Zachäus Konten - Tom Weber - E-Book

Zachäus Konten E-Book

Tom Weber

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Beschreibung

Daniel und Sven trifft es mitten im Studium: Studiengebühren! Der neu geniale Schachzug der Bildungsministerin Zachäus bringt die beiden in ungeplante Geldnöte. Noch nicht vom Schrecken erholt, fällt ihnen Geld vor die Füße und eine Idee, wie man davon noch mehr bekommen kann, ohne dass viel Zeit vom Studium verloren geht, und ohne moderne Tricks, wie man es mit Internet und Computer kennt, sondern ganz klassisch...

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Das Buch

Daniel und Sven trifft es mitten im Studium:

Studiengebühren!

Der neue geniale Schachzug der Bildungsministerin Zachäus bringt die beiden in ungeplante Geldnöte.

Noch nicht vom Schrecken erholt, fällt ihnen Geld vor die Füße und eine Idee, wie man davon noch mehr bekommen kann, ohne dass viel Zeit vom Studium verloren geht - und ohne moderne Trickserei, wie man es mit Internet und Computer kann, sondern ganz klassisch.

Der Autor

Tom Weber, 1974 in Bottrop geboren, studierte Rechtswissenschaften und arbeitet heute im Bereich Medien- und Urheberrecht.

Von Tom Weber ist bereits Tod im Arbeitsamt erschienen.

2003: Die Kartoffel ist Gemüse des Jahres, der dritte Golfkrieg beginnt, in der Provinz Guangdong entwickelt sich die Infektionskrankheit SARS zur Pandemie und in Nordrhein-Westfalen wird die erste Studiengebühr geplant.

2006: Der Echte Thymian ist Arzneipflanze des Jahres, Essen wird zur Kulturhauptstadt 2010 gewählt, Wal-Mart verlässt Deutschland und in NRW kommt eine zweite zu der ersten Studiengebühr dazu.

Heute ist NRW studiengebührenfrei, alle beklagen den Fachkräftemangel, aber nach Corona ist vor SARS: Also keine Sorge, einen Grund für eine Wiedereinführung oder Neuerfindung wird sich schon finden.

Es ist 2006 im Universitätsland Nordrhein-Westfalen...

Daniel war ganz froh darüber, dass man von ihrer Wohnung aus die Universität nicht sehen konnte. Er stand am Küchenfenster der WG und sah in den trüben Morgen. Die Sonne ließ sich nicht blicken. Daniel sah in seine Kaffeetasse, dann wieder aus dem Fenster und überlegte, ob er nicht vielleicht doch eine Jacke anziehen sollte. Der Kurzurlaub nach Spanien war ganz spaßig gewesen, hatte aber ein mächtiges Loch in die Kasse gerissen. Und jetzt saßen sie wieder in dem klammen Wetter. Der Sommer ließ auf sich warten. Während er noch an die Sonne dachte, fiel sein Blick auf Sven und er bemerkte, wie sein Mitbewohner auf der Unterlippe kaute.

Die Wetterumstellung konnte kaum der Grund für sein verkniffenes Gesicht sein. Er hatte einen offenen Brief vor sich.

„Was ist mit dir?“ fragte Daniel.

Es war der erste Hinweis, dass dies ein sonderbarer Tag werden würde. Normalerweise öffnete Sven seine Briefe nie am gleichen Tag. Sonst nahm er bestenfalls die Post mit, wenn er vor Daniel aus der Universität kam. Heute war er noch vor dem ersten Kaffee die Post holen gewesen.

Eigentlich konnte man sich einen besseren WG-Mitbewohner als Sven nicht wünschen. Beim Spülen, Müllruntertragen, Mülltonnenrausstellen – da konnte man sich auf ihn verlassen. Aber nicht bei seinen eigenen Angelegenheiten. Und diesmal war er selbst extra zum Briefkasten gegangen.

Wenn er genau darüber nachdachte, dann hatte Sven gar nicht richtig auf ihn reagiert, als er in die Küche kam.

„Was ist?“ fragte Daniel nochmal. Sein Löffel klopfte beim Umrühren gegen die Tasse und er fragte sich, ob das heute wirklich das erste Mal gewesen war. Heute war er spät dran und die ganze Woche über vor allen Anderen aus der Wohnung gewesen.

„Hast du deine Rückmeldeunterlagen von der Uni schon?“ fragte Sven.

„Nein, wieso?“

„Haben Alex und Judith ihre Unterlagen schon?“

„Die werden doch alle zusammen raus geschickt, oder?“

„Aber du hast deine auch noch nicht. Und das hier“, sagte Sven und hielt den Brief hoch, „sind meine. Und jetzt wissen wir auch, dass die neue Studiengebühr alle betrifft. Für die, die ihr Studium beginnen, gibt es erst mal keine Studiengebühr, für die kommt die später, aber alle anderen, die schon studieren, also für uns, gibt’s das Studienkontomodell. Hört sich nett an, oder? Studienkontomodell. So ungefährlich. Modell, wie Modellbau und Konto, als ob da einer drauf einzahlt.“

„Was?“ fragte Daniel verwirrt.

„Kurz und gut: Egal ob du Geld hast oder nicht, auch wenn du bereits studierst, du zahlst. Keine Gnade für die studierende Tochter der Krankenschwester, auch die zahlt, auch wenn sie schon längst studiert.“

„Das wird nicht durchgehen“, sagte Daniel mit Bestimmtheit. Al guter Jura-Student wusste er Bescheid. „Das Verfassungsgericht sagt seit Jahren in ständiger Rechtsprechung, dass Gesetze mit Rückwirkung nicht nachteilig sein dürfen.“

„Die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgericht scheint andere nicht zu interessieren: Guck hier“, und er hielt die Zahlungsaufforderung hoch. „Man kann es ja mal probieren, scheint da wer zu denken. Und wer wird schon klagen...“

„Dann lass uns klagen. Immerhin studieren wir den Mist, dann soll sich das für uns selbst auch lohnen.“

„Vergiss es, die schaffen gerade Fakten. Bis wir mit dem Prozess durch sind, sind wir alt und arm.“

Daniel schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: „Aber wenn wir sowieso erst demnächst zahlen müssen, dann hat das doch keine Rückwirkung.“

„Klar, schließlich zählen die alle deine Semester zusammen, die wir schon in studentischer Armut verbracht haben und nennen das dann Studienkontomodell.“

„Oh. Aber die Rechtssicherheit-“

„Offenbar gilt Rechtssicherheit nur für das Recht, das ist vor allem sicher, aber wir sind es nicht.“

„Moment – Studiengebühren waren hier bei uns doch kein Thema.“

„Nein, damit die Politiker das auch fein weiter sagen können, nennen die das Studienkontomodell: Wer länger als die durchschnittlich errechnete Zeit studiert oder das Studienfach wechselt, zahlt. Keine Ausnahme. Gilt für alle. Oder du schwanger oder behindert bist.“

„Ob wir das noch hinkriegen?“

„Und wenn die Studiengebühr dazukommt...“

„Dann sind wir geliefert. Was wollen die von uns?“

„650 Euro im Semester. Also 1300 Euro im Jahr.“

Daniel pfiff durch die Zähne. „Wir haben den falschen Job. Staat müsste man sein. Aber ich muss los. Wir sehen uns zum Mittagessen.“

Daniel ließ seine Jacke zu Hause. Schließlich musste an diesem Tag ja etwas gut werden, dachte er und dann, dass sie sich den Spanienurlaub vielleicht doch nicht hätten leisten sollen. Jetzt dachte er erst mal daran, die Klausuren an diesem Tag zu überstehen und zum Mittag würde er auf die übrigen Freunde der WG in der Mensa der Uni treffen.

Jeder Hörsaal hatte Ähnlichkeit mit einem Theater oder einem Kino: oben kam man rein und nach unten hin waren Sitzreihen montiert. Und unten spielte dann die Professoren-Show, wie Alexander schlechte Vorlesungen nannte.

In den Universitäten gab es mehrere Hörsäle für die Vorlesungen und darüber hinaus eine Unzahl von Seminar- und Fachräume, die eher Klassenzimmern entsprachen, wenn man sich nicht gerade in einem Labor befand.

Alexander, der von allen nur Alex genannt wurde, saß auf einem Sitz im mittleren Feld von gut 450 Plätzen. Nicht zu weit oben, wo man kaum noch was hörte, wenn der Professor nicht das übliche Mikrofon zum Umhängen benutzte, und nicht zu weit unten, wo man Gefahr lief, vom Professor befragt zu werden. Fiese Professoren bissen sich an einem Studenten fest, wenn sie merkten, dass der nicht gerade auf der Höhe war.

Und wie in jedem Theater gab es auch hier gute und schlechte Stücke.

Nicht selten wurden die Stücke „Das Nichts der Eitelkeit“ oder „Die Unfähigkeit anderen was beizubringen“ gegeben. Natürlich vom Professor entworfen und eigenhändig inszeniert. Alex sah auf die Bühne für den Professor, auf der wie immer zwei Requisiten standen: ein Tisch und ein Tageslichtprojektor auf einem eigenen Pult.

Wie im Kino, dachte Alex nochmal, nur nicht so komfortabel und längst nicht so spannend.

Als Student saß man auf schlichten, hölzernen Sitzflächen, die klappbar und an einer Lehne festgeschraubt waren, die gleichzeitig die Befestigung des klappbaren Tisches der nächsten, etwas erhöhten Reihe bildete.

Die Sitze waren nicht gepolstert und wie die Notsitze oder die Sitze in den Fahrradabteilen immer hochgeklappt, wenn niemand drauf saß. Dazu mussten die Sitze herunter geklappt werden und nur das Körpergewicht hielt die hölzerne Sitzfläche unten.

Sogar im Zug waren die Notsitze gepolstert, dachte Alex.

Er stützte seine Ellenbogen auf die klappbare Tischfläche und sein Kinn auf die Handfläche. Denn außer den harten Sitzen waren auch die Tischplatten schlichte Holzplatten, die man hoch klappen musste, wenn man aufstehen wollte.

Judith war später zu ihm gekommen und hatte einen Kaffee mitgebracht. Aber sie war noch vor dem Professor da, der die akademische Viertelstunde ausreizte und mehr als fünfzehn Minuten zu spät kam. Der Kaffee war längst ausgetrunken und selbst wenn noch etwas da gewesen wäre, wäre er längst kalt gewesen.

Aber, dachte Alex, es gab doch einen Vorteil gegenüber dem Kino. In die Hörsäle durfte man noch seinen Kaffee mitnehmen. Er dachte an seine Professoren und fand, dass es im Durchschnitt mehr unfähige Professoren als unfähige Drehbuchautoren gab. Aber im Kino würde ein schlechtes Drehbuch nicht auffallen, wenn man den Film ordentlich machte. Er legte sein Kinn auf die auf dem Klapptisch verschränkten Arme.

Die Klapptische standen in einem so unnatürlichen Winkel, dass sie zum Schreiben ungeeignet waren. Man musste die Hand zum Schreiben so halten, dass es nach nur wenigen Zeilen schmerzte.

Alex schloss die Augen und sah den Raum vor sich, mit der Uhr, die an der Seitenwand des Hörsaals hing. Vor geschlossenen Augen sah er, wie sich der Zeiger Mikromillimeter für Mikromillimeter weiter nach vorn schob - langsam, quälend, wie die ständig auf die Stirn eines Gefangenen fallenden Tropfen der chinesischen Wasserfolter – und meinte schon das leise Klacken des vorrückenden Zeigers hören zu können, der sich unaufhaltsam gegen Viertel vor bewegte. Wie Wassertropfen pochte die monotone Stimme des Professors gegen sein Ohr, hallte in den Hörgängen wieder und kam nur als Hintergrundrauschen in seinem Gehirn an.

Dabei musste er diese Vorlesungsreihe nicht einmal besuchen. Die Klausur war geschrieben und bestanden. Jetzt könnte er draußen vor der Universität in der Sonne liegen und alles kommen lassen, was kommen mag. Es war draußen bestimmt sonnig. Es war draußen immer sonnig, wenn man im Hörsaal saß. Er war nur wegen Judith hier. Sie hatte den Tipp bekommen, dass der Inhalt der Vorlesungen auch in er Abschlussprüfung vor kam.

Eine plötzliche Veränderung der Tonlage, sie war nur minimal, ließ ihn aufhorchen. Rascheln, Rutschen und Bewegungen um ihn herum ließen ihn die Augen öffnen.

„Meine nächste Vorlesung am Mittwoch findet diese Woche am Freitag Morgen statt. Seien Sie also nicht um 16, sondern um 8 Uhr da“, sagte der Professor und schaltete den Projektor aus.

„Schon wieder?“ Alex hob den Kopf und sah zur Seite. Judith schob ihren Kram in ihre Tasche. Dann kramte er nach seinem Taschenkalender in der Jacke und fand das kleine elastische Büchlein in der Gesäßtasche.

Der Herr Professor fuhr sich durch sein Haar und sah durch die Reihen, in denen sich widerspenstiges Gemurmel und Gebrummel breit machte.

„Seien Sie bitte etwas flexibel und denken Sie bitte daran, bei der letzten Klausur hat sich keiner von Ihnen mit Ruhm bekleckert.“

Judith schloss ihre Tasche und sagte leise zu Alex: „Wie auch, bei Vorlesungen, die so zuverlässig sind wie der Fahrplan der Bahn?“

Der Professor stellte sich nochmal an den Projektor.

„Also, Herrschaften... und auch die Damenwelt: Allen Erstsemestern sage ich es immer wieder und Ihnen habe ich es auch gesagt: Wenn Sie über das erste Semester hinaus kommen wollen, dann müssen Sie sich entscheiden: entweder Sie studieren, oder Sie arbeiten. Beides zusammen geht nicht. Und sie sind schon weit über das erste Semester hinaus. Da sollte ich Ihnen das nicht mehr erklären müssen.“

„Da arbeite ich“, sagte Alex, nachdem er seine Termine überprüft hatte.

„Der Herr Professor auch“, meinte Judith und fragte kurz darauf: „Und wieso ist Daniel nicht hier?“

„Wieso? Was ist denn so wichtig?“

„Ach, der hat noch mein Skript.“

„Mmm.“

Von der Bühnenfläche aus sah der Professor in die Ränge. Jahr für Jahr wurden die Studenten dümmer, fauler, blöder, dachte er. Und die Studiengebühr würde die Qualität auch nicht verbessern. Stattdessen würde er sich mit immer mehr Studenten herumschlagen müssen, die von Mama und Papa versorgt würden und während ihrer Ausbildung das wirkliche Leben niemals kennenlernen würden. Da konnte man nur auf einen schnellen Ruhestand hoffen, bevor es zu arg wurde, dachte der Professor, der noch weit vom Pensionsalter entfernt war. Er schob den Gedanken schnell zur Seite und holte bereits Luft, als ihm die Studentenreihen vor ihm wieder auffielen und er dachte: Wie die Hühner auf der Stange sitzen sie da. Aber wenigstens warteten sie darauf, dass er sie entließ. Studenten, die in Gruppen vor dem Ende der Vorlesung den Hörsaal verließen, waren mittlerweile keine Seltenheit geworden. Laut sagte er:

„Wenn Sie studieren, habe ich Ihnen gesagt, werden Sie die meiste Zeit in den Vorlesungen oder den Arbeitsgemeinschaften verbringen – und wenn Sie da nicht sind, sind Sie in der Bibliothek. Erinnern Sie sich: Wenn Sie Geld verdienen wollen, sind Sie hier falsch. Entweder Sie sind Student und studieren, oder sie gehen arbeiten und verdienen Geld. Wir sehen uns am Freitag Morgen.“

Seine Zuhörer verabschiedeten ihn mit dem traditionellen Klopfen der Fingerknöchel auf den Hörsaaltischchen vor ihnen und jetzt schoben auch die letzten ihre Stifte und Papiere in die Taschen.

Judith klappte das Tischchen vor sich hoch. „Manchmal frage ich mich, was der da unten hört und was nicht.“

Alex stand bereits. Der Stuhl hinter ihm war durch ein Federsystem von allein hochgeklappt. So entstand ein schmaler Gang zwischen hochgeklappten Tischen und Stühlen, durch den man sich hindurch schieben konnte. „Ist doch egal“, sagte er. „Ich würde ihm viel lieber zeigen, wie flexibel wir sind. Ich würde einfach eine Klausur um eine Woche vorverlegen und ihm dann erst eine Woche vor dem Termin Bescheid sagen.“