You Are Always The One - Schatten Paar - E-Book

You Are Always The One E-Book

Schatten Paar

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Beschreibung

Nachdem Louisa ihre Vergangenheit besiegt hat und beschließt, bei Nathan einzuziehen, scheint das Glück der beiden perfekt. Doch der Schein trügt, wie Louisa bald herausfinden muss. Nathans Vergangenheit holt ihn ein und reißt damit Wunden auf, die nie ganz verheilt sind...

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Seitenzahl: 334

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Triggerwarnung

Liebe Leser und Leserinnen,

Bevor wir euch nun zurück zu Nathan und Louisa lassen, möchten wir euch noch etwas wichtiges sagen.

In „You Are Always The One“, werden die Themen Verlust eines Familienmitglieds, Amensie durch Unfall, Gewalt in der Beziehung und vaterlose Kindheit behandelt.

Wir wünschen euch allen viel Spaß beim Lesen,

Euer Schattenpaar

Für alle, die für den Geliebten kämpfen und sich der Vergangenheit stellen.

Playlist Nathan

Phenomenal - Eminem

Private thoughts - Lena

After Dark-Mr. Kitty

Escape from l.a - The Weekend

Versager - Sido

Under The Influence - Chris Brown

Sterne feat. Bozza - Sido

Gib mir kein Grund - Kontra K

Nur fuer dich - Kontra K

Infinitum - Kollegah

Louisas Playlist

Fight Song - Rachel Platten

In meiner Erinnerung - Silbermond

Was mir gefällt - AYlivA

Lieblingsmensch - Namika

Lovely - Billie Eilish, Khalid

vermissen - Juju feat. Henning May

Good Time - Owl City & Carly Rae Jepsen

Control - Zoe Weiss

Cover me Sunshine - Pink

Home - Machine Gun Kelly, X Ambassadors & Bebe Rexha

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 1

Nathan

Ich schließe die Tür auf und habe nach wie vor das Gefühl soeben von einem Zug erfasst worden zu sein. Dieser Zug trägt den Namen Simon Mühlenhaus. Da ich Zoe nicht den Tag in der Kita vermiesen wollte, habe ich mein Pokerface aufgesetzt und alle glauben lassen, dass das Gespräch nur geschäftlich war. Keiner ahnt, dass es mich überrollt hat, weil Sophies Tod und Louisas Unfall nun ein und dasselbe Ereignis sind.

Simon hat durch das Abdrängen von Louisa einen Dominoeffekt ausgelöst, welcher dafür gesorgt hat, dass ein Wagen, dem Louisa gerade noch ausweichen konnte, schließlich in Sophies Auto gerast ist. Ich will schreien und weinen, beides gleichzeitig, aber da ist nichts mehr in mir. Das Gefühl völliger Leere breitet sich in mir aus.

Louisa sieht mich fragend an. Sie hat erkannt, was alle anderen nicht sehen. »Wer hat dich vorhin angerufen? Und lüg mich ja nicht an«, fordert sie, als Zoe nach oben gegangen ist und wir zwei allein im Flur stehen.

»Max«, gebe ich zu und gehe ins Arbeitszimmer, in dem all, das hier angefangen hat.

»Was wollte Max? Er ruft seinen besten Freund bestimmt nicht einfach so an. Vor allem, wenn dieser auf dem Kita-Fest seiner Tochter ist.«

Wie immer hat sie recht. Ich bitte sie stumm darum, sich zu setzen, und gehe zum Spirituosenschrank im Eck. »Für dieses Gespräch brauchen wir beide einen Drink. Glaub mir«, sage, schenke zwei Gläser Scotch ein und reiche Louisa eines davon, ehe ich ihr gegenüber vom Schreibtisch Platz nehme.

Ich nehme direkt einen Zug und lasse den Alkohol meine Kehle hinunterrinnen. Ich will schon wieder aufstehen, um die Flasche zu holen, da mein Glas schon leer ist, als Louisa meine Hand festhält und mich flehend ansieht.

»Als du mir am Bostalsee zum ersten Mal von Simon erzählt hast, habe ich mit Max darüber gesprochen. Sein Vater ist beim BKA... Er hat sich dem Fall Simon angenommen und Akten durchsucht. Schließlich hat er herausgefunden, dass du nicht das einzige Opfer von ihm bist«, erkläre ich und sie trinkt einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas. Mit einer Handbewegung fordert sie mich zum Weitersprechen auf, während sie aus dem Schrank die Flasche holt, um uns beiden nachzuschenken. Ansonsten schaffen wir das wohl nicht. »Als Max mir von den anderen Opfern berichtet hat, hat er auch eine Akte erwähnt, die sein Vater noch nicht sichten konnte und er würde sich melden, wenn er es könnte. Heute hat er mir gesagt was in dieser Akte steht.«

Ich greife nach dem nun wieder vollem Glas und leere es erneut in einem Zug. »In der Akte steht etwas über deinen Unfall.« Ich zögere einen kurzen Moment. »Und auch über den von Sophie.«

Sie wird blass. »Wie ist das möglich?«

Ich verstehe ihre Verwunderung und fahre fort: »Ein Auto hat versucht dir auszuweichen. Erfolgreich, allerdings ist dieses Fahrzeug in ein anderes gekracht. Darin saß Sophie«, ende ich und sie umfasst ihr Glas fester, sodass ihre Fingerknöchel weiß hervorstehen.

»Bin ich...?«, will sie wissen und ich stoppe sie, ehe sie es aussprechen kann.

»Nein, du bist nicht schuld daran. Es war ein Unfall, der durch die Attacke auf dich verursacht wurde. Wir werden Simon verklagen. Wir können versuchen, die beiden anderen Opfer mit ins Boot zu holen, aber wir beide werden auf jeden Fall Simon verklagen.« Sie sieht mich mit großen Augen an. Mist! Ich hätte das nicht ganz so direkt sagen sollen. Vielleicht will sie das gar nicht? Doch zu meiner Erleichterung nickt sie und greift nach meiner Hand.

»Ich war gerade ein bisschen überrascht, dass du das einfach so für mich entschieden hast, dass wir Simon verklagen. Nathan, du musst verstehen, dass das meine Sache und meine Entscheidung ist. Du kannst das nicht einfach so bestimmen. Aber du hast Recht, wir müssen etwas gegen ihn unternehmen. Eine Frage habe ich aber noch. Warum hast du das getan?«

Ich seufze, ziehe ihre Hand an meine Lippen und küsse sie. »Weil ich dir helfen möchte, deine Dämonen zu besiegen«, gestehe ich ihr.

Louisa telefoniert gerade mit dem Vater von Max und bedankt sich sicher schon zum fünften Mal, seit die beiden miteinander sprechen. Er gibt ihr die Personalien der beiden anderen Opfer, auch wenn ihm das eigentlich nicht erlaubt ist, und wir schreiben den beiden noch am selben Abend. Wir erklären ihnen unser Vorhaben und dass wir uns freuen würden, wenn auch sie gegen Simon aussagen würden.

»Denkst du, sie werden es tun?«, fragt Louisa mich, als ich mich zu ihr auf die Couch setze.

»Es wird vermutlich nicht leicht werden, aber es wäre ein großer Schritt und würde ganz klar zeigen, dass man sich gegen einen Tyrann, wie Simon es ist, immer erheben muss«, gebe ich zu bedenken. Sie stimmt mir nickend zu.

»Wann kommt eigentlich Katharina?«

Ich sehe auf meine Uhr. »Sie sollte gleich da sein. Der Anwalt, Felix Schwarz, den sie kontaktiert hat, ist wirklich gut. Wir haben ihn seit Jahren an unserer Seite und er hat jedes Verfahren für uns gewonnen«, beruhige ich sie und ziehe Louisa in meine Arme. »Du musst dich nicht fürchten, Baby«, wispere ich und küsse ihren Hals. »Simon bekommt seine Strafe. Karma is a bitch.«

Sie lacht über meinen Spruch und gibt mir einen Kuss. In diesem Moment klingelt es an der Tür und ich gehe, um unseren Gästen aufzumachen.

Zu meiner Überraschung sind es nicht nur unser Anwalt und Katharina, sondern auch Max, dessen Vater und Karoline sowie Christian.

»Hallo«, sage ich überrascht und bitte alle Gäste ins Haus. Karoline und Max gehen nach oben, damit Zoe nicht mitbekommt, worüber wir Erwachsenen sprechen. Wir stellen in der Bibliothek zwei Tische zusammen und nehmen drumherum auf den verschiedensten Stühlen Platz. Max‘ Vater und unser Anwalt tauschen einige Informationen und schließlich eröffnet Felix Schwarz uns allen, wie er vorgehen möchte.

»Wir klagen Simon wegen Vergewaltigung und Körperverletzung an. Haben wir Informationen darüber, ob diese beiden«, er deutet auf die beiden Dossiers der anderen Opfer, »auch aussagen oder klagen werden?«

Ich erkläre ihm, dass wir es noch nicht wissen.

Er wendet sich nickend an Louisa. »Louisa, gibt es irgendwelche Akten oder Aufnahmen der Vergewaltigung? Denn nur dann funktioniert unser Plan gegen ihn«, fragt er und Louisa ergreift meine Hand.

»Hey, ganz ruhig. Niemand zwingt dich zu etwas, es ist nur eine einfache Frage.«

Sie schluckt und gibt dann zu, dass es Beweise dafür gibt. »Ja. In der Mainzer Uniklinik.«

»Auch einen Abstrich?« Ich sehe sie einen Moment an. Schließlich nickt sie kurz.

»Ja, es liegt einer vor.«

»Gut. Ich besorge beides, wenn Sie mir eine Vollmacht schreiben. Diese Aufnahmen sind im Prozess goldwert.«

»Natürlich«, sage ich und sehe meine Schwiegereltern an. Katharina schüttelt den Kopf, als Christian ihr etwas zuflüstert.

»Was?«, will ich wissen.

»Wir haben beschlossen, dass du nicht aussagen solltest.«

»Bitte was?« Ich springe auf und gehe um den Tisch herum.

»Sieh dich an Nathan. Seitdem du weißt, dass Simon an Sophies Tod schuld ist, bist du total geladen. Du würdest dir nur selbst schaden. Mach eine schriftliche Aussage.«

»Und du gehst auch nicht mit in den Saal«, schaltet sich Louisa in die Diskussion ein. Ich sehe sie fragend an. »Nathan, deine Schwiegereltern haben Recht. Ich meine, sieh dich doch an. Du bist zu nah an beiden Fällen. Sie machen und können das und Sophie liegt den beiden genauso sehr am Herzen wie dir.«

Ich atme durch und gebe mich schließlich geschlagen. »Aber ich gehe mit ins Gericht. Dann bleibe ich eben im Flur sitzen.«

Alle nicken und wir fahren mit unserem Schlachtplan fort. Zieh dich warm an Simon. Ein Sturm, dem du nicht gewachsen bist, kommt auf dich zu.

Ich sehe nach einer Stunde schon zum dritten Mal zur Badezimmertür und frage mich so langsam, ob es ihr gut geht. »Louisa?« Ich klopfe sanft an die Tür des Badezimmers. »Bist du da?« Aber ich erhalte keine Antwort. Stattdessen höre ich das Wasser laufen. Tut sie sich etwas an? Ich will die Tür öffnen, aber als ich die Klinke in die Hand nehme und nach unten drücke, muss ich feststellen, dass die Tür abgeschlossen ist.

Meine Gedanken bringen mich um. Scheiß drauf! Ich trete die Tür auf. Zumindest versuche ich es, denn mein erster Versuch scheitert. Schließlich schaffe ich es im dritten Anlauf. Das kaputte Schloss kümmert mich nicht das Geringste.

»Nathan«, flüstert Lou und ich entdecke den Grund für meine Fragen. Sie sitzt in der Dusche und ist klatschnass. Ihr Kleid, das ihr so gut steht, ist voller Wasser und liegt wie eine zweite Haut an ihrem Körper. Ich komme auf sie zu und drehe das Wasser ab, nachdem ich mich zu ihr gesetzt habe und sie meinen Arm umklammert.

»Ich wollte es nicht. Aber Isabella hat darauf bestanden. Und da ihr klar war, wer Simon ist, sind wir nach Mainz und nicht nach Frankfurt. Heute bin ich dankbar dafür, denn wir haben Beweise, aber damals ... Ich wollte es nicht. Doch Isabella hatte recht. Eines Tages kann es mir helfen.«

Erst verstehe ich nicht, wovon sie spricht. Nach und nach wird mir klar, dass sie von dem Abstrich sprechen muss. Also nicke ich, helfe ihr auf und ziehe ihr die nasse Kleidung aus. »Ich bin nervös.« Statt ihr zu antworten, drücke ich kurz ihre Hand und hole ihr etwas trockenes zum Anziehen.

Nachdem ich Louisa gestern Morgen beruhigen konnte, hat sie bei Dr. Heiland eine Sitzung ausgemacht. Da die Kita die nächsten drei Wochen geschlossen hat und die Sommerferien starten, habe ich beschlossen, etwas mit meiner Kleinen zu unternehmen. So komme ich auf andere Gedanken und kann Zeit mit Zoe verbringen.

Während Zoe nach einem neuen Lego-Set schaut, beschäftige ich mich mit verschiedenen Videospielen und schaue, ob irgendwas für mich dabei ist. Ich nehme gerade einen Shooter in die Hand, als Zoe nach mir ruft.

Ich stelle das Spiel zurück und komme auf sie zu. Sie zeigt auf ein Set in den oberen Reihen. »Können wir das haben?«

Da wir sie die letzten beiden Tage nicht wirklich beachtet haben und das Verfahren gegen Simon noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, sage ich ja. »Und du darfst dir noch ein weiteres Set aus der zweiten Reihe des Regals aussuchen«, sage ich ihr. Sie strahlt mich an und nimmt mich in den Arm.

»Danke Papa.« Ich wuschle ihr liebevoll durch die Haare, nehme das große Set aus dem Regal und sie greift sich ein kleineres.

Kapitel 2

Louisa

Ich atme nochmal durch, ehe ich die Tür zu Dr. Heilands Praxis öffne. Mein eigentlicher Termin wäre erst in zwei Tagen gewesen, aber Nathan hat mich dazu überreden können, dass ich einen Notfalltermin bei meinem Therapeuten vereinbare. Zum Glück hatte Dr. Heiland so schnell noch einen Termin für mich frei. Nach meiner Panikattacke kann ich Nathans Sorgen durchaus verstehen, zumal ich ihm vorgehalten habe, nicht genug für mich da zu sein. Aber ohne ihn müsste ich jetzt nicht alle Karten aufdecken.

Dr. Heiland ruft mich nach kurzer Zeit auf und so nehme ich all meinen Mut zusammen, als ich mich in das Therapiezimmer begebe. »Guten Morgen, Louisa. Schön, dass Sie da sind. Nehmen Sie doch Platz.«

Ich nehme das Angebot dankend an und fahre mit der Hand über meinen Rock, um ihn zu glätten. »Etwas beschäftigt Sie. Nicht wahr?«, fragt er vorsichtig und legt sich seinen Block zurecht, um sich Notizen zu machen.

»Ja. Es geht um meine Vergangenheit, aber auch noch um mehr.«

»Wollen Sie mit mir darüber sprechen?«, fragt er mich freundlich und ich fasse die Ereignisse seit dem Kita-Fest in groben Zügen zusammen. »Warum hat er das getan? Ich meine, ich bin dankbar, dass er mir hilft, aber Nathan hat sich damit womöglich selbst geschadet.«

»Sie meinen, weil er herausgefunden hat, dass Ihr und der Unfall seiner verstorbenen Frau zusammenhängen?«

»Ja, so in etwa«, gebe ich zu und atme durch. »Simon hat nicht nur mir wehgetan. Laut dem BKA gibt es noch zwei weitere Opfer, denen ähnliches passiert ist wie mir«, gebe ich zu und packe alles auf den Tisch. »Nach der Vergewaltigung hat meine Ziehmutter mich in ein Krankenhaus gebracht und nach einem langen Überzeugungssgespräch wurde alles dokumentiert. Ich wollte es nicht, habe aber zugestimmt. Dank Nathan hat das alles nun etwas Gutes, denn beide Opfer haben ihre Angriffe wohl auch dokumentieren lassen. Aber Nathan hat nicht bedacht, wie aufwühlend das hier für mich ist.«

Dr. Heiland legt seinen inzwischen gut beschriebenen Notizblock auf einen Beistelltisch und mustert mich. »Haben Sie ihm gesagt, was das mit Ihnen macht?«

»Nicht wirklich, aber er merkt es. Die letzten Tage war ich nicht ich selbst. Deswegen ist aktuell immer irgendjemand anderes da, um seine Tochter zu beschäftigen.«

»Wie geht es ihm? Nathan muss auch aufgewühlt sein. Vielleicht sollten Sie beide nochmal in Ruhe darüber reden. Denn so wie ich Sie verstehe, hoffen Sie, dass Nathan an Ihrem Verhalten merkt, was Sie beschäftigt. Reden Sie mit ihm. Sagen Sie ihm, wie Sie sich mit seiner Entscheidung fühlen.«

Ich stimme ihm zu und fasse den Beschluss, dass Nathan nicht mit in den Saal darf, zusammen. »Ich hätte einen Vorschlag, den Sie gemeinsam ausführen können. Gehen Sie aus oder machen Sie etwas gemeinsam. Zu zweit oder mit Zoe. Nehmen Sie Abstand vom Prozess und erfreuen Sie sich mindestens einmal am Tag an etwas Gutem.«

Ich nehme seinen Rat dankend an. Als ich mich erhebe, fällt mir noch etwas ein. »Eines noch: Ich möchte, dass Sie mit in den Saal gehen«, gestehe ich Dr. Heiland und er nickt.

»Ich kann beratend zur Seite stehen. Ich spreche mit Ihrem Anwalt darüber, wenn Sie mir seine Kontaktdaten geben.« Ich nicke dankbar und wir verabschieden uns voneinander.

Was für ein Gespräch. Einfach offen über alles zu sprechen hat gerade Wunder bewirkt und eine Schleuse geöffnet, die sich nicht öffnen lassen wollte. Dr. Heilands Vorschlag werde ich auf jeden Fall mit Nathan besprechen.

Mein Handy reißt mich aus meinen Gedanken. Ich nehme den Anruf an. »Louisa Linde, hallo?«, melde ich mich und nach einer Sekunde meldet sich eine junge Frauenstimme.

»Hier ist Hannah Meyer.« Der Name sagt mit etwas. Sie ist die Polizistin, die Simon vergewaltigt hat. »Ich habe Ihre E-Mail erhalten, Frau Linde, und bin bereit, gegen Simon auszusagen.«

»Das freut mich zu hören. Ich lasse über meinen Anwalt alle Informationen an Sie schicken«, erkläre ich ihr und setze mich auf eine Bank in der Fußgängerzone. Ich kann es nicht fassen, dass noch jemand den Mut hat, gegen Simon auszusagen. Nathan hatte Recht. Wir besiegen Simon ein für alle Mal.

»Geben Sie es meinem Anwalt. Ich habe mir heute Morgen einen besorgt. Dieser kümmert sich darum.«

»Das mache ich«, sage ich. Nachdem sie mir die Daten ihres Anwalts gegeben hat, verabschiede ich mich von ihr. Innerlich bete ich, dass auch die dritte Person sich noch melden wird, um gegen Simon auszusagen. Ich sehe auf und entdecke Nathan und Zoe, die gerade mit jeweils einer Tüte in der Hand ein Kaufhaus verlassen. Das kann doch nicht sein Ernst sein, denke ich und gehe seufzend auf die beiden zu.

Zoe rennt auf mich zu und präsentiert mir meine Befürchtungen. »Schau mal. Papa hat gesagt, ich darf mir ein kleines und ein großes Set aussuchen«, erklärt sie stolz und zeigt mir das kleinere der beiden.

Ich dachte, das hätten wir nach dem Gespräch am Bostalsee hinter uns gelassen. Scheinbar habe ich mich da getäuscht. »Das ist wirklich toll«, sage ich so fröhlich wie möglich und sehe Nathan über sie hinweg vernichtend an, doch dieser grinst nur.

Warum lässt er Zoe alles durchgehen? Ich weiß, er will ihr das Leben leichter machen, da Sophie verstorben ist, aber Zoe kann nicht immer alles haben was sie möchte.

»Ich sehe, ihr wart erfolgreich«, merke ich an und Zoe nickt.

»Können wir etwas essen?«, fragt Zoe uns beide und ich nicke.

»Wir kochen gleich Zuhause etwas leckeres.« Zoe scheint zufrieden mit meinem Vorschlag, also ist der Hunger noch nicht riesig.

Während Zoe auf dem Weg zum Parkplatz vor uns herumhüpft, nehme ich Nathan in die Mangel. »Was haben die Sets gekostet?«

»Gut 190 Euro«, sagt er und tut so, als sei dieser Einkauf nichts gewesen.

»Bist du irre?«, frage ich ihn und halte ihn fest. »Du kannst nicht alle Probleme mit Geld lösen.« Er seufzt.

»Louisa, wir beide sind gerade völlig neben der Spur und seit dem Kita-Fest nicht wirklich für Zoe da. Hätte ich nein sagen sollen?«

Ich weiß, was er meint. Ich habe gestern den ganzen Tag allein verbracht und auch Nathan hat Zeit für sich gebraucht.

»Trotzdem hätte es bei einem Set bleiben können. Ich habe dank Dr. Heiland auch eine Idee, wie wir Zoe wieder etwas mehr Aufmerksamkeit schenken können.«

»Dann erzähl mal«, fordert er mich auf und ich erzähle ihm von Dr. Heilands Plan.

»Er sagte, wir sollen etwas unternehmen, zu zweit aber auch gerne zu dritt. Deswegen kochen wir auch gleich und gehen nicht essen. Und anschließend machen wir einen Filmabend.«

»Klingt nach einer guten Idee. Warum sind wir nicht selbst auf diese einfache Idee gekommen?«, fragt er und küsst mich.

»Weil wir im Moment viel zu viel in unserem Kopf gefangen sind und die einfachsten Dinge nicht bemerken«, antworte ich und ziehe ihn mit mir in Richtung Auto.

Nie waren Nathan und ich stolzer als heute und wenn ich die Tränen der anderen Eltern um uns herum betrachte, geht es uns allen so. Jedes Kind aus dem Schwimmkurs erhält sein Seepferdchen und eine Urkunde. »Ich gratuliere euch allen. Ihr habt alle bestanden«, ruft August und Applaus fällt den Kindern zu.

Elias nimmt Zoes Hand und kommt dann mit ihr auf Olivia und uns zu. Auch Elias Vater steht heute bei Olivia und sie geben ihrem Sohn und Zoe ein High-Five.

»Das muss gefeiert werden«, sagt Nathan und nimmt Zoe in den Arm. »Wir sind so stolz auf dich.«

Olivia dreht sich zu mir. »Elias, dann stell die Frage Zoes Eltern.« Ich will sie gerade daran erinnern, dass ich nur Nathans Freundin bin, als Elias schon fragt: »Zoe hat erzählt, ihr habt einen Pool?«

Nathan lächelt Zoe an und sie grinst frech. »Stimmt, den haben wir und man kann ihn immer nutzen«, antwortet Nathan amüsiert. »Wenn ihr möchtet, könnt ihr mitkommen und wir machen eine Poolparty, und ihr beweist auch dort nochmal, dass ihr euch das Seepferdchen verdient habt.«

Elias scheint begeistert und schaltet direkt in den Bettelmodus. »Wenn das keine Umstände macht«, sagt Olivia und sieht ihren Mann fragend an. »Hector, was meinst du dazu?«

»Warum nicht. Ich habe heute frei und wenn Zoes Eltern uns dazu einladen. Ja, wir nehmen die Einladung sehr gerne an.«

Alle nicken und Nathan gibt Olivia Hausnummer und Adresse. »Dann sehen wir uns in gut einer Stunde.«

»Sollen wir Jackson auch noch einladen?«, frage ich Nathan, als wir das Schwimmbad kurze Zeit später verlassen.

»Sie sind nicht da. Er hat doch erzählt, dass sie nach Borkum fahren, sobald das Kita-Fest vorbei ist.«

»Stimmt. Hattest du eigentlich auch vor mit Zoe in den Urlaub zu fahren?« Er schüttelt den Kopf.

»Nein, wir hatten keine Pläne. Möchtest du etwa weg?«

»Nein. Ich möchte erstmal wieder Normalität«, stelle ich klar und er nickt.

Eine gute Stunde später ist alles für die Party im Poolhaus vorbereitet und auch Elias und seine Eltern sind eingetroffen. Gemeinsam gehen wir ins Poolhaus. Da es draußen warm genug ist, macht Nathan die Glaswand auf. Die Kinder sind begeistert und zeigen uns, was sie die letzten Wochen im Schwimmkurs gelernt haben und was sie für das Abzeichen können mussten.

Auch ich schwimme ein paar Bahnen und genieße diesen unbeschwerten Moment. Seit dem Schwimmkurs heute Morgen habe ich nicht mehr an den Prozess gedacht.

Olivia hat ebenfalls den Pool betreten und gesellt sich zu mir. »Das ist wirklich praktisch. Hat Zoe deswegen so gute Schwimmerfahrung?«, fragt sie mit einem Blick zu den Kindern, die im Wasser spielen und um die Wette schwimmen.

»Ich vermute es. Sie ist eine echte Wassernixe«, gebe ich lachend zu, gestehe aber auch, dass wir seit dem Schwimmkurs nur zweimal mit ihr hier waren.

»Sie macht das wirklich gut. Elias hat zwischendurch mal Beschwerde eingelegt: Mama, ich mag Zoe doch nicht. Mit der Begründung, sie sei zu gut.«

Ich lache amüsiert und kann mir vorstellen, welche Miene der Kleine nach dem Kurs gezogen hat. »Auch Kinder haben schon den Wettkampfdrang, wenn du mich fragst. Ich kenne das sehr gut durch meine Ausbildung als Erzieherin.«

Sie nickt und wir schwimmen zusammen ein paar Bahnen. Plötzlich taucht Nathan am Beckenrand auf. Er sieht mich ernst an, in seiner Hand mein Handy.

Kapitel 3

Nathan

Ich sehe Louisa an. »Kommst du kurz mit?« Sie scheint sich einen Moment sammeln zu müssen, folgt mir dann aber, nicht ohne Olivia vorher Bescheid zu geben, dass sie einen Augenblick auf Zoe und Elias aufpassen muss. Wir gehen in Richtung Terrasse.

»Warum hast du mein Handy?«, will sie wissen und nimmt mit einem Handtuch auf einem der Stühle Platz.

»Weil es geklingelt hat. Es war Stella Fähr, das zweite Opfer von Simon. Sie hat zugesagt. Sie hat schon einen Anwalt und hilft uns im Prozess gegen Simon.«

Sie scheint einen Moment sprachlos und strahlt dann über das ganze Gesicht. »Wir können siegen.«

»Ja. Wir können und wir werden«, sage ich und sehe sie an. »Und nun lass uns Spaß haben. Herr Schwarz weiß schon Bescheid.«

Sie lächelt mich an und umarmt mich liebevoll. »Wie geht es dir dabei?«

»Willst du das wirklich wissen?«

»Ja.«

Ich hole Luft und sehe kurz zum Poolhaus, aus dem Gelächter zu hören ist. »Ich bin voller Widersprüche«, gebe ich schließlich zu. Was wirklich in mir tobt, werde ich Louisa nicht sagen. Sie würde das nicht verstehen, ich verstehe es ja selbst nicht.

»Komm jetzt.« Wir gehen zurück zum Poolhaus, ich nehme Anlauf und lasse mich mit einer Arschbombe in den Pool fallen.

»Das muss ich auch mal probieren«, entscheidet Hector und nimmt Anlauf. Ich lache amüsiert und schließlich kommt auch Louisa wieder ins Wasser.

Zoe spritzt mich nass. »Hey«, rufe ich protestierend und jage meiner Kleinen nach, doch sie lacht nur. Und das ist das schönste Geräusch in diesem Moment.

Max sieht mich kritisch an. Wir sitzen seit zwei Stunden gemeinsam in meinem Arbeitszimmer und zocken einen Online-Shooter und mit jedem Kill, den ich mache, oder auch nicht, scheint er zu merken, dass ich nicht wirklich entspannt bin. »Fick dich«, zische ich, als ich in dieser Runde schon zum fünften Mal sterbe.

Max sieht mich an. »Was beschäftigt dich? Und jetzt sag nicht dieser Camper fuckt dich ab. Denn du weißt, dass diese Map voller Camper ist.«

Ich denke darüber nach, ob ich mich Max öffnen möchte. »In mir tobt ein Sturm. Ich will Simon am liebsten töten, genau wie diesen verfickten Camper«, sage ich und erwische besagten Spieler. »Endlich«, juble ich, ehe ich fortfahre: »Aber das geht nicht. Weil ich dann selbst ins Gefängnis gehen würde und Louisa und Zoe hätten niemanden mehr, der sie schützt. Und dann ist da die Sache mit Sophie. Simon hat schon zwei Frauen auf dem Kicker, die mir wichtig sind. Er hat mir Sophie geraubt und Louisa wollte er töten, nur weil sie sich wehren wollte.«

»Aber das ist nicht alles«, merkt Max an. Ein Signalton ertönt, der uns sagt, dass wir beide aus dieser Runde ausgeschieden sind. Da wir uns sowieso nicht mehr auf das Spiel konzentrieren können, schalte ich das Gerät aus.

»Nein, es geht darum, wie ich mich wegen Sophie fühlen soll. Ich meine, denk mal nach. Wenn Louisa nicht gewesen wäre, hätte es keinen Unfall gegeben und ich hätte Sophie nicht verloren. Dadurch hätte ich aber Louisa niemals wiedersehen können. Somit habe ich Sophie geopfert um Louisa wieder zu haben.«

Er sieht mich an. »Denk doch nicht so.«

»Warum nicht?«, frage ich.

»Weil niemand hier irgendjemanden geopfert hat. Es war ein Unfall, der durch Simons Angriff entstanden ist. Also hör auf dich zu geißeln«, bittet er mich und ich nicke stumm. »Danke. Wollen wir noch eine Runde?«, fragt er mit einem Blick auf den Bildschirm. Als Antwort hebe ich meinen Controller.

Seine Worte sind zwar hilfreich und Max hat vollkommen Recht, aber sie können meine Gedanken nicht vollkommen beruhigen.

Louisa greift nach meiner Hand und flüstert in die Nacht: »Kannst du auch nicht schlafen?«

»Ja«, gestehe ich und drehe mich zu ihr.

»Ich kann kaum glauben, dass es morgen schon so weit ist.«

Zwei Wochen sind seit dem Kita-Fest vergangen und dank unseres Anwalts haben wir einen sehr schnellen Prozesstermin erhalten. Morgen früh geht es los.

Gestern waren deswegen auch nochmal meine Schwiegereltern, Herr Schwarz und die beiden anderen Opfer von Simon sowie deren Anwälte bei uns, um das genaue Vorgehen zu besprechen.

»Was passiert, wenn Simon doch aus irgendeinem Grund gewinnen sollte?«, fragt Louisa ängstlich. Ich ziehe sie an mich und fahre ihr über den Arm, um sie zu beruhigen.

»Louisa, wir haben Beweise gegen ihn. Er wird seine Strafe bekommen. Es wird nicht einfach werden, aber wir stehen das durch.«

Ich habe beschlossen, jeden Tag vor dem Gerichtssaal im Flur Stellung zu beziehen. Meine Assistentin Amelia weiß bereits, dass ich in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit erscheinen werde, und wird sich in meiner Abwesenheit um alles kümmern.

»Ich liebe dich«, wispert Lou und ich gebe ihr einen Kuss auf die empfindliche Stelle an ihrem Hals.

»Ich liebe dich auch. Und wenn das hier durchgestanden ist, fahren wir nochmal weg. Was hälst du davon?«, frage ich.

»Wohin würdest fahren wollen?«, will sie wissen und scheint über meine Idee nachzudenken.

»Wir könnten nach Italien fliegen. Oder Kroatien. Wir können aber auch an die Nordsee. Einfach nach dem Prozess vielleicht ein paar Tage weg«, schlage ich vor. Sie zögert einen Moment, bevor sie antwortet.

»Können wir gerne machen. Aber das Ziel will ich noch nicht festlegen. Dafür liegt die Zukunft des Prozesses zu sehr im Nebel.«

Ich kann ihre Zurückhaltung vollkommen verstehen. Wir haben zwar Beweise gegen Simon, trotzdem kann sich die Verhandlung hinziehen. Denn wir wissen durch unseren Anwalt, dass die Verteidigung von Simon von einem der besten Anwälte geleitet wird. Da Simons Mutter selbst eine angesehene Anwältin ist, dürfte es für sie kein Problem gewesen sein, diesen Anwalt für sich und ihren Sohn zu gewinnen.

Sie selbst durfte dieses Amt nicht übernehmen, da der Richter befand, sie stehe dem Angeklagten zu nahe. Mir war das nur recht und ich bin schon jetzt ein Fan von dem Richter, der diesen Prozess leitet. Ich gebe Louisa einen letzten Kuss, dann legen wir uns wieder hin und versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.

Ich schließe das Kleid von Louisa und helfe ihr mit der Kette, die sie heute trägt. »Was bedeutet diese Kette?«, frage ich, da ich dieses Schmuckstück noch nie gesehen habe.

»Sie ist von Lios Eltern und soll mir Kraft geben. Immer wenn ich Kraft brauche, trage ich sie. Auch beim Bewerbungsgespräch trug ich sie.«

»Ich erinnere mich nicht an sie«, gebe ich zu.

»Weil du sie nicht sehen konntest. Sie war unter dem Stoff meines Oberteils versteckt.«

»Trag sie offen. Zeig den Leuten deine Kraft und deinen Mut.« Sie nickt und ich nehme sie in den Arm. Dann gehen wir runter, um zu frühstücken. Louisa isst zwar nicht viel, aber immerhin etwas, denn sie wird die Kraft brauchen. Ich fürchte, dieser Tag wird nicht einfach für sie werden.

Ich bin wirklich froh, dass Lio sich sofort bereit erklärt hat, mit Louisa in den Gerichtssaal zu gehen und ihr beizustehen. Und er hat jedes Recht dazu. Denn Lio hat Louisa damals nach dieser schlimmen Zeit wieder auf die Beine geholfen.

»Wann kommt Lio eigentlich?«, erkundige ich mich und lege das Messer auf meinen Teller.

»Er kommt in einer Stunde. Der Prozess startet um 11 Uhr.«

Ich nicke und sehe zu Zoes Platz. »Denkst du, es war richtig sie zu Max zu bringen?«, frage ich und stelle damit die Frage, die mich seit gestern Nachmittag beschäftigt.

»Ich denke schon. Wir könnten am Tisch nicht offen darüber sprechen und sie sollte nicht wissen, was mir passiert ist. Ich meine, sie ist fünf Jahre alt und würde das alles gar nicht verstehen. Max und Karoline sind großartige Paten. Sie werden Zoe schon ablenken. Wir können sie ja immer abholen. Oder möchtest du nochmal zu ihr fahren?«

Ich würde es gerne, aber damit würde ich Zoe nur verwirren. »Nein, ich bleibe bei dir. Ich werde mit dir und Lio zum Gericht fahren und dort wie versprochen im Flur sitzen bleiben.«

Sie nickt verständnisvoll und nimmt meine Hand. »Wir schaffen das.«

»Wir schaffen das«, wiederhole ich und rede mir selbst gut zu. Ich bin so geladen wie noch nie in meinem Leben.

Ich räche Sophie, die für Simon nur ein Kollateralschaden war, und sorge für Gerechtigkeit, die Louisa, Hannah und Stella verdienen.

Deine Tage in Freiheit sind gezählt, Simon!

Kapitel 4

Louisa

Bevor wir das Gebäude richtig betreten können, müssen wir uns einem Sicherheitscheck, ähnlich dem am Flughafen, unterziehen. Nathan zuerst, dann Lio und zuletzt bin ich an der Reihe. Anschließend gehen wir zu dem Saal, in dem heute das erste Opfer ihre Aussage tätigen wird, bevor ich in den nächsten Tagen an der Reihe bin. Vor den Türen ist ein kleiner Wartebereich, indem ich mich von Nathan verabschiede und wir uns zum gegenseitigen stärken einen Abschiedskuss geben.

»Du schaffst das, mein Schatz. Ich warte hier draußen, Lio ist an deiner Seite und Dr. Heiland ist ebenfalls an jedem Tag anwesend.«

Dr. Heiland ist nicht nur wegen mir hier, sondern auch das Gericht hat ihn für diesen Prozess als hilfreich angesehen und als Zeugen aufgenommen. Aber den Anstoß habe ich gegeben, da ich ihn hierum gebeten habe.

»Ich weiß. Du bleibst wirklich hier, egal ob die Arbeit etwas von dir möchte?«, frage ich nach, denn allein das Wissen, das Nathan hier auf mich wartet, gibt mir schon so viel Kraft. Kraft, die ich benötige, um all das hier durchzustehen.

»Ich bleibe hier, Louisa. Es kann der Papst persönlich im Verlag auftauchen und mich sprechen wollen. Das Einzige, was mich gerade interessiert und wichtig ist, bist du. Allein du.« Über seine Aussage muss ich lächeln.

»Danke. Und denk daran, du baust mir hier keinen Schwachsinn, sonst trete ich dir in deinen Allerwertesten«, erkläre ich ihm streng, aber mit einem klitzekleinen Lächeln auf den Lippen.

Er nickt und nimmt auf einem der Stühle Platz. Während ich mich gerade mit Dr. Heiland unterhalte, sehe ich im Augenwinkel, wie Nathan Lio zu sich winkt und die beiden sich kurz unterhalten. Worüber die beiden reden, würde ich zu gerne wissen. Ich hoffe... Ich bete dafür, dass die beiden zusammen keinen Plan austüfteln. Bitte lass die beiden einfach zwei ganz normale Männer sein. Dr. Heilands Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Fragend sehe ich ihn an.

»Was lässt Ihre Gedanken so abschweifen?«, hakt er nach. Mit einer Kopfbewegung deute ich auf die beiden.

»Nathan und Lio, also mein Freund und mein bester Freund. Ich hoffe, dass die beiden keine dumme Idee haben«, erläutere ich ihm.

»Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken um die beiden Männer, Louisa. Beide wissen, was dieser und die nächsten Tage Ihnen bedeuten.«

»Stimmt«, antworte ich kurz und knapp. Anschließend versuche ich, meine Gedanken zu sortieren.

Wenige Augenblicke später stößt Lio zu uns und gemeinsam mit Dr. Heiland betreten wir den Gerichtssaal.

Die Verhandlung beginnt. Es wird ernst. Zunächst ist es totenstill, bevor die Stimme des Richters erklingt. Zunächst werden der Angeklagte und der Anklagegrund benannt. Simon sitzt neben seinem Anwalt und grinst. Das erkennt gerade auch Lio und ich merke, wie er sich anspannt. Ich atme durch, denn Simons Grinsen durchsticht mich wie ein Messer.

»Bleib ganz ruhig, Louisa. Er möchte dich nur provozieren und dachte wahrscheinlich, dass auch Nathan hier ist. Konzentrier dich einfach auf den Richter.« Ich nicke und drücke seine Hand. Statt Nathan sitzen Katharina und Christian im Saal.

»Herr Mühlenhaus, ich bitte Sie sich auf das aktuelle Verfahren zu konzentrieren. Ansonsten riskieren Sie ein Bußgeld.« Daraufhin nickt er nur und schaut wieder nach vorne. Nach einem kurzen Moment fährt der Richter fort.

»Frau Fähr, schildern Sie bitte die Nacht an dem sich das Ereignis abspielte.« Ich blicke zu ihr und sehe die Angst, die Worte auszusprechen. Sie atmet durch und gerade als sie anfangen möchte zu erzählen, fangen ihre Lippen an zu beben. Ihre Anwältin flüstert ihr etwas zu, jedoch beruhigt es sie nicht wirklich.

Der Richter sagt ihr, sie solle sich alle Zeit der Welt nehmen. Sie atmet einige Male durch, putzt sich die Nase und sieht dann erst zum Richter und anschließend zu Simon, so als müsse sie sich in Erinnerung rufen, warum sie das hier macht. Dann beginnt sie zu berichten, wie sie Simon kennengelernt hat und wie aus dem zunächst so charmanten Kerl ein Monster geworden ist, das ihr sehr viel verboten, sie zu Dingen gezwungen und schließlich misshandelt hat.

Auch mir erging es so. Simon war anfangs ein netter Kerl, aber dann wurde er zu einem Tyrannen. An manchen Tagen hatte er etwas gegen mein Outfit und sagte, ich solle mich umziehen, denn ich sei hässlich in dem Kleid oder in der Jeans. Da ich ihm gefallen wollte, habe ich brav zugestimmt. Erst mit der Zeit erkannte ich meine Fehler und doch da war es bereits zu spät. Er fing an, mich zu schlagen und zu vergewaltigen.

Der Richter dankt Stella für ihre Aussage, auch wenn diese bestimmt nicht leicht war und bittet als nächstes mich in den Zeugenstand, um meine Aussage zu tätigen. »Frau Linde, Sie waren ebenfalls mit dem Angeklagten Simon Mühlenhaus in einer Beziehung. Bitte schildern Sie uns doch die Erlebnisse in Ihrer Beziehung«, fordert er mich höflich auf.

Ich atme tief durch und versuche, mich voll und ganz nur auf die Aussage zu konzentrieren. »Ich war vor ein paar Jahren mit Simon zusammen ... Irgendwann wollte ich abends nicht mit ihm ins Bett. Aber er wollte es unbedingt. Ich habe nein gesagt, es herausgeschrien, aber ihm waren meine Worte egal. Er hat mich anschließend geschlagen und dann ...Er hat mich vergewaltigt. Das hat sich mehrmals wiederholt, die Vergewaltigungen und die häusliche Gewalt ... Ich habe mich eines Tages von Simon getrennt, beziehungsweise habe ich es versucht ... Dann bin ich ins Auto und mitten auf der Schnellstraße hat mich eins seiner Autos von der Straße gedrängt ...« Nach kurzen Pausen, um mich zu sammeln, füge ich immer wieder weitere Informationen hinzu.

»Er, der Angeklagte, hat mir die meisten meiner Erinnerungen genommen«, füge ich zum Schluss hinzu.

Als wir das Gerichtsgebäude wieder verlassen, kann ich erstmals wieder durchatmen. Allein die Anwesenheit von Simon in diesem Gebäude hat mir zugesetzt und mir einen Knoten in der Brust versetzt, der hier draußen geplatzt ist. Inzwischen ist es später Nachmittag und die Luft schon etwas abgekühlt und ich genieße es einen Moment lang. Dann höre ich auch schon die Stimmen meiner Truppe hinter mir. Lio und Nathan scheinen wieder etwas zu besprechen.

»Na, ihr beiden Tratschtanten. Was habt ihr zu besprechen?«, frage ich lächelnd, ohne mich zu ihnen umzudrehen.

Nathan tritt an meine rechte und Lio an meine linke Seite. »Männerkram«, sagt Lio leichtsinnig.

»Ich glaube euch das mal«, erkläre ich schmunzelnd. »Habt ihr auch solch einen Hunger?«

»Immer«, grinst Lio und ich blicke zu meinen Lieblingsmenschen hinüber.

»Nicht wirklich. Ich würde gern nach Zoe schauen. Ihr beide könnt euch einen schönen Abend machen und feiern, dass du deine Aussage großartig gemeistert hast, wie Lio mir erzählt hat.«

»Bist du dir sicher?«, hake ich nach.

Er nickt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

»Bring du mir sie nur heil wieder nach Hause«, erklärt Nathan Lio ernst, kann sein Lächeln aber nicht unterdrücken.

»Ja, Sir«, sagt Lio und salutiert vor Nathan und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Die beiden sind zu gut und versüßen mir das Leben, wie ein Glas Marmelade.

Nachdem ich mich von Nathan und den anderen verabschiedet habe, machen Lio und ich uns auf dem Weg. Schlussendlich landen wir beim Currystar. Der Laden, welcher die beste Currywurst aus ganz Deutschland macht. Zumindest wenn man mich fragt und ich sie mit denen vergleiche, die ich schon ausprobiert habe.

Während wir auf unser Essen warten, sitzen wir auf zwei Holzbänken, die durch einen Tisch getrennt sind.

»Du warst großartig und so mutig« , schwärmt Lio.

»Danke, aber wenn du so anfängst, hast du doch bestimmt noch was zu sagen«, äußere ich und blicke ihn auffordernd an.

»Lass uns doch erstmal essen«, schlägt er sanftmütig vor.

»Lio van Zee«, sage ich vollkommen ernst.

»Na gut, aber egal was ich gleich sagen werde, du wirst mit mir hier deine Currywurst mit Pommes essen. Wir essen gemeinsam. So wie immer«, betont er die letzten Worte. »Ich habe dir ja erzählt, dass Milan und ich die WG auflösen wollen. Außerdem soll die Hochzeit bald stattfinden. Daher werden wir die WG im Laufe der nächsten Wochen auflösen.«

»Stimmt, wir hatten darüber gesprochen«, bestätige ich seine Aussage und habe eine leise Vermutung, worauf mein bester Freund hinauswill.

»Nun da es soweit ist, will ich nochmal nachfragen, Louisa. Damals wolltest du die Wohnung übernehmen. Aber wir wissen beide, dass du kaum noch bei uns in der WG wohnst. Willst du mit ausziehen oder sollen meine Eltern die Wohnung weiterhin behalten, damit du einen Rückzugsort hast?«

Ich überlege einen Moment, bevor ich ihm antworte. »Ich habe damals gesagt, ich will sie behalten. Aber seit der Trennung ist mir auch klar, was mir Nathan bedeutet. Ich brauche ihn und er mich. Daher werde ich mit euch aus der Wohnung ausziehen. Nathan wird sich riesig freuen, wenn ich bei ihm einziehe.«

»Ich bin ehrlich Louisa. Mir ist es so auch lieber. Dann weiß ich, dass immer jemand bei dir ist. Und ich weiß, dass er auf dich aufpasst.« Ich nicke. Nathan und ich werden zusammen wohnen. Das wird Lio und meine Zieheltern nachts ruhig schlafen lassen. Mir war klar, dass sie mich ungern alleine wohnen lassen, auch wenn das Haus in einer guten Gegend steht. Meine Vergangenheit ist einfach zu heftig. Außerdem braucht Nathan mich. Er schläft dank mir sehr viel besser.

»Aber wir sehen uns doch trotzdem?«, will ich wissen.

»Natürlich. Mit wem sollte ich mich sonst über die Leute aufregen?«

»Stimmt«, gebe ich ihm lachend Recht.

Kapitel 5

Nathan

»Nathan.« Louisa liegt auf der Couch. Ich sehe sie fragend an, als ich mich in den Sessel ihr gegenüber fallen lasse. »Ja?«