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Wer mit den Göttern verwandt ist, braucht echt keine anderen Feinde … Wenn du dieses Buch liest, bin ich wahrscheinlich schon tot. Ob mich die Rote Königin drangekriegt hat oder der Todeszauberer oder eine dieser fiesen Fledermäuse, spielt keine Rolle. Wenigstens sind meine Freundin Brooks und meine Höllenhündin Rosie an meiner Seite. Ohne die beiden hätte ich keine Chance, meinen Wie-befreie-ich-meinen-Dad-ohne-dabei-draufzugehen-Plan in die Tat umzusetzen. Falls ich trotzdem sterbe, tu mir einen Gefallen, ja? Tritt den Göttern ordentlich in den Hintern für mich! Persönlich empfohlen von "Percy Jackson"-Autor Rick Riordan! Entdecke alle Abenteuer aus der Reihe "Rick Riordan Presents": "Zane gegen die Götter" von J. C. Cervantes Band 1: Sturmläufer Band 2: Feuerhüter Band 3: Schattenspringer "Ren gegen die Götter" von J. C. Cervantes Band 1: Nachtkönigin Band 2: Jaguarmagie "Sikander gegen die Götter" von Sarwat Chadda Band 1: Das Schwert des Schicksals Band 2: Der Zorn der Drachengöttin "Aru gegen die Götter" von Roshani Chokshi Band 1: Die Wächter des Himmelspalasts Band 2: Im Reich des Meeresfürsten Band 3: Das Geheimnis des Wunschbaums Band 4: Die Magie der goldenen Stadt Band 5: Der Trank der Unsterblichkeit "Tristan gegen die Götter" von Kwame Mbalia Band 1: Mythenweber
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Seitenzahl: 491
Als Ravensburger E-Book erschienen 2021
Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag
© 2021 Ravensburger Verlag
Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »The Fire Keeper« bei Disney · Hyperion, einem Imprint der Disney Book Group.
Copyright © 2019 by Jennifer Cervantes
Published in arrangement with the author, c/o BAROR INTERNATIONAL, INC., Armonk, New York, U.S.A.
Umschlaggestaltung: Miriam Wasmus unter Verwendung einer Illustration von Jann Kerntke
Übersetzung: Katharina Orgaß
Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.
ISBN 978-3-473-47192-8
www.ravensburger.de
Für Julie-Bear – das Mädchen, das mutig ins Abenteuer aufbrach und mitFeuer zurückkehrte. Dieses Buch ist für dich.
Und für alle Schriftsteller, die schreiben und warten. Schreibt weiter.
»Die Prophezeiung des Feuers war erst der Anfang.
Feuer greift um sich, bis es alles vernichtet hat, was ihm in die Quere kommt.«
Antonio Marcel De La Vega,
Venice Beach, Kalifornien
Wenn dieses Buch dich erreicht, bin ich vielleicht schon tot.
Falls es dich überhaupt erreicht.
Vor sieben Monaten habe ich eine Geheimbotschaft an alle anderen Gottgeborenen geschickt, weil ich hoffte, ein paar von ihnen wären noch am Leben. Aber bis jetzt hat sich noch niemand bei mir gemeldet. Das kann a) bedeuten, dass es dich nicht gibt, oder b), dass es dich zwar gibt, du aber den Ruf der Magie noch nicht vernommen hast. Oder – und darüber will ich eigentlich gar nicht nachdenken –, dass es dich c) gibt und du den Ruf der Magie auch vernommen hast, ihn aber absichtlich ignorierst Wenn das der Fall ist, mach dich auf muchos problemas gefasst.
Weil ich ein Optimist bin, halte ich es aber auch für möglich, dass ich mich in meiner Botschaft nicht deutlich genug ausgedrückt habe. Vielleicht ist es ja so wie beim Lotto – je öfter man ein Los kauft, desto größer ist die Gewinnchance. Allerdings hat mein Onkel Hondo schon mindestens hundert Lottoscheine ausgefüllt und bloß ein einziges Mal gewonnen und dann nur einen Dollar fünfundzwanzig.
Betrachte das hier also bitte als meinen allerletzten Versuch. Falls mir etwas zustößt, sollst du wenigstens wissen, was mit dir selber los ist.
Ich schreibe übrigens mit Zaubertinte, die nur Gottgeborene wie du und ich lesen können. Mit der gleichen Tinte habe ich auch meine letzte Geheimbotschaft verfasst. Ich hatte sie an die Geschichte angehängt, die ich auf Befehl der Mayagötter aufschreiben musste. Die Götter wollten, dass ich ihnen mein Innerstes offenbare, und das aus zwei Gründen. Erstens, weil sie mitoteros sind, die überall ihre Nasen reinstecken müssen, zweitens, weil mein Scheitern eine Warnung sein soll, damit nie mehr jemand versucht, sich ihnen zu widersetzen. Um sicherzugehen, dass ich sie nicht anlüge (was ich garantiert getan hätte), musste ich Spezialpapier benutzen, das anzeigt, ob ich die Wahrheit schreibe.
Dass die Götter jetzt meine ganze Geschichte kennen, bereitet mir immer noch schlaflose Nächte. Gewisse peinliche Details hätte ich lieber für mich behalten, zum Beispiel, wie toll ich Brooks finde.
Das Beste an ihr? Dass sie immer noch an meiner Seite ist. Sie versteht, dass ich meinen Vater Hurakan suchen muss. Er ist ein echter jefe – ein Schöpfergott, Himmel noch mal! Er hat es nicht verdient, in einem engen Kerker zu schmachten, nur mit Staubflocken und seinen Erinnerungen als Gesellschaft. Nur, weil er den Heiligen Schwur gebrochen und mich vor dem Rat der anderen Götter als seinen Sohn anerkannt hat.
Dafür schulde ich ihm etwas. Einen Gefallen. Einen großen.
Uno por otro.
Ganz egal, wie lange es dauert und was ich dafür tun muss, ich werde ihn befreien. Schließlich wäre ich ohne ihn kein Gottgeborener. In meinen Adern würde nicht das Blut eines Schöpfers und eines Zerstörers fließen.
Ohne ihn wäre ich nicht der Sturmläufer.
Und darum bitte ich dich auch um einen Gefallen. Wenn du das hier liest und hörst, dass ich umgekommen bin, kannst du dann netterweise den Göttern eins aufs Maul hauen?
Danke.
Zane Obispo
PS: Ich habe diesen Brief geschrieben, bevor das alles passiert ist. Bevor ich mit der Hölle, der Roten Königin, dem Todeszauberer und den fiesen Fledermäusen Bekanntschaft gemacht habe. Also noch vor dem Ende. Beinahe hätte ich diese Botschaft sogar verbrannt, aber ein gewisser Jemand meinte, dass sie der Anfang von allem ist und dass jede Geschichte einen richtigen Anfang braucht. Also bitte: Hier kommt der Anfang vom Ende.
Seine Feinde während der Fastenzeit umzubringen, ist garantiert eine Todsünde.
Aber was blieb mir anderes übrig? Ich hatte mir den Zeitpunkt nicht ausgesucht. Vielleicht hatte ich ja Glück und bekam es bei der Befreiung meines Vaters nicht mit irgendwelchen dunklen Mächten zu tun. Und musste auch kein Blut vergießen.
Ha, keine Chance! Schließlich hatte ich ja schon so meine Erfahrungen mit den Mayagöttern.
»Du musst schneller rudern!«, rief ich.
Brooks saß im Bug des Zweierkajaks. Es regnete in Strömen. Wir paddelten durch einen Mangrovensumpf auf einer entlegenen mexikanischen Insel. Auf die hatte Ixtab mich und alle, die mir nahestanden, vor ein paar Monaten verbannt. Ixtab ist die Herrscherin der Unterwelt. Sie versteckte uns hier vor den anderen Mayagöttern, denn die hielten mich für tot. Dieses Schicksal hatte ich angeblich verdient, weil ich der Verbindung eines Gottes mit einer Menschenfrau entstammte.
Eigentlich war es auf Holbox – so hieß die Insel – ganz schön. Nur nicht, wenn man es eilig hatte – so wie wir gerade.
Der Mangrovensumpf glich einem gewundenen, überwucherten Fluss und war voller Krokodile und Schlangen, aber es war nun mal der kürzeste Weg zu der Bucht im Westen der Insel.
Diese Bucht war sozusagen unser »Postfach«. Unser Freund, der Riese Jazz, riskierte sein Leben, indem er uns mit vertraulichem Insiderwissen versorgte, aber er musste uns seine Informationen heimlich und auf die altmodische (also nervtötend langsame) Art zukommen lassen, damit man sie nicht zu ihm zurückverfolgen konnte. Ich weiß schon, was du jetzt denkst. Warum schickte er uns nicht einfach eine Textnachricht? Gute Idee, aber leider hatte Ixtab die Insel mit Schemenmagie getarnt, damit wir nicht entdeckt wurden, und diese Magie legt Smartphones und Wi-Fi und so was lahm. Außerdem stand Jazz unter ständiger Beobachtung. Wenn die Götter Verdacht schöpften, bedeutete das für ihn die endgültige Verbannung nach Xib’alb’a. Er konnte einem echt leidtun.
Den Tag und die Uhrzeit, wann die Nachrichten ankamen, erfuhren wir vom alten Pedro. Man trifft ihn meistens dabei an, wie er eine Hauswand bemalt, oder er sitzt irgendwo im Schatten und trinkt ein cerveza. Ist keins von beidem der Fall, organisiert er vermutlich gerade den »Nachrichtendienst«.
»Warum sind wir nicht einfach geflogen?«, übertönte ich das Geprassel des Regens.
»Ich fliege nicht, wenn es regnet. Schon vergessen?«, tönte es vom Bug her.
Aber Kajakfahren ist kein Problem, oder was? Keine Ahnung, warum Brooks so wasserscheu war. Ihre Gestaltwandler-Fähigkeiten verbesserten sich stetig. Inzwischen konnte sie sich nicht nur in einen gewöhnlichen Falken verwandeln, sondern sogar in einen Riesenfalken. Ich selbst dagegen hatte meine Fähigkeiten immer noch nicht im Griff. Dabei mussten wir beide in Topform sein, wenn wir das schaffen wollten, was wir uns wahnwitzigerweise vorgenommen hatten.
»Nur noch zwei Minuten!«, rief ich und meine Stimme überschlug sich vor Panik. »Wir kommen zu spät!«
Eine zweite Chance würden wir nicht kriegen, das hatte uns Pedro auf seine brummige Art unmissverständlich klargemacht. Wenn ihr nicht pünktlich seid, heult mir hinterher nicht die Ohren voll.
Heute ging es um die letzte, alles entscheidende Information, die uns noch fehlte: die genaue Lage des Ortes, an dem mein Vater eingekerkert war. Anscheinend hatten die Götter ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft und verfrachteten ihn alle paar Monate woandershin. Demnächst stand wieder ein Umzug bevor und wir mussten ihn befreien, ehe sich seine Spur verlor.
Echt schade, dass Fuego keine Flügel hatte. So hatte ich meinen Gehstock getauft – das Ding konnte sich in einen tödlichen Speer verwandeln und war so schnell wie ein Feuerstrahl. Damals, in der Alten Welt, hatte die Funkenschlägerin Blitze in den Stock gehämmert, ihn mit uralter Magie aufgeladen und mit dem Blut meines Vaters getränkt. Darum war er jetzt nahezu unzerstörbar und traf immer sein Ziel. Außerdem humpelte ich nicht, wenn ich ihn benutzte (mein eines Bein ist kürzer als das andere), aber ich nahm ihn nur zu Hilfe, wenn ich vor einem Dämon wegrennen musste oder so. Inzwischen stört mich mein Humpeln nicht mehr so. Es gehört zu mir und meiner Herkunft.
Wenn Fuego nicht im Gehstock- oder Speermodus war, verwandelte er sich in einen Brieföffner. Das war Ixtabs Idee gewesen. Ich hätte ja etwas Cooleres vorgezogen, einen Dolch zum Beispiel. Der Brieföffner steckte meistens in meiner Socke, damit ich beide Hände freihatte, wenn es nötig war. So wie jetzt zum Beispiel.
Brooks warf mir über die Schulter einen vernichtenden Blick zu. »Dafür schuldest du mir aber was, Obispo.« Dann flimmerte die Luft um sie herum blau und grün und sie verwandelte sich in den Riesenfalken. Sie kreiste mit einem lauten Schrei über mir (ich interpretierte ihn als: Du bist echt ein blöder Arsch!), bevor sie sich so tief sinken ließ, dass eine ihrer krallenbewehrten Zehen in meine Reichweite kam.
Aha. Kein komfortables Huckepack heute. Ich zögerte, aber sie bedachte mich mit einem eisigen Wer-nicht-will-der-hat-schon-Blick. Widerstrebend packte ich die vom Regen rutschige Zehe mit beiden Händen und sie schraubte sich mit mir in die Höhe. Bestimmt sah ich wie der letzte Depp aus, als ich wie ein nasser Sack an ihrem Fuß baumelte.
Egal.
Brooks hatte mit heftigem Gegenwind zu kämpfen und der Himmel wurde immer dunkler. Wenn das hier überstanden war, würde sie mich bestimmt umbringen. Aber wer hätte dieses Mistwetter vorhersehen können? Ich bin der Sturmläufer, kein Prophet.
Du schaffst das, versuchte ich, sie telepathisch aufzumuntern. Mein Ton war so fröhlich und zuversichtlich, wie ich es unter diesen Umständen hinbekam. (An alle Gottgeborenen: Frohsinn und Zuversicht können lebensrettend sein, wenn man sie richtig einsetzt.) Außerdem erspähte ich unter uns ein paar hungrige Krokodile und wollte verhindern, dass Brooks mich in ihre aufgesperrten Rachen fallen ließ. Sie kann ziemlich unberechenbar sein.
Vielleicht kommt die Sendung bei diesem Wetter ja mit Verspätung an, schob ich nach.
Halt die Klappe. Ich muss mich konzentrieren.
Kurz darauf ging sie über der Bucht in den Sinkflug und ließ mich fallen wie eine verfaulte Melone. Ich rollte über den festen, weißen Sand und verfehlte nur um Haaresbreite einen spitzen angeschwemmten Ast.
Brooks nahm wieder Menschengestalt an und im selben Augenblick flauten Sturm und Regen ab und der schwarze Himmel wurde hellgrau. Ich klopfte mir den Sand ab. »Hey, wir sind da! Echt cooler Flug. Nur … äh … die Landung war nicht ganz so gelungen.«
»Die Landung war super. Du lebst doch noch, oder?« Brooks wrang ihr schulterlanges braunes Haar aus. Weil wir in den letzten Monaten so viel Zeit am playa verbracht hatten, war es ein bisschen heller geworden. »Mach’s doch besser, wenn du kannst.«
Ich muss dich jetzt leider mit den harten Fakten konfrontieren, damit du nicht so überrumpelt bist, falls es dich auch irgendwann trifft: Nachdem sich mein Vater Hurakan zu mir bekannt und ich mit meiner krassen Feuermagie den Todesgott zur Strecke gebracht hatte, war etwas Blödes passiert – ich hatte es seit jenem glorreichen Tag nicht noch einmal geschafft, meine Fähigkeiten heraufzubeschwören. Die Feuerkugeln, die ich momentan zustande brachte, waren höchstens so groß wie Zitronen und erloschen schneller, als Brausepulver auf der Zunge zergeht. Dass dich ein Gott als seinen Sprössling anerkennt, bedeutet nämlich nicht, dass du automatisch gottgleiche Kräfte besitzt.
»Die Sendung hat tatsächlich Verspätung.« Brooks klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf die Erde und sah sich um. »Hat Pedro nicht Punkt 18 Uhr 32 gesagt?«
»Was ist das denn?« Ich zeigte zum Himmel, wo aus einer dunklen Wolkenbank ein riesiges, rotgefiedertes Etwas auftauchte. »Glaubst du, das ist der Postbote?«
Der Vogel (wenn man ihn überhaupt so nennen konnte) hatte Stummelflügel, lange dünne Beine, einen ambossförmigen Kopf und einen Schnabel, der an einen Fleischklopfer erinnerte. Ihn hässlich zu nennen, wäre eine gewaltige Untertreibung gewesen. Ich hätte gern gewusst, wer das arme Vieh zu diesem Job verdonnert hatte.
Brooks kniff die Augen zusammen. »Ist das eine Kokosnuss, die er da trägt?«
Der Vogel flog auf den Strand zu, doch dann flatterte er plötzlich auf der Stelle und ein Zittern überlief ihn. Ich folgte seinem Blick und drehte mich um. Aus dem Sand erhob sich eine schwarze Nebelwand und nahm die Gestalt meiner Höllenhündin Rosie an. Einen Hund zu besitzen, der sich aus dem Nichts manifestieren kann und doppelt so groß wie ein Löwe ist, ist nicht jedermanns Sache. Als ich die Boxer-Dalmatiner-Mischlingshündin vor Jahren in der Wüste von New Mexico aufgelesen hatte, war sie nur Haut und Knochen gewesen und hatte gerade mal zwölf Kilo gewogen. Aber seit sie in der Unterwelt hauste und Ixtab sie »umgestylt« hatte, reichte mir ihr Kopf fast bis zur Schulter – und das will was heißen, denn ich bin fast eins achtzig groß.
Kein Wunder, dass der komische Vogel mit den Stummelflügelchen Schiss hatte. Rosie schaute zu ihm hoch, als würde sie sich auf einen Leckerbissen freuen. Was vermutlich auch der Fall war.
»Sitz, Rosie!«, befahl ich.
Doch meine Höllenhündin hörte nicht auf mich und stürmte knurrend in Richtung Wasser. Ich musste sie unbedingt in der Hundeschule anmelden!
Der Vogel riss die Augen auf und piepste erschrocken. Dann machte er kehrt und flog davon.
»Halt«, rief ich ihm nach. »Die Kokosnuss!«
Aus unerfindlichen Gründen versteckte Jazz seine Botschaften gern in Obst und Gemüse. Beim letzten Mal hatte uns eine matschige Avocado Schöne Weihnachten gewünscht.
Piep! Piep! Der Vogel hatte eindeutig zu große Angst, um zurückzukommen. »Dann müssen wir uns die Kokosnuss eben holen«, sagte Brooks mürrisch.
Ich hielt mich an ihren Schultern fest und sie verwandelte sich wieder in einen Falken. Schon waren wir in der Luft und sausten auf den Vogel zu, der sich immer wieder panisch umdrehte.
Rosie sprang jaulend und kläffend durch die Wellen und spie dabei meterhohe Stichflammen.
»STEAK!«, brüllte ich.
Bei diesem Kommando soll sie sich eigentlich wieder einkriegen, aber von wegen. Sie tat einfach so, als hätte sie mich nicht gehört.
Hunde haben einen natürlichen Jagdinstinkt, belehrte mich Brooks telepathisch.
Kann Rosie bei Postvögeln nicht mal eine Ausnahme machen?
Die dunklen Wolken ballten sich wieder zusammen und verbargen den Vogel. Nur sein rotes Schwanzgefieder blitzte noch auf.
Rosie hielt mit uns Schritt. »Sie tut dir nichts!«, rief ich dem Vogel zu, doch im selben Augenblick spie Rosie einen Feuerschwall, der jedem Drachen Ehre gemacht hätte. »Warte, bis wir wieder zu Hause sind!«, schimpfte ich mit ihr.
Aber Brooks flog schnell und wir hatten den Vogel schon fast eingeholt. Noch zehn Meter.
Acht.
Fünf.
Was dann geschah, konnte ich erst nicht glauben. Ich musste zweimal hinsehen. Im aschgrauen Horizont vor uns klaffte auf einmal ein langer, ausgefranster Riss – so wie damals in der Alten Welt, als ich dachte, der Himmel würde aufreißen.
Es war zu spät. Der Vogel war schon in dem Riss verschwunden.
Die Kokosnuss klatschte ins Wasser.
Und Brooks krachte gegen eine unsichtbare Wand.
Als ich ins Meer stürzte, dachte ich nur:Gleich tut’s scheißeweh!
Platsch!, machte es und ich ging unter wie ein Stein.
Sofort paddelte ich wieder an die Oberfläche und schnappte nach Luft. Echt peinlich. Hätte Hondo meinen Bauchklatscher gesehen, hätte er sich kaputtgelacht. (Mein Onkel ist zwar ein paar Jahre älter als ich, benimmt sich aber meistens total kindisch.)
Brooks hatte sich schon von dem Aufprall erholt, ging in den Sturzflug und schnappte sich die Kokosnuss, die auf den Wellen hüpfte. Anschließend kam sie zu mir geflogen und sammelte mich ebenfalls ein. Ich nahm ihr die behaarte Kugel ab, dann kletterte ich über ihren Flügel auf ihren Rücken und krallte mich an ihrem glitschigen Gefieder fest. Ich war immer noch ganz benommen. Womöglich entschied diese Kokosnuss über das Schicksal meines Vaters!
Was war denn los?, wandte ich mich telepathisch an Brooks. Wo bist du gegengeflogen?
Keine Ahnung. Auf einmal war da eine Mauer oder so. Aber es war nichts zu sehen.
Ich kniff mich in die Nase und atmete tief durch. Alles in mir sträubte sich zu begreifen, was Brooks sagte.
Die Schemenmagie soll die Götter aussperren, nicht uns einsperren, entgegnete ich schließlich.
Okay, seit wir vor ein paar Monaten hier eingetroffen waren, hatte ich die Insel nicht mehr verlassen. Sobald ich mich aus unserem magischen Schutzgebiet hinauswagte, hätten mich angeblich die Götter auf dem Schirm und würden mich – Zack! – einen Kopf kürzer machen. Das hatte zumindest Ixtab behauptet.
Bei der Vorstellung, dass diese Insel womöglich – nein, höchstwahrscheinlich – ein Gefängnis war, wurde mir ganz anders. Wie sollte ich meinen Vater befreien, wenn ich selber eingekerkert war?
Brooks schlug wütend mit den Flügeln. Wieso haben wir das nicht gleich kapiert?
Dass wir hier in der Falle sitzen?
WARUM wir hier in der Falle sitzen! Wenn du die Insel verlässt, kriegen die Götter mit, dass du noch am Leben bist, richtig? Und sie kapieren, dass Ixtab sie angelogen hat. Ist doch logisch, dass sie nicht ihren eigenen Kopf riskieren will. Wie konnten wir so blöd sein, einer von denen zu vertrauen?!
Du meinst, sie will nur ihren eigenen Arsch retten?
Logisch. Aber wenn sie denkt, sie kann mich – oder uns – hier festhalten … – Brooks’ muskulöse Schultern spannten sich an – … dann wird sie sich noch wundern.
Mir ging es genauso. Es kam nicht infrage, dass ich hierblieb. Nicht jetzt, wo ich endlich wusste – oder gleich erfahren würde –, wo mein Vater war. Wenn der rote Vogel von hier entkommen konnte, konnten wir das ja wohl auch.
Als wir wieder an unserem eigenen playa landeten, wurde es schon dunkel. Rosie ließ sich natürlich nirgends blicken – sie wusste, dass ich sauer auf sie war. Immerhin hätte sie beinahe alles vermasselt, worauf wir seit sieben Monaten hinarbeiteten.
Aus dem Haus kam nicht nur der Duft von pollo adobado, sondern auch Hondos einschläfernde Zen-Musik. Nein, du hast dich nicht verlesen. Hier auf der Insel hatte mein Onkel eine neue Seite an sich entdeckt. Er beschäftigte sich nur noch mit Meditation und solchem Kram.
Die Kokosnuss war eindeutig hohl, aber ich entdeckte in der Schale keinen Spalt. Schließlich drosch ich mit Fuego so lange darauf ein, bis sie aufbrach. Zum Vorschein kam aber kein Zettel, sondern eine schwarze, münzgroße Obsidianscheibe.
»Hat Jazz die Nachricht in einem Zauberstein verborgen?« Brooks schüttelte ungläubig den Kopf. »Anscheinend nimmt er das mit der Geheimhaltung sehr ernst.«
»Stimmt«, sagte ich. »Er ist der reinste James Bond.«
»Verständlich. Wenn die Götter Verdacht schöpfen, dass er uns hilft, reißen sie ihm die Eingeweide raus.«
Ich legte das schwarze Stück Vulkanglas auf einen Felsen, versetzte Fuego in Speermodus und rammte seine Spitze in die kleine Scheibe. Sie zersprang und gab einen schwarzen Papierstreifen frei, der sorgfältig dreimal längs gefaltet war. Als ich ihn glatt gestrichen hatte, war er so groß wie eine Karteikarte. Instinktiv wich ich zurück. Nicht, weil ich mich vor einem Stück Papier fürchtete, sondern weil sich der Todesgott Ah-Puch vor ein paar Monaten aus einem ganz ähnlichen Papierstreifen materialisiert hatte.
Ich riss mich zusammen und beugte mich mit klopfendem Herzen über die Nachricht.
»Und?«, fragte Brooks.
»Es steht nichts drauf.«
»Was?!« Sie griff nach dem Zettel und hielt ihn hoch. Sofort schimmerte das Papier silbrig wie Sternenstaub, und einzelne Wörter und Zahlen hoben sich davon ab wie von unsichtbarer Hand geschrieben.
WaTiki-Erlebnisbad
314 North Elk Vale Road, Rapid City, SD57703
Mitternacht
24. März
Drei Dämonen
»Mein Vater wird in einem Spaßbad in South Dakota gefangen gehalten? Soll das ein Witz sein?«
»Drei Dämonen«, wiederholte Brooks nachdenklich. »Das ist ein Klacks für uns.« Sie klopfte sich ans Kinn, als würde sie an den Fingern abzählen. »Und heute ist der Zwanzigste, oder? Dann bleiben uns noch vier volle Tage.«
Plötzlich tauchte Rosie auf. Sie kam mit eingekniffenem Schwanz, gesenktem Kopf und angelegten Ohren über den Strand getappt und winselte leise. Ich konnte ihr nicht mehr böse sein. Brooks hatte ja recht. Hunde besitzen einen natürlichen Jagdinstinkt.
Seit sieben Monaten versuchte ich schon, Rosie dazu zu bringen, dass sie wieder wie früher auf mich hörte, aber es klappte einfach nicht. Schon gar nicht hörte sie auf die beiden Kommandos, die das Feuerspeien an- und abstellen sollten. Ixtab hatte ihr beigebracht, auf das Wort »tot« hin Flammen zu spucken. Wenn ich die Flammen gerade gebrauchen konnte, um mich zu verteidigen oder dergleichen, war das nützlich. Nicht so toll war es, wenn irgendwer in einer ganz normalen Unterhaltung »tot« sagte.
Jetzt spie Rosie eine tischtennisballgroße Feuerkugel aus und rollte sie als Friedensangebot mit der Schnauze vor meine Füße.
Als ich die Kugel aufhob und warf, sauste sie wie ein schwarzer Blitz hinterher.
»Rosie ist echt der begabteste Höllenhund, den ich kenne«, sagte Brooks. »Sie kann superschnell rennen, und wie sie Feuer spuckt … Hast du mitbekommen, dass sie den Vogel beinahe in Brand gesteckt hätte? Und sie ist dabei sogar geschwommen!« Brooks strahlte wie eine stolze Mutter, deren Kind gerade einen Malwettbewerb gewonnen hat. Ihre anfänglich so schwierige Beziehung zu Rosie hatte sich eindeutig verbessert. »Rosie ist so weit … und du bist es auch, Zane. Wir packen das. Du packst das.«
»Klar«, gab ich zurück, aber meine Zuversicht war gespielt. Es machte mich ganz krank, mir meinen Vater in einem engen, finsteren Verlies vorzustellen, wo er von Tag zu Tag schwächer wurde.
»Und mach dir keinen Kopf, weil es bei dir mit dem Feuer noch nicht richtig klappt«, setzte Brooks hinzu. »Vielleicht musst du einfach mal lockerlassen.« Sie kramte einen Pflegestift mit Minzgeschmack aus der Tasche und fuhr sich damit über die Lippen. »Oder es funktioniert besser, wenn du in echter Gefahr bist. Soll ich mich mal eben in einen Falken verwandeln und dich angreifen?«
»Äh … nett von dir, aber nein, danke. Ich krieg das auch allein hin.«
Sie zuckte die Achseln. »Wie du meinst. Ich bin dann mal kurz weg.«
»Wo willst du denn hin?«
»Ich will mir diese unsichtbare Mauer noch mal ansehen.« Schon war sie wieder ein Falke und flog davon.
»Ich … ich warte so lange hier unten.«
Rosie kam zurückgeflitzt, winselte und legte mir die Feuerkugel wieder vor die Füße. Ich kraulte sie zwischen den Augen. Weil sie so groß war, musste ich mich nicht mal bücken. Danke, mein Mädchen, sagte ich in Gedanken. Dass sie eine Höllenhündin ist, hat den Vorteil (vom Feuerspeien mal abgesehen), dass ich mich mit ihr ebenfalls telepathisch verständigen kann.
Auch Rosie fand, dass ich mich mehr anstrengen müsste, aber leider konnte ich nicht so mühelos wie sie Flammen erzeugen. Ich hatte es schon hundertmal versucht und dabei alles genauso gemacht, wie Hurakan es mir bei unserer ersten und zugleich letzten Unterrichtsstunde in der Leere beigebracht hatte.
Damals war ich so überwältigt gewesen, ihm endlich zu begegnen – an einem Ort, den er selbst erschaffen hatte! –, dass ich mich nicht mehr an alles erinnern konnte. Aber er hatte irgendwas in der Richtung gesagt, dass ich eines Tages keine äußere Hitzequelle mehr brauchen würde, sondern eine eigene erzeugen könnte. (Allerdings hatte ich naiverweise geglaubt, das würde passieren, sobald er sich vor den anderen Göttern zu mir bekannte. Irrtum.)
Er hatte auf die Sonne gezeigt. Verbinde dich mit ihr. Ruf sie.
Daraufhin hatte ich mich auf mein zu kurz geratenes Bein konzentriert – Hurakan hatte es mein »Schlangenbein« genannt, weil sich darin meine göttlichen Kräfte bündeln – und tatsächlich hatte mich eine eigenartige Kraft durchströmt. Allerdings war ich damals auch gerade ein Jaguar gewesen. Vielleicht hatte es ja deswegen geklappt.
Als Nächstes musst du die Flamme mit deiner Lebenskraft nähren, hatte er mich dann angewiesen.
Doch als ich das versucht hatte, war eine unerträgliche Hitze durch mich hindurchgefegt und aus meiner Nase war Rauch gekommen. Ich war in Panik geraten.
Seither hatte ich keine wesentlichen Fortschritte mehr gemacht.
Rosie nahm die Feuerkugel auf die Schnauze und warf sie mir zu. Ich fing sie auf und ließ sie auf den Fingerspitzen kreiseln.
Ich konzentrierte mich. Die Hitze drang durch meine Haut und ich nährte sie mit der Kraft, die in meinem Bein pulsierte. Nur so konnte ich die Flammen höher auflodern lassen.
Rosie winselte ermutigend.
Ich konzentrierte mich noch fester, bis die Kugel schließlich so groß wie eine Zitrone war. Schweiß lief mir den Rücken hinunter und ich holte tief Luft. Jetzt durfte ich mich nicht ablenken lassen. Die Flammen züngelten um meine zitternden Hände, verbrannten mich aber nicht.
Ich schaffe das.
Ich schaffe das.
In Gedanken hörte ich Hurakan wieder den Sturm übertönen: Wenn du das Feuer nicht im Griff hast, bringt es dich um.
Ich schleuderte die Kugel von mir und sofort ließ die sengende Hitze in meinem Inneren nach.
Als die Feuerkugel wie eine erlöschende Wunderkerze über die Wellen zischte, betrachtete ich enttäuscht meine Hände.
Kurz darauf landete Brooks neben mir und verwandelte sich in einen Menschen zurück.
»Ich bin einmal um die ganze Insel herumgeflogen«, verkündete sie außer Atem. »Wir sind tatsächlich von einer Mauer umgeben, die ich nicht durchbrechen kann, aber –«
»Was, aber?«
»Im Osten hat die Mauer ein kleines Loch und ich konnte die Kralle durchstecken.«
»Super!«, sagte ich. »Können wir das Loch erweitern und ausbrechen?«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Eher nicht. Es hat sich sofort wieder geschlossen.«
»Aber wie …?«
In Gedanken ging ich rasch alle Möglichkeiten durch. Ixtab hatte die Mauer erschaffen, a) um uns zu beschützen, b) um uns daran zu hindern, die Insel zu verlassen, c) um die Götter daran zu hindern, die Insel zu betreten, oder d) alles zusammen. Im Grunde war das auch egal. Ich ließ mich nicht auf Holbox einsperren, Magie hin oder her.
Ixtab hatte aber noch etwas anderes gemacht. Sie hatte einen schlummernden Vulkan – meinen Lieblingsvulkan, den ich »die Bestie« getauft und der ursprünglich hinter unserem Haus in New Mexico gestanden hatte – auf die Insel verpflanzt und mir erklärt, der Krater sei meine persönliche Pforte zur Unterwelt, die ich im Notfall benutzen konnte. Im äußersten Notfall, wie sie betont (oder gedroht?) hatte. Nur dann, wenn die Götter herabsteigen und dir die Augen rausreißen wollen. Zum Glück war dieser Fall noch nicht eingetreten. Sollte ich die Pforte benutzen, um Ixtab in ihrer Unterwelt zur Rede zu stellen? Aber sie würde bestimmt ahnen, dass ich abhauen wollte, und ihre magischen Maßnahmen noch verstärken. Dann konnte ich womöglich nie mehr von hier weg.
»Wenn Hurakan noch mal verlegt wird, heißt das für uns ›zurück auf Anfang‹, und Jazz hat schon so viel für uns riskiert«, gab ich zu bedenken. »Womöglich ist es unsere letzte Chance, meinen Vater zu befreien. Wir müssen es irgendwie hinkriegen, von hier wegzukommen.«
Brooks’ Augen leuchteten plötzlich auf. »Was ist mit dem Pfortenplan?«
Meine Nachbarin Miss Cab, die eine bedeutende Mayaprophetin ist, hatte uns eine magische Karte geschenkt, auf der die geheimen Zugänge zu den anderen Ebenen der Welt verzeichnet waren. Okay, sie hatte uns die Karte nicht direkt geschenkt, sondern wir hatten sie uns ausgeborgt, aber sie war noch nie zum Einsatz gekommen, weil uns die blöden Götter zuvorgekommen waren und sämtliche Pforten geschlossen hatten.
»Gute Idee!« Vor lauter Aufregung vergaß ich, meine Stimme zu dämpfen. »Vielleicht zieht sich die Mauer ja nur außen um die Insel herum, riegelt aber die Pforten nicht ab.« Bei der Vorstellung, Ixtab zu überlisten, überlief mich ein freudiges Kribbeln.
»Wenn wir wieder zu Hause sind, überprüfe ich das mal«, entgegnete Brooks, wirkte aber nicht mehr ganz so begeistert. »Hoffentlich funktioniert der Pfortenplan hier auf der Insel überhaupt – nicht so wie das Wi-Fi …«
»Gleich morgen früh brechen wir auf!«, sagte ich, aber mein optimistischer Ton klang ein bisschen gezwungen.
»Und wenn wir nicht durchkommen?«
»Dann stürmen wir die Hölle!«, gab ich grimmig zurück.
Bei dem Wort »Hölle« jaulte Rosie und trippelte auf der Stelle.
»Ja, du darfst auch mitkommen.« Ich tätschelte sie. »Aber du musst mir versprechen, dass du auf mich hörst. Wir müssen ein Team sein, verstehst du das?«
Insgeheim hatte ich den Verdacht, dass Rosie mir ihre Verwandlung in eine Höllenhündin immer noch übel nahm. Schließlich war ich derjenige gewesen, der sie in den Vulkankrater mitgenommen hatte, wo ein Botendämon sie getötet und geradewegs in die Unterwelt verfrachtet hatte. Dass sie mir womöglich nicht mehr vertraute, war ein schrecklicher Gedanke.
In diesem Augenblick trat Hondo auf die hintere Veranda hinaus und rief uns zu: »Essen ist fertig! Ich hab gekocht – du spülst ab, Diablo!«
Ich drehte mich zu dem mit Palmwedeln gedeckten Haus um, in dem wir jetzt wohnten – auch Brooks. Allerdings war sie in der kleinen casita im Hof untergebracht, denn Mom hatte gemeint: »Junge Mädchen brauchen Privatsphäre.«
Mom war inzwischen auch nach draußen gekommen. Sie verteilte die Bastuntersetzer auf dem Tisch und winkte uns lächelnd zu. Sie war glücklich hier, viel glücklicher als in New Mexico. Sie liebte die sandigen Straßen der Insel, die bunten Cafés, die offenen Verkaufsstände und den Markt mit seinen Obst- und Gemüsebuden. Und was fand ich an Holbox gut? Vor allem den Strand und das Yum-Balam-Naturschutzgebiet. Letzteres ist nach dem Jaguarfürsten aus der Mayamythologie benannt, und zufällig steht dort auch mein Vulkan.
Mom konnte nicht ahnen, dass ich kurz davor war, ihr Glück zu zerstören, indem ich bei meinem Vorhaben all das aufs Spiel setzte. Aber ich redete mir ein, dass schon alles gut gehen würde. Morgen früh würde uns bestimmt etwas einfallen, wie wir die Insel verlassen konnten – und wenn wir ein Loch in den Himmel bohren mussten! Wir würden unter dem Radar der Götter nach South Dakota fliegen und alles würde nach Plan verlaufen.
Ich irrte mich gewaltig.
Brooks’ Idee mit dem Pfortenplan führte zu nichts.Nada. Die nächste Pforte lag in Cancún und damit hinter der magischen Mauer.
Als ich mich schlafen legte, hatte ich scheußliche Kopfschmerzen. Ich ging noch einmal alle Möglichkeiten durch, aber dann fiel mir etwas ein, woran ich noch nicht gedacht hatte. Die allerletzte Möglichkeit. Der Jaguarzahn. Das Jadeamulett war ein Geschenk meines Vaters und ich trug es an einem Lederband um den Hals. Es war mit der ältesten und mächtigsten Magie des Universums aufgeladen. Mit seiner Hilfe konnte ich Seelensprünge in die Leere vollziehen und den Zahn meinerseits mit magischen Kräften aufladen, wenn ich ihn weiterschenkte. Das war anscheinend eine Art göttliche Ironie. Etwas von ihrer Macht zu verschenken, sah den Göttern sonst gar nicht ähnlich.
Sollte ich Brooks die Macht verleihen, Ixtabs Mauer außer Kraft zu setzen? Aber womöglich war die Magie des Amuletts schwächer als Ixtabs Zauberbann und wir vergeudeten unsere einzige Chance, den Zahn einzusetzen.
Meine Träume in jener Nacht waren von undeutlichen, unbekannten Gesichtern und Orten bevölkert. Alles schien unerreichbar fern, doch dann hörte ich eine tiefe Männerstimme sagen: Es wird Zeit, dass die Geschichte in Schwung kommt.
Ich fuhr in die Höhe und war schlagartig wach. »Hallo?«
Keine Antwort.
Ich habe bloß geträumt, versuchte ich mich zu beruhigen, schüttelte mein Kissen auf und wollte mich wieder hinlegen.
Sie ist hier.
Das war jetzt aber wirklich kein Traum!
Ich schlug die Decke zurück. Draußen brandeten die Wellen an den Strand und ich spürte ein Ziehen im Magen, als übte die Flut einen Sog auf mich aus.
Ich verließ das Haus und lief zum Strand hinunter.
Allein. (Außer man zählt Fuego mit.)
Noch vor ein paar Monaten wäre Rosie fröhlich neben mir hergetrabt, so wie in unzähligen schlaflosen Nächten in New Mexico, aber seit sie eine Höllenhündin war, schlief sie lieber im Krater der Bestie. Sie wollte in der Nähe der Pforte sein. In Ixtabs Nähe. Gehörte mir Rosie überhaupt noch? Ich verdrängte den Gedanken sofort. Er war zu schmerzhaft.
Draußen war es frisch, der Mond war ein milchig trüber Halbkreis. Die Karibik leuchtete, als würden unter der Wasseroberfläche Millionen blauer Sterne strahlen. In Wahrheit war es biolumineszierender Phytoplankton – beziehungsweise Meeresleuchten, wie Brooks dazu sagte. Es ist ein umwerfender Anblick.
Ich rieb mir fröstelnd die Arme und setzte mich auf den menschenleeren Strand. In meinen Ohren hallte die rätselhafte Stimme wider: Es wird Zeit, dass die Geschichte in Schwung kommt. Sie ist hier. Was sollte das bedeuten?
Vor mir brandeten die Wellen an Land, der Horizont war schwarz. Ob Pazifik, die von den anderen Göttern verstoßene Göttin der Zeit, dort draußen war? Und ging es ihr gut? Nachdem sie mir mehrmals Botschaften von Hurakan überbracht hatte, musste sie wieder auf Tauchstation gehen, aber was hieß das in ihrem Fall? Ich tastete nach dem Jadezahn, den sie mir damals überbracht hatte. Seit ich Ah-Puch bezwungen hatte, war ich nicht mehr in die Leere gesprungen. Ich hätte mich zwar gern wieder mal dort umgeschaut, hatte aber zu viel Schiss, wen oder was ich womöglich vorfinden würde.
Immer noch fröstelnd, holte ich ein Streichholzbriefchen aus der Tasche. Ich musste mir das Feuer endlich untertan machen. Es kam nicht infrage, dass ich in unserem Befreiungstrupp der Schwächste war.
Als ich das erste Streichholz anriss, pustete der Seewind es wieder aus. Beim nächsten Versuch wölbte ich die Hand um das Flämmchen. Mit dem Feuer zu spielen, war nicht das Problem. Es kam darauf an, seine Kraft in mich aufzunehmen, sie zu verstärken und zu steuern.
Ein Funke wehte auf meine Jeans, hinterließ aber kein Brandloch. Meine Kleidung und alles, was mit meiner Haut in Kontakt kam, war nicht brennbar, hatte mir Ixtab erklärt. Echt nützlich.
Die kleine Flamme flackerte. Ich sog ihre Kraft durch die Handfläche in mich hinein und verband sie mit den Kräften meines Schlangenbeins. Gleichzeitig beschwor ich die Flamme, sich auszudehnen, bis sie schließlich den Umfang einer Zitrone erreicht hatte. Zitronengröße war offenbar meine persönliche Grenze.
Als ich tief Luft holte, dehnte sich der Durchmesser der Feuerkugel etwa zwei Zentimeter weiter aus und dann noch mal zwei. Ein Kraftschub pulsierte durch meinen Rücken und meine Arme, Rauch quoll mir aus Nase und Augen. Meine Haut glühte rötlich, als strömte glühende Lava durch meine Adern, und die Hitze drang mir durch Mark und Bein, als würde ich gleich in Flammen aufgehen. Nur, um das kurz klarzustellen: Mich in eine lebende Fackel zu verwandeln, entspricht nicht meiner Vorstellung von einer schönen Freitagnacht.
Wie jedes Mal geriet ich in Panik und schleuderte den Mini-Meteor von mir. Er sauste über das Wasser und … Was war das?
Ich sprang auf. Die Feuerkugel blieb kurz in der Luft hängen, als hätte jemand sie aufgefangen, dann plumpste sie herab und wurde von den Wellen verschluckt.
Weil ich im Dunkeln außergewöhnlich gut sehe, konnte ich ein Ruderboot ausmachen, das durch die Wellen auf mich zupflügte. Die Gestalt darin hatte eine Kapuze ins Gesicht gezogen. War das ein Fischer?
Als das Boot über den Sand scharrte, fiel die Kapuze herunter und ein kurzer, fransiger schwarzer Haarschopf kam zum Vorschein. Er gehörte einem Mädchen.
Mir stockte der Atem.
Ich konnte den Blick nicht von der Unbekannten abwenden.
Halt! Es ist nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst. Nicht so wie bei meiner ersten Begegnung mit Brooks, als sie mich mit ihrem Eine-Million-Watt-Lächeln angestrahlt hatte. Es war ganz anders.
Die Unbekannte (sie musste ungefähr so alt sein wie ich) blieb einfach sitzen und starrte vor sich hin. Ihr Blick war so ausdruckslos wie der einer Schaufensterpuppe, und bleiche Mondstrahlen huschten über ihr schmales Gesicht mit den großen Katzenaugen. Das Boot schaukelte sanft, als die Wellen gegen den Rumpf schwappten.
Ausgerechnet da kam Rosie über den Strand geprescht und knurrte wie eine Irre.
»Sitz, Rosie! Sitz!«
Natürlich hörte sie nicht auf mich und stürmte weiter. Ihre gewaltigen Reißzähne schimmerten im Mondlicht. Typisch Höllenhund mal wieder. Ich ließ Fuego fallen und warf mich auf sie. Wir rollten über den Sand, wobei meine Arme kaum lang genug waren, um sie auch nur halb um ihren Bauch zu schlingen. »SITZ, hab ich gesagt!«
Rosie befreite sich mühelos. Sie knurrte immer noch und sträubte das schwarze Nackenfell, blieb aber immerhin stehen. Würde sie dem fremden Mädchen gleich einen Flammenschwall entgegenspeien?
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Sie schnüffelte, entspannte sich und tappte leise winselnd zu dem Boot hinüber.
Falls das Mädchen gefährlich war, hätte Rosie es gewittert. Trotzdem packte ich zur Sicherheit Fuego, um ihn notfalls in den Speermodus zu versetzen. »Wer ist das, Rosie?«, fragte ich gedämpft.
Rosie schnüffelte und winselte, ohne sich von mir stören zu lassen. Demnach war das Mädchen weder eine von den Göttern gesandte Auftragskillerin noch ein getarnter Dämon. Hoffentlich. Die mysteriöse Stimme fiel mir wieder ein: Sie ist hier.
»Äh … hast du dich verfahren?« Ich hoffte, das Mädchen würde aus ihrer sonderbaren Trance erwachen und etwas sagen. Irgendwas. Aber sie starrte nur weiter vor sich hin. Unter der Kapuzenjacke trug sie ein graues NASA-T-Shirt, eine Schlafanzughose und rote Cowboystiefel. Wer ging denn in Cowboystiefeln rudern?
Atmete sie überhaupt?
Ich wagte mich näher heran.
Da sackte das Mädchen plötzlich wie ein leerer Kissenbezug zusammen und schlug mit dem Kopf auf den Bootsrand, aus dem ein langer Nagel ragte.
Ohne Zögern sprang ich in das Boot. Brauchte sie Hilfe? Auf ihrer Stirn klaffte eine fünf Zentimeter lange, blutende Wunde und mir wurde übel (ich konnte immer noch kein Blut sehen). Auch Rosie streckte winselnd den Kopf zu uns herein und stieß das Mädchen mit der Pfote an. Dann beschnupperte sie die Wunde und schleckte sie eifrig ab.
»Das ist echt eklig«, sagte ich, aber die Wunde schloss sich. »Okay, das ist jetzt cool. Aber jemanden abzulecken, ist trotzdem widerlich.«
Während Rosies Ausbildung zur Höllenhündin hatte Ixtab entdeckt, dass sie »Spezialspeichel« absonderte. So etwas vermag kein anderer Höllenhund. Sie sind aufs Töten abgerichtet, nicht aufs Heilen.
Als jetzt ein kalter Windstoß über den Strand fegte, schlug das Mädchen die Augen auf. Ihre Farbe werde ich nie vergessen – eisblau wie der Winterhimmel.
Auf einmal kam Leben in sie. Sie stieß mich weg, kletterte hastig aus dem Boot, duckte sich, fuchtelte mit dem mageren Arm und schnauzte mich an: »HAU AB!«
Wie bitte? »Du hast dich am Kopf verletzt. Vielleicht solltest du dich lieber wieder hinsetzen.«
»Warum haust du nicht ab? Wo bin ich hier? Wer bist du? Wie …?« Ihr Blick huschte panisch über den dunklen Strand, dann blieb er an Rosie hängen. Würde sie jetzt endgültig durchdrehen? Aber sie rief aus: »Ihr Götter! Ist das etwa Rosie, die Höllenhündin?«
Ich war sofort in Alarmbereitschaft. »Woher kennst du Rosie?«
Auf ihrem eben noch verängstigten Gesicht breitete sich auf einmal freudige Überraschung aus. »Wahnsinn! Wenn das Rosie ist, dann musst du Zane sein! Endlich hab ich dich gefunden! Wenn mein abuelo das hört, wird er verrückt!«
»Moment mal! Woher weißt du, wie ich heiße? Wer hat dich geschickt?« Ich packte meinen Speer fester. Die Unbekannte war zwar zierlich und wirkte harmlos, aber Dämonen waren Meister der Verstellung.
Rosie wälzte sich auf den Rücken und streckte unbekümmert alle viere von sich. Hä? Das Mädchen pikte mich mit dem dünnen Zeigefinger in den Arm. »Increíble!«
Ich wich zurück. »Was willst du von mir?«
»Ich will mich nur vergewissern, dass du echt bist und nicht nur wieder ein Traum.« Sie beugte sich vor und kraulte Rosie den Bauch, als wären die beiden alte Freunde.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, sagte ich energisch. »Du kannst nicht einfach mitten in der Nacht hier aufkreuzen und behaupten, dass du Rosie und mich kennst. Ich verlange eine Erklärung!«
Sie strich sich den Pony aus den Augen. »Ich wusste ja, dass es Magie gibt, aber so etwas …«
»Magie. Aha. Wie wär’s, wenn du dich erst mal vorstellst und mir erklärst, wieso du mitten in der Nacht im Schlafanzug durch die Gegend ruderst?«
Sie kam wieder zum Boot und holte etwas heraus. Ein Buch?
»Was ist das?«, wollte ich wissen.
Sie sah mich mit ihren eisblauen Augen an. »Das ist deine Geschichte.« Im Flüsterton setzte sie hinzu: »Die Geschichte, die du auf Befehl der Götter niederschreiben musstest!«
Wie war dieses wildfremde Mädchen an meine Geschichte gekommen?
Natürlich hatten die Götter sie allen Maya-Übernatürlichen zur Verfügung gestellt, und was die »reale« Welt betraf, hatte Jazz versprochen, das Ganze drucken zu lassen und meine Geheimbotschaft an die anderen Gottgeborenen zu verbreiten. Weil sich aber nie jemand bei mir gemeldet hatte, hatte ich schon fast Ixtabs Behauptung geglaubt, dass außer mir alle Gottgeborenen gestorben waren.
»Wo hast du das her?«, fragte ich. Ich hatte Herzklopfen – vor Freude, aber auch vor Furcht.
»Aus der Bücherei, woher sonst?«, lautete die Antwort.
Jazz hatte sein Versprechen also gehalten. Ich schwor mir, nie mehr an ihm zu zweifeln.
Das Mädchen kam näher. Die Beine der Schlafanzughose hatte sie in die Stiefel gesteckt. »Ist das hier die Insel?« Sie blätterte in dem Buch. »Die Insel Holbox?« Sie sprach es wie die meisten Leute aus: Hohl-Box.
»Es heißt Ohl-Bosch«, korrigierte ich sie. »Das bedeutet in der Mayasprache ›Schwarzes Loch‹ und – ach, egal. Wer bist du denn nun?«
»Renata«, antwortete sie prompt. »Ren Santiago.«
Ich hatte gehofft, sie würde mir mehr verraten als nur ihren Namen, aber es war immerhin ein Anfang. »Na schön, Ren, was willst du hier?«
Sie schaute wieder auf das Buch – mein Buch –, dann sah sie zu mir hoch. »Du hast mich gerufen.«
»Wie bitte? Ich kenne dich doch überhaupt nicht.«
Sie blätterte bis ganz nach hinten durch und las laut vor: »Wenn du diese letzten Seiten lesen kannst, dann bist du ebenfalls ein Gottgeborener, sonst wären sie für dich nur leere Blätter. Deswegen habe ich es ja riskiert, die ganze Wahrheit niederzuschreiben.« Meine Gedanken überschlugen sich, als sie weiterlas: »Weil ich auf der Suche nach dir bin.« Sie las jetzt mit mehr Betonung. »Irgendwann, wenn du am allerwenigsten damit rechnest, vernimmst auch du den Ruf der Magie.« Sie klappte das Buch zu und strahlte mich an. »Siehst du? Du hast mich gerufen.«
Dazu fiel mir nichts Besseres ein, als wie Brooks »HEILIGER K!« auszurufen, und das so laut, dass ich die Brandung übertönte. Aber das war nur der Anfang. Danach strömten die Worte in einem Schwall aus mir heraus, als müsste ich mich übergeben: »Wie hast du hergefunden? Wie hast du den Ruf der Magie vernommen? Wo kommst du her? Ich will alles wissen – und zwar ganz von vorn.«
Ren antwortete nicht, jedenfalls nicht gleich. Stattdessen musterte sie mich von oben bis unten. »Du bist der Sohn von –«
»Stimmt«, fiel ich ihr ins Wort. »Aber ich habe zuerst gefragt.«
»Dann muss ich auch eine Gottgeborene sein.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »So steht es schließlich in dem Buch. Nur andere Gottgeborene können lesen, was …« Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
»Ja, das habe ich geschrieben«, sagte ich. »Du brauchst es nicht zu wiederholen. Also noch mal: Wie hast du hierhergefunden?« Vielleicht war sie ja wie Hondo und konnte sich immer nur auf eine einzige Frage konzentrieren.
»Okay, genau genommen hast nicht du mich gerufen, sondern die Magie, und dann hat mich das Boot hierhergebracht.«
Erst jetzt sah ich, dass das kleine Boot weder Ruder noch einen Motor hatte. Aber wenn in ihren Adern Götterblut floss, wie hatte sie dann Ixtabs Sicherheitsvorkehrungen überwunden? Oder hielt die Schemenmagie nur vollwertige Götter ab?
Rosie drehte sich auf den Bauch und leckte ihre Pfoten. Vielleicht stellte ich ja die falschen Fragen. Ich nahm einen zweiten Anlauf, wobei mein Herz immer noch wie rasend klopfte. »Du hast also das Buch und meine geheime Botschaft gelesen. Und was ist dann passiert?«
Ren schaute sich wieder mit großen Augen um. »Echt irre. Ich kann’s nicht glauben, dass ich hier bin!«
Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und gab mir Mühe, meine Ungeduld zu zügeln. So musste sich Brooks gefühlt haben, als sie in mein langweiliges Leben getreten war und mir verkündet hatte, dass ich im Mittelpunkt einer uralten Prophezeiung stand. Allerdings hatte sie es irgendwie besser hingekriegt als ich gerade. »Ich hab dich was gefragt!«
Sie hob beide Hände. »Cálmate. Ich habe gerade Musik gehört. Die Bratsche meines Vaters.«
Mir kam ein schrecklicher Gedanke. War sie womöglich eine Lügnerin? Wollte sie mich bloß ausspionieren? Dass außer mir noch ein anderer Götterspross überlebt hatte, war einfach zu schön, um wahr zu sein. Ich hatte ein halbes Jahr lang vergeblich darauf gewartet, dass jemand auf meine Botschaft reagierte, und jetzt tauchte dieses Mädchen ausgerechnet in der Nacht vor meinem Aufbruch zu Hurakans Befreiung auf? Dass sie ganz nett aussah, bewies gar nichts. Wenn mich die Prophezeiung des Feuers – die mich ausersehen hatte, den Gott des Todes, der Finsternis und der Zerstörung freizulassen – eines gelehrt hatte, dann das: In der Mayawelt täuscht der äußere Eindruck oft gewaltig. Präg dir das gut ein!
»Gib mir mal deine Hand«, wandte ich mich an Ren. »Wenn du tatsächlich eine Gottgeborene bist, dann –«
»Dann müssten wir uns telepathisch verständigen können«, beendete sie den Satz und legte ihre flache Hand auf meine. Ich öffnete ihr meine Gedanken und forderte sie auf: Wenn du eine Gottgeborene bist, dann hüpf jetzt auf einem Bein.
Sie zog ihre Hand weg und erwiderte verärgert: »Ich bin doch kein Zirkusaffe.«
Rosie jaulte und schlug die Riesenpfoten vor die Augen.
»Ach du Scheiße!«, entfuhr es mir. »Du bist wirklich eine Gottgeborene. Oder wenigstens eine Übernatürliche, denn sonst könntest du –«
»Deine Gedanken nicht lesen.«
»Ich habe dich in meine Gedanken eingelassen. Das ist ein Unterschied!«
Ren zog die Cowboystiefel und die nassen Socken aus und wanderte barfuß auf und ab. »Bin ich die erste Gottgeborene, die sich bei dir meldet?«
»Bis jetzt ja.« Bis jetzt? Oh Mann, wie viele mochte es noch geben?
»Das heißt also, wenn es noch andere gibt, haben sie entweder den Ruf der Magie noch nicht vernommen oder …
Hallo?! Wer stellte hier eigentlich die Fragen? »Zurück zu dir«, sagte ich rasch. »Erzähl mir alles und lass nichts aus.«
Sie räusperte sich. »Als ich das Buch ausgelesen hatte – ich fand’s übrigens echt gut –, habe ich es zugeklappt und gewartet. Klar glaube ich nicht immer alles, was ich lese, aber Magie erkenne ich auf Anhieb. Es ist aber nichts passiert. Da dachte ich, das Ganze ist bloß ein Scherz, und war total deprimiert. Aber heute Abend … Ich habe die letzte Seite noch mal gelesen, diesmal laut, und es hat keine fünf Minuten gedauert, bis ich das Lied gehört habe. Das Lieblingslied meines Vaters.« Sie klang jetzt ein bisschen traurig. »Erst waren die Töne weit weg, aber dann kamen sie immer näher und es war, als würden unsichtbare Hände an mir ziehen. Dann hat auf dem Dach über mir etwas gescharrt wie kleine Füße. Erst dachte ich, es wäre eine Katze oder ein Vogel, aber ehrlich gesagt, fand ich es supergruselig. Ich wollte schon meinen abuelo, meinen Großvater, wecken, aber was hätte er tun können? Darum habe ich meine Stiefel angezogen und bin selber hochgegangen. Und dann ist plötzlich der Himmel aufgerissen und diese kleinen Viecher –«
»Was für Viecher?«
»Sie konnten fliegen und ich glaube, sie waren behaart, aber es war zu dunkel, um sie richtig zu erkennen.« Sie klang ganz gelassen, als wäre sie solche verstörenden Vorfälle gewohnt.
Mein Mund wurde trocken. Wenn irgendwelche übernatürlichen Geschöpfe nach ihr gesucht hatten, wussten die Götter dann etwa über ihre Existenz Bescheid? Aber wie konnte das sein?
Sie redete weiter. »Ich dachte, ich hätte nur mal wieder einen Albtraum, aber als ich die Viecher oder was es war aufgefordert habe abzuhauen, haben sie nicht gehorcht. Da wusste ich, dass sie echt sind.«
»Stimmt«, warf ich grimmig ein. »Monster verziehen sich in der Regel nicht, wenn man sie dazu auffordert.«
Sie sah mich forschend an, dann fuhr sie fort: »Und dann ist mein abuelo wach geworden und hat gesagt: ›Jetzt erfüllt es sich, und diese Ungeheuer wollen dich daran hindern.‹«
»Was … was erfüllt sich?«
»Meine Bestimmung.«
»Deine Bestimmung, aha.«
»Soll ich jetzt erzählen oder nicht?«
»Doch, doch. Mach weiter.«
»Wir sind ins Auto gestiegen und quer durch die Stadt gebraust, immer der Musik nach. Ich wusste gar nicht, dass mein abuelo fahren kann wie ein Irrer. Ich habe ihn andauernd gefragt, was ich jetzt machen soll, aber er hat immer nur geantwortet: ›Folge der Magie und blick nicht zurück.‹ Also habe ich ihm gesagt, wo er langfahren muss, und irgendwann waren wir am Meer, in Sievers Cove.«
»Wo ist das?«
»Bei Galveston. In Texas.« Sie sprudelte jetzt richtig los. »Ich bin zum Wasser runtergelaufen und da lag ein leeres Boot. Mein abuelo hat mich gesegnet und dann gesagt, ich soll mich beeilen. Es war schrecklich. Ich wollte ihn nicht allein lassen, weil ich Angst hatte, dass ihm die Ungeheuer etwas antun, aber er meinte nur, sie wären nicht hinter ihm her, sondern hinter meiner Magie. Schließlich bin ich ins Boot gestiegen und habe ihm versprochen, dass ich ihn anrufe, wenn ich angekommen bin – wo auch immer.« Sie machte eine unbestimmte Handbewegung. »Aber dann hatte ich keine Ruder und konnte nicht dort weg, und die haarigen Viecher kamen immer näher und sie hatten glühende Augen, und ich dachte immer nur, dass ich nicht im Schlafanzug sterben will.«
»Das war deine größte Sorge?!«
»Zum Glück ist es ja nicht so weit gekommen, denn plötzlich hat sich das Boot von allein in Bewegung gesetzt. Als ich mich noch mal umgedreht habe und meinem Großvater winken wollte, war auf einmal überall dichter Nebel, und ich konnte nichts mehr sehen. Erst habe ich einen Schreck bekommen, aber die Musik – das Lied meines Vaters – hat mich wieder beruhigt. Und dann hatte ich …« Zum ersten Mal stockte sie. »Ich hatte einen Anfall.« Bevor ich nachfragen konnte, setzte sie schon hinzu: »Die Ärzte nennen es ›Absenzen‹, aber sie können mir nicht helfen. Ich klappe dann zusammen und bekomme nichts mehr mit. Das ist schon so, seit ich mich erinnern kann. Es tut nicht weh, aber es passiert meistens, wenn ich Angst bekomme oder gestresst bin.«
Das war also sozusagen ihr zu kurzes Bein – die körperliche Schwäche, die in Wahrheit der Sitz ihrer göttlichen Fähigkeiten war.
Rosie rappelte sich hoch und schüttelte sich, dass der Sand nur so spritzte, dann trabte sie davon, als hätte sie etwas Fressbares gewittert. Als ich sie rief, hörte sie mal wieder nicht.
Ich vergewisserte mich, dass ich Ren richtig verstanden hatte. »Dein Großvater glaubt also an Magie und hat dich der Musik nach ans Meer gefahren und dann –«
»Er glaubt nicht nur an Magie, er sagt, sie gehört zu unserer Familie. Sie ist unser Erbe.«
»Von den Mayagöttern?«
»Nein, auf der Seite meines Vaters sind eher brujos, also Hexer, vertreten. Ich hatte vorher keine Ahnung, dass meine Mutter eine Göttin war.« Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Was … was bin ich denn dann?«
»Eine Gottgeborenen-Hexe?« Gab es so etwas überhaupt?
Ren atmete tief durch. »Manchmal hat mein abuelo über meine Eltern gesprochen. Darüber, dass sich mein Vater in die ›falsche Frau‹ verliebt hat.« Sie sprach die Anführungszeichen hörbar mit. »Er hat auf meine Mutter geschimpft, aber er meinte auch, dass ich eines Tages verstehen würde, wer ich bin und wo meine Stärken liegen.«
»Hat er irgendwelche Mayagötter erwähnt?«
»Nie.«
»Was hat er dir denn noch über deine Mutter erzählt?«
»Nur, dass sie uns verlassen und meinem Vater das Herz gebrochen hat.« Ren verschränkte die Arme vor der Brust. »Mein Vater sprach nicht gern über sie.«
Sprach? Warum benutzte sie die Vergangenheitsform? »Und was ist mit deinem Vater? Was sagt er dazu?«
Sie fegte den Sand zu einem Häufchen zusammen. »Mein Vater ist vor ein paar Jahren gestorben«, antwortete sie leise.
Ich bereute meine Frage sofort, aber wenn ich ihr helfen sollte, musste ich so viel über sie erfahren, wie es ging. Allerdings hatte ich offen gestanden keine Ahnung, wie ich ihr helfen konnte. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, was ich tun sollte, wenn tatsächlich andere Gottgeborene bei mir auftauchten. »Mein Beileid.«
Sie zuckte die Achseln. »Mein Vater hat immer gesagt, ich soll nicht auf meinen abuelo und sein Gerede über Magie hören. Er fand das nicht gut. Wahrscheinlich wollte er mich schonen. Die beiden haben sich deswegen andauernd gestritten, aber mir war klar …« Sie sah mich eindringlich an. »Mir war immer klar, dass ich magische Fähigkeiten besitze, auch wenn ich keine coolen Zaubertricks beherrsche. Und dann habe ich dein Buch entdeckt und …«
Rosie kam mit einem Maul voll Treibholz zurück, ließ die Äste in den Sand fallen und steckte sie mit einem Glutblick in Brand.
»Danke, Rosie.« Ren hockte sich in den Sand und wärmte sich die Hände.
Jetzt wanderte zur Abwechslung ich auf und ab und versuchte, das Ganze zeitlich auf die Reihe zu kriegen. »Wie alt bist du?«
»Ich bin vor ein paar Wochen dreizehn geworden.«
Ich selber war im Dezember vierzehn geworden – sie war also fast ein Jahr jünger als ich. Demnach hatte die betreffende Göttin den Heiligen Schwur nach Hurakan gebrochen.
»Und du musstest dich nie verstecken? So wie in einem Zeugenschutzprogramm oder so?«
»Ich glaube, in dem Punkt hat dich Ixtab angeschwindelt«, gab Ren lachend zurück. »Ich habe mich noch nie versteckt.«
Ich rief mir wieder in Erinnerung, dass sie mein Buch gelesen hatte und somit alles wusste, was es über die Prophezeiung des Feuers und meine Abenteuer zu wissen gab. Wenigstens musste ich ihr den ganzen Wahnsinn nicht erklären. Ich setzte mich zu ihr ans Feuer. Flammen ziehen mich immer an. Ohne nachzudenken, pflückte ich mir eine heraus und warf sie spielerisch von einer Hand in die andere wie einen Baseball.
»Toll, wie du mit dem Feuer umgehen kannst«, sagte Ren prompt und folgte meinen Händen mit dem Blick.
Es war ein komisches Gefühl, dass sie mich praktisch in- und auswendig kannte, ich aber gleichzeitig nur wenig über ihre Person wusste, abgesehen davon, dass ihr Großvater an Magie glaubte. Ich schleuderte die Feuerkugel über den Strand, und Rosie flitzte hinterher und brachte sie zurück.
Die Flammen warfen flackernde Schatten auf den Sand, aber als Ren aufstand, hielten die Schatten plötzlich inne.
Dann strebten sie zu ihr hinüber.
»Ren?«
»Ja?«
»Kannst du dich bitte wieder hinsetzen?«
»Wieso?«
Ich behielt die sombras im Auge. Sie folgten Rens Bewegungen nicht, sondern schienen sich eher über ihr zusammenzuballen. Mein Herz schlug schneller. Gehörte das etwa auch zu Ixtabs Schemenmagie? »Ich will nur mal was ausprobieren.«
Kaum hatte sich Ren in den Sand fallen lassen, hüllten die Schatten sie ein. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
Ich senkte vorsichtshalber die Stimme, denn wir waren offenbar nicht allein. »Siehst du das auch?«, fragte ich flüsternd.
Sie schaute mich über das Feuer hinweg an. »Meinst du die Schatten? Kannst du sie denn auch sehen?«
Ich zwang mich zu nicken. Wer war dieses Mädchen?
»Die Schatten kommen und gehen«, sagte sie ruhig. »Mein abuelo meint, sie gehören zu meiner Magie. Meistens sind sie harmlos und manchmal gehorchen sie mir sogar. Soll ich’s dir mal vorführen?« Sie schloss die Augen. Die formlosen Schatten zogen sich in die Länge, bis sie hohen Pfählen glichen. Dann bekamen sie plötzlich Flügel, schrumpften dann wieder zusammen und verschwanden. Ren machte die Augen auf. »Hast du’s gesehen? Eine ziemlich witzlose magische Gabe, wenn du mich fragst.«
»Kann dein Großvater so etwas auch?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht alle aus unserer Familie besitzen magische Fähigkeiten und mein Vater wollte davon sowieso nichts wissen, darum hat er mir nie etwas beigebracht. Ich weiß noch nicht mal, ob die Schatten überhaupt etwas mit Magie zu tun haben – oder damit, dass ich eine Gottgeborene bin – oder …« Sie seufzte tief. »Es nervt, wenn man nicht weiß, wer man eigentlich ist.«
Ich musste wieder an meine Schwierigkeiten mit dem Feuer denken. »Ich fasse noch mal zusammen«, sagte ich. »Wenn du gestresst bist, fällst du manchmal in Trance, manchmal folgen dir Schatten und manchmal kannst du sie beeinflussen. Reden sie auch mit dir oder so?«
»Leider nicht«, antwortete sie bedauernd.
Wir mussten herausfinden, welche Göttin ihre Mutter war – aber wie? Wir konnten sie ja schlecht per Steckbrief suchen lassen. Die Götter, diese blöden Penner, hatten unmissverständlich klargestellt, dass sie uns Gottgeborene loswerden wollten.
Soll heißen, selbst wenn wir Rens Mutter ausfindig machten, konnten wir keine rauschende Wiedersehensparty feiern. Außerdem wollte ich ja in ein paar Stunden von der Insel aufbrechen. Rens Probleme mussten warten. Wir würden ihren Großvater anrufen und dann musste sie eben hierbleiben, bis ich zurückkam und wir in Ruhe überlegen konnten.
Sie gähnte geräuschvoll und ich sah, dass ihr fast die Augen zufielen. »Und jetzt?«, fragte sie.
Ich schleuderte eine kaputte Muschelschale ins Wasser. Ich konnte es kaum erwarten, Brooks von Ren zu erzählen. Sie würde ausflippen! Was würde sie von ihr halten?
»Die Götter wollen uns Gottgeborene töten. Darum musst du erst mal auf der Insel bleiben. Wir müssen herausfinden, was das für behaarte Flugmonster waren und woher sie wussten, wer du bist … Aber vor allem müssen wir herausfinden, ob dir jemand gefolgt ist.«
»Ja.« Sie gähnte wieder und legte sich dann einfach in den Sand. »Die Schatten … manchmal kommen sie aus dem …«
»Aus dem was?« Doch sie war schon eingeschlafen. »Ren?«
Ein schrilles Kreischen ertönte. Es kam aus dem Boot.
Rosie und ich sprangen gleichzeitig auf.
Iiiek!
Ich versetzte Fuego in Speermodus und aus Rosies Nüstern kräuselte sich schwarzer Rauch.
Mist!
Jetzt war klar, dass jemand Ren gefolgt war.
Rotes Feuer loderte in Rosies Augen. Demnach war das, was da gekreischt hatte, nicht hergekommen, um Surfstunden zu nehmen. Und bei meinem Glück handelte es sich garantiert um irgendetwas Riesiges, Mordlustiges, Blutgieriges.
Aus Rosies Schnauze kamen schwarze Wolken und sie stellte die Ohren auf, als ich mich dem Boot mit gezücktem Speer näherte. Die seichten Wellen schaukelten es hin und her. Ich hatte schweißnasse Hände.
Das lauwarme Wasser drang in meine Sneaker, ein scharfer Wind fegte von Westen auf uns zu. Weil ich lieber auf Abstand bleiben wollte, reckte ich den Hals, konnte aber im Boot nichts erkennen. Cero.
Hatte ich mir das Kreischen vielleicht nur eingebildet? Aber Rosies Killerinstinkt war untrüglich. Irgendetwas war da. War es vielleicht unsichtbar? Und war das gut oder schlecht?
»Was ist dort, Rosie?«, raunte ich ihr zu und sie sträubte das Fell und knurrte dumpf.
Dann ertönte abermals das scheußliche Iiiek!, als schabten metallene Äste über eine Glasscheibe. Es hallte über den Strand und schien von überallher zu kommen, aber Rosie hielt den Feuerblick weiter auf das Boot gerichtet. Dass es immer noch hin- und herschaukelte, wie von einer unsichtbaren Hand gewiegt, fand ich jetzt unheimlich.
Dann glitt auf einmal ein kaum faustgroßer Schattenfleck über den Bootsrand und schwoll zu einer hohen Säule an.
Aus der Säule sprangen blitzschnell drei Schattenmonster und breiteten ihre gewaltigen Schwingen aus. Lange, an Insektenbeine erinnernde Gliedmaßen entsprossen ihren zuckenden, aufgeblähten Leibern.
Rosies zorniges Knurren übertönte das Tosen der Brandung.
»TOT!«, brüllte ich.
Sofort war sie im Höllenhundmodus und schoss aus Maul und Augen Feuerkugeln ab, doch die Flammen richteten nichts aus (mal davon abgesehen, dass sie das Boot in Brand setzten). Wie soll man auch Schatten umbringen? Schatten, die schneller wuchsen, als man »Tot!« brüllen kann?
Als ich Fuego schleuderte, sauste er mitten durch den aufgedunsenen Leib eines Monsters und hinterließ ein riesiges Loch, das sich aber schon wieder schloss, ehe der Speer zu mir zurückgekehrt war. Man sah weder Blut noch Gedärme und das Ungeheuer wuchs immer weiter.
Dann lachte es. Ein rasselndes, kehliges Kettenraucherlachen.
Ich drehte mich nach Ren um. Sie lag immer noch zusammengerollt im Sand. Wie konnte sie bei diesem Tumult nur schlafen? Sie sah so wehrlos aus. Ich musste sie beschützen.