Zeit für Freundschaft?! - Horst Lichter - E-Book

Zeit für Freundschaft?! E-Book

Horst Lichter

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Beschreibung

Bestsellerautor Horst Lichter über die Kunst der Freundschaft Wie hält es Horst Lichter, der Fernsehstar, Koch und Privatmensch, mit der Freundschaft? Sammelt er Freunde wie Oldtimer und Blechspielzeug? Oder hat ein Leben auf Achse den Preis der Einsamkeit? In seinem autobiografischen Buch gewährt Horst Lichter Einblicke in die Freundschaften seines Lebens. In die bestehenden, die gescheiterten, aber auch die, die er nicht so einfach einordnen kann. Der beliebte TV-Moderator erinnert sich an seine Kindheit im Braunkohlerevier. Als er ein kleiner Junge war, wohnte seine erste richtige Freundin damals mit ihm in der Straße. Später lernte er viel von seinem Schulfreund, der unterschiedlicher nicht hätte sein können. Auch als vielbeschäftigter Erwachsener hat sich Horst Lichter stets Orte geschaffen, an denen er den Menschen nahe sein konnte: ob in seinem Restaurant Oldiethek, im Fernsehstudio der legendären Sendung "Lafer! Lichter! Lecker!" oder heute als Gastgeber des Erfolgsformats "Bares für Rares". Und doch fragt sich Horst Lichter manchmal: Gibt es überhaupt so etwas wie eine richtige Freundschaft? Und würde er sich selbst als Freund haben wollen? Ein wunderbares Geschenk für beste Freunde und Freundinnen In bunten Erzählungen zeigt Horst Lichter, wie kompliziert Freundschaften zwischen Mann und Frau sein können, warum man besser nicht mit seinen Kindern befreundet sein sollte, wie sich Geld und Freundschaft miteinander vertragen und ob der Hund tatsächlich der beste Freund des Menschen ist. Pardon: der Pudel, wie man in Lichters Fall sagen muss. In einer schnelllebigen Gesellschaft erlauben Horst Lichters Geschichten über Freundschaft einen Moment des Innehaltens. Ein einfühlsames, humorvolles und persönliches Buch über das Thema Freundschaft mit allen Facetten

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Seitenzahl: 228

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Horst Lichter

mit Till Hoheneder

Zeit für Freundschaft?!

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Freund oder Nichtfreund? Das ist hier die Frage …

 

Am Anfang glaubte Horst Lichter, die Frage nach der Freundschaft sei einfach zu beantworten. Mein Gott! Freunde haben wir doch alle. Doch wo beginnt eine Freundschaft und wo endet sie? Darf man seinen Freundinnen wirklich alles sagen? Und würde er mit sich selbst befreundet sein?

Darüber hat Horst Lichter auch mit anderen gesprochen: mit berühmten Menschen und mit denen, die er Freund*in nennt. Mit seinen Kindern hat er diskutiert und mit seiner Frau und dabei viel Überraschendes über sich gelernt.

Freundschaft bedeutet Horst Lichter wie den meisten von uns unsagbar viel. Aber nehmen wir uns auch genug Zeit für sie?

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Vorwort

Kinderzeit: Das ist jetzt meine beste Freundin!

Freundschaft fordert nicht

Vorbilder, Entstehung und Entwicklung von Freundschaften

Interview mit Nelson Müller

Was braucht Freundschaft?

Freund oder Nichtfreund? Das ist hier die Frage …

Interview mit Tony Bauer

Tiere – die besten Freunde des Menschen?

Interview mit Martin Rütter

Eltern und Kinder – Freunde?

Interview mit Christopher Lichter

Wohlstand und Reichtum – Feinde der Freundschaft?

Freundschaft auf dem Prüfstand: Wer ist mein Freund, was darf ein Freund, und bin ich mein eigener Freund?

Zeit für Freundschaft?!

Schlusswort

Zugabe

Till für Horst

Horst für Till

Vorwort

Als mein Management mir die Idee zu diesem Buch unterbreitete, war ich sofort begeistert. Feuer und Flamme. Was für eine wunderbare Idee, zum Niederknien schön: Ich schreibe ein Buch über Freundschaft. Allein schon dieses Wort, Freundschaft – da wird einem doch direkt warm ums Herz! Das klingt nach Zuneigung, nach Freude, Abenteuern, Lachen, Trost, Beistand, Hilfe und Fürsorge. Nach wunderbaren Geschichten, nach Schokolade, Pudding und Feuerzangenbowle.

Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber der Gedanke an gute Freunde knistert in meinen Ohren, wohlig vertraut wie ein gemütliches Feuer an kalten Wintertagen. Freundschaft und Freunde, wie viele Bücher, Lieder und philosophische Abhandlungen gibt es zu diesem Begriff?

Voller Neugier und guter Gefühle habe ich schnell mal bei Wikipedia »Freundschaft« in die Suchleiste eingegeben und war nicht überrascht, als ich las:

»Freundschaft bezeichnet ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet. Eine in einer freundschaftlichen Beziehung stehende Person heißt Freund beziehungsweise Freundin. Freundschaften haben eine herausragende Bedeutung für Menschen und Gesellschaften. Schon antike Philosophen wie Aristoteles und Cicero haben sich mit der Freundschaft auseinandergesetzt.«

Na bitte, das klingt doch verständlich und einleuchtend. Zufrieden ließ ich meine Gedanken schweifen, dachte an meine Freunde und erinnerte mich an Geschichten, die ich mit ihnen erlebt habe. Ich dachte darüber nach, wie sehr ich mit Menschen mitfühle, die ganz allein und ohne Freunde leben. Aber es dauerte nicht lange, bis die ersten Fragen auftauchten: Wieso haben diese Leute keine Freunde? Wie kann das sein? Von frühester Kindheit ist »Freundschaft« doch das große Thema – schon in der Kita verteilen die kleinen Stöpsel ihre Freundebücher, obwohl sie noch nicht mal richtig schreiben können.

Sofort fielen mir die unsterblichen Freundespaare meiner Generation ein, aus der Literatur oder aus Film und Fernsehen: Micky Maus & Goofy, Laurel & Hardy, Tim & Struppi, Tom Sawyer & Huckleberry Finn, Tom & Jerry, Asterix & Obelix, Sherlock Holmes & Dr. Watson, Ernie & Bert, Mogli & Balu, Winnetou & Old Shatterhand – um nur einige zu nennen. Von ihnen kam ich auf die echten Freunde, denn selbstverständlich gab und gibt es auch im »richtigen« Leben berühmte Freundespaare: Goethe & Schiller, Marx & Engels, Lennon & McCartney, Jagger & Richards, Pelé & Kaiser Franz, Kohl & Mitterrand. Viele der Paare sind nicht nur die Idole meiner Generation, sondern mittlerweile auch die meiner Enkelkinder.

Verwundert stellte ich jedoch nach einer Weile fest: Wieso kenne ich eigentlich so wenige Freundinnen? Die berühmten Freundschaften, die ich aufgezählt habe, sind alles Männerpaare. Ist unsere Welt so männerdominiert, dass eine Freundschaft zwischen zwei Frauen eine geringere Rolle in der Literatur und im Showbusiness spielt? Nach einer Weile erinnerte ich mich mit Mühe an Erich Kästners Zwillingsmädchen-Roman »Das doppelte Lottchen«, an »Bibi & Tina«, die TV-Freundinnen von den »Golden Girls« und »Sex in the City«. Aber sonst? Sind Bibi & Tina etwa feministischer, als ich dachte? Auch in der realen Welt wird den Frauenfreundschaften längst nicht so viel Beachtung geschenkt wie den oft und gerne bemühten legendären Männerfreundschaften. Merkwürdig, oder?

Dann stelle ich mir die Frage: Können Männer und Frauen überhaupt beste Freunde sein? Als Kinder ja, meine beste Kinderfreundin war meine Cousine Elke. Doch dazu später mehr. Ob allerdings erwachsene Männer und Frauen enge Freunde sein können, wird nicht erst seit der wunderbaren Filmkomödie »Harry und Sally« immer wieder heiß diskutiert – da ihnen angeblich immer der Sex dazwischenkommt. Bestimmt gibt es genug gemischte Freundespaare, die da widersprechen würden.

Das wohl bekannteste Lied über Freundschaft ist im deutschsprachigen Raum der unverwüstliche Klassiker »Ein Freund, ein guter Freund«. Ich kenne keinen Menschen meiner Generation, der nicht mindestens die ersten zwei Zeilen dieses Liedes auswendig mitsingen kann: »Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.« Dieser Text von Robert Gilbert ist mittlerweile mehreren Generationen bekannt, das Lied taucht immer wieder irgendwo aus der Versenkung auf und wird bis heute von vielen als die ultimative Hymne der Freundschaft betrachtet. Einer richtigen Männerfreundschaft natürlich, denn schließlich heißt es ja im Text, »drum sei auch nie betrübt, wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt«. Lässt man die nostalgische Vorstellung einer »Männerfreundschaft« im frühen 20. Jahrhundert beiseite, dann bleibt immerhin die Schlussfolgerung bis heute gültig: »Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den’s gibt!«

Die Frage ist nur: Was ist ein guter Freund? Oder eine gute Freundin? Gibt es eine amtliche Definition, was unter einer richtigen Freundschaft zu verstehen ist? Was verstehe ich, was versteht ihr unter dem Begriff Freundschaft? Meinen wir mehr oder weniger dasselbe, wenn wir über Freundschaft reden? Gibt es eine schlechte Freundschaft? Denn wenn eine Freundschaft schlecht ist, dann ist es ja eigentlich keine richtige Freundschaft. Oder? Und warum halten nicht alle Freundschaften ewig, wenn sie doch »der größte Schatz, den’s gibt« sind? Zerbrechen Freundschaften, weil wir Menschen uns im Lauf der Jahre ändern? Haben wir zu hohe Erwartungen an eine Freundschaft? Woher kommen diese überhöhten Vorstellungen? An welchen Problemen kann eine Freundschaft scheitern, obwohl doch allgemein behauptet wird, dass gute Freunde zusammenstehen, durch dick und dünn gehen? Mit wem möchte ich befreundet sein – und wie möchte ich mit jemandem befreundet sein?

Als ich mir diese Fragen aufgeschrieben hatte, war ich ganz schön erstaunt. Das Thema Freundschaft hatte ich mir nicht so komplex und vielschichtig vorgestellt, Herrschaftszeiten. Ich hatte, wie vermutlich viele von euch auch, eher eine eindimensionale, naive und romantische Vorstellung von Freundschaft: Man hat eben eine Handvoll guter Freunde – und gut is! Aber dann habe ich über die verschiedenen Freundschaften meines Lebens nachgedacht. Über die bestehenden, die gescheiterten, aber auch die, die ich gar nicht so einfach kategorisieren oder beschreiben kann. Einige Beziehungen entziehen sich nun mal den gängigen, allgemeingültigen Parametern der Freundschaft.

Ich hatte auf einmal so viele Fragen über Freunde und Freundschaft im Kopf, dass ich gar nicht mehr mit Gewissheit sagen konnte, was eine richtige Freundschaft ist. Gibt es überhaupt so etwas wie eine richtige Freundschaft? So unterschiedlich, wie wir Menschen sind – ist es da nicht eher so, dass es dementsprechend auch unzählige verschiedene Arten von Freundschaft gibt? Wenn ich mehrere Menschen frage, was sie unter einer richtigen Freundschaft verstehen – finde ich dann Gemeinsamkeiten bei den verschiedenen Definitionen, entsteht so etwas wie eine Schnittmenge? Tugenden, die immer wieder auftauchen, wenn wir über Freundschaft sprechen, sind zum Beispiel: Treue, Moral, Wahrhaftigkeit, Verlässlichkeit oder Respekt. Wahrscheinlich gibt es auch Naturvölker auf der Welt, die mit unseren Vorstellungen von Freundschaft überhaupt nichts anfangen können. Aber wenn Freundschaft so eine gewichtige Rolle in unserem Zusammenleben spielt wie in unserer europäischen Kultur, dann drängt sich mir die nächste essenzielle Frage auf: Kann der Mensch ohne Freundschaft überhaupt ein schönes, erfülltes Leben führen?

Diesen Fragen möchte ich in diesem Buch nachgehen. Mit meiner ganzen Neugier, Lebenserfahrung, Leidenschaft und meinem Interesse an den Menschen. Aber vor allen Dingen auch mit viel Ehrlichkeit. Wir Menschen neigen sehr oft dazu, die Dinge schöner zu reden, als sie wirklich sind, die einen mehr, die anderen weniger. Hat der naive, gutmütige Optimist mehr Freunde als der vorsichtige Realist? Wer hat noch nie in seinem Leben mit seinem Partner über Freunde diskutiert? Über die Freude, die man mit ihnen haben kann? Über die bitteren Enttäuschungen, die man erleben kann? Über unerfüllte Erwartungshaltungen und bedingungslose, großzügige Unterstützung?

Freundschaft, das ist ein großes Thema. Ich möchte auch mir selbst gegenüber ehrlich sein und der Frage nachgehen, welche Freunde heute noch in meinem Herzen wohnen. Am Ende muss ich mich vielleicht auch mit denen beschäftigen, die ich rausgeschmissen habe – oder die gegangen sind, weil ich ihnen wehgetan habe und sie enttäuscht von mir waren.

Ich weiß nicht, ob ich all meine Fragen am Ende beantworten kann, wohin diese Freundschaftsreise geht, wohin mich meine Erinnerungen, Erlebnisse und Überzeugungen tragen werden. Das ist schließlich der Anfang dieses Buches, nicht das Ende. Der griechische Philosoph Aristoteles hat gesagt: »Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.« Meine Seele ist gleich mit der meines Freundes – wenn ich das konsequent weiterdenke, dann muss ich mich ernsthaft fragen: Macht das für mich überhaupt Sinn? Wenn wir den Begriff »Seele« der Einfachheit halber als Gesamtheit dessen, was man empfindet, fühlt oder denkt, verstehen – dann stellt sich mir am Ende des Vorwortes, am Anfang des Buches vor allem diese eine Frage: Würde ich mich selbst als Freund haben wollen? Was sagen und denken Menschen, die ich sehr mag, dazu? Ich muss zu diesem Thema auf jeden Fall auch ein paar interessante Leute im Buch interviewen. Und wie denken meine Freunde über Freundschaft? Ich will es herausfinden. Was ist mit der Freundschaft zwischen Menschen und Tieren? Ist der Hund nicht der beste Freund des Menschen? Was sagt wohl der gute Martin Rütter, der »Hundeflüsterer«, dazu? Ich werde ihn fragen. Was sagen Soziologen, Psychologen und Wissenschaftler? Muss ich auch ihre Erkenntnisse mitberücksichtigen, um meinem Thema gerecht zu werden?

Ich hoffe sehr, dass ich am Ende dieses Buches eine ehrliche und befriedigende Antwort auf diese Fragen gefunden habe.

Kinderzeit: Das ist jetzt meine beste Freundin!

Kinder sind faszinierende Wesen. Sie werden unschuldig geboren, sie sind wie ein weißes Blatt Papier, ohne eine Geschichte. Am Anfang schreiben wir Erwachsene diese Geschichte. Deshalb sollten wir auch gut überlegen, was wir in diesen ersten, unheimlich prägenden Lebensjahren mit unserer schönsten Schrift aufschreiben. Sonst wächst das Unkraut der Eltern im Garten der Kinder munter weiter. Davon mal abgesehen, können Kinder im Laufe ihrer Entwicklung ihre Eltern auch schwer auf Trab halten.

Herbert Grönemeyers Lied »Kinder an die Macht« hat mich immer amüsiert. Er singt doch tatsächlich: »Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht, was sie tun.« Als Vater von drei Kindern kann ich das nicht bestätigen. Kinder können ab einem gewissen Alter nicht nur beinharte Egoisten sein, sie berechnen zum Teil auch sehr wohl, was sie tun. Wenn sie etwas erreichen wollen, dann können sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um an ihr Ziel zu kommen. Wenn Mama »Nein« sagt, vielleicht sagt Papa »Ja« – oder vielleicht können Oma und Opa helfen? Ich habe alles erlebt. Meine Kinder haben unter anderem mit Tränen, Wutanfällen und Schmeicheleien versucht, mich auf ihren Kurs zu bringen. Aber was sagen die Fachleute? Ich habe mal Google angeschmissen und mir ein paar Artikel zur Frage »Ab wann sind Kinder berechnend?« durchgelesen. Laut Studien der Psychologin Kristin Leimgruber und ihres Teams von der Yale-Universität können Kinder in Sachen Freundschaft ab einem gewissen Alter – man spricht von circa fünf Jahren – sehr berechnend sein. Die Gründe dafür sind unterschiedlichster Art, mal handeln sie instinktiv, manchmal bewusst berechnend.

Woran ich mich noch aus meiner eigenen und der Kindergarten- und Schulzeit meiner Kinder erinnere: Im Kindergarten, in der Grundschule oder auf der Straße gibt es immer ein paar, die das Sagen haben, ich nenne sie mal flapsig die »Lautsprecher und Rudelführer«. In deren Fahrwasser schwimmen meistens die weniger Auffälligen mit, weil es so schön einfach ist: Man gehört dazu, hat seine Ruhe und schwimmt mit dem Strom – das ist etwas, was viele Menschen manchmal ihr ganzes Leben lang machen. Natürlich gibt es auch welche, die sich raushalten, Einzelgänger sind oder sich mit anderen »Unauffälligen« zusammentun, vielleicht weil sie, um es vereinfacht zu sagen, Leidensgenossen sind. Aber kann man in beiden Fällen – beim Rudel und beim Bündnis der Unauffälligen – von Freundschaft sprechen? Oder sind das eher Strategien, um sich schon von klein auf einen Platz in der Gesellschaft zu suchen?

Ist es zum Beispiel Freundschaft, wenn man einfach nur hinter dem Stärksten hertrottet? Schwer zu sagen. Wenn ich mit Freunden über ihre Kindheitsfreunde spreche, dann höre ich oft: Ich war mit Paul befreundet, weil der immer alles hatte, was ich nicht hatte – ein eigenes Kinderzimmer, ein Bonanza-Fahrrad, viele Süßigkeiten und jede Menge Spielzeug, das meine Familie sich nicht leisten konnte, weil wir arm waren. Solche Gründe sind verständlich, aber es fehlt die Aussage, dass Paul so ein feiner Kerl war! Von Vertrauen, Sympathie oder Seelenverwandtschaft keine Spur – kann man da schon von Freundschaft sprechen?

 

Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich erst auf der Hauptschule, also im sechsten Schuljahr, einen ersten, richtigen Freund hatte. Vorher, seitdem ich ungefähr drei Jahre alt war, hatte ich tatsächlich nur eine Freundin, und das war meine liebe Cousine Elke. Wir wohnten im Dorf in derselben Straße, waren gleich alt und mochten uns einfach unglaublich gerne. Unsere Freundschaft war einer der Fälle, die ich hier noch nicht beschrieben habe: die Freundschaft aus Zuneigung, ganz ohne Berechnung. Die gibt es ja, Gott sei Dank, auch. Und Elke und ich, wir waren dicke Freunde. Mir war es nie Last, mit ihr zu spielen, was sie spielen wollte, und ihr war es nie Last, mal das mitzuspielen, was ich gespielt habe. Es gab kein Gezanke um Spielzeug, Geld oder Süßigkeiten. Es war allerdings auch von allem Genannten nur sehr wenig da. Vielleicht war unsere Freundschaft auch deswegen so besonders, weil es nichts gab, was wir uns neideten. Wir fühlten uns wohl in der Gesellschaft des anderen und hatten uns einfach lieb. Es war eben immer schön, wenn wir zusammen waren. Wir haben uns aufeinander gefreut. Wir haben gespielt und gelacht, und wir haben herrlichen Blödsinn miteinander verzapft. Da war nie ein Konkurrenzkampf, oder ein Anspruch darauf, der »Bestimmer« zu sein. Elke konnte mich nicht beschützen, ich konnte sie nicht beschützen – wobei wir uns auch gar nicht um andere Kinder bemüht haben. Es war einfach so, dass wir zwei uns genug waren. Zwischen uns gab es diese tiefe, ganz einfache Grundsympathie, wenn sich zwei gefunden haben, die sich mögen und zusammen wohlfühlen: Freundschaft. Ich habe so viele Menschen in den letzten sechzig Jahren kennengelernt, ich hatte immer mit vielen Menschen zu tun. Aber diese Jahre der Kinderfreundschaft zu Elke, dieses tiefe Gefühl der Zuneigung und Verbundenheit zu ihr, das werde ich nie vergessen.

Natürlich sind wir irgendwann getrennte Wege gegangen, denn alles im Leben hat nun mal seine Zeit, und nix ist für immer. Irgendwann – ich weiß nicht mehr genau, ob wir zwölf oder dreizehn Jahre alt waren – wurde Elke ein Pferdemädchen. Sie liebte Pferde über alles und ging täglich in den Reitstall. Pferde reiten, Pferde pflegen, ihr ganzes Leben drehte sich nur noch um Pferde. Das Irre war: Ich wollte mit! Ich wollte unbedingt mit ihr zusammen in den Reitstall, ich fand das alles auch toll da. Aber ich hatte die Rechnung ohne meine Eltern gemacht. Im Gegensatz zu Elkes Eltern erlaubte meine Mutter nicht, dass ich mich dort aufhielt: Sie wollte partout nicht eine Erklärung des Reitvereins unterschreiben, dass die Eltern im Falle eines Unfalls die Verantwortung selbst übernehmen. Das war meinen Eltern gar nicht recht, Reiten war ihnen viel zu gefährlich. Das war das banale Ende der großen Freundschaft zwischen Elke und mir – ein Zettel, den meine Mutter nicht unterschreiben wollte. Also ging Elke allein zum Reitstall, und ich blieb zurück auf der Straße. Von da an interessierte ich mich vor allem für Fahrräder und Mopeds. Wenn ich darüber heute nachdenke, muss ich lachen. Pferde waren meiner Mutter anscheinend viel zu gefährlich, Mopeds jedoch nicht. Aber so oft, wie ich mich später mit den Mopeds auf den Bart gelegt habe, frage ich mich manchmal, ob ich wohl genauso oft vom Pferd gefallen wäre …

 

Ich habe viel darüber nachgedacht, warum mir keine anderen Kinder in unserer Dorfstraße so im Gedächtnis geblieben sind wie Elke. Denn natürlich haben wir auch mit den anderen Kindern gespielt. Wahrscheinlich haben wir auch zu unseren Eltern gesagt, dass diese Kinder unsere Freunde seien.

Ja, Freundschaften unter Kindern – das ist ja immer so eine Sache. Kleinkinder sind gerne mit anderen Kindern zusammen, das ist unbestritten. Aber ich habe es bei meinen Kindern und auch bei meinen Enkelkindern oft genug beobachtet: Es ist mehr ein Nebeneinander- als ein Miteinanderspielen.

Was mir immer wieder im Laufe der Jahrzehnte aufgefallen ist: Den Kids ist es meistens schnurzpiepegal, ob der neue »beste Freund« ein Junge oder Mädchen ist. Wichtig ist vielmehr, dass andere Kinder überhaupt da sind. Wer kennt das nicht aus dem Familienurlaub: Die Freunde der Kinder sind fern in der Heimat, also werden diejenigen ausgecheckt, die vor Ort sind. Wer auch am Strand spielt und bereit ist, beim Buddeln oder Ballspielen mitzumachen, wird kurzerhand zum Freund oder zur Freundin erklärt. Dieser Pragmatismus macht ja auch Sinn, denn Burgen bauen, mit Wasser rummatschen oder auf der Wippe schaukeln – all das macht in Gemeinschaft mehr Spaß als alleine, und das ist erst mal wichtiger als tiefe Zuneigung.

Bei uns im Dorf war es nicht anders. Wer auf der Straße war und mitspielen wollte, der war dabei. Das wechselte oft täglich und war auch nicht so wichtig. Mal hatte man sich gestritten, mal hatte einer keine Zeit oder wollte lieber Fußball spielen statt Himmel und Hölle oder Fangen. So ist das eben bei kleinen Kindern: Heute beste Freunde, dann wird gestritten und geschmollt. Nach ein paar Stunden oder Tagen ist dann meistens alles vergessen und fängt wieder von vorne an. Alles halb so wichtig.

Für mich war damals offensichtlich nur wichtig, dass ich mit Elke zusammen sein konnte. Denn wie gesagt: Was wir spielten, war uns egal. Hauptsache, wir waren zusammen. Das hat sich während unserer Grundschulzeit nicht geändert, eher intensiviert.

Auch bei heutigen Kinderfreundschaften kann ich das beobachten. Was jedoch anders ist: Mir fällt auf, dass die Eltern mehr bei der Auswahl der Freunde ihrer Kinder mitmischen wollen. Ich weiß nur nicht, ob ich das für sinnvoll halte.

Meine Eltern waren viel zu sehr mit der Arbeit beschäftigt, um uns Kindern vorzuschreiben, mit wem wir uns zu treffen haben. In der kleinen Welt unserer Dorfstraße kannte ja sowieso jeder jeden, und Kinder waren Anfang der Sechzigerjahre eher nicht unter ständiger Beobachtung der Erwachsenen. Heute sehe ich manchmal erstaunt zu, wie Eltern schon sehr früh beeinflussen wollen, mit wem sich die Kinder anfreunden. Krabbelgruppen werden von Eltern gegründet, die sich mögen oder miteinander befreundet sind – und die hoffen, dass in diesen Gruppen auch der Grundstein gelegt wird für die Freundschaft ihrer Kinder. Das kann natürlich funktionieren, und dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Nur manchmal wünsche ich mir, dass die Eltern sich nicht so viel einmischen.

Spätestens in der Grundschule sollten die Kinder doch selbst entscheiden, mit wem sie spielen möchten. Natürlich sind da – und ich weiß, wovon ich spreche – Kinder dabei, die Papa und Mama nicht gerade spitze finden, die wir Erwachsenen doof und nervig finden. Aber wenn die Kinder sich mögen, Spaß haben und gut miteinander klarkommen, dann sollten wir Erwachsenen ihnen meiner Meinung nach nicht dazwischenfunken. Kinder sollen doch ihre eigenen Freundschaftserfahrungen machen, oder? Nur so können sie lernen, was ihnen in einer Freundschaft wichtig ist.

 

Der nächste Mensch, der mich sehr geprägt hat und den ich einen wichtigen Freund meiner Jugendzeit nennen würde, war Achim. Heute weiß ich: Achim war ein Problemfall. Damals habe ich das allerdings weder gesagt noch gedacht, denn eigentlich war Achim ruhig, fleißig und immer lieb. Jedenfalls zu mir. Er war ein feiner Kerl, anders kann ich ihn nicht beschreiben.

Sein Verhalten konnte ich mir schon als Teenager kaum erklären, und das hatte eine wahnsinnige Anziehungskraft auf mich: Denn Achim bekam nämlich ziemlich viel auf die Fresse, vor allem von den älteren Jungs auf der Hauptschule. Aber er hat auch tüchtig ausgeteilt und sich nix gefallen lassen. Weder von den großen Kerlen noch von den Lehrern. Achim tickte auf eine faszinierende Art anders, der Junge war unberechenbar. Ein Beispiel: Einmal stand er mitten im Unterricht auf und ging einfach nach Hause, weil er der Meinung war, »das ist jetzt durch für mich heute«. Und dann ging er, da war selbst der Lehrer platt. Wenn das nicht problematisch ist, dann weiß ich es auch nicht.

Ich habe ihn deswegen nicht bewundert, aber irgendwie mochte ich den einfach, ich kann das gar nicht richtig erklären. Man könnte heute aus küchenpsychologischer Sicht sagen: Na ja, vielleicht hast du ihn bewundert, weil der das getan hat, was wahrscheinlich jeder gedacht, aber natürlich nicht gemacht hat. Aber Bewunderung trifft es nicht – Verwunderung schon eher, weil ich ja mitbekommen habe, was für einen unglaublichen Ärger er für solche Nummern bekommen hat. So einen Ärger wollte ich auf keinen Fall haben!

Achim war das anscheinend egal, das war die Faszination, die von ihm ausging. Ich habe gesehen, wie er vor den 16-Jährigen nicht gekuscht hat, wenn die ihn bedrohten. Jeder hätte klein beigegeben, nur der kleine Achim, der holte aus, schlug zu und bekam ein gewaltiges Echo zurück. Unglaublich. Auch zu Hause hatte er es nicht einfach, seine Eltern waren streng, und sie bevorzugten vor allem seinen Bruder. Achim konnte es ihnen nicht recht machen, vielleicht wollte er es ihnen aber auch ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr recht machen.

Wenn wir zusammen waren, konnten wir spielen – mein Gott, haben wir uns gut verstanden. Sobald wir loszogen, konnten wir alles vergessen. Raum, Zeit, alles war unwichtig. In unserer Spielfreude passierten uns sogar Sachen, die ich mir bis heute nicht erklären kann. Zum Beispiel die Sache mit Mutters Fahrrad.

Wir zwei sind mit den Fahrrädern los. Unser Ziel versprach ein großes Abenteuer: Bei uns im Dorf gab es nämlich einen wilden Schrottplatz – da wollten wir nach Schätzen suchen und gucken, ob wir nicht irgendetwas von dem alten Krempel noch gebrauchen konnten. Also sind wir dahin, und weil mein Fahrrad kaputt war, bin ich mit dem Fahrrad von meiner Mutter gefahren. Die hatte so ein uraltes Damenrad, ein NSU-Damenrad. Das hatte mein Vater wunderschön parat gemacht, es sah picobello aus und ließ sich butterweich fahren, ein Träumchen!

Am Schrottplatz angekommen, haben wir stundenlang den Schrottplatz ziellos durchstromert, mit Sachen gespielt – wie im Rausch. Wir waren im Paradies, wie es nur zwei richtig gute Freunde sein können. Irgendwann haben wir ein Fahrrad gefunden. Ein Damenrad, so ähnlich wie das von meiner Mutter. Ich weiß nicht mehr, wessen Idee das war und wer angefangen hat, aber wir haben das Rad komplett auseinandergekloppt und zerstört. Als wir nach dieser schweren Arbeit dann bei anbrechender Dunkelheit nach Hause radeln wollten, fanden wir das schöne Rad meiner Mutter nicht mehr wieder. Es war weg, wie vom Erdboden verschwunden. Mir ging der Hintern auf Grundeis. Wir suchten panisch den ganzen Schrottplatz ab.

Als wir zu der Stelle kamen, wo die Überreste des geschrotteten Damenrads lagen, stellten wir erschüttert fest, dass wir in unserem Wahn das Fahrrad meiner Mutter zerstört hatten. Schockschwerenot, das bedeutete großen Ärger, sehr großen Ärger.

Wie gesagt, ich kann noch nicht mal mehr sagen, ob Achim oder ob ich der Hauptschuldige war. Meine Mutter hat getobt, selbst mein Vater war kaum zu beruhigen. Mann, habe ich den Hintern versohlt bekommen. Zwei Tage brannte mir der Allerwerteste. Aber wir haben das wie echte Freunde ausgestanden. Keiner von uns hatte den anderen vorgeschoben, wir haben uns beide für schuldig erklärt. Wir waren auf dem Nachhauseweg natürlich schockiert über unsere Aktion gewesen und schweigend unserem Elend entgegengegangen, aber schon am nächsten Tag haben mein Freund und ich uns über diesen Wahnsinn natürlich kaputtgelacht. Trotz der Prügel unserer Eltern.

 

Achim hatte auch andere Seiten, sonst wären wir wahrscheinlich nicht so dick befreundet gewesen. Er hatte auch eine zarte, wunderbar sanfte Art und ein gutes Herz. Denn er konnte mit Tieren umgehen, das war unglaublich. Ich erinnere mich, dass er eine frei lebende Elster »abgerichtet« hatte. Dieses Tier kam immer wieder zu ihm, wenn er es rief. Es flog auf seinen Arm, ließ sich streicheln oder füttern. Irgendwann fand Achim auf einem Feld einen verwundeten Falken. Den hat er gesund gepflegt und ebenfalls ein bisschen dressiert.

Diese Seite an ihm fand ich natürlich sehr beeindruckend. Heute denke ich oft, dass ich mit Achim gerne befreundet war, weil er ganz anders war als ich. Ich mag auch Tiere, aber so einen Draht wie Achim habe ich nicht zu ihnen. Wenn ich genau überlege, wäre ich gerne manchmal so unbeugsam, mutig und stoisch gewesen wie Achim, auch wenn ich mitbekommen habe, dass dieses Verhalten ihm mehr als nur einmal geschadet hat.

 

An eine weitere Sache mit Achim erinnere ich mich noch sehr gut, denn sie war damals schon sehr verstörend. Es geschah in der Schule, und wenn ich heute darüber schreibe, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Zum einen wird mir klar, wie brutal und übergriffig Lehrer damals sein konnten, und zum anderen, wie machtlos wir als Kinder dagegen waren. Nicht nur machtlos, nein, in diesem Fall gab es nicht mal einen elterlichen Beschützer oder irgendeine erwachsene Instanz, die den Lehrer aufgrund seines Missbrauchs zur Rede und Verantwortung gezogen hat.

Was war passiert? Wir Schüler saßen im Erdkundeunterricht und machten mal wieder Unsinn, wie Kinder halt sind. Wie das früher war und heute noch ist. Irgendeiner von uns – ich weiß leider nicht mehr genau, wer es eigentlich war – entdeckte auf einmal, dass man mit Pattex noch etwas anderes machen konnte als kleben: Wenn man nämlich ein bisschen Pattex auf die Zungenspitze gab, dann brannte es erst ein bisschen, dann kühlte es, und irgendwann konnte man dann darauf kauen wie auf Kaugummi. Also fingen auf einmal alle an, sich ein Tröpfchen Pattex auf die Zunge zu schmieren. Das fanden wir irre und wesentlich interessanter, als dem Unterricht zu folgen.

Der Lehrer bemerkte das nach einer Weile und hat meinen Freund Achim dabei erwischt, wie der sich gerade mit der Tube so einen Pattex-Tropfen auf die Zunge gedrückt hat. Dieser Lehrer, ich nenne seinen Namen mal besser nicht, sah das, schlich sich von hinten an und drückte Achim den ganzen Tubeninhalt in den Hals. Der Arme hat natürlich gespuckt wie ein Wahnsinniger, gewürgt und gehustet ohne Ende. Der sadistische Lehrer meinte nur: »So, Freundchen, jetzt machst du das nie wieder in deinem Leben. Jetzt hast du mal gemerkt, was für einen Scheiß du machst.«

Mein Gott, was für ein Irrsinn. Wenn ich heute daran denke, dann ist mir völlig klar, dass Achim bei der Aktion auch hätte krepieren können. Was für kranke Hirne man damals auf uns Kinder losgelassen hat! Achim ist nach der Aktion natürlich aufgestanden und nach Hause gerannt, wo der nächste Ärger auf ihn wartete, weil er mal wieder aus der Schule abgehauen war. Warum, interessierte natürlich keinen, schon gar nicht die Eltern.