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Eine große romantische Komödie: britisch, witzig, warmherzig … Stellen Sie sich vor, Sie wären Journalistin und sollten über den Schauplatz einer neuen Doku-Fernsehserie berichten, das "Fünfziger-Jahre-Haus". Kaum dort angekommen, fallen Sie in Ohnmacht und finden sich beim Aufwachen in den 50er Jahren wieder. Offenbar sollen Sie eine ahnungslose Kandidatin in der Show sein! Genau das passiert Rosie Harford. Was sie für eine Reality Soap hält - keine elektrischen Küchengeräte, kratzende Kleidung, schwere Hausmannskost, keinerlei Pflegeprodukte - entpuppt sich jedoch bald als echte Reise in eine andere Zeit. Als sie auch noch ihren Freund Will trifft, der mit ihrer besten Freundin drei Kinder hat und ein mustergültiger Familienvater ist, bricht für Rosie die Welt, aus der sie kommt, zusammen.
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Seitenzahl: 498
Sharon Griffiths
Zeitreisen für Anfänger
Roman
Roman
Aus dem Englischen von Karin König
Fischer e-books
Für die Amos-Männer – Mike, Adam und Owen – in Liebe.
»Alles in Ordnung, junge Frau?«
Der Taxifahrer sah mich seltsam an, während ich in meiner Tasche stöberte. Handy ... iPod ... Notizbuch ... Diktiergerät ... alles außer meinem Portemonnaie. Ah. Da war es, natürlich ganz unten. Ich nahm einen Zehner heraus – ich glaube, es war ein Zehner – und schob ihn durchs Fenster. Nur zu dem Fahrer hineinzusehen verursachte schon Schmerzen im Nacken.
»Hier, danke. Behalten Sie das Wechselgeld.«
»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?«, fragte er und steckte das Geld rasch in seine Brieftasche. Vielleicht war es ein Zwanziger gewesen.
»Ja. Alles in Ordnung.«
Aber das stimmte nicht. Eigentlich ging es mir gar nicht gut. Und es wurde schlimmer.
Als das Taxi davonbrauste – niemand hält sich gerne länger in der Nähe von The Meadows auf als nötig –, stand ich leicht schwankend auf dem Pflaster. Meine Schläfen pochten, meine Augen brannten, und ich konnte nicht aufhören zu zittern. Es war einer jener Montage, an denen ich schwor, nie wieder zu trinken. Oder mich mit Will zu streiten ...
Gut. Im Moment war keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich versuchte, mich zusammenzureißen. Ich sollte hier ein Interview für The News führen. MrsMargaret Turnbull war als eine der Ersten in The Meadows eingezogen, als die Siedlung vor fünfzig Jahren gebaut wurde, zu einer Zeit, als sie das Gelobte Land war. Heute war das ein wenig anders. Man hatte Glück, wenn man zurückkam und sein Auto noch vorfand. Und man hatte noch größeres Glück, wenn es seine Räder noch hatte.
Aber The News brachte eine spezielle Beilage, um das fünfzigste Jubiläum von The Meadows zu begehen. Eine der großen Fernsehstationen plante ein Reality-Programm, bei dem Menschen vorgeben mussten, in der Vergangenheit zu leben – im Fünfziger-Jahre-Haus –, und es ging das Gerücht, dass auch in The Meadows gedreht werden sollte. Also hatte ich den Vormittag in dem verstaubten, kleinen Archiv oben im News-Gebäude verbracht und die gebundenen Zeitungen aus den Fünfzigern durchgelesen – Geschichten über neue Straßen, neue Häuser, Blumenschauen, Festspiele, rätselhafte Tode und Annoncen für Zigaretten und Waschmaschinen sowie viele Hausfrauen, die mit Schürzen paradierten. Eine andere Welt.
Einen Moment lang lehnte ich mich an den Torpfosten, während mir schwindelte. Ein schmucker Torpfosten. Ein gepflegter Weg und ein hübscher Garten mit Tulpen, Primeln und Veilchen. Dies war eine der hübscheren Ecken der Anlage, und eine sehr schicke Vordertür zeigte recht eindeutig, dass MrsTurnbull ihr Haus gekauft hatte. Durch das Fenster konnte ich eine grauhaarige Lady in Hosen und einem Sweatshirt sehen, die von einer Strickarbeit aufsah und zu mir herausschaute.
Aber als ich den Weg hinaufging, erkannte ich, dass etwas nicht stimmte, absolut nicht stimmte. Mein Sehvermögen war gestört. Die Gehwegplatten schienen irgendwie weit weg. Es war schwer, sie mit meinen Füßen zu finden. Alles war seltsam verzerrt. In meinem Kopf drehte sich alles. Meine Augen schmerzten. Dies war kein Kater, dies war etwas anderes. Ich war krank, wirklich krank. Ich geriet in Panik. Es schien mir, als würde ich gleich umkippen. Irgendwie schaffte ich es zur Vordertür und streckte meine Hände vor mir aus, um zu läuten.
Ich wünschte plötzlich – oh, so sehr –, dass Will und ich uns nicht gestritten hätten, dass wir uns heute Morgen mit einem Kuss verabschiedet hätten, anstatt in angespanntem und mürrischem Schweigen im Auto zu sitzen. Ich wünschte ...
Dann wurde alles schwarz ...
Schon am Sonntag ging alles schief. Wir leben nicht nur zusammen, Will und ich arbeiten auch zusammen – er ist der stellvertretende Nachrichtenchef der Zeitung –, und daher ist ein Wochenende, an dem wir beide frei haben, in gewisser Weise ein Genuss. Nach einem schönen Samstagabend, an dem wir mit Caz und Jamie ausgingen, schliefen wir wunderbar – wirklich wunderbar, danke – aus, Will ging dann zum Fußballspielen, und ich werkelte in der Wohnung herum, verwöhnte mich ein wenig und sortierte die Wäsche. Nur meine Wäsche – Will sortiert seine selbst. Und er bügelt auch selbst. Dabei wird man mich nicht ertappen. Ich finde es schlimm genug, mich um meine eigene Bügelwäsche zu kümmern. Gott sei Dank besitzen wir einen Trockner.
Caz und ich trafen gleichzeitig in dem Pub ein. Sie trug eine Jacke, die ich noch nie gesehen hatte, schwarz und eng anliegend, mit schicken, klassischen Lederknöpfen. Sehr romantisch. »Die ist toll!«, sagte ich, während wir zur Bar gingen. »Neu?«
»Sei nicht albern«, erwiderte sie lachend und drehte sich, damit ich sie bewundern konnte. »Das war ein Mantel aus der Grabbelkiste im Secondhandladen, weil er unten einen Fleck hatte. Also schnitt ich ihn ab, und die Knöpfe fand ich bei eBay.« Kluges Mädchen. Sie hatte einen guten Blick für alles, was schön wirkte.
Bei diesem Gedanken fuhr draußen Jamies Wagen vor. Schon der kurze Blick auf Will durch das kleine Fenster des Pub brachte mich zum Lächeln. Nach all unserer gemeinsamen Zeit war ich immer noch aufgeregt, wenn ich ihn sah. Er und Jamie schneiten fröhlich herein, rochen nach frischer Luft und waren voller Siegesfreude. Es gelang uns, sie davon zu überzeugen, dass sie wirklich keinen Tischfussball spielen wollten. Wir nahmen unsere Getränke, bestellten etwas zu essen und besetzten den letzten freien Tisch.
So war alles gut, bis Leo und Jake herüberkamen.
Aber es war nicht ihre Schuld. Überhaupt nicht ihre Schuld.
»Ist schon in Ordnung. Wir wollten nicht bleiben. Wir wollten uns nur etwas Mut antrinken«, sagte Jake. »Wir sind zum Lunch bei Leos Eltern eingeladen und haben ihnen eine Neuigkeit mitzuteilen.«
»Neuigkeiten?« Caz und ich setzten uns augenblicklich gerade auf und wurden aufmerksam.
»Wir werden heiraten!«, verkündete Jake. »Oder jedenfalls eingetragene Lebenspartner werden. Am Sommeranfang, 21.Juni. In der Old Shire Hall. Mit einem großen Festzelt im Rosengarten. Unmengen Champagner. Netter Musik. Auch netten Leuten, wenn ihr kommt.«
Caz und ich sprangen auf und umarmten und küssten die beiden. Will und Jamie erhoben sich, schüttelte ihnen auf männliche Art die Hände, schlugen ihnen auf die Schultern und sagten: »Gut gemacht«, »Großartige Neuigkeiten« und derlei Dinge.
»Kann ich euch zur Feier des Tages etwas zu trinken bestellen?«, fragte Will.
Aber nein, Leos Eltern warteten. Sie wollten nicht zu spät kommen und wollten nicht zu betrunken sein, wenn sie es ihnen sagten. Es war ein wichtiger Tag.
»Viel Glück!«, riefen wir ihnen hinterher, als sie hinausgingen, alle erfreut und aufgeregt.
»Nun«, sagte Jamie, nachdem sie gegangen waren, »wie feiert man also eine Schwulenhochzeit? Müssen wir Pink tragen?«
»Sei nicht albern«, sagte Caz. »Und nicht so herablassend. Es wird spaßig werden. Und es ist gut, dass sie es tun können. Es ist sinnvoll in Bezug auf Steuern und Geld und all das.«
»Aber sie tun es nicht nur deshalb«, wandte ich ein. »Ich finde es wunderschön. Ein öffentliches Bekenntnis und so.«
»Glaubst du wirklich?«, fragte Will, und die Schärfe seines Tonfalls überraschte mich.
»Nun, ja«, sagte ich. »Ich meine, sie sind einander offensichtlich treu ergeben, und es ist großartig, dass sie es jetzt der ganzen Welt zeigen können.«
»Ja, vermutlich«, sagte Will, aber er wirkte, als wollte er weiterhin murren. Dann kam unser Essen, und wir machten uns darüber her. Und tranken auch. Danach gingen wir zu Caz und Jamie.
»Ja!«, rief Will, sobald wir eintraten. »Oh, der ist großartig!«
Jamie lachte. »Ganz nett, oder?«
Ich war noch hinter ihnen und zog gerade meine Stiefel aus, so dass ich zunächst nicht sehen konnte, worum es eigentlich ging. Dann tappte ich ins Wohnzimmer und sah, dass es sich um einen Fernseher handelte, einen dieser großen Plasma-Bildschirme. Er hing wie ein Bild an der Wand. Caz wölbte auf eine »Mach mich nicht dafür verantwortlich, es ist eines seiner Spielzeuge«-Art die Augenbrauen.
»Der ist einfach cool«, sagte Will und stand praktisch mit heraushängender Zunge vor dem Fernseher. Jamie schaltete irgendein Autorennen ein. Es wirkte, als würden die Autos von einem Ende des Raumes zum anderen rasen. Beeindruckend, aber zu viel. Viel zu viel. Ich ging in die Küche, um Caz dabei zu helfen, etwas Eiscreme zu holen, die sie auf dem Bauernmarkt gekauft hatte. Und auch noch mehr Wein.
»Es ist sein neuestes Spielzeug«, sagte sie.
»Stört es dich?«
Caz zuckte die Achseln. »Es ist sein Geld.«
»Los doch!« Will schrie in Richtung Fernseher wie ein Kind, so aufgeregt war er.
Wir nahmen den Wein und die Eiscreme mit ins Wohnzimmer, und ich verzog mich aufs Sofa. Meine Kehle war ein wenig rau, so dass ich mir einreden konnte, die Eiscreme wäre heilsam. Dann sagte Will: »Ich glaube, wir sollten uns auch so einen Fernseher anschaffen, Rosie.«
»Davon träumst du nur. Wir haben nicht so viel Geld. Wenn wir es hätten, würden wir in einer größeren Wohnung leben.«
Das war ein wunder Punkt. Unsere Wohnung war in Wahrheit meine, und sie war winzig, was der Grund dafür war, warum ich sie kaufen konnte. Als Will – mit all seinen Sachen – vor einigen Monaten einzog, hatten wir vorgehabt zu sparen, um uns gemeinsam eine größere Wohnung zu kaufen. Aber man weiß, wie das ist, die Preise steigen einfach immer höher ... Geld kommt herein. Geld fließt hinaus. Ich bin mir nicht ganz sicher, für was. Aber wir brauchten mehr Platz. Wir brauchten keinen Fernseher im Wert von ein paar Tausend Pfund.
»Denk nicht einmal daran«, sagte ich verärgert.
Plötzlich lag ein Streit in der Luft. Will zeigte den leicht mürrischen Ausdruck, den er immer zeigt, wenn es nicht nach seinem Kopf geht. Aber dann kam Caz herunter, hielt ein Foto in der Hand und kicherte.
»Ich habe in der Wohnung meiner Mum einiges aussortiert, Will«, sagte sie, »und habe das hier gefunden.«
»O mein Gott!«, sagte Will. »Die Sommerfreizeit in der elften Klasse!«
O ja. Will und Caz waren zusammen zur Schule gegangen. Sie hatten sogar einmal ein Techtelmechtel. Ungefähr zu der Zeit, in der dieses Foto gemacht wurde, lange bevor ich einen von beiden kannte.
Tatsächlich war es ein recht witziges Foto. Sie mussten sechzehn Jahre alt und auf einer Klassenfahrt in den Yorkshire Dales gewesen sein – mit Bergsteigen, Kanusport und Schluchtenwanderungen. Caz trug eine dieser riesigen, streberhaften Regenjacken. Aber sie war stark geschminkt – drei verschiedene Schattierungen Lidschatten, Rouge und Lipgloss. Caz war noch nie ein Mensch gewesen, der von seinem Standard Abstriche machte.
Auf dem Bild schaute sie bewundernd zu Will auf. Jamie entriss ihm das Foto. »Ich wette, ihr wart für die Lehrer die Hölle«, sagte er – und er sollte es wissen, er unterrichtet selbst –, »wenn ihr euch zum Kanulager davongeschlichen habt, um kurz zu knutschen. Das tun sie alle.«
Caz und Will sahen einander sehr rasch und fast errötend an.
Caz grinste. »Gott sei Dank erwählt man sich seine Lebenspartner nicht mit sechzehn«, sagte sie. »Es ist schon schlimm genug, mit dir arbeiten zu müssen, Will, ganz zu schweigen davon, mit dir leben zu müssen. Ich weiß nicht, wie Rosie das schafft.«
»Manchmal mit Schwierigkeiten«, sagte ich lachend. Aber ich empfand einen kleinen Stich. Ich hatte mich in dem Moment in Will verliebt, als ich bei The News anfing, wo er bereits leitender Redakteur war. Er musste mich am ersten Tag herumführen, und ich wusste sofort, ich wusste es einfach, dass er der Richtige für mich war. Wir waren zu der Zeit beide noch lose mit anderen liiert, aber sobald wir uns daraus gelöst hatten, war es das. Wir waren ein Paar. Es war, als wären wir immer schon zusammen gewesen.
Aber dem war nicht so. Und Caz kannte ihn schon, seit sie elf Jahre alt waren. Sie hatten eine Vergangenheit, Erfahrungen, Erinnerungen, alberne Scherze, an denen ich nicht teilhaben konnte. Und manchmal, nur manchmal, verspürte ich einen Stich ... vermutlich der Eifersucht. Blöd. Er war jetzt mit mir zusammen.
Jamie und Will begannen, mit der Playstation zu spielen.
»Was ist jetzt mit Leo und Jake?«, fragte Caz und reichte mir ein Glas Wein. »Ich wette, das wird ein wunderschöner Tag.«
Ich lachte und wollte etwas zu Will sagen, aber er stierte noch immer auf den verdammten Fernseher.
»Schau, Will, du hast gerade erst dein neues Auto bekommen«, sagte ich. »Das ist für den Moment ein hübsches, neues Spielzeug.«
»Nun, du bist diejenige, die nach New York wollte.«
»Und du bist derjenige, der ein Vermögen für Nieman-Marcus-Sachen ausgegeben hat«, fauchte ich zurück. »Wie viele Cashmere-Pullover braucht ein einzelner Mann?« Ich weiß, das war ein wenig dreist, da ich in der Cashmere-Pullover-Abteilung selbst nicht schlecht vertreten bin.
Das Gespräch geriet schnippischer.
»Kinder, Kinder«, sagte Jamie. Man konnte ihn geradezu hören, wie er Siebtklässler maßregelte, obwohl er in der Schule wahrscheinlich keine Bierdose in der Hand gehalten hätte.
»Habt ihr nie daran gedacht«, fragte Jamie, »dass ihr, wenn ihr keine neuen Autos kaufen und für ein langes Wochenende und zum Einkaufen um die halbe Welt fliegen würdet, vielleicht mühelos imstande wärt, euch eine größere Wohnung oder sogar ein hübsches, kleines Haus zu kaufen? Es sei denn natürlich, ihr wollt es nicht wirklich und euer Unterbewusstsein sagt euch, ihr solltet euer Geld für Spaß und Spielzeuge ausgeben, anstatt erwachsen und vernünftig zu sein und es für eure Zukunft auf die hohe Kante zu legen. Seltsam, nicht wahr«, fuhr er fort, »dass Jake und Leo in unserer Clique als Einzige heiraten? Da braucht es erst ein schwules Paar, um uns anderen ein gutes Beispiel zu geben.«
»Ich sehe keinen Sinn darin zu heiraten«, sagte Caz. »Es geht uns doch gut, so wie es ist, nicht wahr, Schatz?«, sagte sie und tätschelte Jamies Knie. »Wir brauchen keine festliche Kleidung und ein Stück Papier. Es wäre vielleicht anders, wenn wir Kinder wollten. Aber Jamie hat bei der Arbeit genug mit Kindern zu tun. Er will nicht auch noch zu ihnen nach Hause kommen.«
»Aber was ist mit dir?«, fragte ich.
»Kein mütterliches Gen in meinem Leib«, erwiderte sie lachend. »Ich wäre als Mutter ohnehin ein absolutes Desaster. Ich würde den Kinderwagen des armen kleinen Wurms wahrscheinlich vor dem Pub vergessen. Nein, mein ungeborenes Baby sollte mir sehr dankbar dafür sein, dass ich es dabei belasse.«
Jamie wirkte verblüfft. »Ich dachte immer, Frauen wollten heiraten. Ihr wisst schon, darauf warten, dass ihr Ritter in der schimmernden Rüstung vorbeikommt und sie schlichtweg umhaut, sie vor Drachen rettet.«
»Wir können unsere Drachen selbst bekämpfen, danke«, sagte ich.
»Siehst du?«, sagte Jamie lachend zu Will. »Sie haben uns arbeitslos gemacht. Arbeitslose Drachentöter, parkt euer Streitross und hängt euren federgeschmückten Helm auf.«
»Ja, nun«, sagte Will, nun recht angetrunken und unwirsch, »vielleicht müssen Leo und Jake etwas beweisen. Sie wollen sesshaft werden und Vater-Mutter-Kind spielen.«
Dann, einfach so, als wäre es wirklich nicht so wichtig, ließ er die Bombe platzen, die meine Welt fast zerstörte.
»Was mich betrifft«, sagte Will, »so hat es für mich nicht viel Sinn, mich an ein Haus zu binden, wenn ich nicht lange dort bin.«
Ich war so geschockt, dass ich keuchte, als hätte er mich geschlagen. »Was meinst du? Wohin gehst du?«
»Nun, im Moment nirgendwo hin. Aber ich könnte es tun«, sagte er und sah mich von der Seite an. »Ich könnte zum Arbeiten nach Dubai gehen, oder sonstwohin. Ein Kumpel von mir dort sagt, sie suchen immer englische Journalisten. Viel Geld, leichtes Leben.«
Dubai? Davon hörte ich zum ersten Mal. »Und ist es das, was du willst? Viel Geld und ein leichtes Leben?«, fauchte ich.
»Nun, es ist das, was wir in Wahrheit alle wollen, oder?«, sagte er, nahm einen Schluck aus seiner Dose und lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück.
Ich war wütend. Ich war auch angetrunken, was nicht hilfreich war. Und ich war fassungslos. Ich hatte gedacht, Will und ich hätten eine ziemlich verlässliche Beziehung. Vielleicht sogar eine dauerhafte. Irrtum!
»Schau, Rosie«, er stellte seine Dose ab, »ich meine nur ...«
Er war wahrscheinlich auf Versöhnung aus. Ich nicht.
»Vergiss es«, fauchte ich.
»Kaffee?«, fragte Caz überaus strahlend. Ganz die perfekte Gastgeberin, nur dass sie jäh stolperte und auf Jamies Schoß fiel, wodurch die Wirkung verpuffte.
»Nein, nein, ich will keinen Kaffee«, antwortete ich, verärgert und durcheinander und auf dem falschen Fuß erwischt. »Ich glaube, ich will nach Hause.« Ich ging in den Flur hinaus, zwängte meine Füße in meine Stiefel und ging.
Will kam hinter mir her, und ich wusste nicht, ob es mich freute oder nicht. Ich konnte seine Schritte hören, aber er sagte nichts. Mit seinen langen Beinen holte er mich bald ein. Er lief neben mir, passte seine Schritte meinen an, blickte stur geradeaus. Und so gingen wir, nebeneinander, schweigend, den ganzen Weg bis zur Wohnung. Meiner Wohnung.
Sobald wir sie betreten hatten, wandte ich mich ihm zu. »Gehst du wirklich nach Dubai?«
»Wer weiß?«, antwortete er achselzuckend. »Es ist nur ein Gedanke, eine Option, eine Möglichkeit.«
»Aber was ist mit mir?«
»Nun, du kannst mitkommen, wenn du möchtest.« Er vergrub seine Hände in den Taschen.
»Wenn ich möchte? Wenn ich möchte? Das klingt bei dir, als wäre ich eine verzichtbare Beigabe! Ich dachte, wir hätten eine gemeinsame Zukunft.«
»Das hast du gedacht? Das hast du wirklich gedacht?« Seine großen, braunen Augen blitzten, und das gefiel mir nicht.
»Und wenn du denkst, wir hätten eine gemeinsame Zukunft«, fragte er, »warum höre ich dann immer nur, was du willst? Du willst in London arbeiten. Du willst die größere Wohnung. Du hast das größere Sofa gekauft, ohne es mir gegenüber auch nur zu erwähnen. Du bezahlst die Rechnungen und sagst mir nur, wie viel ich ausspucken muss. Gut, gut, es ist immerhin deine Wohnung, wie du mich ständig erinnerst.«
Ich war bestürzt. »So empfinde ich es nicht. Ich dachte ...«
»Was hast du gedacht? Komm schon, erzähl es mir, ich möchte es wirklich wissen.«
»Ich hatte Angst«, sagte ich. »Ich wollte nicht von dir abhängig sein.«
»Warum nicht? Vertraust du mir nicht?«
»So ist es nicht. Nein. Es hat nichts mit Vertrauen zu tun. Es ist nur so, dass ... Nun, ich weiß es nicht. Wir haben nie über die Zukunft gesprochen. Nicht richtig.«
Und das hatten wir auch nicht. Wir hatten Urlaubs- und Wochenendreisen geplant, aber mehr nicht, nicht das, was man eine wirkliche, erwachsene Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet-Zukunft nennen würde. Vielleicht war das zu beängstigend, um darüber nachzudenken.
»Nun, reden wir jetzt darüber. Komm schon, Rosie, was willst du? Was willst du von mir? Von uns?«
»Ich weiß es nicht.« Und das war ehrlich. Ich hatte mir manchmal erträumt, Will zu heiraten. Nicht die große Hochzeit in Weiß, aber einfach nur mit ihm verheiratet zu sein, ihn immer bei mir zu haben. Er war der einzige Mensch, von dem ich mir jemals so etwas erträumt hatte. Der Einzige.
Aber ich hatte es ihm nie gesagt. Weil es Zeiten gab, in denen mir derselbe Traum Angst machen konnte. Der Gedanke daran, für immer mit nur einem Menschen zusammen zu sein. Das ist schließlich wirklich beängstigend, oder?
Und Will ... Nun, er war eigentlich nicht für die Ehe geschaffen. Ich meine, er war fast dreißig und benahm sich immer noch wie ein großes Kind. Abgesehen von der Arbeit interessierten ihn und Jamie nur Fußball und Trinken und Computerspiele und der verdammte Grand Prix und der Flachbildfernseher.
»Du weißt es nicht?«, wiederholte er, noch immer auf meine Antwort wartend.
Ich blickte zu ihm hoch. »Will, ich liebe meine Arbeit, und ich stehe erst am Anfang meiner Karriere. Ich möchte sehen, wie weit ich kommen kann.«
»Das ist nur allzu fair. Du wirst weit kommen, Rosie. Das wissen wir beide.« Er schritt voll zorniger Energie in dem kleinen Wohnzimmer auf und ab. »Aber ich weiß nicht, ob ich Teil deines Planes bin. Ehrlich, Rosie, ich habe keine Ahnung, woran ich mit dir bin. Du willst alles auf deine Art.«
»Aber so ist es nicht!« Ich war fassungslos und rang darum, die Worte zu finden, um meine Gedanken zu vermitteln. Und dann haute er mich mit seiner nächsten Frage beinahe um.
»Sag mir, siehst du dich mit Kindern?«
»Hey!« Ich versuchte zu scherzen. »Du kannst nicht einfach solche Fragen stellen. Das ist nicht erlaubt.«
Will lachte nicht. »Ich möchte es wissen.«
»Nun, ja, da du schon fragst, eines Tages, wahrscheinlich«, sagte ich. Ich hatte mir auch das erträumt. Ein Junge und ein Mädchen, mit Wills blondem Haar und großen, braunen Augen. Aber noch nicht jetzt. Vielleicht hätte ich sie zu irgendeinem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft.
Es war an der Zeit, dass ich zum Angriff überging. »Und was ist mit dir? Willst du Kinder?«
»Vielleicht, eines Tages. Das hängt davon ab.«
»Wovon hängt es ab?«, fragte ich. Und der Teufel ritt mich, denn ich fauchte: »Davon, ob du es zwischen der Playstation und dem Plasma-Fernseher einschieben kannst? Oder von einem neuen Auto? Man muss erwachsen sein, um Eltern zu sein, Will, nicht selbst noch ein zu groß geratenes, verdammtes Kind.«
Natürlich ging von da an alles bergab. Wir hatten beide zu viel getrunken und zu viele Dinge gesagt, die nicht hätten gesagt werden sollen und von denen ich mir nicht einmal sicher bin, dass wir sie so gemeint haben.
Ich nannte ihn, unter anderem, verzogen, unreif und kindisch. Er nannte mich, unter anderem, einen selbstsüchtigen, gedankenlosen Kontroll-Freak. Das führte uns nirgendwo hin. Letztendlich ging ich zu Bett und konnte Will immer noch im Wohnzimmer herumwüten und ungeduldig die Fernsehkanäle durchzappen hören, bis er schließlich auf dem Sofa einschlief. Auf meinem neuen Sofa.
Und ich? Ich lag im Bett und versuchte, den Streit nachzuvollziehen. Wollte ich wirklich heiraten? Ja, natürlich. Vielleicht. Aber jetzt? Ehrlich, der Gedanke machte mir Angst. Was wäre, wenn Will nach Dubai ginge? Was wäre, wenn ich nach London ginge?
Was wäre wenn?
Mein Kopf pochte. Ich schlief kaum, und am Morgen ging es meinem Kopf noch schlechter – was der Grund dafür war, warum ich, als wir am Montagmorgen bei The News eintrafen – in Wills Wagen, schweigend –, gehofft hatte, unbemerkt zu meinem Schreibtisch gelangen und mich durch den Tag schleppen zu können – aber die Redakteurin, Jan Fox, bei allen als der Drachen bekannt, erblickte mich.
»Rosie! Kommen Sie bitte kurz zu mir!«
Der Drachen stand in seiner Bürotür, mit funkelnden Augen und glänzenden kupferroten Strähnchen. In einer Hand hielt Jan Fox ein großes Blatt Papier, auf das die scharlachroten Nägel der anderen Hand einen leichten Trommelwirbel schlugen. Es war kein fröhliches Trommeln.
Ich erkannte, dass das Blatt Papier, das sie so offensichtlich nervte, ein Probedruck der morgigen Feuilletonseite war. Ein Aufmacher über Kinderbetreuung, einer, den ich geschrieben hatte. Mein Herz sank noch tiefer. Froher Montag.
»Ist Ihnen klar«, fragte sie und warf mir einen ihrer grimmigen Blicke zu, »wie unglaublich jung und töricht Sie hier klingen? Es scheint, als hätte jedermann auf der Welt eine Verantwortung, sich um Kinder zu kümmern, mit der einzigen Ausnahme ihrer verdammten Eltern.«
»Aber ich habe nur aus den Berichten sowie den Regierungssprecher zitiert ...«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte sie seufzend. »Ich wundere mich nur manchmal über eure Generation. Ihr müsst es leichter haben als jede andere Generation in der Geschichte der Welt, und es genügt dennoch nicht, ihr fordert immer noch mehr.«
Ich stand nur da und wartete und sehnte mich danach, zu dem Ibuprofen in meiner Schreibtischschublade zu gelangen.
»Okay, ich habe ein paar Ideen aufgeschrieben. Erledigen Sie das. Und dann ist da noch etwas, was ich von Ihnen möchte.«
Was genau das war, fand ich bei der Morgenkonferenz heraus.
Der Nachrichtenchef, der Bildredakteur, der Cheffotograf und andere Mitarbeiter von The News drängten sich im Büro des Drachen und balancierten Kaffeebecher und Stapel mit Notizen auf den Knien. Will war auch da, wirkte jedoch nicht ganz so geschliffen wie sonst. Ich weiß nicht, ob er versuchte, meinen Blick auf sich zu ziehen. Ich ließ ihm keine Chance dazu. Ich betrachtete einfach die Fotos all der ehemaligen Herausgeber an der Wand über ihm. George Henfield, dick und kahl, Richard Henfield mit seiner Pfeife.
Wir hatten bereits im Eiltempo die Pläne für die Zeitung des Folgetages besprochen sowie einen Großteil der Konzepte für die Woche, aber der Drachen sprach noch immer. »Gut«, sagte sie. »Was ist jetzt mit The Meadows? Es ist fünfzig Jahre her, seit die ersten Familien einzogen, und ich denke, wir sollten es uns genau ansehen. Damals war es revolutionär, Häuser für die Zukunft, der perfekte Ort zum Leben.«
»Mein lieber Schwan, müssen die verzweifelt gewesen sein«, murmelte Will.
Der Drachen hörte ihn natürlich.
»Will, Sie haben keine blasse Ahnung, oder?«, sagte sie in einem vernichtendem Tonfall, der mich aufheiterte.
Will versuchte zu punkten. »Wir hatten einigen Anteil an der Verbesserung der dortigen Schule«, sagte er. »Wir haben ein paarmal mit der neuen Schulleiterin, Rosemary Picton, gesprochen, die Wunder wirkt, und wir machen dort immer Fotoreportagen.«
»Ja«, sagte der Drachen lebhaft, »und bestimmt werden wir erneut auf sie zukommen. Eine erstaunliche Frau. Aber, wie Sie wissen, benutzen sie eines der Häuser in The Meadows für eine neue Reality-TV-Serie, Das Fünfziger-Jahre-Haus, also müssen wir uns genau ansehen, warum Menschen dort so bereitwillig einzogen. Wie es zu Anfang war. Warum es teilweise schiefging. Warum es sich in anderen Bereichen gut entwickelte. Wir werden uns das Leben in den Fünfzigern genau ansehen wollen. Es könnte eine Feuilleton-Reihe daraus hervorgehen, aber ich will Butter bei die Fische, nicht nur Nostalgie. The Meadows scheint für den Anfang gut geeignet.«
Inzwischen hatte ich die ehemaligen Herausgeber lange genug betrachtet und nahm mir die unzähligen Auszeichnungen vor, die The News unter dem Drachen errungen hatte. Plötzlich hörte ich sie meinen Namen erwähnen. Ich setzte mich auf und bemühte mich aufzupassen.
»Rosie? Sind Sie bei uns? Ich sagte gerade, dass ich denke, dies sei etwas für Sie. Wenn Sie hinterher warten, nenne ich Ihnen einige Kontakte.«
Sie hatte immer Kontakte. Ich schwöre, sie kannte jedermann in der Stadt, ganz zu schweigen vom Land. Während die anderen ihre Notizen aufnahmen und an ihre Schreibtische zurückkehrten, notierte sie für mich einen Namen.
»Margaret Turnbull war einer der ersten Menschen, die in The Meadows einzogen, und sie lebt seither dort. Eine nette Frau, eine gute Erzählerin. Und tatsächlich ist sie Rosemary Pictons Mutter. Wenn Sie Margaret begegnen, bekommen Sie vielleicht eine Vorstellung davon, warum ihre Tochter so entschlossen ist, den Kindern von The Meadows zu helfen. Wie dem auch sei, hier ist ihre Nummer. Sie wird Sie auf einen guten Weg bringen.«
Diese Worte wurden von einem seltsamen Blick begleitet. Aber ihre makellos geschminkten Augen waren unlesbar. »Ich denke, Sie könnten es sehr interessant finden«, sagte sie.
Ich rief MrsTurnbull pflichtbewusst an und verabredete mich für den späten Nachmittag mit ihr. Dann ging ich mit einem Notizblock ins Archiv hinauf, wo all die alten Ausgaben von The News gebunden gelagert sind, bereitete mir eine Tasse Kamillentee – mehr konnte ich nicht vertragen – und ließ mich in dem verstaubten, kleinen Raum nieder. Ich wollte mit niemandem reden. Nicht einmal mit Caz und bestimmt nicht mit Will.
Würde er nach Dubai gehen? Kümmerte es mich? Nun ja, tatsächlich sehr. Konnte ich ohne ihn zurechtkommen? Ja, natürlich konnte ich das. Oder?
Es war wahrscheinlich leichter, ein bisschen zu arbeiten. Ich fühlte mich jedoch unwohl. Meine Schultern und mein Nacken schmerzten vom Herumschleppen dieser alten Ausgaben und dem Brüten darüber. Und meine Hände und Füße waren so kalt! Scheiße! Mein Auto stand noch immer auf dem Parkplatz am Lion. Das war der Moment, in dem ich mir ein Taxi bestellte und losfuhr, um MrsTurnbull zu treffen. Nun, ich dachte zumindest, es sei MrsTurnbull ...
Es gelang mir, trotz der Schmerzen in meinem Kopf, die Augen aufzuschlagen. Die Frau, die mir die Tür öffnete, war nicht dieselbe wie diejenige, die ich durchs Fenster gesehen hatte. Übrigens war auch das Fenster nicht dasselbe. Die Tür auch nicht. O Gott, was ging hier vor?
Ich versuchte es herauszufinden, während ich gegen den Türrahmen sank. In meinem Kopf drehte sich alles. Am liebsten wäre ich die Wand hinabgeglitten und liegen geblieben, aber die Frau fragte mich etwas. Ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu erklingen.
»Sind Sie die junge Frau von The News?«
»Eh, ja, ja, die bin ich«, sagte ich. Es war so ungefähr das Einzige, dessen ich mir sicher war.
»Nun, Sie sollten besser hereinkommen.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt gehen konnte, aber ich rappelte mich hoch und folgte der Frau in einen dunklen Flur. Etwas war hier sehr seltsam. Ich war mir sicher, dass ein solches Haus keinen so langen, dunklen Flur hatte oder so eine Küche wie die, auf die der Flur zuführte. Die Küche wies einen jener gusseisernen Herde auf, ein wenig wie ein Aga-Herd, nur kleiner. Ich konnte die Wärme spüren, was wunderbar war. Ich fror so. Ich bemerkte einen seltsamen Geruch. Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass er von Kohle und Ruß stammte.
»Hier«, sagte die Frau, »setzen Sie sich, bevor Sie umkippen.«
Ein Kater lag zusammengerollt auf dem Schaukelstuhl am Herd. »Weg, Sambo«, sagte sie und schob ihn fort.
»Setzen Sie sich einen Augenblick dorthin«, sagte sie zu mir, »dann mache ich Ihnen eine Tasse Tee. Sie sind leichenblass.«
Ich hatte das Gefühl, als wäre alles in meinem Schädel in den Hinterkopf gerutscht und bestünde aus Blei. Geschweige denn, dass ich hätte versuchen können zu begreifen, was vor sich ging. Aber zumindest wurde mir langsam wieder wärmer. Die Katze, Sambo – Sambo! – sprang geschickt auf meinen Schoß und rollte sich dort zusammen. Ich wiegte mich sanft, spürte die Wärme des Feuers und der Katze. Der Raum stabilisierte sich. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so elend. Allmählich konnte ich sogar meine Umgebung wahrnehmen.
Die Frau war vielleicht nicht so alt, wie ich zuerst gedacht hatte. Es war schwer zu sagen. Sie war wahrscheinlich erst in den Fünfzigern, aber bestimmt nicht von der Best-Ager-Sorte der über Fünfzigjährigen. Sie trug einen schweren Wollrock und eine Jacke, eine karierte Schürze und die Art Hausschuhe, wie sie nicht einmal meine Großmutter mehr trug. Der Raum schien unglaublich altmodisch. In der Mitte stand ein großer Tisch mit einer grünen Tischdecke aus diesem samtartigen Stoff. An einer Wand stand eine Anrichte mit Tellern und Bechern. Über dem Herd befand sich eines jener hölzernen Regale, die man in modernen Landhaus-Magazinen sieht, aber anstatt getrockneter Kräutersträuße enthielt es Laken und Kissenbezüge und etwas, was wie altmodische Leibchen und dicke, weiße Unterhosen aussah.
Während sich die Frau zwischen der Anrichte, dem Tisch und dem Holzregal im Raum umher bewegte, war es so, als sähe ich mir einen Film an. Sie belud ein Tablett mit zweckmäßigen Tassen, Untertassen und Tellern, schlang ein Tuch um ihre Hand und hob einen großen, schwarzen Kessel vom Herd. Sie goss etwas Wasser in eine kleine, braune Teekanne, ging einen Moment aus dem Raum in eine dahinter liegende Spülküche, kam zurück, gab mehrere Löffel losen Tee in die Kanne und goss das restliche kochende Wasser darüber. Dann nahm sie einen Teewärmer von einem Haken beim Herd, der wie eine kleine, karierte Pudelmütze aussah, und stülpte sie über die Teekanne. Sie ging erneut in die Spülküche, kam mit einem Früchtekuchen zurück, schnitt ein Stück davon ab und legte es auf einen vor mir stehenden Teller. Dann reichte sie mir eine Tasse Tee. Er war stark und süß – was ich normalerweise beides hasse –, aber ich trank ihn und konnte die Wärme durch mich hindurchströmen spüren. Es war wirklich recht angenehm, sehr tröstlich.
»Bitte, entschuldigen Sie, MrsTurnbull«, sagte ich.
»Oh, ich bin nicht MrsTurnbull«, erwiderte sie.
»O mein Gott«, rief ich und wollte aufstehen. »Dann bin ich im falschen Haus. Ich dachte mir schon, dass etwas nicht stimmte. Hören Sie, es tut mir wirklich leid. Ich sollte besser gehen und MrsTurnbull suchen. Wohnt sie nebenan? Ich muss den falschen Weg heraufgekommen sein. Ich dachte ...«
»Setzen Sie sich, Kind«, sagte sie, nicht unfreundlich. »Ich bin Doreen Brown. Wenn Sie Rosie Harford von The News sind, dann sind Sie hier richtig. Ich habe Sie erwartet.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Und Ihr Koffer ist ohnehin oben.«
»Koffer? Welcher Koffer?«
»Die Dinge, die Sie für Ihren Aufenthalt brauchen werden, natürlich.«
Aufenthalt? Welcher Aufenthalt? Was, um alles auf der Welt, ging hier vor? Es war so verwirrend. Ich konnte es nicht begreifen. Was geschah mit meinem Kopf? Vielleicht hatte sie mir etwas in den Tee getan. Das war es. Ich musste hier raus. Meine Mum sagte mir immer, ich solle nicht in fremde Häuser gehen. Und ich nahm an, dass es keine wesentlich fremderen geben konnte als dieses.
»Er wurde heute Morgen von Ihrem Büro hierher geschickt. Alles, was Sie während der nächsten paar Wochen brauchen werden.«
Ich starrte MrsTurnbull an, die jetzt MrsBrown war, und versuchte zu verstehen, was sie gerade sagte. Meine Gedanken waren so verwirrt, dass ich erwartete, einen dieser Warnhinweise aufblitzen zu sehen: »Sie haben eine unerlaubte Funktion ausgeführt. Dieses Programm wird beendet.« Und dass ein Bildschirm schwarz werden würde.
Ich fühlte mich elend. Ich versprach mir, dass ich nie wieder trinken würde. Zu viel Wein, ein heftiger Streit und kein Schlaf waren eine furchtbare Kombination. Nie wieder.
»Bleiben Sie einfach einen Moment dort sitzen«, sagte MrsBrown und ließ mich die Wärme des Feuers und der Katze in mich aufnehmen. Es wäre sehr angenehm gewesen, wenn meine Gedanken nicht so gerast wären.
Wo war ich? Warum blieb ich anscheinend hier? Was, um alles auf der Welt, ging hier vor? Ich atmete mehrere Male tief durch und bemühte mich nach Kräften, nicht in Panik zu geraten.
Inzwischen hatte ich zwei Tassen Tee getrunken und merkte plötzlich, dass ich dringend zur Toilette musste. Mit einer vollen Blase konnte ich mit der Situation nicht umgehen.
»Oben, den Flur entlang, ein paar Stufen hinab und dann rechts.«
Ich wankte davon. Es fühlte sich ein wenig so an, als wäre ich betrunken. Ich musste mich fast an der Wand festhalten. Aber ich schaffte es.
Im Badezimmer war es eiskalt. Der Boden war in einem groß schwarz-weiß karierten Muster mit Linoleum ausgelegt. Wirklich recht hübsch. Aber die Badewanne war grässlich, mit Klauen als Füßen, einem kleinen Messingwasserhahn und einem großen aus Chrom. Alles wirkte ein wenig spartanisch. Es roch kalt und sauber und nach altmodischer Seife mit Rosenduft, wie diejenige, die eine der Tanten meiner Mum stets benutzte.
Ich nahm das Handy aus meiner Tasche und versuchte, Will anzurufen. Ich weiß, wir hatten einen Streit, aber dies war wirklich bizarr. Es klingelte nicht. Mehr noch, das Handy war tot, als wäre die Batterie verbraucht. Ich saß auf der Toilette und fühlte mich miserabel. Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst. Alles schien seltsam. Selbst das Toilettenpapier war fürchterlich. Aus unangenehm kratzigem Material. Und die Toilette wies einen jener großen, eisernen Wasserkästen mit einer Kette auf. Alles war irgendwie verkehrt, unvertraut, einfach nicht ganz richtig.
Dieses Haus schien in ein anderes Zeitalter zu gehören. So altmodisch. Hieran war mindestens fünfzig Jahre lang nichts mehr gemacht worden. Was tat ich hier? Es musste irgendein Irrtum vorliegen. Ich musste hinausgelangen. Rasch erhob ich mich. Zu rasch. In meinem Kopf drehte sich erneut alles, und ich lehnte mich gegen die Tür. Ich darf nicht in Panik geraten, sagte ich mir. Ich muss ruhig bleiben. Ruhig bleiben.
Kurz darauf wusch ich mir die Hände, spritzte mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und ging vorsichtig wieder nach unten, wobei ich mich sorgfältig am Geländer festhielt. Ich würde hinuntergehen, der Frau in der Küche erklären, dass ich leider gehen müsste, und so bald wie möglich verschwinden. Ja, das würde ich tun. Und sobald ich draußen wäre, würde ich Will anrufen und ihn bitten, zu kommen und mich abzuholen. Und wenn mein Handy immer noch nicht funktionierte?
Bleib ruhig. Bleib ruhig. Wenn mein Handy nicht funktionierte, würde ich einfach auf die Stadt zu laufen. Das war nicht so weit. Selbst The Meadows musste bei Tageslicht ausreichend sicher sein. Vielleicht gab es sogar eine Telefonzelle. Und es würde mir gutgehen, wenn ich erst draußen an der frischen Luft wäre.
Ich ging den Flur entlang zurück, lehnte mich Halt suchend an die Wand. Ich schaffte es bis zur Küche, sank aber wieder in den Schaukelstuhl. Ich würde einfach eine Weile hier sitzen bleiben und meine Kräfte wiedererlangen, damit ich in die Stadt zurücklaufen könnte, wenn es nötig wäre.
Mein Blick fiel auf einen Kalender an der Wand. Da war ein Foto der Königin, auf dem sie sehr jung aussah. Der Kalender wirkte nicht alt oder so, als hätte er fünfzig Jahre in einem Trödelladen gelegen. Nein, er wirkte neu und glänzend. Auf die Art der fünfziger Jahre.
Ich erhob mich. Mir war nicht schwindelig. Gut. Ich ging in die Spülküche hinüber, um MrsTurnbull oder Brown oder wie auch immer sie hieß zu suchen. Sie stand an dem großen Spülstein mit einem hölzernen Abtropfbrett und schnitt geschickt Kartoffeln in eine Pfanne.
»Hören Sie, Mrs ... eh, Brown. Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe«, sagte ich. »Es scheint etwas ein wenig durcheinandergeraten zu sein. Ich sollte eine MrsTurnbull treffen, so dass ich denke, dass ich besser zurückgehen und das mit meinem Büro abklären sollte. Vielen Dank für den Tee und den Kuchen. Ich weiß es wirklich zu schätzen, aber ...«
»Oh, Sie können noch nicht gehen«, sagte MrsBrown. »Sie sollen bleiben. Frank und Peggy werden ohnehin bald zurück sein, und das Abendessen dauert nicht mehr lange.«
Ich sollte bleiben? Was ging hier vor? Und wer waren Frank und Peggy?
»Ich werde ein wenig frische Luft schnappen gehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Nur zu, meine Liebe.«
Ich nahm meine Tasche hoch und ging den Flur entlang zurück. Mein Kopf fühlte sich jetzt etwas besser an. Ich hatte versucht, die Angelegenheit mit Höflichkeit zu behandeln, aber das hatte mich nirgendwohin geführt. Ich würde einfach hinausspazieren müssen. Hoffentlich war die Eingangstür nicht abgeschlossen. Seltsam. Ich war mir sicher, dass eine moderne weiße Tür da gewesen war, als ich den Weg heraufkam, aber das hier war die schwere Holztür mit dem fleckigen Glas im oberen Bereich. Ich drehte den Knauf und öffnete sie.
Es war anders. Alles war anders.
Anstatt auf die breite Straße von The Meadows mit ihren Reihen Doppelhäuser und Vorgärten, geparkten Autos und schrottreifen Lieferwagen, führte die Tür direkt auf eine schmale Straße mit Kopfsteinpflaster. Gegenüber befand sich die hohe Mauer dessen, was eine Fabrik oder ein Lagerhaus zu sein schien. Keine Autos. Keine Menschen. Ich trat ins Haus zurück und schloss die Tür rasch wieder.
Tiefe Atemzüge. Bleib ruhig.
Langsam, sehr langsam öffnete ich die Tür erneut. Noch immer Kopfsteinpflaster. Noch immer eine alte Fabrik. Ein Licht schimmerte, als etwas die Spätnachmittagssonne einfing.
Ich ging langsam in die Küche zurück. Dieser Kalender. Die Königin wirkte schrecklich jung ...
»MrsBrown?«
»Ja, meine Liebe?« Sie hantierte auf dem Herd mit einigen Töpfen.
»Sagten Sie, mein Büro habe diesen Besuch arrangiert?«
»Das ist richtig. Und ein junger Mann hat heute Morgen Ihren Koffer hergebracht. Daher wusste ich, dass Sie kämen. Alles mit der Redaktion arrangiert.«
Der Redaktion. Ich dachte an die morgendliche Konferenz zurück, die in einem anderen Leben stattgefunden zu haben schien. Was genau hatte der Drachen gesagt? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich hatte mich so elend gefühlt und so viel über Will nachgedacht, dass ich nicht wirklich zugehört hatte. Denk nach, Mädchen, denk nach. Etwas über The Meadows, natürlich, deshalb war ich hier. Und über eine Sendung im Fernsehen. Eine Reality-Sendung. Das Fünfziger-Jahre-Haus ...
Das Fünfziger-Jahre-Haus ... Das konnte nicht sein, oder? Als sie über Menschen sprach, die für eine Fernsehsendung in einem Haus der fünfziger Jahre lebten, hatte sie doch nicht mich gemeint, oder? Sie hatte eine Recherche erwähnt. Darum verbrachte ich den Vormittag in dem Aktenraum. Aber sie hatte nichts davon gesagt, hier sein zu sollen.
Sie hätte es jedoch gesagt haben können. Ich hatte nicht zugehört. Hatte nichts gehört. Würde mich nicht daran erinnern, wenn sie es gesagt hätte. Ich war während der gesamten Konferenz in Gedanken gewesen.
Aber sie hatte auf diese bedeutungsvolle Art gesagt, dass ich meinen Besuch bei MrsTurnbull »interessant« finden würde. Darum ging es bei alledem. Nahm ich an einer Reality-Fernsehshow teil? Waren hier irgendwo Kameras? Ich erinnerte mich an dieses Lichtschimmern in der Fabrik. Ich hatte gedacht, es wäre Sonnenlicht auf einem Fenster gewesen, aber es hätte auch eine Kamera sein können.
Ich sah mich um. Wurde ich gerade gefilmt? Ohne darüber nachzudenken erkannte ich, dass ich eine Hand gehoben hatte, um mein Haar zu glätten.
Aber wie hatten sie mich dahin gebracht? Und wie kam es, dass draußen alles völlig verändert war? Ich vermutete, dass es etwas mit dem Taxifahrer zu tun hatte. Er war mir seltsam vorgekommen, und mein Kopf hatte so geschmerzt, dass ich wirklich nicht besonders darauf geachtet hatte, wo ich war. Und er war mir den Weg hinauf gefolgt. Vielleicht hatte er mich dazu gebracht, irgendwo anders hinzugehen.
Vielleicht war der Weg ein Bühnenbild gewesen, und der Anblick trog. Ein Trick, nur auf eine Wand projiziert oder so. Vielleicht war es nur eine Fassade gewesen, eine Front vor der Front dieses alten Hauses. Es schien ein wenig übertrieben, aber andererseits – für Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! warfen sie Menschen mit Fallschirmen im Dschungel ab, oder? Den falschen Gartenweg hinaufzugehen war im Vergleich dazu gar nichts.
Und diese Fabrik. Das könnte die alte Seilfabrik auf der anderen Seite der Stadt sein. Es gab dort drinnen einige Indie-TV-Produktionsfirmen. Das Big Brother-Haus lag inmitten eines Gewerbeparks. Das hier könnte einfach in einem Parkhaus sein. Vielleicht.
»Alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte MrsBrown. »Sie haben wieder ein wenig Farbe bekommen. Setzen Sie sich einfach eine Weile dorthin, während ich das Abendessen fertig mache.«
Ich fühlte mich jetzt, wo ich glaubte, es geklärt zu haben, ein wenig ruhiger. Ich setzte mich in den Schaukelstuhl und streichelte Sambo, der leise schnurrte, während ich MrsBrowns Klappern im Nebenraum lauschte. Dies musste also das Fünfziger-Jahre-Haus sein, und der Drachen musste mich dazu gebracht haben, mich dafür zur Verfügung zu stellen. Und ich sollte eindeutig eine Weile bleiben. Ich fragte mich, wie die Regeln lauteten, wer noch hier wäre. Ich wünschte mir gerade, ich wüsste mehr, viel mehr, als MrsBrown ausrief: »Na bitte, hier sind Frank und Peggy. Gerade rechtzeitig.«
Frank war eindeutig MrBrown, ein Mann in mittlerem Alter mit einem wulstigen Anzug, Brille und Schnurrbart. Er lächelte mir zu und sagte: »Nun, Sie müssen Rosie sein.« Er schüttelte mir die Hand. Ein angenehmer Händedruck.
»Und dies ist Peggy«, sagte MrsBrown.
Peggy war ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein Jahr jünger. Sie hatte lockiges, blondes Haar und ein angenehm offenes Gesicht, das sich verdüsterte, als sie mich sah.
»Hallo«, sagte sie, mehr nicht, und ging, um ihren Mantel aufzuhängen.
»So«, sagte ich, »dann stecken wir also alle hier drin? Wir spielen alle, in den Fünfzigern zu sein? Haben Sie an einem Wettbewerb teilgenommen, um hierher zu gelangen? Oder wurden Sie einfach von Ihrem Chef überredet, sich zur Verfügung zu stellen, so wie ich?«
Es entstand ein Schweigen. Peggy kam und stand da und sah mich an, als stünde ich völlig neben mir. MrsBrown kam aus der Küche, die Hände in Topfhandschuhen und mit verwirrter Miene. Und MrBrown zog seine Jacke und seinen Schlips aus, rollte ihn sorgfältig auf und legte ihn auf die Anrichte. Dann nahm er eine Strickjacke vom Haken, zog diese an und tauschte seine Straßenschuhe gegen Hausschuhe aus.
Ich erkannte, dass ich etwas Falsches gesagt haben musste.
»Oh, tut mir leid«, sagte ich. »Dürfen wir nicht erwähnen, dass es eine Sendung ist? Müssen wir die ganze Zeit vorgeben, wir befänden uns in den Fünfzigern? Ich meine, ich weiß nicht einmal, ob es wie das Big Brother-Haus ist und wir alle miteinander konkurrieren, oder ob es nur darum geht zu sehen, wie wir zurechtkommen? Wissen Sie das? Ich meine, wie sind Sie hierher gelangt?«
Sie schwiegen weiterhin und starrten mich an.
Schließlich sagte MrBrown: »Wir haben dieses Haus schon vor dem Krieg gemietet. Darum sind wir hier. Und Sie sind hier, weil unsere Peggy uns gebeten hat, Sie zum Bleiben zu bewegen, aufgrund der Tatsache, dass Sie bei The News arbeiten. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
Richtig, dachte ich, das erklärt es. Wir müssen also jederzeit vorgeben, wir befänden uns in den Fünfzigern. Die drei anderen nahmen das offensichtlich schrecklich ernst. Wie diese Leute, die sich verkleiden, einen in Museen herumführen, einen ständig mit »Ihr« und »Euch« anreden und vorgeben, nicht zu verstehen, wenn man fragt, ob es einen Geldautomaten gebe. Die drei waren eindeutig vollkommen eins mit ihrer Rolle. Kein Zurückstehlen ins einundzwanzigste Jahrhundert, nicht einmal für eine kurze Pause.
»Verstehe«, sagte ich und versuchte, mich in das Ganze hineinzufinden. »Seit vor dem Krieg?«
»Ja. Unser Stephen war noch nicht geboren, und Peggy war noch ein Kleinkind, und sehen Sie sie sich jetzt an.«
Ich tat es. Sie erwiderte meinen Blick finster.
»Also dann, junge Rosie«, sagte MrBrown. »Erzählen Sie mir alles über Amerika.«
»Amerika?«, fragte ich, da ich nicht wusste, wovon er sprach. »Wir waren erst zweimal da, einmal in New York und einmal in Flor...«
»Nein, Kind, seien Sie nicht albern, ich weiß, dass Sie Amerikanerin sein müssen, wenn Sie solche Hosen tragen.«
Ich trug vollkommen normale Alltagskleidung. Eine schwarze Hose und ein dehnbares, seidenartiges Top. Obwohl meine Jacke eine schicke, kleine Jilly G. war, die ich bei eBay gekauft hatte. Vielleicht erkannte MrBrown einen Stilbruch, wenn er ihn sah. Okay, vielleicht auch nicht.
»Das ist jetzt nicht wichtig«, sagte MrsBrown. »Sie hat vermutlich noch viele andere Kleidungsstücke in ihrem Koffer.«
»Nun, die kann sie zur Arbeit nicht anziehen«, sagte Peggy mit sarkastischer Zufriedenheit. »Das ist vielleicht in Amerika in Ordnung, aber nicht hier. Nein. MrHenfield wird das nicht dulden. Keine Frauen in Hosen im Büro.«
»MrHenfield?«
»Richard Henfield, der Herausgeber von The News«, sagte MrsBrown. »Peggy ist seine Sekretärin«, fügte sie stolz hinzu.
Henfield ... Henfield ...
Ich erinnerte mich an das Büro des Drachen, an die Wand mit den Fotografien all der ehemaligen Chefs von The News, die ich mir bei der Konferenz angesehen hatte. Ich bin mir sicher, dass irgendwo unter ihnen ein Richard Henfield war.
»Hat er einen Schnurrbart und raucht Pfeife?«, fragte ich. »Ich glaube, ich habe irgendwo sein Bild gesehen.«
»Das sollten Sie wohl«, sagte Peggy. »Er ist sehr bekannt.«
»Das ist nicht wichtig«, sagte MrsBrown. »Peggy, komm und zerstampf die Kartoffeln für mich.« MrsBrown machte sich daran, das Abendessen aufzutragen. Sie nahm eine große Auflaufform aus dem Ofen und stellte sie auf den Tisch.
»Das sieht für einen Montag ungewöhnlich aus«, sagte MrBrown und rieb sich die Hände.
»Nun, da wir einen Gast haben«, erwiderte MrsBrown durch eine Dampfwolke hindurch.
Also wagte ich nicht zu sagen, dass ich kein rotes Fleisch esse. Ich bin keine Vegetarierin, ich mag nur wirklich kein rotes Fleisch. Aber ich wollte nicht wie einer dieser rumzickenden, jammernden Kandidaten erscheinen, die viel Lärm um nichts machen, so dass ich aufaß, und es war in der Tat recht gut. Fleischstücke mit einer dicken Soße. Danach nahm MrsBrown aus einem anderen Fach des Ofens eine Schüssel Milchreis. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt Milchreis gegessen hatte, und gewiss keinen, der nicht aus einer Dose kam. MrsBrown ging entschieden in ihrer Rolle auf – wenn es nicht draußen an der Rückseite des Hauses eine weitere Küche gab, wo sie einen Koch beschäftigten, der all das produzierte, so dass MrsBrown die »Das hier habe ich schon vorher bereitet«-Masche anbringen konnte.
»Kocht Ihre Mutter gerne?«, fragte MrsBrown.
»Nun, ja, ich denke schon. Sie hat sich durch Jamie Olivers Gesamtwerk durchgearbeitet. Vielleicht macht sie nicht so viel Aufhebens, wenn nur sie und Dad da sind, aber wenn mein Bruder oder ich nach Hause kommen ...«
»Oh, Sie wohnen nicht bei Ihren Eltern? Haben Sie eine Bude?«
»Bude?« Ich überlegte einen Moment, versuchte herauszufinden, was sie meinte, und dachte an einen Zeitungskiosk.
»Eine Bude«, sagte sie, »ein möbliertes Zimmer.«
»Nein. Ich habe meine eigene Wohnung.«
»Oh, dann sind Sie tatsächlich eine Karrierefrau, oder?«, sagte MrsBrown und wirkte ein wenig überrascht. Peggy warf mir einen mordlüsternen Blick zu.
»Die Wohnung ist recht klein, aber sie liegt in einer hübschen Anlage mit sicheren Parkplätzen.«
»Sie haben ein Auto?«
»Nun, ja, nur ein kleines. Nichts Protziges.«
»Ihre eigene Wohnung und ein Auto? Sehr angenehm, dessen bin ich mir sicher«, sagte Peggy und nahm eine weitere Portion Milchreis. »Ich kann nur sagen, es muss sehr schön sein, Amerikanerin zu sein. Ich hoffe, es gelingt Ihnen, sich bei uns zurechtzufinden.«
Sie mochte mich wirklich nicht ...
»Hören Sie, wirklich, ich bin keine Amerikanerin.«
»Nun, Sie reden wie eine.«
»Tatsächlich?«
Die Browns hatten alle einen recht ausgeprägten Akzent. Ich glaubte nicht, dass ich überhaupt irgendeinen erkennbaren Akzent hatte. Ich wünschte, sie würden nicht immerzu denken, ich wäre Amerikanerin.
Ich bot an, beim Abwaschen zu helfen, aber MrsBrown war unerbittlich. »Heute Abend wird mir zur Abwechslung Frank helfen. Ihr beiden Mädchen geht Fernsehen schauen.« Das klang nach einer guten Idee. Ein wenig vor der Glotze abzuhängen war genau das, was ich brauchte. Mit etwas Glück. Der Fernseher war ein riesiger Kasten mit einem winzig kleinen Bildschirm, der eine Sendung über Gesellschaftstänze zeigte. Es ähnelte Let’s Dance in keiner Weise. Irgendwo waren viele winzige graue Gestalten in grauen Kleidern und Anzügen, die in einem großen Ballsaal Walzer tanzten.
Natürlich hatten sie 1950 noch kein Farbfernsehen.
»Gibt es auf den anderen Kanälen irgendetwas?«
»Was meinen Sie?«, fragte Peggy.
Natürlich hätten sie kein Sky. Aber ITV, Channel 4?
»Dies ist Fernsehen. Es gibt nur dieses.«
»Haben Sie noch kein ITV?«
»Das mit der Werbung?«
»Ja, das mit der Werbung.«
»In London haben sie es, aber wir nicht.«
Okay.
Ich sah mich in dem Raum um, versuchte zu erkennen, wo die Kameras waren. Es hingen einige Bilder an den Wänden, die nur allzu arglos wirkten, aber der Spiegel über dem Kamin – dahinter konnte sich bestimmt ein Zweiwegegerät mit einer Kamera auf der anderen Seite verbergen. Ich sah direkt hin und lächelte – einnehmend, wie ich hoffte. MrsBrown kam herein, holte einen großen Beutel hinter dem Sessel hervor und entnahm ihm Strickzeug. Dies würde eindeutig ein fesselnder Abend werden.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne auspacken gehen«, sagte ich.
»Natürlich, meine Liebe. Wo habe ich nur meine Gedanken?«, sagte MrsBrown. »Peggy, bring Rosie in ihr Zimmer hinauf, ja, Liebes?«
Peggy wollte offensichtlich nicht von den grauen Wonnen des Fernsehers fortgezerrt werden, führte mich nach einem tiefen Seufzer dann aber doch die schmale, dunkle Treppe hinauf, einen schmalen dunklen Treppenabsatz entlang und einige weitere Stufen hinauf zu einem kleinen, eiskalten Zimmer. Vor dem Kamin im Wohnzimmer, der meine Zehen geröstet hatte, war es ganz angenehm, aber wenn man diesen Raum verließ, begann man zu frösteln.
»Hier ist es«, sagte sie. »Es ist eigentlich das Zimmer meines Bruders Stephen, aber er ist im Moment in Zypern.«
»Der Glückliche«, sagte ich und dachte an Bars und Strände und das tolle Nachtleben.
Sie sah mich an, als wäre ich verrückt. »Letzte Woche wurden dort zwei Soldaten getötet.«
»Er ist also Soldat?«
»Er leistet seinen Wehrdienst ab«, sagte sie und ließ mich damit stehen.
Es war ein kahler, kleiner Raum. Linoleum auf dem Boden und ein Teppich neben einem schmalen Bett mit einem hübschen grünen Quilt, ein Stuhl, ein Schrank, ein Bücherregal mit vielen Comics und Fußballjahrbüchern sowie einem Stapel Fußballprogramme. Weiterhin waren da der Pokal eines Kricketspiels und einige Modellflugzeuge, und das war es so ungefähr. Die einzige Kleidung im Schrank waren ein Schulblazer und ein paar alte Pullover. Unser Stephen war wohl kaum eine Stilikone, es sei denn, er hätte all seine Besitztümer mitgenommen.
Ich sah mich nach Kameras um. Nichts Offensichtliches. Würden sie uns in unseren Schlafzimmern Privatsphäre lassen? Bestimmt. Aber im Big Brother-Haus taten sie es nicht, oder? Ich sah mich erneut um. Wenn hier eine Kamera war, musste sie in dem Kricket-Pokal sein, entschied ich. Zu offensichtlich. Oder vielleicht die Modellflugzeuge ... Ich nahm sie, stellte sie in den Schrank und schloss die Tür. Dann nahm ich die Comics und stellte sie ebenfalls dort hinein. Das fühlte sich ein wenig sicherer an. Nun konnte ich in diesen Koffer unter dem Fenster sehen.
Ein richtiger, altmodischer Koffer, und darauf befanden sich meine Initialen RJH – Rose Janice Harford. Ich hob den Deckel an. Kleidung! Dies sollte ich also tragen. Aufgeregt durchforstete ich sie. Ich liebe Klamotten.
Ich versuchte mich zu erinnern, welche Mode sie in den Fünfzigern trugen. Ich dachte an Grace Kelly in Die oberen Zehntausend ... Audrey Hepburn in Ein süßer Fratz. Oder auch an Olivia Newton John in Grease. O ja. Ich swingte vor meinem geistigen Auge bereits mit John Travolta, seine Hand auf meiner eingeschnürten Taille, während meine Röcke raschelten und verführerisch schwangen.
Zu meiner großen Enttäuschung waren diese Kleider im Koffer überhaupt nicht verführerisch. Tatsächlich erinnerten sie mich an meine alte Geographielehrerin. Und ich meine eine alte Geographielehrerin. Da waren ein paar schwere Wollröcke, einer mit einer passenden Jacke. Einige Baumwollblusen und Jacken, handgestrickt, so wie sie aussahen. Und eine Hose, eine Caprihose aus schwerer, marineblauer Baumwolle. Außerdem war da ein Morgenmantel, der wie der meines Großvaters aussah. Oh, und die Unterwäsche! Die BHs waren aus weißer Baumwolle und wirkten, als wären sie für Nonnen bestimmt. Ich wette, dass Grace Kelly nie solche BHs getragen hat. Auch Schlüpfer – aus weißer Baumwolle. Ich glaube nicht, dass ich seit dem Alter von ungefähr drei Jahren je wieder solche Unterhosen getragen habe. Tatsächlich hatte meine Unterwäsche bereits in dem Alter mehr Stil. Die hier waren entsetzlich.
Da waren ein praktischer, sehr praktischer Regenmantel und eine hellrote Jacke wie ein Dufflecoat. Sie gefiel mir recht gut. Es gehörte auch eine Baskenmütze dazu. Ich probierte beides an und drehte mich vor dem ziemlich fleckigen Spiegel am Kleiderschrank. Dann hängte ich den Morgenmantel davor. Nur falls da Kameras wären.
Ein ebenfalls sehr praktischer Kulturbeutel enthielt eine Zahnbürste, eine runde Dose hellrosafarbener Zahnpasta, einen Waschlappen, eine Tube Creme-Shampoo für »normales« Haar und etwas Oil of Olaz. Und darunter befand sich eine Handtasche, hübsches Leder, aber braun und langweilig. Ich öffnete sie und fand ein witziges, kleines Portemonnaie mit Geld darin. Aber kein Geld, das ich kannte. Da waren ein paar Scheine, orangefarben, auf denen zehn Schilling, und grüne Scheine, auf denen ein Pfund stand. Ein-Pfund-Scheine – ich dachte, die gäbe es nur in Schottland – und viele Münzen, nicht wie Euros, sondern groß und schwer.
Ich behielt die Jacke an. Es war so kalt hier drinnen. Vom Fenster her konnte ich Wasser rauschen hören. Da musste ein Fluss sein. Ich schaute hinaus, aber die Straßenlampen waren so trübe, dass ich nur den schwachen Umriss einiger Bäume und einer Brücke sehen konnte. Der Ausblick konnte bis morgen früh warten. Wahrscheinlich würde ich am Morgen auch noch hier sein. Ich wünschte, ich wüsste genau, was vorging. Ich fühlte mich sehr unsicher und ziemlich verloren.
Ich vermisste Will. Erneut probierte ich es mit meinem Handy. Ich habe darauf ein Video, wie Will einfach die Straße entlang auf mich zukommt. Es ist wundervoll, weil man sehen kann, dass er an etwas anderes denkt, mich dann plötzlich sieht und breit lächelt. Ich sehe es mir häufig an, besonders wenn ich ihn vermisse. Und ich hatte ihn noch nie so sehr vermisst wie an diesem seltsamen Ort, wo ich nicht wusste, was vor sich ging. Aber das Handy war absolut tot. Nichts.
Es klopfte an der Tür. MrsBrown. »Rosie, ich habe Tee gekocht. Oder Sie können auch Kakao haben, wenn Sie möchten. Kommen Sie herunter und wärmen Sie sich auf.«
Kakao! Aufregend, dachte ich, als ich nach unten in die Küche ging. MrBrown saß in dem trüben Licht im Schaukelstuhl und las eine Ausgabe von The News – natürlich die alte Großformat-Version, sehr authentisch. Aber da war noch etwas anderes.
Ein kleines Mädchen saß am Tisch. Sie war von Schulheften umgeben. Den schmutzigen Tellern neben ihr nach zu urteilen, hatte sie auch die Reste des Fleischs und des Milchreis verputzt. Sie trug einen jener altmodischen Trägerröcke, die man in Internatsfilmen sieht, eine sehr schmutzige Schulbluse und einen schmuddeligen Binder. Ihr unscheinbares, fettiges Haar wirkte, als wäre es eher abgehackt als geschnitten worden. Und sie trug eine Brille, die hässlichste Brille, die ich je gesehen hatte. Grausam, so etwas einem Kind zu geben.
Aber als sie zu mir hochsah, erkannte ich, dass sie älter war, als ich zunächst gedacht hatte – wahrscheinlich ungefähr elf oder zwölf –, und dass hinter jener grässlichen Brille ein abmessender, herausfordernder Ausdruck lag, der ein wenig beunruhigend war.
»Sind Sie die Amerikanerin?«, fragte sie.
»Ich bin keine Amerikanerin«, sagte ich, dieser Annahme bereits müde.
»Das ist Janice«, sagte MrBrown. »Sie ist sehr klug, kommt im Gymnasium gut zurecht und kommt hierher, um ihre Hausaufgaben zu machen.«
Ich muss bei diesen Worten ein wenig verwirrt gewirkt haben, weil Janice schlicht sagte: »Ich habe sieben Brüder. Zwei davon schreien die ganze Zeit.«
»Ihre Mum putzt die Post, wo Doreen arbeitet«, erklärte MrBrown, »so dass Janice hierher kommt, wenn sie Hausaufgaben zu machen hat. Ich konnte ihr bisher immer helfen, aber ich glaube, sie ist inzwischen klüger als ich, oder, Kind?«
Bei diesen Worten betrat Peggy die Küche und lächelte dem kleinen Mädchen, zu meiner Überraschung, breit zu. Peggy war wirklich hübsch, wenn sie lächelte.
»Hallo, Kleine!«, sagte sie. »Wie steht’s mit Französisch? Macht MrsStace euch immer noch das Leben zur Hölle?«
»Natürlich. Wir schreiben morgen eine Arbeit.« Janice wirkte besorgt. »Kannst du mich abfragen, Peggy, bitte? Über das Perfekt.«
»Ich habe gegeben.«
»J’ai donné.«
»Er hat beendet.«
»Il a fini.«
»Sie sind gegangen.«
»Aha, da braucht man être! Ils sont allés.«
»Gut gemacht«, sagte Peggy.
»Sprechen Sie Französisch, Rosie?«, fragte Janice.
»Ein wenig«, sagte ich. »Ich habe es für den Realschulabschluss gelernt, aber nicht so.«
»Janice ist darin umwerfend«, sagte Peggy freundlich, fast stolz. »Sie wird eines Tages nach Frankreich gehen, und sie wird wissen müssen, wie sie dort ihre Schnecken, ihre Froschschenkel und ihren Wein bestellen muss.«
»Es wäre wundervoll, nach Frankreich zu gehen«, sagte Janice sehnsüchtig, »wundervoll, Menschen anders reden zu hören.«
»Ich sag dir was«, erklärte Peggy – sie schien wirklich recht nett, wenn sie nicht mit mir sprach – »du brauchst kein Französisch mehr zu lernen, für heute weißt du genug. Soll ich dir die Haare waschen? Du kannst etwas von meinem neuen Shampoo benutzen.«
»O ja, bitte, Peggy!«, sagte Janice und packte die Bücher in ihren Schulranzen.
Bald saß sie auf einem Stuhl und beugte sich über den großen, weißen Spülstein, während Peggy ihr das Haar wusch und mit einer großen Emaillekanne ausspülte. Dann schlang sie ein grobes Küchenhandtuch darum und kämmte es schließlich recht sanft und vorsichtig für Janice aus, führte den Kamm durch die Zotteln.
»Wenn du möchtest, schneide ich dir ein bisschen den Pony«, sagte Peggy und ging, um die Nähschere ihrer Mutter zu holen. Sie schnitt den Pony, betrachtete ihr Werk, drehte Janices Kopf hierhin und dorthin und schnitt noch weiter. »So, warten wir einmal ab, wie es aussieht, wenn sie trocken sind.«
Die Haare waren in der Wärme des Herdes bereits leicht angetrocknet. Es sah so viel schöner, glänzender aus. Es war sogar ein Hauch Rot in den unscheinbaren Strähnen erkennbar.
»Nun gut, Janice, Peggy, es ist Zeit zusammenzupacken.« MrsBrown war in die Küche getreten und holte ein Tuch aus der Schublade der Anrichte. »Dies ist eine Küche, kein Frisiersalon. Ich brauche den Tisch für das Frühstück, und es ist Zeit, dass du nach Hause und ins Bett gehst. Hier«, sie nahm ein Kopftuch aus einer Schublade und reichte es dem Mädchen, »binde dir das um. Du willst doch nicht mit nassen Haaren durch die Straßen wandern. Da holst du dir den Tod.«
»In Ordnung, MrsBrown«, sagte Janice und warf einen letzten Blick in den Spiegel, bevor sie ihren Schulranzen aufhob. Sie strahlte Peggy an. »Es ist wunderschön, Peggy, wirklich wunderschön. Ich danke dir. Bis morgen.« Sie schlüpfte aus der Hintertür, klein und schmuddelig und immer noch übelriechend.