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Seit 50 Jahren steht Julia für Liebesromane der Extraklasse: starke, mächtige Männer, hinreißende Frauen, zärtliche Romantik und prickelnde Leidenschaft an glamourösen Schauplätzen – Happy End garantiert! Der CORA Verlag möchte dieses Jubiläum gebührend feiern – feiern Sie mit! Dieses Jubiläums-eBundle enthält die schönsten Milliardär-Romane aus der Reihe Julia: FALSCHE VERLOBUNG MIT DEM MILLIARDÄR von MAISEY YATES Die Schlagzeile schreit es von der ersten Seite: Der milliardenschwere Unternehmer Dante Romani hat sich verlobt – mit einer gewissen Paige Harper, die man nie zuvor an seiner Seite gesehen hat! Kein Wunder. Denn Paige hat sich die Verlobung mit dem Milliardär nur ausgedacht, weil das der einzige Weg war, ein verwaistes Baby zu adoptieren. Sie ist Dantes Angestellte, und bis jetzt hat sie ihn höchstens aus der Ferne bewundert. Doch zu ihrer maßlosen Verwunderung nimmt der Big Boss sie beim Wort. Und er spricht nicht nur von Verlobung – sondern besteht sogar auf Heirat … BLITZHOCHZEIT MIT DEM MILLIARDÄR von JENNIE LUCAS "Natürlich ist es dein Kind. Du warst der einzige Mann in meinem Leben!” Kaum sind Callie die Worte über die Lippen, bereut sie sie zutiefst. Doch gesagt ist gesagt. Dabei hat sie sich geschworen, dem milliardenschweren Ölbaron Eduardo Cruz niemals zu gestehen, dass die eine Nacht mit ihm Folgen hatte. Diese Nacht, die so süß begann und so schrecklich endete … Atemlos hört sie, was Eduardo ihr arrogant, mit blitzenden Augen und viel zu sexy vorschlägt: Sie soll sofort seine Frau werden. Nur damit das Kind seinen Namen trägt – oder verfolgt er etwa einen anderen Plan? DER ITALIENISCHE MILLIARDÄR UND SEINE STOLZE BRAUT von JENNIFER HAYWARD Die freiheitsliebende Designerin Angelina bebt vor Wut, als ihr Exmann Lorenzo Ricci behauptet, ihre Ehe sei nie geschieden worden! Was er jetzt von ihr will? Eine zweite Chance! Zwar begehrt Angelina den attraktiven Milliardär noch immer, aber ein Leben mit einem dominanten Macho wie ihm? Nie wieder! Angelina weiß: Um ihr Herz zu schützen, muss sie ihn kalt abweisen. Bis der Firmengigant sich ihr an der italienischen Riviera plötzlich von einer völlig unbekannten Seite zeigt und ihr Widerstand gefährlich ins Wanken gerät … WIE ANGELT MAN SICH EINEN MILLIARDÄR von MIRANDA LEE Zwölf Monate – länger bleibt Milliardär Warwick Kincaid grundsätzlich nie mit iner Frau zusammen. Das weiß Amber genau, als sie sich auf eine stürmische Affäre mit ihm einlässt. Aber sie ahnt nicht, welch herzzerreißenden Grund ihr Geliebter dafür hat… DIE SÜSSE RACHE DES MILLIARDÄRS von LYNN RAYE HARRIS Caroline Sullivan wusste, dass er eines Tages in ihr Leben zurückkehrt. Aber sie hat gehofft, dass es zu ihren Bedingungen geschehen würde … Irrtum! Ihr Ex-Geliebter, Milliardär Roman Kazarov, kauft das Sullivan-Imperium und hat sie da, wo er sie haben will: in seinen Händen …
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Seitenzahl: 953
Cover
Titel
Inhalt
Falsche Verlobung mit dem Milliardär
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
EPILOG
Blitzhochzeit mit dem Milliardär?
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12. KAPITEL
Der italienische Milliardär und seine stolze Braut
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12. KAPITEL
EPILOG
Wie angelt man sich einen Milliardär
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1. KAPITEL
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9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
Die süße Rache des Milliardärs
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1. KAPITEL
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9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
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Contents
Maisey Yates
Falsche Verlobung mit dem Milliardär
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2013 by Maisey Yates Originaltitel: „Her Little White Lie“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA Band 2115 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Marietta Schröder
Fotos: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733700348
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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„Ich verlange auf der Stelle eine Erklärung! Oder Sie können Ihre Sachen packen und gehen!“
Paige Harper blickte auf – geradewegs in die dunklen, zornig funkelnden Augen ihres Chefs. Sie brachte kein Wort heraus. Er sah schon von Weitem unglaublich attraktiv aus, aber jetzt, so direkt vor ihr, war er einfach umwerfend. Auch wenn er gerade vor Wut tobte. Es fiel ihr schwer, ihren Blick wieder von ihm loszureißen. Sie sah auf die Zeitung, die er auf den Schreibtisch geschleudert hatte. Schlagartig wurde ihr eiskalt.
„Ach …“ Sie griff nach dem Blatt. „Das …“
„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“
„Ich …“
„Ich hatte gesagt, Sie sollen mir das erklären, Ms Harper! ‚Ach‘ ist meines Wissen nach keine Erklärung. Zumindest nicht in einer mir bekannten Sprache.“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Paige fühlte sich, als würde sie auf Daumengröße schrumpfen.
„Ich …“ Sie las die Schlagzeile auf der Lifestyle-Seite: Dante Romani knüpft Bund der Ehe mit Angestellter . Darunter befanden sich zwei Fotos. Eins von Dante, der unverschämt gut aussah in seinem maßgeschneiderten Anzug. Und eins von ihr. Im Schaufenster des Colson, wo sie auf einer Leiter stehend die Weihnachtsdekoration anbrachte. „Ich …“, stammelte sie erneut, während sie den Artikel überflog.
Dante Romani, Eigentümer der Colson-Kaufhauskette und berühmt-berüchtigt für seinen rauen Geschäftsstil, machte erst kürzlich Schlagzeilen, weil er gnadenlos einen seiner Topmanager, noch dazu einen Familienvater, gefeuert und durch einen jungen, ledigen Mann ersetzt hatte. Jetzt will er offensichtlich den Bund der Ehe eingehen und hat sich mit einer seiner Angestellten verlobt. Man fragt sich, ob es das Hobby dieses skrupellosen Geschäftsmannes ist, mit seinem Personal Spielchen zu treiben. Sie entweder zu feuern – oder für ewig an sich zu binden.
Ihr Magen krampfte sich vor Panik zusammen. Wie konnte das in die Zeitung gelangen? überlegte Paige entsetzt. Seit ihrer Notlüge im Gespräch mit der Sozialarbeiterin hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie die Sache wieder hinbiegen könnte, jedoch gehofft, es bliebe ihr mehr Zeit. Und nie hätte sie mit etwas Derartigem gerechnet! Nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen!
Aber jetzt starrte sie ihr schwarz auf weiß entgegen – die unverschämteste Lüge des Jahrhunderts.
„Ich habe gelogen“, gestand sie.
Mr Romani sah sich im Büro seiner Angestellten um. Überall stapelten sich Stoffmuster und Schachteln, aus denen Perlenschnüre hervorlugten. Spraydosen und Farbeimer standen in der Ecke, und jede freie Oberfläche war mit Weihnachtsschmuck bedeckt. Er wandte sich ihr wieder zu und verzog den Mund zu einem kalten Lächeln. „Wenn ich es mir recht überlege: Lassen Sie das mit dem Packen. Gehen Sie einfach. Ich lasse Ihnen die Sachen nachschicken.“
„Nein! Bitte … ich kann Ihnen alles erklären …!“ Sie durfte ihren Job nicht verlieren. Sie brauchte ihn. Außerdem duften das Jugendamt und Rebecca Addler von der Adoptionsstelle auf keinen Fall erfahren, dass sie gelogen hatte. Sie wünschte sich sehnlichst, die Sache wieder rückgängig machen zu können. Natürlich eine vergebliche Hoffnung!
Sie senkte den Blick und las weiter:
Es fällt einem schwer, sich vorzustellen, dass jemand, der erst kürzlich einen Mann gefeuert hat, der seine Familie über den Gott Mammon stellte, sich plötzlich selbst zu einem Familienvater entwickeln sollte. Die Frage dürfte sein: Wird es dieser unscheinbaren Durchschnittsfrau gelingen, diesen eiskalten Geschäftsmann zu bekehren? Oder wird man sie der langen Liste der privaten wie geschäftlichen „Opfer“ Dante Romanis hinzufügen müssen?
Durchschnittsfrau! Klang wirklich ganz nach ihr. Selbst in dieser Lügengeschichte, derzufolge sie mit dem begehrtesten Milliardär der Stadt verlobt war, wurde sie als Durchschnittsfrau bezeichnet!
Sie schluckte und sah zu ihrem Chef auf, der sie immer noch wütend anstarrte. „Wirklich ganz schlechter Journalismus, dieser Artikel. Nichts als Sensations- und Meinungsmache. Unterstes Niveau, würde ich sagen …“
Dante unterbrach sie mit kaltem Blick. „Was haben Sie sich davon nur erhofft? Wollten Sie einfach mal so zum Spaß ein Gerücht in die Welt setzen? Oder wollten sie etwas Bestimmtes erreichen?“
Sie erhob sich mit zitternden Knien. „Nein, ich …“
„Sie mögen vielleicht keine Zeitungsmeldung wert sein, Ms Harper, ich hingegen schon.“
„Also bitte!“ Diese Bemerkung traf. Noch dazu, nachdem sie eben lesen musste, sie sei unscheinbar und durchschnittlich. Allerdings, wenn man die Fotos von ihnen beiden verglich, konnte man den Ausdruck durchaus noch als Beschönigung betrachten.
„Habe ich Sie womöglich beleidigt?“
„Ein bisschen.“
„Glauben Sie mir, das war nichts im Vergleich dazu, wie es mir ging, als ich ins Büro kam und entdecken musste, mit jemandem verlobt zu sein, mit dem ich bisher keine fünf Sätze gewechselt habe.“
„Eigentlich sitzen wir doch beide im selben Boot. Ich hätte nicht im Traum gedacht, diesen Artikel in der Zeitung zu sehen. Ich dachte, niemand würde es herausbekommen.“
„Dummerweise hat es aber doch jemand herausbekommen. Sogar ich! Deshalb würde ich vorschlagen, Sie verschwinden jetzt möglichst unauffällig. Ich möchte wirklich nicht den Sicherheitsdienst rufen müssen.“ Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zur Tür.
Paige glaubte, ihr Herz würde stillstehen. „Mr Romani! Lassen Sie mich doch bitte wenigstens alles erklären!“, flehte sie. Wenn nötig, wäre sie sogar vor ihm auf die Knie gesunken. Aber auf keinen Fall würde sie zulassen, dass er alles ruinierte.
„Dazu war ich doch bereit. Aber Sie hatten ja nichts Überzeugendes vorzubringen.“
„Weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.“
„Am besten am Anfang.“
Sie holte tief Luft. „Rebecca Addler steht alleinerziehenden Müttern äußerst kritisch gegenüber. Das ist nicht bei allen Sozialarbeitern so, aber in ihrem Fall … sie mag sie einfach nicht. Also nicht, dass sie unbedingt etwas gegen die jeweilige Person hätte, aber eben generell. Und sie hat mich gefragt, wieso ich der Meinung sei, Ana wäre besser bei mir aufgehoben als bei einer traditionellen Familie – also einer mit Mutter und Vater. Und irgendwie ist mir herausgerutscht, dass es ja einen Vater gäbe, weil ich ja heiraten würde … und dann ist mir auch noch Ihr Name herausgerutscht. Wissen Sie, da ich für Sie arbeite und ich Ihren Namen so oft sehe, war er eben der erste, der mir eingefallen ist.“
Er sah sie einen Moment stumm an, dann legte er den Kopf auf die Seite. „Das war aber nicht der Anfang.“
Paige atmete erneut tief durch, um ihre Gedanken, die wild durcheinanderwirbelten, zu sortieren. „Ich versuche gerade, ein Kind zu adoptieren.“
„Das wusste ich nicht“, meinte er stirnrunzelnd.
„Meine Tochter geht hier im Unternehmen sogar in den Kindergarten.“
„Ich bin nie in diesem Kindergarten“, erwiderte er lakonisch.
„Ana ist noch ein Baby. Ich habe sie fast seit ihrer Geburt bei mir.“ Immer noch wurde ihr die Kehle eng, wenn sie an Shyla dachte. Ihre beste Freundin, die so voller Energie und so wunderschön gewesen war. „Ihre Mutter ist … gestorben. Und ich kümmere mich um das Kind. Wir hatten nichts amtlich geregelt, bevor Shyla … egal, jedenfalls ist Ana jetzt ein Pflegekind.“
„Das bedeutet?“
„Dass der Staat die Vormundschaft hat und über ihren Verbleib entscheiden kann. Solange ich die Pflegschaft hatte, war alles okay. Ich bin als Pflegemutter offiziell anerkannt. Aber nicht als Adoptivmutter. Ich möchte sie aber adoptieren und hatte deshalb vor zwei Tagen einen Termin mit der zuständigen Sozialarbeiterin. Es sah so aus, als würde sie die Adoption nicht genehmigen. Und da habe ich … gelogen und behauptet, dass wir beide verlobt sind. Aber bitte glauben Sie mir, es hat wirklich nichts mit Ihnen zu tun.“
Und das war schon wieder gelogen. Es hatte eine Menge mit ihm zu tun. Weil er attraktiver aussah, als es von Rechts wegen erlaubt sein sollte. Und sie im selben Gebäude wie er arbeitete und ihm deshalb regelmäßig über den Weg lief. Ein derart selbstsicheres Auftreten konnte einen schon überwältigen.
Außerdem musste sie sich eingestehen, dass er ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Immer wieder musste sie an ihn denken. Unabhängig von ihrem Arbeitsverhältnis. Er war nun einmal der bestaussehende Mann, den sie je gesehen hatte. Da sich in ihrem Liebesleben weniger als nichts abspielte, drehten sich ihre Fantasien eben um Dante.
Dass sie ihn recht häufig sah, machte die Sache nur noch schlimmer. Und als Rebecca Addler sie nach dem Namen ihres Verlobten fragte, wollte ihr einfach keiner einfallen – außer der von Dante.
Letztendlich lediglich ein weiteres Fettnäpfchen auf der langen Liste von Fettnäpfchen. Gäbe es einen Wettbewerb auf diesem Gebiet, würde sie ihn haushoch gewinnen.
Dantes Augenbraue schoss nach oben. „Wie schmeichelhaft.“
Paige presste die Hand gegen die Stirn. „Es tut mir leid. Und ich kann mich auch nicht mehr herausreden. Aber ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich hätte doch nie gedacht, dass die Zeitungen Wind davon bekommen würden. Aber jetzt steht es dort, und wenn rauskommt, dass wir gar nicht verlobt sind, dass ich gelogen habe, dann …“
„Dann stehen Sie als alleinerziehende Mutter und als Lügnerin da. Zwei auf einen Streich, würde ich sagen.“ Seine Stimme klang kalt und ausdruckslos.
„Genau.“ Sie schluckte schwer. Er hatte es auf den Punkt gebracht. Zwei auf einen Streich. Das war es dann. Aber das durfte nicht sein! Nicht, wenn es um Ana ging. Ana, ihren Sonnenschein. Das kleine hilflose Wesen, das Baby, das sie mehr liebte als ihr Leben. Für niemanden sonst auf der Welt würde sie tun, wozu sie jetzt bereit war: Sie musste ihrem Chef einen Heiratsantrag machen.
Dem Mann, bei dem es ihr buchstäblich den Atem verschlug, sobald er den Raum betrat. Dem Mann, der überhaupt nicht in ihrer Liga spielte, sodass selbst der Gedanke an eine Verabredung zum Essen schon unvorstellbar war. Aber es ging hier um mehr! Nicht nur um eine kleine Schwärmerei, mangelndes Selbstbewusstsein oder ihre Angst vor Zurückweisung.
„Ich … ich glaube, ich brauche Ihre Hilfe.“
Auf Dante Romanis Gesicht zeigte sich keine einzige Regung. Es war schlicht unmöglich, ihm anzusehen, was er dachte. Aber das war nun wirklich nichts Neues. Er war der „dunkle Prinz“ des Colson-Imperiums, der Adoptivsohn von Don und Mary Colson. Die Medien spekulierten öffentlich, dass er wahrscheinlich deshalb adoptiert worden war, weil er bereits in früher Kindheit überragende Brillanz gezeigt hatte. Niemand mutmaßte, es könne an seinem gewinnenden Wesen gelegen haben.
Paige hatte diese Geschichten immer für gemein und unfair gehalten. Jetzt fragte sie sich allerdings, ob nicht doch etwas dran wäre. Und sie fragte sich, ob er womöglich wirklich so herzlos war, wie es immer hieß. Sie hoffte aufrichtig, er möge wenigstens zu einem Funken Mitgefühl fähig sein … sonst wäre die Sache für sie aussichtslos.
„Ich fürchte, diesbezüglich kann ich Ihnen nicht behilflich sein“, entgegnete er trocken.
„Warum nicht?“ Paige stemmte sich hoch und stand auf. „Warum nicht?“, wiederholte sie. „Ich brauche Sie ja nicht für immer. Nur bis …“
„Das Einzige, was Sie retten könnte, wäre eine Hochzeit mit mir. Aber ich fürchte, das würde die Grenze der Absurdität doch weit überschreiten. Finden Sie nicht?“
„Für meine Tochter!“ Ihre Stimme klang unnatürlich laut und hallte im Raum nach. Jetzt, da sie die Worte ausgesprochen hatte, bedauerte sie diese auch nicht. Alles, aber auch alles würde sie für Ana tun. Selbst wenn es bedeutete, aus diesem Bürogebäude geworfen zu werden.
Weil zum ersten Mal in ihrem Leben etwas wirklich wichtig war. Wichtiger als ihr eigenes Leben.
„Sie ist doch nicht einmal Ihre Tochter.“
Paige biss sich auf die Lippen. Sie rang darum, ihren Adrenalinspiegel in den Griff zu bekommen, und zitterte am ganzen Körper. „Blutsverwandtschaft ist nicht alles. Ich dachte eigentlich, gerade Sie würden das verstehen.“ Wahrscheinlich nicht gerade die geschickteste Strategie, befürchtete sie. Trotzdem glaubte sie, dass gerade er ihre Gefühle nachvollziehen können müsste.
Er sah sie wortlos an. Ein Muskel zuckte an seiner Wange. „Ich werde Sie nicht entlassen. Zumindest jetzt nicht. Aber ich verlange eine Erklärung, die Sinn macht. Was steht für heute noch auf Ihrem Terminkalender?“
„Ich arbeite an der Weihnachtsdekoration.“ Sie wies auf die Utensilien, die überall herumlagen. „Für Colson und für Trinka.“ Sie war dabei, etwas eher Elegantes für das Hauptunternehmen zu entwerfen und für die Filialen, die Mode für Teens führten, etwas Cooles und Originelles. „Ich bin noch bei den Entwürfen.“
„Gut. Kommen Sie in mein Büro, bevor Sie gehen.“
Diesmal ging er wirklich, und Paige sank in sich zusammen. Ihre Hände zitterten, und ihr Körper war gespannt wie eine Feder. Am liebsten hätte sie sich auf dem Boden zusammengerollt.
Ich bin so blöd, dachte sie. Aber das war ja nichts Neues. Sie hatte wieder einmal geredet, ohne vorher zu überlegen. Wie immer. Nur diesmal hatte es sie in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht – ausgerechnet bei dem Mann, der ihr Gehalt zahlte.
Von ihm hing nun alles ab. Ihre Zukunft. Ihr Schicksal. Ihr Geld.
„Allmählich wird es wirklich Zeit, dass du erst nachdenkst, bevor du den Mund aufmachst“, sagte sie in das leere Zimmer hinein. Unglücklicherweise war es dafür jetzt zu spät. Viel, viel zu spät.
Dante hatte sein Tagespensum abgearbeitet und stellte den Ordner in den Aktenschrank zurück. Dann stützte er die Ellbogen auf den Schreibtisch und starrte auf die Zeitung, die auf der spiegelblanken Oberfläche lag.
Nachdem er in sein Büro zurückgekehrt war, hatte er erneut den Artikel gelesen. Es war eine beißende Abrechnung mit dem Möchtegernaufsteiger der Colson-Familie, der mit Menschen umging wie mit Figuren auf dem Schachbrett. Der Artikel lieferte zahlreiche Einzelheiten über Carl Johnson, den er letzte Woche gefeuert hatte, weil dieser wegen des Baseballspiels seines Sohnes ein wichtiges Meeting geschwänzt hatte.
Die Presse hatte ein großes Aufheben davon gemacht, nachdem sich Carl wegen dieser Ungerechtigkeit entrüstet an die Medien gewandt hatte. Dante empfand es nicht als Ungerechtigkeit, wenn er erwartete, dass ein Angestellter an einer Konferenz teilnahm, wozu er laut Arbeitsvertrag verpflichtet war. Auch wenn er dadurch das letzte Match der Baseballsaison seines fünfjährigen Sohnes verpasste.
Trotzdem hatte sich die Presse genüsslich daraufgestürzt und Dante, wie so oft zuvor, in der Luft zerrissen. Normalerweise ließ ihn das kalt.
Ein Satz stach für ihn jedoch besonders hervor: Kann sie ihn bekehren?
Kann Paige Harper mich bekehren? fragte er sich. Die Vorstellung amüsierte ihn. Er hatte mit ihr so gut wie nie etwas zu tun gehabt. Sie machte ihre Arbeit, und die machte sie gut. Also ergab sich keine Notwendigkeit, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Aber sie war ihm aufgefallen. Sie zu übersehen, war wohl auch kaum möglich. Wo sie auch auftauchte, versprühte sie ungebremst Enthusiasmus und grenzenlose Energie.
Es wäre gelogen, würde er behaupten, nicht von ihr fasziniert zu sein. Sie öffnete eine Tür zu Lebensbereichen, denen er sich freiwillig nie aussetzen würde: Chaos, Farben und Bewegung. Außerdem hatte sie einen Körper, den wohl kaum ein Mann ignorieren konnte – auch er nicht.
Aber auch wenn sie ihn noch so sehr interessierte, sie war einfach nicht der Frauentyp, den er bevorzugte.
Wird es dieser unscheinbaren Durchschnittsfrau gelingen, diesen eiskalten Geschäftsmann zu bekehren?
Er verspürte nicht das geringste Bedürfnis danach, bekehrt zu werden. Allerdings erschien ihm die Möglichkeit, sein Bild in den Medien etwas aufzupolieren, durchaus verlockend.
Im Prinzip hätte er sofort eine Richtigstellung verlangen können. Er konnte es aber auch so stehen lassen. Sollten sie doch das Bild revidieren, das sie sich von ihm machten, seit er durch die Adoption ins Rampenlicht geraten war – ein Vierzehnjähriger, dem man alles zutraute: von brutaler Gewaltanwendung bis zu soziopathischem Verhalten.
Die Presse und die Öffentlichkeit hatten ihn vorverurteilt, bevor er sich überhaupt etwas zuschulden kommen ließ. Deshalb machte er sich nie die Mühe, das Ganze richtigzustellen. Es war ihm letztendlich auch gleichgültig.
Jetzt sah er jedoch die Möglichkeit, etwas zu ändern.
Er drehte sich zum Fenster, von dem aus er den Hafen überblicken konnte. Immer noch stand ihm Paiges Gesicht vor Augen. Vor allem die Angst und Verzweiflung, die sich darin widerspiegelte. Er musste zugeben, ein paar Behauptungen der Presse stimmten durchaus. Er war wirklich kein gefühlsbetonter Mensch. Trotzdem ließ ihn ihre Geschichte nicht kalt – und auch die Sache mit dem Kind beschäftigte ihn.
Er konnte mit Kindern nichts anfangen. Wünschte sich auch keine eigenen. Nur zu gut konnte er sich noch an seine eigene Kindheit erinnern. Wusste noch genau, wie es sich anfühlte, acht Jahre lang den Institutionen ausgeliefert zu sein. Von einer Stelle zur nächsten weitergereicht zu werden. Völlig vom Staat und von Menschen abhängig zu sein, die ihm nur schadeten und keinerlei warme Gefühle entgegenbrachten.
Sollte er Ana wirklich demselben Schicksal aussetzen? Sie womöglich einer Familie überantworten, bei der sie keinesfalls die Geborgenheit und Liebe finden würde wie bei Paige?
Andererseits – was kümmerte es ihn überhaupt? Sich um andere Menschen Sorgen zu machen, gehörte bis jetzt nicht zu seinen Tugenden.
In diesem Moment ging die Tür auf, und Paige kam herein – besser gesagt, sie stürmte herein, mit der Wucht eines Tornados.
Über der Schulter hing eine riesige goldfarbene Handtasche, die perfekt zu den hochhackigen goldglitzernden Schuhen passte. Unter dem Arm klemmten eine Stoffrolle und ein Zeichenblock. Und sie wirkte, als wollte sie ihm die Sachen jeden Moment vor die Füße werfen.
Vorerst gab sie sich damit zufrieden, alles auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch abzuladen. Als sie sich vorbeugte, spannte der Rock auf sehr interessante Weise um ihren festen, runden Po. Sie fuhr sich durch die wilden dunklen Locken. Dabei erhaschte er einen Blick auf eine Strähne in Pink, die ihm bis jetzt entgangen war.
Sie war überhaupt eine sehr bunte Person. Das war einer der Gründe, weshalb man sie kaum übersehen konnte. Außerdem benutzte sie leuchtend grünen Lidschatten, magentaroten Lippenstift und den passenden Nagellack. Nicht ganz ohne Reiz, fand Dante.
„Sie meinten, ich solle vorbeikommen, bevor ich gehe.“
„Genau!“ Er riss den Blick von ihr los. Stattdessen betrachtete er jetzt die Utensilien, die sie auf dem Stuhl abgeladen hatte. Es juckte ihn in den Fingern, alles fein säuberlich aufzuräumen. Die Tasche an die Garderobe zu hängen … auf jeden Fall Ordnung in das Ganze zu bringen.
„Feuern Sie mich jetzt?“
„Ich denke nicht. Aber erklären Sie mir die Situation doch bitte etwas detaillierter.“
Eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen, und sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne. „Um es auf das Wesentliche zu reduzieren: Shyla war meine beste Freundin. Wir sind gemeinsam hierhergezogen. Dann hatte sie einen Freund, wurde schwanger, der Freund verließ sie. Eine Zeit lang war eigentlich alles okay, weil wir zusammenhielten. Aber nach Anas Geburt wurde sie sehr krank. Sie hatte eine Menge Blut verloren und erholte sich nicht mehr richtig davon. Schließlich … sie bekam ein Blutgerinnsel in der Lunge.“ Paige hielt inne und holte tief Luft. Ihre schmalen Schultern hoben und senkten sich. „Sie starb … und Ana und ich blieben zurück.“
Dante unterdrückte die Beklemmung, die ihn überfiel, als er an das mutterlose Wesen dachte. „Und was ist mit den Eltern Ihrer Freundin?“
„Shylas Mutter war nie für sie da. Der Vater lebt wohl noch, aber er ist nicht in der Lage, sich um ein Kind zu kümmern. Er wäre wohl auch nicht dazu bereit.“
„Und Sie sind nicht adoptionsberechtigt, weil Sie nicht verheiratet sind?“
Paige seufzte. Ruhelos ging sie auf und ab. „Ganz so ist es auch nicht. Ich meine, so direkt hat die Sachbearbeiterin das nicht formuliert. Es gibt kein Gesetz – oder so was – dagegen. Aber vom ersten Moment an, als Rebecca Addler zum ersten Mal bei mir in der Wohnung war, war klar, dass sie nicht sehr begeistert davon ist.“
„Was stimmt denn nicht mit Ihrer Wohnung?“
„Sie ist klein. Ich meine, sie ist schön – und auch in einer guten Wohngegend –, aber eben sehr beengt.“
„Die Mieten in San Diego sind ziemlich hoch.“
„Genau! Total teuer! Und deshalb habe ich eben nur eine kleine Wohnung. Im Moment teilen wir uns ein Zimmer – Ana und ich. Und ich muss zugeben, dass der vierte Stock nicht gerade ideal ist mit einem kleinen Kind. Aber was soll’s! Viele Leute leben so.“
„Eben. Warum sollten Sie das also nicht können?“ Allmählich verspürte er eine gewisse Ungeduld. Er musste sich zusammenreißen, um nicht kurz angebunden zu sein.
„Weiß ich auch nicht. Aber es war offensichtlich, dass sie mich ungeeignet findet. Das merkte man an der Art, wie sie sagte: Ana wäre doch viel besser dran, wenn sie Vater und Mutter hätte. Ob ich das nicht auch fände. Da bin ich in Panik geraten.“
„Und mein Name kam aufs Tapet … und in die Zeitung!“
Paiges Wangen liefen knallrot an. „Ich kann mir überhaupt nicht erklären, wie das passiert ist. Bestimmt nicht durch Rebecca. Wenn Sie sie kennen würden, wüssten Sie, dass das ausgeschlossen ist. Vielleicht durch jemanden, der die Unterlagen gesehen hat. Sie hatte einen Vermerk gemacht.“
„Einen Vermerk?“
„Ja. Eine Notiz eben.“
„Und die besagt?“
„Ihr Name. Dass wir uns gerade verlobt haben. Rebecca meinte, das würde die Sache bestimmt beeinflussen.“
„Sie halten es nicht für möglich, dass das möglicherweise mehr mit der Tatsache zu tun hat, dass ich Milliardär bin, als damit, dass Sie heiraten?“
Er gab sich keinerlei Illusionen hin, was seinen Charme betraf – beziehungsweise den Mangel daran. Ebenso wenig, wie er sich Illusionen über die Menschen hingab. Was Frauen zu ihm hinzog, war sein Geld. Und das war es auch, was ihn in den Augen der Sozialarbeiterin als potenziellen Vater attraktiv machte. Er würde finanziell für ein Kind sorgen können. Und das zählte mehr als alles andere. In seinen Augen sehr bedauerlich.
Aber so war die Welt eben. Das wurde ihm, der einst nichts hatte und dann mehr, als er jemals ausgeben konnte, immer wieder grausam klargemacht.
„Kann sein.“ Paige nagte an ihrer knallrosa geschminkten Unterlippe.
Das Telefon klingelte, und er drückte auf die Gegensprechanlage. „Dante Romani.“
„Mr Romani“, erklang die nervöse Stimme seines Assistenten. „Den ganzen Nachmittag rufen schon Journalisten hier an und wollen ein Statement … über Ihre Verlobung.“
Dante warf Paige einen eisigen Blick zu. Sie reagierte jedoch überhaupt nicht, schien es nicht einmal zu bemerken. Ihr Blick ging an ihm vorbei. Sie sah auf den Hafen und spielte abwesend mit einer Haarsträhne. Gleichzeitig wirkte sie, als würde sie gleich zusammenklappen.
Sie ist wirklich die größte … Katastrophenfrau, der ich jemals begegnet bin, dachte er.
„Ja und?“, erwiderte er ungehalten. Er war immer noch unentschlossen, wie er das mit der Presse handhaben sollte.
Eines stand jedoch fest: Er würde die Verlobung und die Adoption nicht dementieren, sonst konnte er gleich die Hoffnung aufgeben, jemals wieder als Ehrenmann betrachtet zu werden. Nicht dass ihm das sonderlich wichtig war. Mochten manche behaupten, es mangele ihm an Charme, er sagte eben seine Meinung. Er buckelte nicht und würde dies auch nie tun. Das bedeutete aber nicht, dass er es auf einen totalen Rufmord anlegte.
Wenn sich die Geschichte zuspitzte – und so sah es im Moment aus –, konnte sich das schädlich aufs Geschäft auswirken. Und das durfte er keinesfalls zulassen. Schließlich hatten ihn Don und Mary Colson adoptiert, damit er das Familienimperium, die Kaufhauskette, weiterführte.
Und dann war da auch noch Ana. Wie gesagt, er mochte Kinder nicht. Aber die Erinnerung an seine eigene Kindheit, die Pflegeheime und – familien waren in seine Seele eingebrannt.
Vielleicht würde Ana ja direkt adoptiert werden. Aber würden diese Menschen sie auch lieben? Paige tat das unübersehbar. Selbst er musste das zugeben.
Es war absolut unüblich für ihn, sich Gedanken um andere Menschen zu machen. Aber er konnte es nicht abstreiten – im Moment hatte er das starke Bedürfnis, diesem Kind den Schrecken und die Härten des Lebens zu ersparen. Härten, die er nur allzu gut kannte.
„Sie wollen Einzelheiten“, erinnerte Trevor, sein PA, noch einmal.
Dante blickte Paige durchbohrend an. „Natürlich wollen sie Einzelheiten. Was sonst? Aber sie werden sich gedulden müssen. Im Moment habe ich kein Statement abzugeben.“ Er beendete das Gespräch.
„Aber ich werde wohl eins abgeben müssen“, sagte er nun an Paige gewandt. Allmählich entstand in seinem Kopf ein vager Plan, wie er diese PR-Katastrophe zu seinem Vorteil nutzen konnte. Aber zuerst wollte er von Paige noch mehr zu dem Thema hören. „Was schlagen Sie denn vor, wie man dieses Problem lösen könnte?“
Paige zwang sich, ruhig zu bleiben. „Sie heiraten mich?“ Auf ihrem Gesicht lag jedoch ein Ausdruck absoluter Hoffnungslosigkeit. „Oder halten zumindest die Verlobung eine Zeit lang aufrecht?“ Ihre Verzweiflung war förmlich greifbar.
Nie hatte sich jemand mit derart viel Herzblut für ihn eingesetzt, seit seine leibliche Mutter gestorben war. Er trauerte dem nicht nach. Dafür war es zu spät. Aber für Ana wäre es nicht zu spät.
Er blickte wieder auf die Zeitung. Und es wäre ja nicht nur zu Anas Gunsten. Zum ersten Mal ergäbe sich die Gelegenheit, das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte, zu revidieren.
Er hatte sich von einem mürrischen Teenager zu einem Mann entwickelt, den alle fürchteten. Seit Jahren wurde er als der undankbare Adoptivsohn porträtiert, der selbst in der Colson-Familie ein Außenseiter war. Und bei seinen Angestellten galt er als streng und unbarmherzig. Was Frauen betraf, hielt man ihn für gefühllos, einen sexuellen Ausbeuter, der sich ihrer entledigte, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn sie ihn langweilten. Natürlich prägte das das Bild, das sich die Menschen von ihm machten. Es beeinflusste, wie sie mit ihm redeten. Sogar, wie sie sich ihm gegenüber im Geschäftsleben verhielten.
Wie es wohl wäre, wenn er das ändern könnte? Natürlich würde das nicht auf Dauer klappen. Er und Paige würden ja nicht zusammenbleiben. Und ganz gewiss strebte er keine echte Ehe mit ihr an. Aber in der Öffentlichkeit den Anschein zu erwecken, das könnte durchaus interessante Perspektiven eröffnen.
Einmal als guter Mensch zu gelten, statt immer nur verurteilt zu werden … das hatte durchaus etwas für sich. Es mochte sogar gewisse Geschäftstransaktionen erleichtern. Reibungsloser machen.
Dante war über den Punkt hinaus, wo ihm negative Zuschreibungen über seinen Charakter etwas ausmachten – außer, wenn sie das Unternehmen betrafen. Ihm war bekannt, dass ihm aufgrund seines Rufs schon einige Deals durch die Lappen gegangen waren.
Frauenheld! Herzlos! Halsabschneider. Gefährlich. Das waren nur einige der Attribute, die man ihm zuschrieb. Zumeist entstammten sie Spekulationen und Gerüchten. Würde sich das ändern, wenn man ihn als Familienvater sah? Auch wenn es nicht von Dauer sein würde, konnte es doch Einfluss darauf nehmen, wie man ihn zukünftig einschätzte.
Wirklich ein sehr, sehr interessanter Gedanke!
Kann sie ihn bekehren? Die eigentliche Frage lautete doch: Konnte sie von Nutzen sein, um sein Image aufzubessern?
Einen kurzen Moment lang – einen sehr kurzen – erlaubte er sich, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen, wozu diese Situation sonst noch von Nutzen sein konnte. Fantasien, die ihn jedes Mal überkamen, wenn Paige an ihm vorbeistürmte. Fantasien, die er sich jedoch normalerweise nicht erlaubte.
Kurz gestattete er sich die Schwäche, sich ihnen hinzugeben, doch sofort verdrängte er sie wieder entschlossen. Es war nicht ihr Körper, den er brauchte.
„Also gut, Ms Harper. Um die Fassade aufrechtzuerhalten, nehme ich Ihren Antrag an.“
Ihre blauen Augen weiteten sich fassungslos. „Sie … was?“
„Ich habe beschlossen, Sie zu heiraten.“
Paige hätte Stein und Bein geschworen, dass soeben die Erde unter ihren Füßen gebebt hatte. Dante wirkte jedoch völlig ungerührt, und die Möbel standen auch noch an ihrem Platz. Also musste das Beben wohl lediglich in ihrem Inneren stattgefunden haben.
„Was haben Sie …?“
„Ich nehme Ihren Antrag an. Zumindest nach außen hin. Bis sich die Medienhysterie wieder gelegt hat.“
„Ich … Okay.“ Sie starrte ihren Chef an, der jetzt hinter seinem Schreibtisch hervorkam. Seine Bewegungen waren zielgerichtet und energisch.
Wie immer. Und ruhig und gelassen. Mehr als einmal hatte sie sich gefragt, was wohl geschehen müsste, um ihn aus der Reserve zu locken, um diese eiserne Selbstkontrolle zu erschüttern. Vielleicht gelang es ja einer seiner Geliebten, wenn sie seine Krawatte löste und ihm mit den Fingern durchs Haar fuhr.
Im Moment war sie jedoch anscheinend diejenige, der dieses Kunststück gelungen war. Nicht durch die Waffen einer Frau, sondern dank der Indiskretion, durch die die Presse Wind von der angeblichen Verlobung bekommen hatte.
„Ausgezeichnet.“ Dantes Ton war entschieden. Knapp. „Ich wüsste nicht, warum das Ganze nicht klappen sollte.“
„Ich … Warum …?“
„Das wollten Sie doch, oder? Dass Sie Ihr Ziel erreichen.“
Paige wurde ein wenig schwindelig. Noch heute Morgen hatte es so ausgesehn, als würde ihre Welt zusammenbrechen. Und plötzlich schien es, als würde doch alles gut.
„Schon. Aber seien wir mal ehrlich: Sie sind ja nicht gerade bekannt für Ihre soziale Ader. Entschuldigen Sie bitte, aber das ist derart untypisch …“
Dante griff nach der Zeitung und wies auf den Artikel. „Können Sie sich vorstellen, wie die Presse reagieren würde, wenn ich einen Rückzieher machte? Die Journalisten wetzen schon die Messer, um mich vollends zu erledigen. Dieser Artikel ist nur der Auftakt. Sie freuen sich schon darauf, berichten zu können, wie ich meine Verlobte, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu mir steht, fallen gelassen habe. Dass es mal wieder nur darum gegangen sei, meine perversen Machtgelüste zu befriedigen. Und dass ich nun Ihre Chancen ruiniert hätte, dieses heiß geliebte Kind zu adoptieren. Das Ganze wäre nur noch unmenschlicher, da ich selbst auch adoptiert wurde. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir.“
„Stimmt. Das wäre … nicht gut. Aber was mich wirklich wundert – wieso haben die Presseleute das mit der Verlobung überhaupt geglaubt?“ Durchschnittsfrau haben sie mich genannt! schoss es ihr durch den Kopf. Und Dante Romani würde normalerweise nie mit einer Durchschnittsfrau in Verbindung gebracht werden. Es musste sich um einen üblen Scherz handeln.
„Sie haben anscheinend doch die eine oder andere Story über mich gelesen?“ Dante lächelte süffisant.
„Na ja. Einiges habe ich schon mitbekommen“, stotterte sie. Er musste ja nicht erfahren, dass sie sein Foto in der Zeitung manchmal durchaus etwas länger als nötig betrachtet hatte. Das konnte man ihr schlecht übel nehmen. Sie war eine Frau und er ein unverschämt gut aussehender Mann. Dabei war ihr natürlich immer klar gewesen, dass sie nie eine Chance bei ihm hätte. Nicht dass sie es jemals auch nur versuchen würde. „Man hat uns doch nie in der Öffentlichkeit zusammen gesehen. Mich wundert einfach, wie leicht dieses Gerücht für bare Münze genommen wird.“
Dante zuckte die Achseln. „Es passt einfach zu mir. Dass ich eine Beziehung geheim halte. Theoretisch gesprochen. Ich hatte ja noch keine.“
„Ich weiß.“
„Sie lesen also doch die Klatschmeldungen.“
Paige lief hochrot an. Sie räusperte sich. „Schon … Außerdem bin ich aber eine sehr gute Beobachterin und … oh nein!“
„Was?“
Paige blickte auf die Uhr, die hinter Dante an der Wand hing. „Ich muss Ana abholen. Wahrscheinlich bin ich wieder zu spät.“
„Ich komme mit.“
„Was?“ Sie brauchte unbedingt eine Atempause – oder wenigstens den wütenden Dante zurück. Dieser Dante, der nun überraschenderweise bei ihrem Plan mitspielte, irritierte sie, und sie fühlte sich überrumpelt und wie betäubt.
„Ich bin doch jetzt Ihr Verlobter, oder?“
In ihrem Kopf breitete sich ein dumpfes Gefühl aus. „Ich … weiß nicht. Sind Sie es?“
„Natürlich. Ganz offiziell.“
„Okay dann. Gut.“
„Sie scheinen sich nicht ganz sicher zu sein, Paige.“ Dante zog seinen Mantel an und hielt die Tür auf.
Paige raffte schnell ihre Sachen zusammen. „Nein. Ich meine, ja. Es ist nur … der Wechsel kam etwas abrupt. Den einen Moment spucken Sie Gift und Galle, und im nächsten sind Sie einverstanden.“
„Ich bin eben ein Mann der Tat. Ich habe keine Zeit, lange hin und her zu überlegen.“
Paige marschierte an ihm vorbei ins Vorzimmer, wo Dantes Assistent Trevor am Schreibtisch saß. Er starrte sie unverwandt an. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Mr Romani.“
„Danke gleichfalls, Trevor. Sie sollten nach Hause gehen.“
„Gleich. Ich muss nur noch …“
„Ach, übrigens“, unterbrach ihn Paige, „wir sind verlobt.“
„Wirklich?“ Sein Blick verriet deutliche Skepsis.
Paige nickte und sah Dante an, der sich köstlich zu amüsieren schien. „Ja. Wirklich“, bestätigte sie.
Dante nickte. „Es stimmt.“
„Ich … das wusste ich nicht“, stotterte Trevor.
„Ich bin eben ein diskreter Mensch“, meinte Dante. „Wenn ich es für angebracht halte.“
„Offensichtlich“, stimmte Trevor zu und blickte verunsichert auf seinen Computermonitor.
„Bis morgen“, verabschiedete sich Dante.
Paige stieg mit Dante in den Aufzug. „Trevor wirkt nicht gerade begeistert.“ Ehrlich gesagt verblüffte sie der verbale Austausch zwischen den beiden. Dante war als strenger Chef verschrien, und sie hätte erwartet, dass er seinen Assistenten angesichts dessen offensichtlicher Skepsis sofort feuern würde.
„Er ist sauer, weil er nicht Bescheid wusste. Er möchte immer alles im Voraus wissen. Am besten schon mindestens ein halbes Jahr, damit er es in den Terminkalender eintragen kann.“
„Und es macht Ihnen nichts aus, dass er … verstimmt war?“
Dante runzelte die Stirn. „Hätte ich ihn aus dem dreißigsten Stock werfen sollen?“
„Ich gestehe, diese Reaktion habe ich für möglich gehalten.“
„Ich bin doch kein Tyrann.“
„Nicht?“ Auf seinen erzürnten Blick hin fuhr sie fort: „Sie haben ja auch Carl Johnson gefeuert. Wegen eines Baseballspiels.“
„Und das macht mich schon zum Tyrannen, wenn ich erwarte, dass meine Angestellten während ihrer Arbeitszeit anwesend sind und sich ihr großzügig bemessenes Gehalt auch verdienen?“
„Es ging um das Baseballspiel seines Sohnes!“
„Das für alle anderen Beteiligten völlig bedeutungslos war. Wenn jeder seine persönlichen Belange zum Anlass nähme, nicht zur Arbeit zu erscheinen, würde gar nichts mehr erledigt werden.“
„Und wenn es jetzt in Ihrem Privatleben etwas Wichtiges geben sollte?“
„Dieses Dilemma habe ich gelöst, indem ich auf ein Privatleben verzichte.“
„Oh. Okay.“
„Sie halten mich für launisch und despotisch, weil das in den Zeitungen behauptet wird. Dabei wissen Sie, wie ich mich im Arbeitsalltag verhalte. Daran erkennt man wieder mal die Macht der Medien! Und das wiederum zeigt mir, dass es höchste Zeit ist, dies zu meinem Vorteil zu nutzen.“
„Kann sein …“ Ihre Wangen brannten. Er hat ja recht, dachte sie. Sie hatte tatsächlich noch nie erlebt, dass er im Büro laut geworden wäre – von heute Morgen mal abgesehen. Als Boss war er eigentlich ganz okay. Trotzdem hatte sie in seiner Gegenwart immer ein seltsames Gefühl. Etwas ging von ihm aus, das sie nervös machte. Doch wahrscheinlich waren tatsächlich einfach nur die Pressemeldungen daran schuld.
„Und offensichtlich lesen Sie ja, was man über mich schreibt“, fuhr er fort, als könne er ihre Gedanken lesen.
Sie verzog den Mund. „Ich gestehe: Ab und zu lese ich es.“
„Ein Tyrann ist in meinen Augen jemand, dem es an Selbstkontrolle mangelt und der versucht, dies auf äußerst primitive Art zu kompensieren. Ich hingegen habe immer und überall die Kontrolle: über dieses Unternehmen, über die Geschäftstransaktionen – und das, ohne meine Stimme erheben zu müssen.“
Paige räusperte sich und starrte die Lifttür an. In dem blanken Metall sah sie verschwommen ihre Silhouetten. Sie reichte Dante gerade mal bis zur Schulter. Neben ihm sah sie – ehrlich gesagt – peinlich unelegant aus. Dante hingegen wirkte – wie Dante eben. Extrem männlich, absolut selbstsicher und ein bisschen Furcht einflößend. „In meinem Büro wurden Sie aber schon ziemlich laut“, entgegnete sie. Sie sprach zu dem Spiegelbild und nicht zu dem real existierenden Dante. Der war nämlich viel zu attraktiv. Vor allem, wenn man direkt neben ihm stand.
Er lachte, aber es klang nicht sehr heiter. „Angesichts der Situation ziemlich verständlich, oder?“
„Finden Sie?“
„Wie hätten Sie sich denn an meiner Stelle gefühlt?“
„Keine Ahnung. Aber … ist es Ihnen wirklich ernst?“ Sie sah ihn an. In diesem Augenblick hielt der Fahrstuhl, und sie stiegen aus.
„Ich neige nicht zu Scherzen.“
„Ich weiß. Aber bedauerlicherweise musste ich die Erfahrung machen, dass die Männer eher dazu neigen, mich nicht ernst zu nehmen. Deshalb muss ich gestehen: Wenn mein Boss sagt, er wolle mich heiraten, ist mein erster Gedanke, er erlaubt sich einen Spaß auf meine Kosten.“
„Woher kommt das denn?“
Paige zuckte die Achseln. „Ach … Jugendsünden … aus meiner Highschoolzeit. Mr Romani, wenn rauskommt, dass ich gelogen habe, dann verliere ich nicht nur Ana …“
„Wie ich bereits erwähnte, ich neige nicht zu Scherzen. Ich meine es ernst.“
„Aber ich verstehe einfach nicht, warum Sie mir helfen!“
„Aus Eigennutz“, antwortete er lakonisch.
„Was meine Sie damit?“, fragte Paige konsterniert.
„Die Menschen haben ein gewisses Bild von mir. Sie betrachten mich als Tyrann oder zumindest als eine Art teuflischen Verführer, der Unschuldige in den Abgrund reißt“, erklärte er leichthin. Seine Augen blieben jedoch ernst.
Paige musste lachen. „Das könnte hinkommen.“
„In dem Artikel wird erwähnt, dass Sie vielleicht einen besseren Menschen aus mir machen könnten. Diesen Gedanken finde ich faszinierend. Es wäre eine Art soziologische Studie … ein Experiment. Zumindest würde das Unternehmen nur davon profitieren.“
„Aber Sie würden auch Ana und mir helfen.“
„Das ist ja nun nicht unbedingt verwerflich.“
Beinahe hätte Paige wieder gelacht – so ernsthaft, wie er das sagte.
„Ja. Ich meine, nein. Ist es nicht.“
Sie gingen nebeneinander zum firmeneigenen Hort, dessen Existenz das Leben einer arbeitenden alleinerziehenden Mutter sehr viel einfacher machte. Sie zog die Tür auf und seufzte erleichtert, als sie Genevieve mit Ana auf dem Arm erblickte. Die beiden waren allein in der Tagesstätte. „Es tut mir so leid“, stieß Paige hervor. Sie ließ ihre Sachen auf den Boden fallen und streckte die Arme nach Ana aus.
Genevieve lächelte. „Kein Problem. Um fünf, wo sie normalerweise abgeholt wird, hat sie geweint, aber dann ist sie wieder eingeschlafen.“
Ein schmerzhafter Stich durchfuhr Paige. Mit vier Monaten erkannte Ana sie bereits als feste Bezugsperson – als ihre Mutter. Paige hatte sich ihr Leben lang unsicher und rastlos gefühlt. Es gab nur zwei Dinge, derer sie sich ganz sicher war: Sie war eine gute Schaufensterdekorateurin. Sonst hätte Colson sie nicht eingestellt. Und sie wollte Ana eine gute Mutter sein. Das hatte sie von dem Moment an gewusst, als Shyla ihr das Baby in die Arme gelegt und sie gebeten hatte, sich um es zu kümmern.
Damals hatte sie eigentlich nur einen kurzen Moment gemeint, während sie sich ausruhen wollte. Sie war so erschöpft … von der Geburt … von der Schwangerschaftsdepression. Aber von diesem Mittagsschlaf war sie nie mehr aufgestanden. Und jetzt kümmerte sich Paige immer noch um Ana. Weil sie es musste. Weil sie es wollte. Weil sie Ana liebte – mehr als ihr eigenes Leben.
Genevieve drückte ihr Ana mit deren Schmusedecke in die Arme. Paige drückte das Kind an sich. Ihr Herz wurde weit, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie blickte zu Dante hinüber … und wusste, dass sie richtig gehandelt hatte.
Nichts und niemand auf der Welt würde sie von Ana trennen. Dafür würde sie alles, aber auch alles tun. Ana gehörte zu ihr. Und wenn es nötig sein sollte, Dante zu heiraten, würde sie auch das in Kauf nehmen.
Genevieve bückte sich nach Anas Sachen. Erst jetzt schien sie Dantes Anwesenheit zu registrieren. Abrupt richtete sie sich wieder auf. „Mr Romani, was führt Sie denn hierher?“
Paige meinte, einen leicht hoffnungsvollen Ton in der Stimme der Kindergärtnerin zu hören. Als ob sie hoffte, Dante sei ihretwegen hier. Paige konnte ihr das nicht übel nehmen. Dante wirkte einfach so auf Frauen. Auch auf sie. Obwohl sie es ja wirklich besser wissen sollte. Es hatte keinen Sinn, sich vergeblichen Hoffnungen hinzugeben. Trotzdem hatte ja auch sie sich immer wieder dabei ertappt, sich in Fantasien über Dante zu ergehen.
„Ich will Ana abholen“, bemerkte er.
Verwirrt sah Genevieve ihn an. „Okay.“
Mit unbewegtem Gesicht nahm Dante ihr die Wickeltasche ab. „Mit Paige“, fügte er hinzu. „Es war in den Nachrichten. Aber falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Paige und ich werden heiraten.“
„Oh“, stieß Genevieve hervor.
„Komm, cara mia .“ Dante sammelte Paiges Sachen zusammen.
Wieder verspürte sie den Drang, laut loszulachen. Der Anblick war wirklich amüsant. Wie dieser sonst so Ehrfurcht gebietende Chef ihre mit goldenen Pailletten bestickte Glitzertasche an sich drückte. Gleichzeitig breitete sich in ihrem Bauch jedoch eine wohlige Wärme aus, und in ihrer Brust verspürte sie ein diffuses Ziehen. Das Lachen erstarb in ihrer Kehle.
Sie winkte Genevieve zu und marschierte zur Tür hinaus, die Dante mit der Schulter offen hielt. Resolut schritt sie den Gang entlang und registrierte erst nach einer Weile, dass er immer noch ihre Sachen trug.
„Entschuldigen Sie bitte. Ich nehme das jetzt.“
„Kein Problem.“
„Aber Sie müssen mich wirklich nicht zum Parkplatz begleiten.“ Sie blieb stehen.
„Ich glaube doch.“
„Nein! Wirklich nicht!“
„Wir haben gerade eben unsere Verlobung bekannt gegeben. Glauben Sie wirklich, ich würde meine Verlobte allein lassen: mit einem Baby, den Windeln, ihrer Handtasche … und was ich da noch alles mit mir herumschleppe?“
„Wahrscheinlich nicht. Andererseits haben Sie aber nicht gerade den Ruf, ein Gentleman zu sein.“
„Schon möglich. Aber ich bin ja gerade dabei, mich zu ändern.“
„Warum eigentlich?“
„Sie können ruhig weitergehen, während wir uns unterhalten.“
Nicht zum ersten Mal fiel Paige auf, dass Dante Ana kein einziges Mal ansah. Offensichtlich brachte er für sie nicht mehr Interesse auf als für Paiges Handtasche. Normalerweise reagierten die Menschen anders auf Ana. Lächelten sie an, streichelten ihre runden Wangen oder strichen ihr übers Haar. Was Dante betraf: weit gefehlt. „Oh … Okay. Und wie weiter?“ Sie blieb vor der Tür zum Parkdeck stehen. Ein völlig neues Verhalten, das sie anscheinend in der letzten halben Stunde entwickelt hatte. Und Dante enttäuschte sie nicht. Sofort hielt er ihr die Tür auf.
„Wo steht Ihr Wagen?“
„Direkt hier.“ Sie deutete mit dem Kopf zu einem Parkplatz neben dem Aufgang. „Den habe ich wegen Ana bekommen.“
„Ausgezeichnet. Ich glaube, ich habe diese Regelung eingeführt.“
„Ehrlich gesagt glaube ich, es war Ihr Vater.“
Ein Schatten flog über Dantes Gesicht. „Das könnte stimmen. Er war schon immer sehr pragmatisch veranlagt. Deshalb hat er ja frühzeitig den Firmenkindergarten gegründet. Dadurch schuf er die Firmenbindung seiner Angestellten. Außerdem gab es nicht so viele Fehlzeiten. Von dem gelegentlichen Baseballtermin abgesehen.“
„Kann sein.“ Nervös trat Paige von einem Fuß auf den andern. „Ich habe Ihren Vater leider nie kennengelernt. Aber angesichts der Neuerungen, die er eingeführt hat, scheint er ein guter Chef gewesen zu sein.“
„War er.“
Paige ging zu ihrem Auto. „Ah! Meine Tasche!“ Sie drehte sich zu Dante um. „Ach, egal. Ich habe sowieso vergessen abzuschließen.“
„Sie haben vergessen, den Wagen abzuschließen?“
„Hier ist es doch sicher“, entgegnete sie und setzte Ana in den Kindersitz.
„Würden Sie zusperren, wäre es doppelt so sicher“, erwiderte er steif.
Sie richtete sich auf. „Seit wann leben Sie in diesem Land?“
„Seit ich sechs bin“, antwortete er stirnrunzelnd. „Wieso?“
„Es ist nur … Ihr Englisch klingt sehr formell.“
„Es ist schließlich nicht meine Muttersprache. Außerdem … Don und Mary sprechen auch so. Sehr Upperclass.“
„Sie nennen Ihre Eltern beim Vornamen?“
„Ich war vierzehn, als sie mich adoptierten. Aber das wissen Sie sicher – bei Ihrer Vorliebe für die Regenbogenpresse.“
„Wow! Wie elegant formuliert …“
Dante überging ihren Einwurf. „Es wäre wirklich lächerlich gewesen, hätte ich sie Mom und Dad genannt. In erster Linie hatten sie mich adoptiert, um das Unternehmen weitervererben zu können. Es ging weniger darum, dass sie sich einen Sohn wünschten.“
„Das haben sie gesagt?“
„Das ist der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann.“
„Und warum heißen Sie dann nicht Colson?“ Darüber hatte sie oft nachgedacht. Aber bis heute hatte sich auch noch nie die Gelegenheit ergeben zu fragen.
„Das haben Don und ich von Anfang an so festgelegt. Ich wollte den Namen meiner Mutter behalten.“
„Nicht den Ihres Vaters?“
Dantes Gesicht versteinerte. „Nein“, antwortete er ausdruckslos.
„Okay. Ich verstehe.“ Sie sah auf Ana hinunter, die in ihrem Kindersitz tief und fest schlief. Paige schloss die Autotür und lehnte sich dagegen. „Okay. Dann sehen wir uns also morgen.“
„Nein. Heute Abend.“
„Wie bitte?“
„Wir werden das Ganze nicht ohne gründliche Planung durchziehen. Ich helfe Ihnen – und Sie mir. Es ist in unser beider Interesse. Deshalb muss es echt wirken. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.“
Stumm nickte sie.
„Und denken Sie immer daran: Für Sie hängt mehr davon ab als für mich. Wenn die Sache auffliegt, gibt es einfach nur einen weiteren bösartigen Artikel über mich, aber für Sie …“
„Ich würde alles verlieren.“ Paiges Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
„Und deshalb werden wir das Ganze bestens vorbereiten. Ich fahre Ihnen nach.“
Bei dem Gedanken, ihn – den athletischen, extrem maskulinen und pedantischen Mann – in ihre enge, unordentliche Wohnung zu lassen, wurde ihr äußerst unbehaglich zumute. Allein die Vorstellung, überhaupt einen Mann in ihrer Wohnung zu haben, war ihr schon unangenehm – aber dann auch noch Dante! Doch offensichtlich blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste sich zusammenreißen. Man durfte nicht merken, wie nervös er sie machte. Immerhin war er jetzt ihr Verlobter. Man sollte ja glauben, sie wären sich nah. Plötzlich fühlte sie sich ganz schwach.
„Ich glaube, mir wird schlecht.“
„Soll ich fahren?“
Paige schüttelte den Kopf. „Nein. Es geht schon.“ Sie öffnete die Fahrertür. „Es wird schon gehen“, versuchte sie sich selbst Mut zu machen.
Und hoffte von ganzem Herzen, dass es stimmte.
Paiges Wohnung war wie sie selbst: heiter, unordentlich und leicht chaotisch. Auf jedem Zentimeter befanden sich Leinwände, Schaufensterpuppen, Stoffrollen. An einer Wand stand ein riesiges Bücherregal voller Dosen, gefüllt mit Perlen, Pailletten und diversem anderen Glitzerzeug. In ihrem Büro sah man also nur die Spitze des Eisbergs.
Hier waren die übrigen achtzig Prozent – metaphorisch gesprochen.
„Entschuldigen Sie die Unordnung. Legen Sie die Sachen einfach auf das Sofa.“ Sie setzte Ana mit dem Kindersitz sanft auf dem Tisch ab, löste den Gurt und nahm sie heraus.
Dante wandte die Augen ab. Sie mit dem Kind zu sehen, rief Erinnerungen in ihm wach. Er hätte nicht einmal sagen können, welche, weil er sie sofort im Keim erstickte.
Stattdessen hielt er nach einer Garderobe Ausschau, um zumindest die Tasche aufhängen zu können.
„Werfen Sie sie einfach auf den Boden“, schlug Paige vor und schwang Ana auf ihre Hüfte.
„Es ist nicht meine Art, Gegenstände einfach hinzuwerfen“, antwortete Dante steif.
Paige rollte die Augen. „Dann halten Sie Ana, während ich die Sachen wegräume.“
Dante wich einen Schritt zurück. „Ich halte keine Babys.“
Wieder rollte Paige mit den Augen. „Entweder … oder.“
Er legte die Tasche auf der Küchentheke ab und deponierte anschließend die Stoffrolle auf einem Stapel anderer Stoffbahnen und den Notizblock neben eine Dose mit Stiften. Zumindest verfuhr er nach einem gewissen System.
Paige lachte laut auf. „Es geht Ihnen wirklich enorm gegen den Strich! Sie schaffen es tatsächlich nicht, die Sachen einfach irgendwo abzuladen.“
„Was ist denn daran verkehrt, dass man sorgsam mit den Sachen umgeht, die einem wichtig sind.“
„Tue ich doch.“
„Wie finden Sie hier denn überhaupt etwas?“
Sie legte den Kopf schräg, und er erhaschte wieder einen Blick auf die knallrosa Strähne in ihrem Haar. „Das ist kein Problem.“ Sie legte sich Ana über die Schulter und klopfte sanft auf ihren Rücken, während sie im Zimmer auf und ab ging.
Dante konnte nicht abstreiten, dass sie tatsächlich völlig relaxed wirkte, auch wenn das für ihn unvorstellbar war. Er brauchte Ordnung um sich herum. Bei ihm hatte alles seinen vorgeschriebenen Platz. Struktur und Klarheit in seiner Umgebung waren für ihn absolut unabdingbar und existenziell.
Er räusperte sich. „Wie ist eigentlich Ihre Ringgröße?“
„Sechs. Warum?“
„Sie werden einen brauchen.“
„Danke. Ich habe Ringe. Ich nehme einfach einen von denen“, winkte sie ab.
„Sie haben keinen Ring, den ich der Frau schenken würde, die ich beabsichtige zu heiraten.“
Abrupt blieb Paige stehen. „Vielleicht würde mir der Ring, den Sie kaufen, ja gar nicht gefallen.“
„Wir werden schon einen Kompromiss finden. Auf jeden Fall muss er meinen Ansprüchen genügen.“
Sie seufzte theatralisch und sank mit Ana auf die Couch. „Das nimmt allmählich verheerende Züge an.“
„Sie sind doch diejenige, die die Nachricht von unserer Verlobung verbreitet hat.“
„Ich weiß. In dem Moment, wo es mir entschlüpfte, war mir auch klar, dass ich da womöglich etwas losgetreten habe … aber da war es schon zu spät.“
Seltsamerweise bezweifelte er das keine Sekunde. Wahrscheinlich, weil es von allen Szenarien das womoglich absurdeste war. Hätte sie auch nur eine Sekunde nachgedacht, hätte sie sich einen anderen Mann ausgesucht. Einen, der Kinder mochte. Und junge Hunde, und der zumindest einen Anflug von Einfühlungsvermögen besaß.
Dieser Mann war er definitiv nicht. Das war ihm klar – wie auch jedem anderen.
„Ich kann nicht zulassen, dass man sie mir wegnimmt.“ Paige blickte auf das Köpfchen, das an ihrer Schulter ruhte. „Ich kann nicht zulassen, dass ein einziger dummer Fehler ihr Leben ruiniert. Und meins.“
Dante sah Paige mit dem Baby auf dem Arm an, obwohl ihn eine innere Stimme davor warnte. Ana seufzte tief und zufrieden auf und schmiegte sich an die Schulter der Frau, die für sie ihre Mutter war.
Unerwartet durchzuckte Dante ein Stich. Überrascht identifizierte er die Regung als ehrliches Mitgefühl. Das war neu. Überhaupt ein Gefühl zu verspüren – und dann noch dieses. „Verstehe“, sagte er nur. Und er verstand es tatsächlich. „Das bedeutet jedoch, dass das Ganze nicht nur echt aussehen, sondern tatsächlich echt sein muss.“ Mit der Verlobung wäre es nicht getan. Es musste tatsächlich in eine Ehe münden. „Sie wollen Ana unbedingt behalten.“
„Mehr als alles auf der Welt.“
„Dann müssen wir dafür sorgen, dass die Adoption über die Bühne ist, bevor wir wieder getrennte Wege gehen. Ich gehe davon aus, dass sich die Behörden nicht mit irgendwelchen dubiosen Ritualen zufriedengeben werden. Zum Beispiel damit, dass wir am Strand über einen Besen springen oder sonstige heidnische Zeremonien abhalten.“
„Sie meinen eine … eine echte Ehe?“
„Selbstverständlich.“
Ihre blauen Augen weiteten sich. „Was verstehen Sie darunter?“
Am liebsten hätte Dante schallend gelacht. In ihrem Gesicht spiegelte sich pures Entsetzen. Jede andere Frau würde die Aussicht, in seinem Bett zu landen, begeistern. Normalerweise warteten sie nur darauf – oder ergriffen sogar die Initiative.
Selbstverständlich lehnte er meist ab. Seiner Meinung nach hatten es die meisten nur darauf abgesehen, ihn zu ändern. Sie wollten aus dem hartherzigen Mann einen einfühlsamen Menschen machen. Sie wollten Nähe. Ihn vielleicht retten. Auf jeden Fall strebten sie etwas schlicht Unmögliches an.
Natürlich war er kein Sadist und legte es nicht darauf an, Menschen zu verletzen. Es wäre ein Leichtes, diese Frauen auszunutzen. Aber das tat er nicht. Nichts lag ihm ferner.
Trotzdem fand er Paiges offensichtliches Entsetzen interessant. „So habe ich es doch gar nicht gemeint.“
„Wieso … wovon sprechen Sie?“
Als wenn ihr das nicht klar gewesen wäre! Sie war eine sehr ungeschickte Lügnerin. „Ich habe nicht vor, mit Ihnen zu schlafen.“ Während er die Worte aussprach, überlegte er, ob ihre Unterwäsche wohl genauso farbenfroh war wie der Rest ihrer Kleidung. Vielleicht Spitzenunterwäsche in Pink, die sich von ihrer hellen Haut abhob? Er sah sich schon mit ihr auf weißen Laken, wie er ihr den Slip abstreifte.
Ihre Wangen wurden hochrot. Um von ihrer Verlegenheit abzulenken, blickte sie wieder auf Ana. „Natürlich nicht! Ich meine … davon bin ich auch gar nicht ausgegangen.“
Ich sollte es wirklich bleiben lassen, dachte er. Es macht überhaupt keinen Sinn, mich irgendwelchen Fantasien hinzugeben. Er musste sich jetzt wirklich auf das Wesentliche konzentrieren. Energisch verdrängte er die Bilder, die vor seinem inneren Auge auftauchten. „Das wirkte aber eben nicht so“, bemerkte er.
„Es war einfach nur eine Frage. Ich meine … immerhin haben Sie vor, die Sache weiterzuführen. Ich denke, da ist es doch nur berechtigt, ein paar Fragen zu stellen. Wie Sie das Ganze sehen … mal abgesehen von dem Trauschein.“
„Mit ‚echt‘ meinte ich das ganze Drumherum – das Schlafzimmer natürlich ausgenommen. Sie werden mich zu offiziellen Anlässen begleiten. Und Sie werden natürlich zu mir ziehen müssen. Es muss schon echt wirken.“ Dieser Aspekt gefiel Dante in Wirklichkeit überhaupt nicht. Nicht im Mindesten. Die Vorstellung, diesen schillernden Wirbelwind in seinen Privatbereich eindringen zu lassen, missfiel ihm außerordentlich. Und es ging ja nicht nur um Paige … da war ja auch noch das Baby.
Er biss die Zähne zusammen. Immerhin – sein Haus war geräumig. Es würde schon irgendwie gehen. Außerdem handelte es sich ja nur um einen begrenzten Zeitraum. Wenn er erst einmal eine Entscheidung getroffen hatte, zog er diese nicht mehr in Zweifel.
Paige nickte bedächtig. „Aber – ist das nicht etwas sehr extrem?“
„Das würde ich nicht sagen. Sie sollten eines begreifen: Sie haben uns da wirklich in die Bredouille gebracht. Wenn das Ganze herauskommt, kann das ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Vor allem für Sie.“
Sie blickte zu Boden und nagte an ihrer Unterlippe. „Sie haben recht.“
„Natürlich habe ich recht!“ Er zwang sich, den Blick von ihrem Mund abzuwenden. „Hätten Sie etwas zu trinken?“
„Ich glaube, ich habe einen Kanister Wein im Kühlschrank.“
Dante bemühte sich gar nicht erst, sein Entsetzen zu verbergen. „Einen Kanister?“
„Entschuldigen Sie, falls das nicht Ihrem Niveau entsprechen sollte. Vielleicht können Sie ja außer dem Ring auch noch den Wein für mich aussuchen?“
„Warum nicht? Davon abgesehen, wenn Sie zu mir ziehen, werden Sie sowieso einen Weinkeller vorfinden. Und darunter wird sich ganz gewiss kein Plastikkanister befinden.“
„Sind wir aber vornehm!“ Sie stand auf. „Ich bringe jetzt Ana ins Bett. Meinen Sie, Sie könnten es schaffen, auf mich zu warten, ohne eine Krise zu bekommen?“
„Ich werde es versuchen“, parierte er trocken. Er sah ihr nach, als sie den Raum verließ. Der Schwung ihrer Hüften entging ihm keineswegs – auch nicht die Rundung ihres Pos. Immerhin war er auch nur ein Mann – und sie absolut begehrenswert. Zwar überhaupt nicht sein Typ, aber sie war ihm ja bereits mehr als einmal aufgefallen.
Er bevorzugte reservierte, kühle Frauen – was Aussehen und Ausstrahlung betraf. Paige war genau das Gegenteil. Und das faszinierte ihn unglaublich.
Es dauerte nicht lange, bis sie zurückkam. An ihrer Schulter befand sich ein feuchter Fleck.
„Sie haben da was … auf Ihrem T-Shirt.“
Ungerührt betrachtete sie den Fleck. „Stimmt. Es ist wirklich schlimm im Moment. Ana sabbert unglaublich.“
Dante holte tief Luft – und sank auf die Couch. „Ich glaube, ich trinke doch ein Glas Wein.“ Die Vorstellung, diese Frau und ihren Krimskrams in seinem Haus zu haben – von dem sabbernden Kind einmal ganz abgesehen –, bereitete ihm Magenschmerzen.
Paige zuckte die Achseln und verschwand in der Küche. Sie nahm zwei Gläser aus dem Schrank, die überhaupt nicht zusammenpassten. Das eine Glas war eine hellgrüne Champagnerflöte und das andere ein normales Weinglas. Sie öffnete den Kühlschrank und füllte die Gläser.
Im Wohnzimmer streifte sie die Schuhe ab. „Sorry. Es war schon lange niemand mehr hier. Außer der Sozialarbeiterin, natürlich.“ Sie reicht Dante ein Glas und kauerte sich mit angezogenen Beinen auf einen Stuhl neben der Couch.
„Was heißt: lange?“
Paige blickte in ihr Glas. „Seit Shyla tot ist.“
„Bestimmt eine sehr schwere Zeit für Sie?“ Es fiel Dante nicht leicht, einfühlsame Worte zu finden. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, was Menschen hören wollten, wenn sie traurig waren. Zwar konnte er sich erinnern, als er in der Situation gesteckt hatte, aber nicht, was man damals zu ihm gesagt hatte. Falls man überhaupt etwas zu ihm gesagt hatte.
Paige trank einen Schluck Wein. „Sie war meine beste Freundin. Wir kamen nach dem Schulabschluss zusammen von Oregon nach San Diego.“
„Und warum hierher?“
Sie zuckte die Achseln. „Wegen der Sonne? Keine Ahnung. Wir wollten einfach woanders neu anfangen. Uns neu erfinden. Shyla hat ziemlich schnell jemanden kennengelernt und ist gleich bei ihm eingezogen. Dann wurde sie schwanger, und er bekam Panik. Ich habe ihr dann angeboten, wieder zu mir zu kommen. Es war zwar ziemlich eng, aber es war auch eine tolle Zeit. Und dann … dann kam Ana auf die Welt. Es war wie ein Wunder … absolut fantastisch.“ Paige senkte den Blick. An ihren Wimpern entdeckte er Tränen. „Wir haben es hinbekommen. Wir drei.“
„Wie alt sind Sie eigentlich, Paige?“ Sie wirkte so jung. Ihre Haut war samtig und glatt, die blauen Augen mit dem dichten, dunklen Wimpernkranz schauten offen und unschuldig in die Welt. Und der Mund mit den vollen Lippen war der perfekte Schmollmund. Ohne das Make-up hätte man sie wahrscheinlich für ein Schulmädchen halten können.
„Zweiundzwanzig.“
„Erst?“ Zehn Jahre jünger als ich. Und trotzdem ist sie bereit, sich allein die Verantwortung für ein Kind aufzubürden. „Wollen Sie denn nicht auch irgendwann einmal heiraten? Warum wollen Sie denn jetzt ein Kind? Dafür hätten Sie doch noch Jahre Zeit?“
„Ideal ist es nicht. Da muss ich Ihnen recht geben. Und wenn Sie mich vor ein paar Monaten gefragt hätten, hätte ich das auch weit von mir gewiesen. Aber da wäre es ja auch um ein hypothetisches Baby gegangen. Aber Ana ist echt. Und sie hat niemanden außer mir. Ihre Mutter – meine Freundin, meine allerbeste Freundin – ist tot. Und die Zeile auf der Geburtsurkunde, wo der Name des Vaters stehen sollte, ist leer. Ana braucht mich.“
„Sie braucht nur jemanden, der sie versorgt. Das müssten nicht unbedingt Sie sein.“
„Doch.“
„Aber warum?“
„Weil ich nicht weiß, ob sie jemand so lieben würde wie ich. Außerdem … ich kannte Shyla. Besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Ich werde Ana von ihrer Mutter erzählen können.“ Paiges Stimme brach. „Und es war Shylas Wunsch. Sie hat mich darum gebeten, mich um Ana zu kümmern.“
Die Antwort erschütterte Dante bis ins Mark. Die Erinnerungen, die er bis jetzt erfolgreich unterdrücken konnte, stürmten ungebrochen auf ihn ein. Er war sehr viel älter als Ana gewesen, als er seine Mutter verloren hatte. Dadurch konnte er sich noch an sie erinnern. Erinnerungen, von denen er wünschte, er hätte sie vergessen. Wie sie ihm ein Schlaflied vorgesungen hatte, ihre warmen, sanften Hände … und zuletzt die Erinnerung an Blut. So viel Blut.
Gewaltsam schüttelte er die Bilder ab und griff nach dem Weinglas. Er nahm einen tiefen Schluck und verzog das Gesicht. So stark konnte sein Bedürfnis nach Alkohol gar nicht sein, dass er das trinken würde. Er stellte das Glas zurück.
„Das kann ich nachvollziehen“, erwiderte er.