Zellen
aus einem Zellkern, Zellplasma und einer
Membran. Kleine funktionelle Einheiten
in den Zellen nennt man Organellen.
Die Zelle ist die kleinste Einheit des
Lebens. Die meisten Zellen bestehen
Atome
Die chemischen Bausteine enthalten
Protonen, Neutronen und Elektronen,
die zusammen Moleküle wie zum
Beispiel Wasser (H2
O) bilden.
12
Ein Gen ist eine DNS-Einheit
im Zellkern – Meditation könnte
die Zellalterung verlangsamen
und Mutationen verhindern.
DNS-
STRANG
mationen zur Funktion
und Teilung der Zelle.
Telomere
Telomere liegen wie Schutz-
kappen an den Chromo-
somenenden. Mit dem Alter
werden sie kürzer, doch die
moderne Molekularbiologie
zeigt, dass ein yogischer
Lebensstil (Yogaübungen,
Meditation, soziale Kontakte,
pflanzliche Ernährung)
diesen Prozess verlang-
samen und zu einem län-
geren Leben und besserer
Gesundheit führen kann.
Chromosom enthält
DNS-Spiralen.
Telomere an
den Enden des
Chromosoms
Leberzellen nennt
man Hepatozyten.
Blutgefäße
Die Zellmembran
ist eine halbdurch-
lässige Zellwand.
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN
Die Leber gehört zum
Verdauungssystem.
Organe
Gewebe bilden gemeinsam Organe,
wie z. B. die Leber (Bild unten). Dieses
große Organ verarbeitet und reinigt
das Blut des gesamten Körpers und
stellt unter anderem Galle her, mit
der wir Fette verdauen.
Das Verdauungssystem
nimmt Nährstoffe auf
und scheidet Über-
schüssiges aus.
Systeme
Die Leber hat
zwei Lappen.
Lymphsystem, Verdauungssystem (Bild oben),
Harnwegs- und Fortpflanzungssystem.
(Integument), Skelett, Muskulatur, Nerven,
Hormone, Atmung, Herz- Kreislauf- System,
Die Organe bilden Organsysteme: Haut
Integument
Das sogenannte Integument besteht aus Haaren, Nägeln, Haut und
verbundenen Strukturen wie Schweißdrüsen. Oft wird gesagt,
beim BikramYoga würde man »Giftstoffe ausschwitzen«, tatsächlich
werden Giftstoffe über die Leber ausgeschieden. Wir schwitzen
lediglich Wasser aus, was zu Dehydrierung führen kann. Trinken Sie
viel Wasser, um den Verlust auszugleichen.
Rezeptor aus
Nervengewebe
Haar
Schweiß-
drüse
Dermis aus
Binde gewebe
Epidermis aus
Deckgewebe
Haarbalgmuskel
aus Muskelgewebe
HAUT
Die Haut hat zwei
primäre Schichten: Die
Epi dermis außen und
darunter die Dermis,
in der Schweißdrüsen,
Blutgefäße, Nerven
Blut-
gefäß
Nerv
und Haar follikel liegen. Menschlicher
Körper
Die Gesamtheit
der verschiedenen
Organsysteme
bildet den
Organismus des
Menschen.
13
DAS
SKELETT
Schädel
Verbundene Knochenplatten
schützen das Gehirn.
Unterkiefer
Dieser Knochen ist der
einzige bewegliche Teil
des Schädels.
Die circa 206 Knochen, aus denen
unser Skelett besteht, sind lebende
Organe und formen durch ihre Struktur
das Gerüst unseres Körpers, das uns
schützt und Bewegung ermöglicht.
ÜBERSICHT
Die Knochen bestehen aus Kollagen und
speichern Kalzium, das sie stabiler macht
und für weitere Körperfunktionen benö-
tigt wird. Im Knochenmark werden die
Blutzellen produziert. Die Gelenke
sind durch Knorpel und Strukturen
wie Bänder verbunden. Durch
Yoga können wir Knochen und
Gelenke gesund halten.
Schlüsselbeine
Diese Knochen ver-
binden Schulterblätter
und Brustbein.
Brustbein
Der auch Sternum
genannte Knochen
verbindet die Rippen.
Rippen
Die 12 Knochenpaare
formen den Brustkorb.
Hüften
2 durch das Kreuz-
bein verbundene
Hüftknochen
Handwurzel knochen
Das Handgelenk
besteht aus 8 kleinen
Knochen.
Mittelhandknochen
5 lange Knochen ver-
laufen durch die Hand.
Fingerknochen
In jeder Hand bilden
14 Knochen die Finger.
Spongiosa
Kompakta
Knochenmark
Knochenhaut
Fußwurzelknochen
Das Fußgelenk besteht
aus 7 kleinen Knochen.
Darunter liegt eine feste Schicht (Kompakta),
und darunter eine schwammartige Schicht
(Spongiosa), die leicht und stabil ist.
Die Knochen sind von einer glatten Binde-
gewebshülle, der Knochenhaut, umgeben.
Knochenstruktur
14
Mittelfußknochen
5 lange Knochen ver-
laufen durch den Fuß.
Zehengliedknochen
In jedem Fuß bilden
14 Knochen die Zehen.
Kniescheibe
Die Patella ist an der
Sehne des Quadrizeps
befestigt.
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN
Knorpelzelle
(Chondrozyt)
Wirbelsäule
Aus Knochenplatten
zusammengesetzt
Schulterblatt
Verbindet Arm
und Oberkörper
Oberarmknochen
Verbindet Schulterblatt
und Unterarm
Knorpel
die glatter sind als Glas und unterm Mikro-
skop auch wie Buntglas aussehen können.
Doch wenn der Knorpel abgenutzt ist,
kann er rau wie Sandpapier werden
und Arthrose hervorrufen (S. 17).
An den meisten Gelenken sind die
Knochen von Hyalinknorpeln umgeben,
Speiche
Verläuft bis
zum Daumen
Elle
Verläuft bis zum
kleinen Finger
Kreuzbein
Grundpfeiler
des Beckens
Die Knochen
sind durch
Bänder
verbunden.
Oberschenkelknochen
Der längste Knochen
im Körper
Schienbein
Kann unter der
Haut ertastet werden
Wadenbein
Dünner Knochen an der
Außenseite des Beins
Bänder
den. Bänder und Sehnen (S. 19) sind nicht sehr
elastisch. Deshalb werden sie nach einer Über-
Die Knochen sind durch feste Fasern verbun-
dehnung bei einer Yogaübung unter Umständen
nicht wieder fest und verlieren an Stabilität.
Fersenbein
Mit der Achillessehne
verbunden
15
WIRBELSÄULE
Die Wirbel liegen übereinander und bilden natürliche Kurven:
die »neutrale Wirbelsäule«. Die Kurven nach innen (Lordose) und
nach außen (Kyphose) bilden eine flexible Struktur, die Stöße
abfedern kann. Die Wirbel sind wie Keile in dieser gebogenen
Linie gestapelt, um das Körpergewicht effektiv zu tragen.
Hals-
wirbelsäule
Verläuft
in einer
natürlichen
Innenkurve
Öffnung
für die
Öffnung für das
Rückenmark
Wirbel arterie
Neutrale Wirbelsäule
In vielen Yogahaltungen sollte die Wirbel-
säule neutral ausgerichtet sein, wie im
Sitzen bei der Meditation. Eine schlechte
Körperhaltung kann zu Beschwerden füh-
ren, etwa zu häufigen Fehlhaltungen wie
der Hyperlordose oder Hypherkyphose.
Yoga kräftigt und stabilisiert die Wirbel-
säule und verbessert die Körperhaltung.
Brust-
HALSWIRBEL
Sanfte, flache Kurve
wirbelsäule
Verläuft in einer
natürlichen
Außenkurve
Verbindung
zur Rippe
Wirbelkörper
NEUTRALE
WIRBELSÄULE
Die natürlichen Kurven
sorgen für eine stabile
Ausrichtung. Im Idealfall
ist die Wirbelsäule nicht
verdreht und neigt nicht
zu einer Seite.
Krümmung der
Brustwirbelsäule
Lenden-
wirbelsäule
Verläuft
in einer
natürlichen
Innenkurve
BRUSTWIRBEL
Gelenkfortsatz
Größerer Wirbel-
körper trägt
mehr Gewicht.
KYPHOSE
Die Hyperkyphose der
Brustwirbelsäule wird
oft Kyphose oder Buckel
genannt. Die verstärkte
Krümmung tritt oft bei
Osteoporose auf.
Krümmung der
Lendenwirbelsäule
LORDOSE
Die Hyperlordose der
Lendenwirbelsäule wird
Lordose oder Hohlkreuz
genannt. In der Schwanger -
schaft ist die verstärkte
Krümmung normal.
LENDENWIRBEL
16
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN Das Skelett
BECKEN
Das Becken besteht aus zwei Hüftknochen, die durch das
Kreuzbein (Sakrum) verbunden sind. Das Sakrum (Latein
für »heilig«) ist ein dreieckiger Knochen, der im Steißbein
endet. Das Sakrum ist wie der Grundpfeiler einer Brücke
und bildet eine stabile Basis für die Wirbelsäule.
Iliosakralgelenk
Das Kreuz-Darmbein-
Gelenk ist etwas beweglich.
Vorderer oberer
Darmbeinstachel
Diese Hüftknochen kann
man unter der Haut ertasten.
Hüftpfanne
Mit dem Oberschenkel-
knochen verbunden
Größere
Ischiaskerbe
Hier verläuft
der Ischiasnerv.
Steißbein
Mehrere verbun-
dene Knochen
Sitzbeinhöcker
Diese Knochen bilden
die Basis des Beckens.
WEIBLICHES BECKEN
Schambeinfuge
Das Gelenk besteht
wie die Bandscheiben
aus Faserknorpel.
Neutrales Becken
Ein neutrales Becken
führt zu einer neutralen
Wirbelsäule und umge-
kehrt. Man kann sich
das Becken als Wasser-
eimer vorstellen: Wenn
Becken und Wirbelsäule
neutral ausgerichtet sind,
schwappt weder hinten,
noch vorn oder seitlich
Wasser über – anders, als
wenn man das Becken
kippt.
Kippt das Becken
nach hinten,
flacht die Lenden-
wirbelsäule ab.
NACH HINTEN
GEKIPPT
Neutrales
Becken, neutrale
Lendenwirbelsäule
Kippt das Becken
nach vorn, entsteht
ein Hohlkreuz.
NEUTRAL
NACH VORN
GEKIPPT
17
GELENKE
Gelenke sind die Verbindungen zwischen den Knochen und ermög-
lichen Bewegung. Es gibt drei Arten: unbewegliche Fasergelenke
wie die Nahtstelle der Schädelknochen, etwas bewegliche Knorpel-
gelenke wie die Schambeinfuge und die voll beweglichen Synovial-
gelenke, die für die Asanas am wichtigsten sind.
BEWEGUNG DER GELENKE
Synovialgelenke lassen sich in verschiedene Richtun-
gen bewegen. Scharniergelenke wie Ellbogen und
Knie machen primär Beuge- und Streckbewegungen.
Größere Kugelgelenke wie Schulter- und Hüftge-
lenke können auch Abduktions, Adduktions- und
Rotationsbewegungen ausführen, dazu die Zirkum-
duktion, die Kombination all dieser Bewegungen.
BEWEGUNGSARTEN
Beugung
Streckung
Abduktion
Adduktion
Achsen-
rotation der
Wirbelsäule
Innen-
Außen-
rotation
der Schulter
Verringert den Winkel des Gelenks
Vergrößert den Winkel des Gelenks
Arm oder Bein wegstrecken
Arm oder Bein heranziehen
Außenrotation Arm oder Bein nach außen drehen
Innenrotation
Arm oder Bein nach innen drehen
Achsenrotation Wirbelsäule dreht auf ihrer Achse
Plantarflexion
Dorsalflexion
Fuß strecken, wie eine Ballerina
Fuß heranziehen, wie beim Gehen
Streckung
des Knies
DREIECK
Im Inneren des Gelenks
Gelenkflüssigkeit hält die Gelenke
geschmeidig. Sie wird unter Druck
dickflüssiger, was sie zu einem »nicht-
newtonschen Fluid« macht, das nicht
den Gesetzen Newtons folgt (ähnlich
wie Ketchup oder Blut). Durch mangelnde
Bewegung kann die Gelenkflüssigkeit
dünner und ineffektiver werden. Durch
Yoga kann sie wieder dickflüssiger
werden und so Gelenke und Knorpel
besser schützen und Schmerzen lindern.
SYNOVIALGELENKE
Die häufigsten Gelenke im mensch-
lichen Körper. Sie ermöglichen viel
Bewegung und halten die Knochen-
enden voneinander fern, damit
diese nicht aufeinanderreiben.
18
Spongiosa
Bänder
verbinden
Knochen.
Gelenkkapsel
hält das Gelenk
zusammen.
Knochen
Gelenkknorpel
reduziert Reibung.
bilden ein
Gelenk.
Gesunde, dicke
Gelenkflüssigkeit
schützt das Gelenk.
ELLBOGENGELENK
rotation und
Abduktion
der Hüfte
Streckung
des Ellbogens
Abduktion
der Schulter
Außen-
rotation
der Hüfte
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN Das Skelett
Streckung
der Schulter
DIE YOGAPOSITIONEN
In den Asanas führen die
Gelenke alle möglichen
Bewegungen aus. Visua-
lisieren Sie oder nehmen
Sie die Haltungen ein und
spüren Sie in die Gelenke
hinein.
Beugung
des Knies
Streckung der
Wirbelsäule
Innenrotation
der Schultern
Beugung der
Wirbelsäule
Beugung und
Adduktion
der Hüfte
Beugung
der Hüfte
Streckung
der Hüfte
Streckung
des Knies
Beugung der Knie
KINDHALTUNG
Plantarflexion
der Knöchel
Dorsalflexion
des Knöchels
TÄNZER
Arthritis
Die Abnutzung der Gelenke kann zu
Arthrose (Gelenkverschleiß) führen.
In einer Studie über sieben Jahre
erwies sich Yoga als sicher und effek-
tiv sowohl bei Arthrose als auch bei
Arthritis (Gelenkentzündung, S. 41).
Nach einem achtwöchigen Yogakurs
zeigte sich bei den Probanden ein
Rückgang der Schmerzen um 25 %
sowie eine signifikante Verbesserung
der Fitness und der Lebensqualität.
VERLAUF
Wenn der Knorpel sich zurück-
bildet, kann das zu Entzündungen
und Schmerzen führen und die
Entstehung von Knochenspornen
oder zysten begünstigen.
Glatter Knorpel
Knorpelrückbildung
Platz im
Gelenk
Weniger
Platz
Knochen aufeinander
Knochen-
sporn
Gelenkflüssig-
keit schützt
Entzündete
Knochenhaut
GESUNDES
GELENK
FRÜHSTADIUM
ARTHRITIS
SPÄTSTADIUM
ARTHRITIS
19
Knochenzyste
DIE
MUSKULATUR
Der Körper hat etwa 640 Muskeln. Die
Skelettmuskeln sind mit den Knochen
verbunden und ermöglichen Bewegung.
Einige Muskeln liegen an der Ober-
fläche, andere tiefer im Körper.
ÜBERSICHT
Um sich mit den wichtigsten Muskeln
vertraut zu machen, können Sie sie
ertasten und zugleich visualisieren.
So lernen Sie leichter und fördern
gleichzeitig die Verbindung zwischen
Gehirn und Körper. Die meisten
Muskeln lassen sich nach ihren Auf-
gaben in Gruppen einteilen.
Muskelfasern
verlaufen
parallel.
Brustmuskeln
Pectoralis major
Pectoralis minor
Zwischenrippenmuskeln
Brachialis
Bauchmuskeln
Gerader Bauchmuskel
Äußerer schräger
Bauchmuskel
Innerer schräger
Bauchmuskel
(tief, nicht sichtbar)
Querverlaufender
Bauchmuskel
Hüftbeuger
Iliopsoas (Iliacus
und Psoas major)
Rectus femoris
(siehe Quadrizeps)
Sartorius
Adduktoren
(siehe unten)
Armbeuger
Bizeps
Brachialis (tief)
Brachioradialis
Adduktoren
Adductor longus
Adductor brevis
Adductor magnus
Pectineus
Gracilis
Quadrizeps
Rectus femoris
Vastus medialis
Vastus lateralis
Innere Struktur
(S. 21) erkennbar
als Querstreifen
Skelettmuskel
Herz muskeln, glatte Muskeln und Skelett-
muskeln. Letztere bewegen den Körper
in den Asanas. So sehen sie unter dem
Mikroskop aus.
Es gibt drei Arten von Muskulatur:
OBERFLÄCHLICH
20
TIEF
Vastus intermedius
(tief, nicht sichtbar)
Fußheber
Tibialis anterior
Extensor digitorum longus
(Langer Zehenstrecker)
Langer Großzehenstrecker
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN
Nackenmuskulatur
Riemenmuskel des Kopfes
Riemenmuskel des Halses
Schulterblattheber
Rautenmuskeln
Kleiner Rautenmuskel
Großer Rautenmuskel
Rückenstrecker
Erector spinae
Transversospinales System
(kleine, tiefe Muskeln
entlang der Wirbelsäule)
Hinterer Sägemuskel
Gluteus medius
Gesäßmuskulatur
Gluteus maximus
Gluteus medius
Gluteus minimus
Der Muskel ist
besser durch-
blutet und
Großer
Rückenmuskel
Trizeps
Nackenmuskulatur
(siehe oben)
Trapezmuskel
Deltamuskeln
Piriformis
stärker dehnbar
als die Sehne.
Adductor
magnus
Hüftstrecker
Gesäßmuskulatur
Adduktor magnus
Hamstrings (hintere
Beinmuskulatur)
Bizeps femoris
Semiten dinosus
(Halbsehnenmuskel)
Semimembranosus
Kollagenfasern
wider stehen Zug
und Spannung.
Sehnen
Sehnen sind die festen Stränge des dichten
Bindegewebes, das die Muskeln an den
Knochen befestigt. Die Kollagenfasern sind
wenig elastisch und durchblutet. Deshalb
dehnt man Muskeln, nicht Sehnen.
TIEF
OBERFLÄCHLICH
21
Fußstrecker
Tibialis posterior
Wadenmuskeln
Zwillingswadenmuskel
Schollenmuskel
MUSKELSTRUKTUR
Skelettmuskeln bestehen aus Bündeln parallel ver-
laufender Muskelzellen, Blutgefäße und Nerven,
umgeben von weichen Bindegewebsteilen, den Fas-
zien. Die Faszien bilden ein Netzwerk um sämtliche
Muskeln und andere Körperstrukturen. In den
Muskeln erzeugen Proteine Kontraktionen.
Muskel-
faserbündel
Aus mehreren
Muskelfasern
Muskelzelle
Auch Muskelfaser
genannt
Myofibrille
Kontraktile
Proteine
MLinie
Mitte des
Sarkomers
ZScheibe
Rand des
Sarkomers
Dünnes Filament
Besteht aus dem
Protein Aktin
Dickes Filament
Besteht aus dem
Protein Myosin
Faszien
Faszien kann man sich wie
das Weiße einer Orange
vorstellen, das um die
Fruchtspalten liegt. Sie
umgeben nicht nur die
Muskeln, sondern auch die
Organe und andere Körper-
strukturen. Dank dieses
Netzwerks, das den ganzen
Körper durchzieht, kann
eine Asana, die den Fuß
bewegt, Verspannungen
in den Schultern lösen.
22
Faszien
verbinden
Ferse und
Zehen.
Flacher
Bindege-
websstrang
PLANTAR-
FASZIE
EXZENTRISCHE KONTRAKTION
Bei dieser Bewegung längen sich die Muskel-
fasern, um den Winkel eines Gelenks zu ver-
größern, wie der Bizeps zum Strecken des
Ellbogens beim Senken von Hanteln oder die
Hamstrings zum Strecken des Knies beim Über-
gang vom Krieger II zum Dreieck (S. 122–123).
Würde diese Figur ein Gewicht halten, würden
die blau markierten Muskeln exzentrisch arbei-
ten, um die Bewegung zu kontrollieren.
Agonist
FUNKTIONSWEISE
DER MUSKELN
Muskeln agieren oft wie Spieler und Gegenspieler:
Wenn der Agonist anspannt, entspannt sich der
Anta gonist. Sogenannte Synergisten rund um die
Gelenke unterstützen den Agonisten.
ARTEN DER KONTRAKTION
Bei isotonischen Kontraktionen ändert sich die Muskel-
länge, wie beim Beugen oder Strecken des Ellbogens
(Bild) oder bei den Übergängen zwischen den Asanas.
Bei isometrischen Kontraktionen wird Anspannung
ohne Bewegung erzeugt, wie beim Halten einer Asana.
Antagonist
Der Bizeps ist der Anta-
gonist, der entspannt.
Streckung
Der Winkel des
Gelenks wird größer.
Der Trizeps ist der Agonist,
der konzentrisch kontrahiert,
um den Ellbogen zu strecken.
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN Die Muskulatur
Bewegung
und Faszien
Die Forschung zeigt, dass die
Kollagenfasern in den Faszien
in einer Art Gitternetz um
den Muskel liegen. Inaktivität
und Alterung scheinen diese
Struktur aufzulösen. Asanas
können die Struktur in den
Faszien erhalten und dadurch
Bewegungsabläufe erleichtern.
Gitter struktur
gesunder
Kollagen fasern
Chaotische
Struktur durch
Inaktivität
KOLLAGENFASERN
Agonist
Bizeps kontrahiert
konzentrisch, um den
Ellbogen zu beugen.
Beugung
Der Winkel des
Gelenks wird kleiner.
Antagonist
Der Trizeps ist
der Antagonist,
der entspannt.
KONZENTRISCHE KONTRAKTION
Die Muskelfasern ziehen sich zusammen, um
den Winkel des Gelenks zu verkleinern, wie beim
Beugen des Ellbogens zum Heben einer Hantel
oder beim Beugen des Knies beim Übergang in
den Krieger II (S. 106–107).
Muskelkontraktion
Ein Signal des Nerven-
systems löst bei Vorhan-
densein von genügend
Kalzium eine Kaskade von
Prozessen aus, bei der
die Blockade des Aktins
aufgehoben wird, sodass
das dicke und das dünne
Filament sich verbinden
können. Das dicke Fila-
ment zieht das dünne zur
M-Linie und dadurch die
Z-Scheiben zueinander.
M-Linie
Dickes
Filament
ENTSPANNTES SARKOMER
Dünnes
Filament
Z-Scheibe
KONTRAHIERTES SARKOMER
23
DAS NERVEN-
SYSTEM
Das Nervensystem ist ein Steuerungs-
netz, das alle Organsysteme ver bindet.
Es besteht aus dem zentralen (ZNS) und
dem peripheren Nervensystem (PNS).
Das PNS wird in das somatische und
das vegetative Nervensystem unterteilt.
ÜBERSICHT
Das somatische Nervensystem besteht aus
Nerven, die sensorische und motorische Sig-
nale zum und vom Gehirn und Rückenmark
übertragen. Zum vegetativen Nervensystem
(VNS) gehören der Sympathikus und der
Parasympathikus. Letzterer profitiert
von der Yogapraxis besonders.
Gehirn
Wahrnehmung
und Steuerung
Hirnnerven
12 paarige Nerven
Plexus brachialis
Nervengeflecht in
der Achselgegend
Rückenmark
Wichtigster
Signalüberträger
Nervus medianus
Kann im Karpaltunnel
gequetscht werden
Plexus lumbalis
Nervengeflecht am
unteren Rücken
Plexus sacralis
Nervengeflecht ums
Kreuzbein
Nervus ulnaris
Verläuft entlang
der Elle zum
kleinen Finger
Der Rückenmarks-
nerv überträgt
Das Rückenmark
verbindet Gehirn
und Körper.
Signale des zentralen
Nervensystems.
Nervus femoralis
Leitet Signale im
Bein
Ischiasnerv
Größter Nerv
im Körper
Die Wirbel
schützt das
Rückenmark.
Nervus tibialis
Verzweigung des
Ischiasnervs
Rückenmark
Der Blick von oben auf einen Wirbel
zeigt, wie das Rückenmark durch die
Wirbel knochen geschützt wird. Die
Rückenmarksnerven treten seitlich
aus dem Wirbelkanal aus.
24
Verästelungen des
Wadenbeinnervs
Leiten Signale im Fuß
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN
STRUKTUR
Zellkörper
Enthält den Zellkern
DER NERVEN
Das Nervensystem besteht zum Großteil aus
Neuronen. Im PNS bündeln sich Axone zu Ner-
ven. Nerven sind wie stark leitende Stromkabel,
die Signale durch den Körper senden. Einige
sind von einer Substanz namens Myelin umge-
ben, um den Signaltransport zu beschleunigen.
Nervensignal
Epineurium
Bindegewebe
um den Nerv
Perineurium
Bindegewebe um
Neuronenbündel
NERV
Endoneurium
Bindegewebe
um Neuronen
DAS VEGETATIVE
NERVENSYSTEM
Das VNS kann man sich wie einen
Autopiloten des Körpers vor-
stellen. Es steuert die unbewusst
ablaufenden Körperfunktionen
wie Herzschlag, Atmung, Ver-
dauung und Ausscheidung. Das
VNS ist wiederum in zwei sich
ergänzende Steuerungssysteme
aufgeteilt, den Sympathikus und
den Parasympathikus.
Axon
Leitet Signal zur
nächsten Zelle
Dendrit
Kleine Verzweigungen,
empfangen Signale
benachbarter Neuronen.
Myelin
Hülle, die Signale
isoliert und beschleunigt
NERVENSIGNALE
sind elektrische Impulse, die an
der Zellmembran entlanglaufen,
ausgelöst durch die Bewegung
elektrisch aufgeladener Ionen.
Gehirn und Rücken-
mark überwachen
Körperfunktionen.
Erweitert
Pupillen
Erweitert
Atemwege
Beschleunigt
Herzschlag
Regt Glukose-
produktion an
Hemmt Verdauung
Verlangsamt
Urinabfluss
Hemmt Darm-
bewegungen
Entspannt Blase
Verengt Blutgefäße
DER SYMPATHIKUS
ist auch als »Kampf-oder-Flucht-
Mechanismus« bekannt und lässt
uns Stress bewältigen.
DER PARASYMPATHIKUS
wird auch »Ruhenerv« genannt und
dient der Erholung und dem Aufbau
von Reserven.
25
Verengt Pupillen
Verengt Atemwege
Verlangsamt
Herzschlag
Regt Verdauung an
Regt Speichern
von Glukose als
Glykogen an
Regt Enzyme der
Bauch speicheldrüse an
Regt Darm-
bewegungen an
Zieht die Blase
zusammen
NEURONEN
HIRNRINDE
Im Verhältnis zu dem anderer Säugetiere ist unser Gehirn
riesig, mit einer sehr stark entwickelten Hirnrinde. Bis
auf die Insula liegt diese Schicht am äußeren Rand des
Gehirns. Sie besteht aus grauer Substanz mit durch
Synapsen verbundenen Neuronen und wird in fünf Hirn-
lappen und viele Funktionsbereiche gegliedert.
HIRNLAPPEN
Das Gehirn ist in fünf Bereiche geteilt,
darunter die Insula, die innen liegt und
in der Abbildung nicht zu sehen ist.
Frontallappen
Entscheidungen
und Motorik
Schläfenlappen
Geruch, Gehör,
Gedächtnis
Scheitellappen
Körperwahrnehmung
Hinterhauptlappen
Visuelle Wahrnehmung
DAS INNERE
DES GEHIRNS
Im Gehirn finden sich verschiedene Struktu-
ren, von denen viele noch erforscht werden.
Einige dieser Strukturen überwachen Körper-
funktionen und übertragen Informationen.
Das limbische System ist das emotionale
Zentrum des Gehirns.
INNERE STRUKTUREN
Dieses Bild zeigt das Gehirn, als wäre es
in der Mitte durchgeschnitten, um die
Strukturen des Großhirns abzubilden.
Thalamus
Hirnbalken
Verbindet beide
Gehirnhälften
Hypothalamus
Reguliert
neuroendokrine
Funktionen
Schaltzentrum für
Informationen
SEITENANSICHT
SAGITTALANSICHT
26
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN Das Nervensystem
Wie Yoga auf das Gehirn wirkt
Die Wirkung von Yoga auf die Psyche lässt
sich aus neurowissenschaftlicher Sicht
betrachten. Die Forschung zeigt, dass das
Gehirn sich zeitlebens verändern und so
negative Muster durchbrechen kann. Und
es kann chemische Stoffe erzeugen, die die
Pharmaindustrie im Labor synthetisiert. Die
Herangehensweise in der Yogatherapie hat
das Potenzial, weltweit Menschen zu helfen,
denn sie folgt einem mehrdimensionalen
Ansatz, der sich im achtgliedrigen Pfad
spiegelt (S. 198), und führt uns auf den Weg
zur Selbstregulierung.
Erhöhte Alphawellen im Gehirn
Alphawellen stehen für Entspannung.
Erhöhtes GABA Gamma-Aminobutter-
liert die Stimmung; bei Mangel an Sero-
tonin können Depressionen entstehen.
Erhöhtes Serotonin Serotonin regu-
BDNF (Brain-derived neurotrophic factor)
ist ein Protein, das die Neuronen schützt;
ein höherer BDNF kann chronische
Schmerzen und Angst lindern.
Erhöhter Wachstumsfaktor BDNF
säure entspannt und wirkt gegen Stress
und Angst.
regelt das Belohnungssystem; Fehlfunktio-
nen können zu Suchterkrankungen führen.
Die Forschung zeigt, dass Meditation die
Selbstregulierung fördern kann.
Dopamin-Regulierung Dopamin
Stresshormon. Wenn der Wert über lange
Zeit erhöht ist, kann das zu Entzündungen
und Gewichtszunahme führen.
Reduziertes Cortisol Cortisol ist ein
Noradrenalin und Adrenalin im Körper
senkt den Stresslevel.
Reduziertes Noradrenalin Weniger
Zirbeldrüse
Reguliert Schlaf-
WachRhythmus
Nucleus caudatus
Lernen und
Verarbeitung von
Information
Putamen
Bewegung
und Lernen
Fornix
Verarbeitung von
Erinnerungen
Gyrus cinguli
Steuert Gefühle
und Verhalten
Riechkolben
Erkennt
Gerüche, weckt
Erinnerungen
Amygdala
Angstzentrum
Kleinhirn
Körperbewegung,
Muskelkontrolle,
Gleichgewicht
Hippocampus
Gedächtniszent-
rum, ermöglicht
Neurogenese
(S. 26–27)
Hirnstamm
Reguliert vegeta-
tive Funktionen
wie Atmung und
Herzschlag
LIMBISCHES
SYSTEM
Pons
Kommunikations-
zentrum des
Hirnstamms
27
NERVENBAHNEN
Das Gehirn bildet aufgrund von Erfahrungen
neuronale Verknüpfungen und wird auf diese
Weise konditioniert. Neuronen, die zusammen
arbeiten, vernetzen sich. Je länger man eine Aktivi-
tät oder Denkweise einübt, desto mehr Netzwerke
bilden sich – bei etwa 100 Milliarden Neuronen
sind die Möglichkeiten dazu nahezu grenzenlos.
Die Yogapraxis unterstützt diesen Prozess.
Nervensignal
Neue
Verknüpfung
Gehirnzelle
VERBINDUNGEN
AUFBAUEN
Eine neue Erfahrung
regt neue Neuronen-
verknüpfungen an.
Nervensignal
Mehr Zellen
UNTERSTIMULIERTES
GEHIRN
Ohne Anregung bilden sich
weniger Verknüpfungen
(spärliche Verästelungen).
kommen dazu.
Neue Verknüpfung
Synapse
EIN NETZWERK KNÜPFEN
Wiederholung verstärkt
und erweitert das neuronale
Netzwerk.
Wie Yoga das Gehirn anregt
Neuroplastizität, die Fähigkeit des
Gehirns zur Adaption, kann man nicht
durch Tabletten fördern. Die effektivste
Art, das Gehirn zu neuen Verknüpfungen
anzuregen, sind Verhaltensänderungen.
Jede Art der Yogapraxis unterstützt
diesen Prozess – hier sind einige Tipps,
die die Wirkung verstärken.
Samskara
Im Yoga spiegelt sich das Konzept
der Neuroplastizität in den Sams-
karas wider. So werden Eindrücke
durch Gedanken und Erfahrungen
bezeichnet. Mithilfe von Yoga
können schlechte Gewohnheiten
durchbrochen werden: Bei jeder
bewussten Veränderung von
Gedanken oder Handlungen
durch Achtsamkeit und
Übung werden neue Synap-
sen gebildet – je häufiger
der neue Pfad genutzt wird,
desto stärker werden diese.
STIMULIERTES
GEHIRN
Mit Anregung bilden sich
mehr Verknüpfungen (als
dichtes Astwerk zu sehen).
NEUROPLASTIZITÄT
Die Fähigkeit des Gehirns zur Adaption heißt Neuro-
plastizität. Früher dachte man, das Gehirn könne
sich nur in der Kindheit verändern und degeneriere
danach unaufhaltsam. Inzwischen weiß man: Nerven-
gewebe passt sich an. Wie Muskeln, die man trainiert,
kann man es stimulieren oder vernachlässigen.
SAMSKARA
(EINDRÜCKE)
(HANDELN)
KARMA
(DENKEN)
VRITTI
KREISLAUF DER GEWOHNHEIT
Intensität steigern
Moderate bis kraftvolle
Aktivität wie beim Sonnen-
gruß ist einer der effek-
tivsten Wege zur Anregung
der BDNFProduktion
(S. 25). Dieses Protein
stimuliert das Nerven-
wachstum und schützt
neuronale Verknüpfungen
im Gehirn.
Routinen ändern
Bewusste Variationen der
Yogapraxis (und anderer
Verhaltensmuster) regen
Geist und Körper an.
Meditieren
Laut Forschung baut Medi-
tation die graue Substanz
der Hirnrinde auf.
Gemeinsam praktizieren
Sich gemeinsam mit
anderen zu bewegen
und der Anleitung eines
Lehrers oder einer Leh-
rerin zu folgen, aktiviert
Spiegel neuronen. Dieses
Nervennetzwerk hilft uns,
Bewegungen nachzuahmen
und fördert indirekt auch
das Mitgefühl.
28
DIE ANATOMIE DES MENSCHEN Das Nervensystem
NEUROGENESE
Früher ging man davon aus, dass jeder Mensch mit einer bestimmten
Anzahl an Nervenzellen geboren wird und keine neuen bildet. Inzwi-
schen wurde in wichtigen, für das Gedächtnis und den Geruchssinn
verantwortlichen Hirnregionen wie dem Hippocampus Neurogenese
(die Neubildung von Nervenzellen) nachgewiesen. Neuronale Stamm-
zellen in diesen Hirnregionen können neue Neuronen bilden.
CORTISOL-
SPIEGEL
Ein ständig erhöhter Spiegel