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Eine inspirierende Fundgrube für Menschen, die in der Mitte ihres Alltagslebens einen Weg der Zen-Praxis verfolgen.
Diesen Texten liegt eine psychologisch orientierte Sichtweise von Zen zugrunde, wie sie ursprünglich von Joko Beck entwickelt wurde.
Es sind überwiegend Mitschriften und Übersetzungen von spontan gehaltenen Vorträgen, die bisher nicht veröffentlicht waren.
"Es geschieht schon. Es findet schon statt. Von
uns ist nur gefordert, bereit, wohlwollend und ganz präsent zu sein, während sich unser Leben zeigt. So wie unser Gesicht ganz von selbst im Spiegel auftaucht."
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Chris Buenck, Amden, Schweiz
Über dieses Buch
Zen Übungspraxis für Laien
Aufrichtig mit dem was ist
Im Leben Platz nehmen
Als ob es das schon wäre
Der Traum
Grundsätzliche Einsichten
Die 3 Phasen der Praxis
Warum meditieren wir überhaupt?
Authentizität
Psychotherapie und Buddhismus
Anfänger-Anweisungen für Zen? Besser nicht!
Aufhören zu strampeln
Ganz normal
Halloween - ein Blick hinter die Maske
Erleuchtung in der Zukunft?
Lohn der Übung
Heilige Tage
Scheitern unserer Vorstellungskraft
Die Natur des Kensho
Jukai
Gnade
Einverstanden
Lebendigkeit und Heiterkeit
Sesshin und danach
Beziehungen
Anerkennung Lehrer-Schüler
In Memoriam Joko Beck
Alles zu seiner Zeit
Freiheit und die Frankfurter Schule
Schritt für Schritt
Erleuchtung nur als Fliegenfänger
Zen und Depression
Schüler-Lehrer: Rinzai und Soto
Die Brücke - nichts ist verloren
Wo ist die Lösung ...?
Zen Mythen
Idealisierung
Als ob es wichtig wäre
Heilung braucht es nicht unbedingt
Beziehungen
Tief drinnen - kein wahres Selbst
Wie ein befreites Leben auch aussehen kann
Nähe auf Distanz
Jede verlorene Welt offenbart Unvermutetes
Transzendenz oder Dissoziation
Wahrheit über das Selbst
Freiheit und Regeln
Mehr ...
Danksagung
Joshu fragt seinen Lehrer: „Was ist der Weg?"
Nansen antwortet: „Der ganz normale Geist ist der Weg."
"Was bedeutet das für unsere Praxis, wenn der der ganz normale Geist, der alltägliche Geist unser Weg ist?"
Nansen: „Wenn du dich ihm mit Absicht zuwendest, betrügst du deine Praxis".
Wie ist das zu verstehen? - Genau darum geht es in diesem Buch – Antworten und Hinweise in vielen Facetten.
Dieses Buch bietet Übersetzungen einer Reihe von Dharma-Vorträgen, Newsletter-Texten und auch einige Mitschriften von persönlichen Dialogen an. Das Besondere an diesem Buch ist, dass nahezu alle Texte bisher noch nicht veröffentlicht wurden - nicht in der Originalversion und auch nicht in der übersetzten Fassung.
Es könnte also eine inspirierende Fundgrube sein … für Menschen, die sich vertieft mit dem Ordinary Mind Zen, wie es ursprünglich von Joko Beck eingeführt und dann von Barry Magid, als ihrem Dharma-Erben weiterentwickelt wurde, beschäftigen möchten. Diesem Ansatz liegt eine psychologisch orientierte Sichtweise von Zen zugrunde und richtet sich an Menschen, die in der Mitte ihres Alltagslebens einen Weg der Zen-Praxis verfolgen.
Die Texte sind nicht chronologisch geordnet. Oftmals liess sich das Entstehungsdatum auch nicht zurückverfolgen. Manche Hauptaussagen lassen sich hier und da in Varianten wiederfinden ( z.B. die Meditationsanweisung „in den Spiegel schauen" ) - interessant vielleicht, da sie in verschiedenen Kontexten erscheinen und jeweils eine andere Färbung enthalten. Es ist sinnvoll, diese Zusammenstellung als eine Art Lesebuch zu verstehen und immer wieder mal einen Impuls wirken zu lassen.
Die Entstehung dieses Buchs hat seine Zeit gebraucht. Es ist mit Freude und Hingabe eines engagierten Laien entstanden. Dankbar für ein neues und tiefes Verständnis von Zen im Alltag: nichts Besonderes, verbunden, ehrlich und berührbar, bodenständig und menschlich. Der ganz normale Geist in vielen Formen nicht perfekt.
Chris Bünck
Wir realisieren, was Leben schon immer war.
Wir müssen nichts mehr beweisen oder verteidigen;
Einfachheit und Klarheit sind die Quellen,
aus denen Weisheit und Mitgefühl fliessen.
Sie sind die Verkörperungen unseres Erkennens,
dass wir so sind wie die anderen:
nicht weiser, nicht zäher oder in irgendeiner Weise überlegen.
Dies sind die Eigenschaften von jemandem,
der nicht mehr vor dem ganz gewöhnlichen Leben flieht.
Ist diese überhaupt möglich und legitim, wenn sie nicht in traditioneller monastischer Form geübt wird? Verliert sie dann nicht den Bezug zur Essenz der Zen-Tradition?
Was genau macht das Leben eines Mönchs, der in einem Zen-Kloster lebt, zu einem Leben, das transformiert wird? Liegt es daran, dass er fähig ist, endlos viele Stunden im Zazen zu sitzen? Tagein tagaus.
Wenn wir als Laien praktizieren, dann versuchen wir einige Aspekte der traditionellen Formen zu übernehmen … und noch vielmehr, wenn wir uns bestimmte Auszeiten nehmen und an einem Retreat oder Sesshin teilnehmen. Vielleicht auch, wenn wir besonders früh aufstehen und in aller Frische die erste Zeit des Tages im Zazen verbringen. Nur … Mönch zu sein bedeutet nicht einfach, wie wir sitzen. Sondern auch, wie wir leben.
Wenn Joko Beck von jemandem in der Sangha gebeten wurde, ihn zu ordinieren, zu weihen - war ihre Antwort knapp: „Du willst ein Mönch werden … dann handle einfach so wie einer!“ Mönch zu sein bedeutet im Wesentlichen, wie du mit dir selbst umgehst, welche Werte du hast und wie du mit anderen umgehst.
Fragt man Menschen, die viel Zeit in Klöstern verbracht haben, was so wertvoll an dieser Zeit war, antworten sie oftmals: Das Wertvollste war, mit den anderen klar kommen zu müssen. Eine gute Metapher dafür ist ein Sack Kartoffeln. Wenn man die Kartoffeln im Sack häufig durchschüttelt und bewegt, immer und immer wieder über eine längere Zeit, dann reiben sie sich aneinander genau richtig, reinigen sich wechselseitig, indem sie aufeinanderprallen, die Ecken und Kanten abnutzen und wegkratzen … und die Kartoffeln werden sauber und glatt. Die Herausforderung in der Zen-Übung als Laien besteht nun darin, unsere persönlichen Beziehungen, unsere Familien genauso zu verstehen …, auch wenn eine der häufigsten Beschwerden ist: „… Meine Familie reibt mich auf!“
Nun, in Jokos Verständnis einer psychologisch orientierten Zen- Praxis, ging es auch darum, all die täglichen Interaktionen mit anderen so zu nutzen, dass sie uns genau an den richtigen Stellen reiben. Wenn wir all die täglichen Interaktionen mit jedem um uns herum nutzen, ist genau das ein Weg, uns klarzumachen, wo unsere Ecken und Kanten liegen. All unsere Versuche, Kontrolle zu behalten oder bestimmte Dinge zu vermeiden, werden offen sichtbar. Und wir beginnen mitzubekommen, wann wir andere wie belastende Hindernisse oder Störenfriede behandeln. Wir werden auch mitbekommen, wie wir eigentlich nicht haben wollen, was wir bekommen.
Während eines Sesshins, einer formell gestalteten Auszeit, können wir diesen Luxus nicht geniessen. Menschen interagieren nicht mit uns, oder wenn, dann tun sie es nicht in der Art, wie wir uns das eigentlich vorstellen und wünschen würden. Sie sind unruhig beim Sitzen, niesen, räumen ihr Kissen nicht aus dem Weg, halten sich nicht genau an die Formen, laufen einem zu langsam, zu schnell oder über den Weg, stellen ihr Glas zu laut auf den Tisch, schmatzen beim Essen, nehmen sich zu viel, kümmern sich nur um sich …
Dann sind wir gefragt zu antworten, aus dem Augenblick heraus, auf die Person, so wie sie ist … und müssen Wege finden, mit unserer Irritation und Frustration umzugehen. Diese Haltung verwandelt alle täglichen Interaktionen in die Übung. Vermutlich ist dies der ausschlaggebende Punkt bei der Frage, ob die Laien-Übung als Zen-Praxis auf eigenen Füssen stehen kann - ohne all die formalen Disziplinen und Routinen eines klösterlich gelebten Zen.
Ein Mönch ist nicht einfach jemand, der bestimmte Gelübde ablegt und viele Stunden im Zazen sitzt … ein Mönch ist jemand, der gelobt, sein Leben neu auszurichten: nämlich ja zu sagen, gerieben zu werden, Reibung mit anderen zu haben und dass dies richtig so ist. Und das ist ein grosser Unterschied zu denen, die immer denken, dass da etwas falsch ist und es nicht sein dürfte. „Reibung, nun ja, ok, aber doch nicht so.“
Jokos Ansatz war: Unser Leben ist unser Übungsfeld.
Dafür brauchen wir unseren Alltag nicht so häufig wie möglich zu unterbrechen, um etwas von der traditionellen Übungspraxis zu erleben … („weil die evtl. mehr bringt und besser ist“).
Das wirkliche Thema ist ein anderes: Wollen und können wir unser tägliches Leben in unsere Praxis verwandeln?
Unsere Übung kann uns dahin bringen, alles als perfekt anzusehen, so wie es ist.
Doch das ist keine Entschuldigung dafür, das gebrauchte Geschirr die ganze Nacht in der Spüle liegenzulassen. Wahre Akzeptanz ruft die passende Handlung hervor.
Wenn die passende Handlung sonderlich hart ist und bei uns alle möglichen Ängste auslöst, kann es sein, dass wir plötzlich bestimmte Schriften zitieren, die uns als Rationalisierungen für unsere Passivität dienen und diese als Akzeptanz maskieren. Wir versuchen unser Bestes, uns selbst zu überzeugen, dass wir nicht verletzt, nicht wütend, nicht gelangweilt und unerfüllt sind, und dass Nichtstun ganz genau unsere Art ist, mit Schwierigkeiten zu üben.
Das wird nicht helfen, jedenfalls nicht auf Dauer. Spätestens wenn wir resigniert und depressiv sind, zeigt sich all das feine Geschwätz über „Nichts-machen“ als das, was es ist.
Wenn es wirklich kaputt ist, dann gestehe es ein. Und dann repariere es. Weder Psychoanalyse noch Zen kann dir sagen wie; ihr Job ist es, dich aufrichtig zu halten mit dem, was gerade geschieht.
Wenn wir ganz im Leben Platz nehmen wollen, müssen wir zunächst mal bei uns selbst ankommen, uns nah sein, in uns selbst Platz nehmen. Das erweist sich als der schwierige Teil.
Der alte japanische Meister Dogen meinte: „Zen zu studieren bedeutet, sich selbst zu studieren. Sich selbst zu studieren bedeutet, sich selbst zu vergessen.“ Diese Aussage ist recht bekannt und viele legen schon mal los damit, das Selbst ziemlich bald zu vergessen.
Sie sind froh darüber, das Selbst vergessen zu können und sind nicht besonders interessiert daran, das Selbst zu „studieren“. All die Teile oder persönlichen Aspekte von sich, mit denen sie sich nicht wohlfühlen und die Leiden und Unzufriedenheit auslösen, würden auftauchen auf und sichtbar werden.
Wir alle kommen zur Übungspraxis, um unser Leiden (Dukkha = Leiden, Unzufriedenheit, Schwermut) zu lindern. Buddha sprach von dem Grund für unser Leiden und dass es einen Weg da rausgibt. Somit ist es ganz normal, dass wir mit der Absicht zur Übungspraxis kommen, unser Leid zu lindern. Doch wie verstehen wir die Ursachen für Leid und was bedeutet es, damit zu arbeiten? Hier verstricken wir uns sofort.
Die Übersetzungen, was die Ursachen sind, gehen hier etwas auseinander. Manchmal heisst es Gier, andere Male Festhalten/Anhaftung, weitere Male Verblendung. Auch wenn es spannend wäre, genauer herauszufinden, was Buddha wirklich mit dem Wort Dukkha meinte, bin ich doch als Lehrer mehr daran interessiert, welche Vorstellung jeder Einzelne hat und worin sie wohl die Gründe für das eigene Leiden sehen. Jeder Einzelne hat seine ganz persönliche und eigenständige Auffassung davon, was die Gründe des Leidens sind und warum sie zur Übungspraxis kommen.
Mit anderen Worten: Wir alle kommen zur Praxis mit Bildern im Hinterkopf, was an uns das Problem ist, was wir loswerden und verändern wollen, welche Schwierigkeit wir reparieren wollen.
(erschienen bei Tricycle, Sept. 2013)
Zu Beginn unseres Sesshins bat ich euch, auf eure Arbeit zu fokussieren, als ob sie ewig andauern würde. Und hier kommt meine Empfehlung, die Lektion der Arbeitsmeditation anzuwenden: Warte auf die U-Bahn, als ob warten dein ganzes Leben wäre, deine ganze Praxis. Warte so, als ob dein Umgang mit den anderen auf dem Bahnsteig der einzige Ausdruck deines Charakters wäre.
Wenn wir diesen kleinen Trick zunächst auf uns anwenden, denken wir wahrscheinlich, das wäre so ein Spielzeug, ein Kniff, der uns hilft, im Moment zu verbleiben, indem wir uns vormachen, das wäre der einzige Moment, den es gäbe. Aber - genaugenommen - in welcher Situation machen wir uns eigentlich mehr vor: dann wenn wir denken, dass dies alles ist? Oder wenn wir finden, dass dieser Moment eigentlich nicht wirklich wichtig ist und unser Leben woanders stattfindet? Was passiert, wenn unsere nutzenorientierte Denkhaltung auf eine Übungs-Praxis trifft, die alles genauso lässt, wie es ist?
Unsere Übung befindet sich genau am Schnittpunkt zweier Prinzipien.
Das erste Prinzip: Jeder kommt aus falschen Gründen zur Übungs-Praxis. Das zweite Prinzip: Auch mit falscher Motivation, können wir nichts falsch machen (scheint dem ersten fast zu widersprechen).Sehr wahrscheinlich ist euch das erste Prinzip, dass wir alle aus falschen Gründen dabei sind, gut bekannt, doch es ist so grundlegend, dass es immer wieder von Neuem zurückkehrt. Denn angesichts von Leid und Schmerz scheint unsere instinktive Antwort darauf zu sein, mit Selbstvorwürfen und Selbstoptimierung zu reagieren. Wir glauben, dass wir etwas falsch gemacht haben, da wir ja leiden, und entwerfen als Antwort ein Projekt bzw. eine Heilfantasie. Wir glauben, dass wir unsere schlechten und beschädigten Teile eliminieren können, die ja der eigentliche Grund unseres Leidens sind. Und somit kommen wir zur Zazen-Übungspraxis unausweichlich mit der tiefgehenden Überzeugung, dass etwas falsch an uns ist.
Vielleicht ist es in unseren Augen unsere Selbstzentriertheit, unsere Verletzlichkeit, unsere Abhängigkeit - es existieren viele verschiedene Namen für das, was wir als Grund und Quelle unserer Probleme ansehen. Und wir glauben, dass unsere Übungs-Praxis das richtige Mittel ist, diese Schwachstellen loszuwerden. Wir übersehen dabei, dass unsere vermeintliche Lösung - die Ausmerzung der Schwachstelle und unsere Selbstoptimierung - dem Leidensrad sogar einen Extraschub verleihen.
Und hier ist die gute Nachricht: Was auch immer wir zur Übungs-Praxis mitbringen, wie auch immer wir zur Übungs-Praxis auftauchen - unsere Übung bleibt sehr einfach: So als ob wir vor einem Spiegel Platz nehmen - unser Gesicht erscheint immer, ganz von selbst. Und man kann das gar nicht richtig oder falsch machen. Alles, was es zu tun gibt, ist, hinzuschauen, wenn unser Gesicht im Spiegel erscheint, einen Moment nach dem anderen.
Was wir zur Praxis bringen, warum wir es überhaupt zur Praxis bringen ... all das erscheint im Spiegel. Und der erledigt die ganze Arbeit. Wir können es gar nicht gut oder schlecht machen. Dieses ist das eigentliche Wunder der Übung: Jeden Moment von Neuem zeigt sie uns auf, dass es möglich ist, aus der Tretmühle auszusteigen und uns dem Zugriff der inneren Kommentare zu entziehen: „Wie bin ich unterwegs? Bin ich schon angekommen? Mache ich es richtig?“