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Der Theaterstück-Krimiklassiker von Agatha Christie Alles spricht gegen den Handelsvertreter Leonard Vole. Ihm wird vorgeworfen, die Witwe Emily French ermordet zu haben. Sein Motiv scheint eindeutig: Die ältere Dame hatte ihm ihr ganzes Vermögen vermacht. Strafverteidiger Sir Wilfried Robarts nimmt sich des Falles an und schlägt sich nicht schlecht. Ihm gelingt es durch geschicktes Verhör, die Aussagen der beiden ersten Zeugen in Zweifel zu ziehen. Doch die dritte und letzte Zeugin überrascht alle Anwesenden: Es ist Romaine Heilger – die Ehefrau des Angeklagten. Sie widerlegt sein angebliches Alibi. Außerdem stellt sich heraus, dass sie gar nicht mit Leonard verheiratet ist, da ihre frühere Ehe in Deutschland noch gar nicht geschieden war, als sie ihn heiratete. Immer enger wird die Schlinge um Leonards Hals. Am Abend vor der Urteilsverkündung meldet sich eine merkwürdige, im Gesicht entstellte Frau bei Sir Wilfrid, die ihm ein Bündel Briefe von Christine an einen gewissen Max verkauft. Darin schildert Romaine, wie sie eine Falschaussage plant, um ihren Mann loszuwerden und frei für Max zu sein. Durch dieses in letzter Minute vorgelegte neue Beweismaterial erreicht Sir Wilfrid einen Freispruch. Doch läuft das nicht alles zu glatt? Nach der Verhandlung wirft Sir Wilfried Romaine vor, Leonard absichtlich belastet zu haben. Sie gibt zu, dass die Briefe und auch die Frau mit der Narbe nur erlogen waren. Da sie noch immer in Leonard verliebt ist, hat sie alles nur vorgespielt, um ihn zu entlasten. In Wahrheit hat Leonard Emily French doch getötet. Eine junge Blondine betritt den Gerichtssaal, um Leonard abzuholen. Sie stellt sich als neue Freundin von Leonard vor. Blind vor Wut ersticht Romaine ihren Mann und wird sofort verhaftet. Agatha Christie ist mit Zeugin der Anklage ein Stück voller überraschender Wendungen und spannender Enthüllungen gelungen. Nach dem großen Erfolg der Kurzgeschichte mit dem gleichen Titel überredete Regisseur Peter Saunders Agatha Christie, den Text für das Theater zu adaptieren. An die Londoner Uraufführung schloss sich am 16. Dezember 1954 die New Yorker Broadway-Premiere im Henry Miller's Theatre an, die von Gilbert Miller und Peter Saunders produziert wurde. Die Regie übernahm Robert Lewis. 1957 wurde die Geschichte mit Marlene Dietrich und Charles Laughton verfilmt, und zwar von Agatha Christies großem Fan Billy Wilder.
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Seitenzahl: 120
Agatha Christie
Zeugin der Anklage
(Witness for the Prosecution)
Ein packendes Gerichtsdrama mit Mord und Leidenschaft in drei Akten
Deutsch von Michael Raab
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Personenverzeichnis
Hinweis zur Besetzung
Bühne
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Agatha Christie
Über das Stück
Impressum / Rechtliche Hinweise
GRETA
CARTER
MR. MAYHEW
LEONARD VOLE
SIR WILFRID ROBARTS, Kronanwalt
INSPEKTOR HEARNE
ZIVILPOLIZIST
ROMAINE
JUSTIZANGESTELLTER
RICHTER WAINWRIGHT
BEIGEORDNETER
MR. MYERS, Kronanwalt
GERICHTSDIENER
GERICHTSSCHREIBER
WÄRTER
ASSISTENT DES RICHTERS
ERSTER ANWALT
ZWEITER ANWALT
DRITTER ANWALT
VIERTER ANWALT
FÜNFTER ANWALT
SECHSTER ANWALT
ERSTER GESCHWORENE/R
ZWEITER GESCHWORENE/R
DRITTER GESCHWORENE/R
POLIZIST
DR. WYATT
JANET MACKENZIE
THOMAS CLEGG
DIE ANDERE FRAU
Die Autorin war sich bewusst, dass die umfangreiche Besetzung ein Problem für jedes Theater sein kann. Sie war bereit, verschiedene Lösungen zu erwägen und unterbreitete selbst folgenden Vorschlag:
Da es zahlreiche stumme Rollen gibt, ist es gut möglich, diese mit Laien oder Statisten zu besetzen, oder es können Mitglieder des Publikums auf die Bühne gebeten werden. Das halte ich für sehr hilfreich und würde nur ungern die Wirkung vieler Beteiligter in der Gerichtsszene verlieren.
Obwohl Greta nie zur selben Zeit wie „Die andere Frau“ auftritt, also die Erdbeerblondine in der Schlussszene, sollten sie nicht doppelt besetzt werden, da das Publikum sonst irrtümlich denken könnte, es handele sich um einen Plotdreh.
CARTER – kann auch den RICHTER spielen
INSPEKTOR HEARNE – kann auch den POLIZISTEN am Schluss spielen
ZIVILPOLIZIST – kann auch den WÄRTER spielen
JUSTIZANGESTELLTER – kann mit dem GERICHTSDIENER kombiniert werden
BEIGEORDNETER – kann gestrichen werden
GERICHTSSCHREIBER – kann gestrichen werden
ASSISTENT DES RICHTERS – kann gestrichen werden
SECHS ANWÄLTE – vier können gestrichen werden
DREI GESCHWORENE – können gestrichen werden und die Vereidigung und Urteilsverkündung als Voiceover erfolgen
MR. MYERS, KRONANWALT – kann auch den ZIVILPOLIZISTEN spielen
Agatha Christie, 1957
Diese Besetzung wird von Agatha Christie Ltd. vorab genehmigt. Andere Kombinationen können abgesprochen werden.
Agatha Christie Ltd. 2015
Erster Akt: die Kanzlei von Sir Wilfrid Robarts, Kronanwalt. Nachmittag.
Zweiter Akt: der Zentrale Strafgerichtshof, besser bekannt als Old Bailey. Sechs Wochen später. Vormittag.
Dritter Akt, erste Szene: die Kanzlei von Sir Wilfrid Robarts, Kronanwalt. Am selben Abend.
Dritter Akt, zweite Szene: Old Bailey. Am nächsten Vormittag.
Die Kanzlei des Kronanwalts SIR WILFRID ROBARTS. Ein schmaler Raum mit Tür und Fenster. Links und rechts von einem Kamin Bücherregale mit juristischen Folianten. Ein Tisch und Stühle. In der Ecke einige Kleiderhaken an der Wand. Abends erhellen Wandleuchten und eine verstellbare Schreibtischlampe das Zimmer. Auf dem Tisch auch ein Telefon und zahlreiche juristische Dokumente. Es ist Nachmittag, und Sonnenschein strömt durch das Fenster. Das Büro ist leer. GRETA, Sir Wilfrids Sekretärin, kommt herein. Sie ist eine näselnde junge Frau, die viel von sich hält. Sie geht zum Kamin, macht eine Art Tanzschritt und holt ein Dokument aus einer Ablageschachtel auf dem Kaminsims. CARTER, der Bürovorsteher, tritt auf. Er hat einige Briefe dabei. GRETA dreht sich um, sieht ihn und geht schnell ab. CARTER geht zum Schreibtisch und legt die Briefe darauf. Das Telefon klingelt. CARTER hebt den Hörer ab.
CARTERDie Kanzlei von Sir Wilfrid Robarts … Oh, du bist es, Charles … Nein, Sir Wilfrid ist vor Gericht … Dauert sicher noch … Ja, der Shuttleworth-Fall … Was – mit Myers für die Anklage und Banter als Vorsitzendem? … Dauert schon fast zwei Stunden … Nein, auf keinen Fall heute Abend. Wir sind völlig dicht. Für morgen kann ich dir einen Termin geben … Nein, geht nicht. Ich erwarte jeden Augenblick Mayhew, von Mayhew und Brinskill. Okay, auf Wiederhören.
Er legt auf und sortiert die Dokumente auf dem Tisch. GRETA kommt herein.
GRETASoll ich Tee kochen, Mr. Carter?
CARTER schaut auf seine Uhr.
CARTERIst noch zu früh, Greta.
GRETANicht auf meiner Uhr.
CARTERIhre Uhr geht falsch.
GRETAIch stelle sie exakt nach dem Radio.
CARTERDann stimmt das Radio nicht.
GRETA(schockiert) Ich bitte Sie, Mr. Carter. Im Radio sagen sie nichts Falsches.
CARTERDiese Uhr gehörte meinem Vater. Geht nie vor oder nach. Solche Uhren werden heute gar nicht mehr hergestellt.(CARTER nimmt eines der mit Schreibmaschine getippten Blätter vom Schreibtisch.)Wirklich, wie Sie tippen. Dauernd Fehler. Hier fehlt ein Wort.
GRETAAch, was – ein einziges Wort. Kann jedem passieren.
CARTERSie haben das Wort „nicht“ ausgelassen. Das verändert komplett den Sinn.
GRETAAch, ja? Eigentlich komisch, wenn man darüber nachdenkt.
CARTERDaran ist überhaupt nichts komisch.(Er zerreißt den Brief und gibt ihr die Einzelteile.)Tippen Sie’s noch einmal. Ich habe Sie doch letzte Woche auf den berühmten Fall Bryant gegen Horsfall hingewiesen. Ging um ein Testament mit einem Treuhandfonds, und nur wegen einer Schlampigkeit beim Abschreiben …
GRETA(unterbricht) Bekam die falsche Frau das Geld, ich erinnere mich.
CARTEREine Frau, von der sich der Erblasser fünfzehn Jahre vorher hatte scheiden lassen. Das Gericht räumte den Fehler ein, aber der Wortlaut musste gelten. War nichts daran zu ändern.
GRETADas finde ich auch sehr komisch.
CARTERIn einer Anwaltskanzlei hat Komik nichts verloren. Das Recht, Greta, ist eine ernsthafte Angelegenheit und muss entsprechend behandelt werden.
GRETASollte man nicht meinen, wenn man die Witze von einigen Richtern hört.
CARTERDiese Art Humor steht dem Gericht zu.
GRETAUnd in der Zeitung lese ich immer: „Gelächter im Gerichtssaal“.
CARTERWenn das keine Reaktion auf eine Bemerkung des Richters ist, droht er umgehend, den Saal räumen zu lassen.
GRETAFieser alter Knacker. Wissen Sie, was ich vor kurzem gelesen habe, Mr. Carter? „Das Gesetz ist ein Esel.“ Ich bin nicht unverschämt. Ist ein Zitat.
CARTER(kühl) Ein pseudowitziges Zitat. Ha ha. Sie können den Tee machen –(CARTER schaut auf seine Uhr. Er hält inne und wartet auf die exakte Sekunde.)– jetzt. Greta.
GRETA(erfreut) Oh, danke, Mr. Carter.
CARTERMr. Mayhew, von Mayhew und Brinskill, wird gleich da sein. Ein Mr. Leonard Vole wird auch erwartet. Sie kommen zusammen oder getrennt.
GRETA(aufgeregt) Leonard Vole? Der stand doch in der Zeitung …
CARTER(würgt sie ab) Der Tee, Greta.
GRETASollte von der Polizei befragt werden, da er über sachdienliche Hinweise verfügen könnte.
CARTERTee!
GRETAEs war erst letzten … (CARTER schaut GRETA aggressiv an.)Der Tee, Mr. Carter.
GRETA geht ab. CARTER arrangiert weiter die Papiere und murmelt vor sich hin.
CARTERDiese Mädchen. Sensationsgierig – und schlampig! Das Juristenviertel geht völlig den Bach runter.
Er prüft ein getipptes Dokument, schnaubt verärgert, nimmt einen Stift und macht eine Korrektur. GRETA kommt herein und kündigt an:
GRETAMr. Mayhew.
MR. MAYHEW und LEONARD VOLE treten auf. MAYHEW ist ein typischer Anwalt mittleren Alters. Er ist schlau und von seiner Art her trocken und präzise. LEONARD ist ein sympathisch wirkender, freundlicher junger Mann von ungefähr 27 Jahren. Er sieht leicht besorgt aus. MAYHEW hat eine Aktenmappe dabei.
MAYHEWNehmen Sie Platz, Mr. Vole. Guten Tag, Carter.
GRETA geht ab und starrt LEONARD über ihre Schulter an.
CARTERGuten Tag, Mr. Mayhew. Sir Wilfrid sollte bald da sein, Sir. Obwohl man bei Richter Banter nie wissen kann. Ich gehe rüber in den Ankleideraum und sage ihm, dass Sie hier sind – mit …
MAYHEWMit Mr. Leonard Vole. Danke, Carter. Unser Termin war leider etwas dringend. Das ging – äh – in diesem Fall – nicht anders.(CARTER geht in Richtung Tür.)Was macht der Hexenschuss?
CARTERSpür ich nur bei Ostwind. Danke der Nachfrage, Mr. Mayhew.
CARTER geht ab. LEONARD läuft unruhig hin und her.
MAYHEWSetzen Sie sich, Mr. Vole.
LEONARDNein, danke – ich bewege mich lieber. Diese – diese ganze Angelegenheit macht mich etwas unruhig.
MAYHEWJa, ja, nur zu verständlich …
GRETA kommt herein. Sie spricht mit MAYHEW, starrt aber sehr neugierig LEONARD an.
GRETAMöchten Sie einen Tee, Mr. Mayhew? Ist frisch gebrüht.
LEONARDNein danke, aber wenn Sie –
MAYHEW unterbricht entschieden.
MAYHEWNein danke.
LEONARD lächelt GRETA an.
LEONARDSorry.(GRETA lächelt und geht schnell ab.)Ich kann einfach nicht glauben, dass mir das passiert. Ich denk immer: Ist vielleicht alles ein Traum, und ich wach gleich auf.
MAYHEWDas ist nur zu verständlich.
LEONARDEs wirkt – einfach so blöd.
MAYHEW(scharf) Blöd, Mr. Vole?
LEONARDJa, schon. Ich war immer ein umgänglicher Mensch – kam mit den Leuten aus und so. Ich meine, ich bin nicht der Typ, der – irgendwie gewalttätig wird. (Er hält inne.) Es wird aber – okay sein, oder? Man wird hierzulande doch nicht verurteilt für Dinge, die man nicht getan hat?
MAYHEWMeiner Ansicht nach ist das englische Justizsystem das beste der Welt.
LEONARD ist das kein großer Trost.
LEONARDEs gab doch diesen Fall – wie hieß er noch – Adolf Beck. Hab ich vor kurzem gelesen. Der saß jahrelang im Gefängnis, und dann kam raus, die Tat beging jemand namens Smith. Beck wurde begnadigt. Das fand ich immer seltsam: Warum wird man „begnadigt“, wenn man’s gar nicht war?
MAYHEWDas ist der juristische Fachausdruck.
LEONARDMir erscheint das nicht richtig.
MAYHEWDie Hauptsache war, dass Beck freikam.
LEONARDJa, das war okay für ihn. Doch hätte es sich um Mord gehandelt – wärʼs zu spät gewesen. Er wäre gehenkt worden.
MAYHEW(trocken, aber freundlich) Also Mr. Vole, es besteht wirklich kein Grund, so – äh – morbid zu werden.
LEONARDSorry, Sir. Mir geht das alles ziemlich an die Nerven.
MAYHEWBewahren Sie die Ruhe. Sir Wilfrid Robarts ist gleich da, und Sie sollten ihm Ihre Geschichte haargenau so erzählen wie mir.
LEONARDJa, Sir.
MAYHEWIn der Zwischenzeit können wir vielleicht noch einige Details klären zu Ihrem – äh – Hintergrund. Derzeit sind Sie ohne feste Anstellung?
LEONARD(peinlich berührt) Ja, aber ich hab ein paar Pfund zurückgelegt. Ist nicht viel, doch wenn Sie es vielleicht ermöglichen …
MAYHEWOh, ich dachte nicht an Ihre – äh – Prozesskosten. Ich versuche mir nur – äh – ein Bild zu machen. Ihre Umgebung und – äh – Umstände! Wie lange sind Sie schon arbeitslos?
LEONARD antwortet freimütig und sympathisch freundlich.
LEONARDSeit ein paar Monaten.
MAYHEWWas hatten Sie zuvor gemacht?
LEONARDIch arbeitete in einer Autowerkstatt – als eine Art Mechaniker.
MAYHEWWie lange waren Sie dort tätig?
LEONARDOh, ungefähr drei Monate.
MAYHEW(scharf) Wurden Sie entlassen?
LEONARDNein, ich habe gekündigt. Hatte mich mit dem Vorarbeiter gestritten. Absoluter alter Bast- (Er unterbricht sich.) War ein fieser Typ, hat immer auf einem rumgehackt.
MAYHEWHm! Und vorher?
LEONARDAn einer Tankstelle, doch das wurde etwas schwierig, und ich ging.
MAYHEWInwiefern schwierig?
LEONARD(peinlich berührt) Also – die Tochter des Chefs – war noch ein Teenager, aber sie hat sich – irgendwie in mich verguckt – es ist nichts Unanständiges passiert, doch der alte Herr hatte die Nase voll und meinte, ich soll besser gehen. War alles völlig einvernehmlich, und er gab mir ein gutes Zeugnis.(Er grinst plötzlich.)Vorher war ich Vertreter für Rührbesen.
MAYHEWSagen Sie bloß.
LEONARD(jungenhaft) Ein Drecksjob. Hätte selbst einen besseren Rührbesen erfinden können.(LEONARD bemerkt MAYHEWS Stimmung.)Sie halten mich für einen Hallodri, Sir. Stimmt irgendwie – aber auch wieder nicht. Die Armee hat mich leicht aus der Bahn geworfen – und die Zeit im Ausland. Ich war in Deutschland. War okay dort. Hab meine Frau kennengelernt. Sie ist Schauspielerin. Seit ich wieder in England bin, komm ich nicht zur Ruhe. Ich weiß nicht genau, was das Richtige für mich ist – am liebsten beschäftige ich mich mit Autos und denke mir neues Zubehör aus. Das interessiert mich. Und …
SIR WILFRID ROBARTS tritt auf, gefolgt von CARTER. SIR WILFRID trägt seine komplette Kleidung und Robe als Kronanwalt, inklusive Perücke. CARTER bringt SIR WILFRIDS Alltagsjackett und Fliege.
SIR WILFRIDHallo, John.
MAYHEWAh, Wilfrid.
SIR WILFRID reicht CARTER die Perücke und die Robe.
SIR WILFRIDCarter hat dir erzählt, dass ich im Gericht war? Banter hat sich selbst übertroffen.(Er schaut LEONARD an.)Und das ist Mr. – äh – Vole?
MAYHEWDas ist Leonard Vole.
LEONARDGuten Tag, Sir.
SIR WILFRIDGuten Tag, Vole. Wollen Sie sich nicht setzen?(LEONARD setzt sich. CARTER hilft SIR WILFRID, das Jackett zu wechseln und seine Schleifen abzunehmen.)Wie geht’s der Familie, John?
MAYHEWMolly hat eine dieser derzeit grassierenden Erkältungen.
SIR WILFRIDScheußlich!
MAYHEWJa, fürchterlich. Hast du deinen Fall gewonnen, Wilfrid?
SIR WILFRIDErfreulicherweise ja.
MAYHEWImmer eine besondere Befriedigung für dich, Myers zu schlagen, nicht?
SIR WILFRIDIch schlage jeden gern.
MAYHEWAber besonders Myers.
SIR WILFRIDBesonders Myers. Er ist ein irritierender – Gentleman. Bringt immer das Schlimmste in mir zum Vorschein.
MAYHEWBeruht auf Gegenseitigkeit. Er ist genervt, weil du ihn kaum einen Satz zu Ende formulieren lässt.
CARTER geht ab und nimmt Perücke, Robe, Jackett und Schleifen mit.
SIR WILFRIDUnd mich nervt seine Angewohnheit. Diese hier –(Er räuspert sich und rückt eine imaginäre Perücke zurecht.)– treibt mich die Wände hoch. Und dann nennt er mich auch noch dauernd Ro-barts – Ro-barts. Ist aber ein sehr fähiger Anwalt, der sich nur seine ständigen Suggestivfragen schenken sollte. Doch nun zu unserer Angelegenheit.
MAYHEW holt einige getippte Seiten aus seiner Aktenmappe und reicht sie SIR WILFRID.
MAYHEWJa. Ich habe Vole mitgebracht, damit du seine Geschichte haargenau so hörst, wie er sie mir erzählt hat. Es besteht eine gewisse Dringlichkeit.
SIR WILFRIDOh?
LEONARDMeine Frau meint, ich werde verhaftet.(Er schaut peinlich berührt aus.)Sie ist viel intelligenter als ich und hat wahrscheinlich Recht.
SIR WILFRIDVerhaftet wegen was?
LEONARDNa ja – wegen Mordes.
MAYHEWEs ist der Emily French-Fall. Hast du davon gelesen?(SIR WILFRID nickt.)Sie war eine unverheiratete Dame, die alleine mit einer älteren Haushälterin in einem Haus in Hampstead lebte. Am Abend des 14. Oktober kehrte die Haushälterin um 23:00 Uhr zurück und bemerkte, dass es anscheinend einen Einbruch gab. Ihre Chefin hatte einen Schlag auf den Hinterkopf erhalten und war tot.(Er wendet sich an LEONARD.)Stimmt das so?
LEONARDJa. Kommt heutzutage öfter vor. In der Zeitung stand, die Polizei möchte unbedingt mit einem gewissen Leonard Vole sprechen, der Emily French am Abend der Tat besucht hatte. Sie waren an sachdienlichen Informationen interessiert. Deshalb ging ich natürlich auf die Wache, wo ich viele Fragen gestellt bekam.
SIR WILFRID(scharf) Wurden Sie über Ihre Rechte belehrt?
LEONARD(vage) Ich weiß nicht. Sie fragten mich, ob ich eine Aussage machen will. Die würde dann aufgeschrieben und eventuell vor Gericht verwendet. Meinen Sie das?
SIR WILFRID tauscht einen Blick mit MAYHEW aus und sagt mehr zu diesem als zu LEONARD: