Zum Glück verführt - Sandra Brown - E-Book
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Zum Glück verführt E-Book

Sandra Brown

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Beschreibung

Herz ist Trumpf!

Schon bei ihrer ersten Begegnung fliegen zwischen Andrea Malone und Lyon Ratliff die Funken – vor Ärger. Denn Lyon möchte um jeden Preis verhindern, dass Andrea seinen Vater interviewt und dessen lang gehütetes Geheimnis der Öffentlichkeit preisgibt. Doch als sich Andrea mit List und Charme Zugang zu der Farm der Ratliffs verschafft, wendet sich das Blatt überraschend schnell. Aus Abneigung könnte Liebe werden, aber Andrea ist nicht frei. Ein anderer Mann erhebt ebensoviel Anspruch auf ihr Herz. Wie wird sich die junge Frau entscheiden?

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EPUB
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Seitenzahl: 291

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Buch

Die Fernsehreporterin Andrea Malone hat vor allem eins im Sinn: ihre Karriere. Wenn sie es schafft, General Michael Ratliff vor die Kamera zu locken, dann wäre sie eine gemachte Frau in ihrem Sender. Doch mit jeder Interviewanfrage beißt Andrea auf Granit, denn Ratliffs Sohn Lyon schirmt seinen Vater völlig ab. Auch Lyon Ratliff ist sauer. Irgend so eine kleine Fernsehreporterin lässt seinen Vater einfach nicht in Ruhe. Jetzt hat sie sich mit List und Charme sogar Zutritt zur Ratliff-Farm verschafft, und der General hat sich bereit erklärt, ihr aus seinem Leben zu erzählen.

Bei jedem Zusammentreffen der beiden Hitzköpfe sprühen die Funken, doch schnell wird aus Ärger privates Interesse. Doch wie soll Andrea Lyon sagen, dass sie schon einmal verheiratet war - und dass es da noch den besten Freund ihres tödlich verunglückten Mannes gibt, der sich liebevoll um ihre Karrierepläne kümmert. Wie soll sich Andrea zwischen diesen beiden Männern in ihrem Leben entscheiden?

Autorin

Sandra Brown arbeitete mit großem Erfolg als Schauspielerin und TV Journalistin, bevor sie mit ihrem Roman »Trügerischer Spiegel« auf Anhieb einen großen Erfolg landete. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen, die mit jedem ihrer Bücher die Spitzenplätze der »New York Times«-Bestsellerliste erreicht! Ihren großen Durchbruch als Thrillerautorin feierte Sandra Brown mit dem Roman »Die Zeugin«, der auch in Deutschland auf die Bestsellerlisten kletterte - ein Erfolg, den sie mit jedem neuen Roman noch einmal übertreffen konnte. Sandra Brown lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und South Carolina.

Weitere Informationen finden Sie unter:www.sandra-brown.de

Liste lieferbarer Titel

Celinas Tochter ⋅ Die Zeugin ⋅ Blindes Vertrauen Scharade ⋅ Verliebt in einen Fremden Sündige Seite ⋅ Envy - Neid ⋅ Crush - Gier Nachtglut ⋅ Kein Alibi ⋅ Betrogen ⋅ Schöne Lüge Nacht ohne Ende ⋅ Schöne Lügen ⋅ Ein Hauch von Skandal Trügerischer Spiegel ⋅ Im Haus meines Feindes Ein Kuss für die Ewigkeit ⋅ Wie ein Ruf in der Stille

Zuletzt im Blanvalet HC

Weißglut (geb. Ausgabe)

Inhaltsverzeichnis

1. KapitelCopyright

Liebe Leserinnen und Leser,

bevor ich mich der allgemeinen Unterhaltungsliteratur zuwandte, habe ich Liebesromane geschrieben. »Zum Glück verführt« erschien ursprünglich vor vielen Jahren.

Die Handlung reflektiert Trends und Lebensart, wie sie seinerzeit aktuell waren – doch bleibt das Thema immer populär und allgemein gültig. Wie in jedem Liebesroman stehen die unglücklich Liebenden im Mittelpunkt. Wir erleben Augenblicke der Leidenschaft und Zärtlichkeit, zwischenmenschliche Spannungen – kurzum: sämtliche Facetten der Liebe.

Es macht mir riesigen Spaß, romantische Liebesgeschichten zu schreiben. Sie bestechen durch ihre optimistische Grundhaltung und den unvergleichlichen Charme, der ihnen innewohnt. Probieren Sie es einfach aus. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Vergnügen bei der Lektüre.

Ihre Sandra Brown

1. Kapitel

Und Sie sind sich sicher, dass er heute herkommen wird?«, erkundigte sich Andy Malone. Aus ihrer Stimme klang leise Skepsis, während sie unbehaglich auf dem hohen Hocker vor dem Bartresen herumrutschte. Das Sitzpolster mit dem zerschlissenen roten Kunstlederüberzug hatte bestimmt schon bessere Tage erlebt.

»Nee, also sicher bin ich mir da nicht.« Gabe Sanders, Inhaber und Chefkoch von Gabe’s Chili Parlor, wischte mit einem nicht mehr ganz frischen Trockentuch über den angeschlagenen Rand eines gespülten Kaffeebechers. »Ich hab bloß gesagt, dass er eventuell heute hier ist. Das ist ein himmelweiter Unterschied, verstehen Sie? Der macht nämlich nur, wozu er gerade Lust hat.« Der weißhaarige alte Mann wieherte los, als hätte er soeben einen Superwitz gerissen.

Scheiß auf den harten, durchgesessenen Barstuhl, wies sie sich mental selbst zurecht. Ihr untrüglicher Berufsinstinkt signalisierte ihr, dass sie es auf gar keinen Fall zu weit treiben durfte mit ihrem Interesse an dem großen Unbekannten. Außerdem war sie auf dem besten Wege, die anderen Mittagsgäste auf sich aufmerksam zu machen. Und wenn Gabe Sanders schnallte, worauf sie es abgesehen hatte, würde er womöglich komplett auf stur schalten.

»Ach ja?« Sie hob den roten Plastikbecher an die Lippen und nippte vorsichtig an dem Eistee, den sie sich bestellt hatte. »Halten Sie Mr. Ratliff denn für einen impulsiven Menschen?«

Schöner Mist, ihre Frage hatte den Besitzer des Schnellimbiss hellhörig gemacht. Das Trockentuch hielt inne bei dem aussichtslosen Versuch, den fleckigen Keramikbecher blank zu polieren. Gabes buschige Brauen zogen sich argwöhnisch über den eben noch freundlich blinzelnden Augen zusammen. »Warum interessieren Sie sich eigentlich so für Lyon Ratliff, häh?«

Andy sann fieberhaft auf eine halbwegs glaubwürdige Ausrede. Schließlich beugte sie sich vertraulich über den Tresen zu ihm hinüber und raunte ihm verschwörerisch zu: »Auf dem College hatte ich eine Kommilitonin, die hier aus der Gegend kommt. Sie erzählte mir von ihm und dass er auf einer riesigen Ranch lebt und einen silbernen Eldorado fährt. Na, und da dachte ich, so was gibt es nur im Film.«

Gabe musterte sie skeptisch. Ihr Selbstbewusstsein sank gegen null, zumal sein Blick keinen Zweifel daran ließ, dass er ihr die Geschichte nicht wirklich abnahm. Für eine Studentin war sie nämlich entschieden zu alt. »Wie hieß sie?«

Seine Frage brachte sie völlig aus dem Konzept. »Wie hieß … wer?«, stammelte sie.

»Na, diese Kommilitonin von Ihnen. Gut möglich, dass ich sie kenne. Ich führ den Laden hier seit 1947. Und kenn die meisten Familien in Kerrville.«

»Oh … na ja, aber meine Studienkollegin sicher nicht … öhm … Carla. Eigentlich stammt sie aus San Antonio und war wohl nur im Sommer hier, um ihre Verwandten zu besuchen oder so.« Andy angelte nach ihrem Glas und nahm einen tiefen Schluck, als hätte der widerlich süße Eistee erhellende Wirkung.

Sie war vor ein paar Tagen in diesem abgelegenen texanischen Nest angekommen, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagten. Seither recherchierte sie mächtig im Trüben. Normalerweise stellte sie es nämlich so geschickt an, dass sich ihr mit bewusst harmlos eingestreuten Fragen Türen öffneten, die anderen verschlossen blieben. Aber hier war sie keinen Schritt weitergekommen. Als ob die Bewohner von Kerrville Lyon Ratliff bewusst vor der Öffentlichkeit abschirmten und damit schließlich auch Andys auserkorenen Interviewpartner, seinen Vater Michael.

Michael Ratliff war der letzte überlebende Fünfsternegeneral des Zweiten Weltkriegs. Andy hatte sich fest vorgenommen, ihn für ihre Fernsehsendung zu gewinnen. Und wenn es stimmte, dass es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand, dann wurde es höchste Zeit für sie. Bislang hatte sie allerdings wenig Grund zur Hoffnung. Zumal Gabe Sanders sich mit einem Mal genauso zugeknöpft gab wie alle anderen, denen sie bereits vergeblich auf den Zahn gefühlt hatte.

Entschlossen schob sie ihr hübsches, kleines Kinn vor, dabei lächelte sie gewinnend. Die goldenen Pünktchen in ihrer braunen Iris schimmerten verführerisch. »Mr. Sanders, hätten Sie vielleicht eine Scheibe Limone für meinen Tee?« Ihr Selbstvertrauen kehrte schlagartig wieder zurück, als sie merkte, dass ihr strahlendes Lächeln bei Gabe Wunder wirkte.

»Geht auch Zitrone?«

»Aber sicher. Gern.«

Lasziv schob sie sich eine zimtfarbene Haarsträhne aus der Schläfe. Obwohl sie es verabscheute, die weiblichen Waffen einzusetzen, nur um jemandem brauchbare Informationen zu entlocken. Viel lieber verfolgte sie eine Story mit demselben routinierten Schwung wie ihre männlichen Journalistenkollegen. Aber wo nötig, brachte sie ihr apartes Äußeres mit einer geballten Ladung temperamentvollem Charme zum Einsatz. Ihr Vater hatte sie in einer seiner schwärmerischen Anwandlungen einmal mit einem zart schmelzenden Parfait aus Vanilleeis, Amaretto und Karamellsauce verglichen.

»Danke«, hauchte sie, als Gabe ihr einen Unterteller mit zwei Zitronenspalten hinschob. Sie drückte den Saft in das widerwärtig süße Getränk, zumal sie sonst selten Zucker verwendete.

»Sie sind nicht von hier, nicht?«

Eine weitere Lüge lag ihr auf der Zunge, aber sie überlegte es sich kurzerhand anders. »Stimmt. Ich stamme aus Indiana, lebe aber jetzt in Nashville.«

»Soso, Nashville? Arbeiten wohl bei der Grand Ole Opry?«

Lachend schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich bin bei einem unabhängigen Kabelsender beschäftigt.«

»Kabel?« Gabes ausdrucksvolle Brauen schossen fragend in die Höhe. »So was wie Kabelfernsehen?«

»Exakt.«

»Treten Sie denn im Fernsehen auf?«

»Hin und wieder. Ich habe eine Interviewshow, die landesweit ausgestrahlt wird.«

»Interviews?« Sein Blick schweifte über ihre Schulter hinweg zu den anderen Gästen im Raum, als hielte er für sie nach einem potenziellen Gesprächspartner Ausschau. Unvermittelt ging ihm ein Licht auf. Seine Augen schossen zu ihr zurück. »Sie wollen doch wohl nicht Lyon um ein Interview mit seinem Daddy bitten, was?«

»Doch, genau das habe ich vor.«

Er musterte sie mit schiefgelegtem Kopf. »Und diese Studienkollegin, die Sie da eben erwähnten, die ist bestimmt erfunden, nicht?«

Gefasst erwiderte sie seinen Blick. »Ja.«

»So was hab ich mir schon gedacht«, meinte er gleichmütig.

»Meinen Sie, Mr. Ratliff würde mir ein Interview mit seinem Vater abschlagen?«

»Darauf möchte ich wetten. Aber fragen Sie ihn doch selbst. Da kommt er nämlich gerade.«

Andys Blick senkte sich auf den Wasserkranz, den ihr Glas auf den Bartresen malte, derweil ihr der Magen in die Kniekehlen rutschte. Währenddessen schepperte die Kuhglocke, die an einer Metallkette über der Tür hing, und Ratliff schob sich ins Innere.

»He, Lyon«, begrüßte ihn jemand von einem der Ecktische aus.

»Lyon«, rief ein weiterer Gast.

»Jim, Pete.« Seine kehlig raue Stimme klang zu ihr herüber, ließ ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken laufen.

Sie hatte gehofft, dass er sich neben sie an den Tresen setzte. Dann wären sie bestimmt locker ins Gespräch gekommen. Fehlanzeige. Angestrengt lauschte sie auf seine Schritte. Dummerweise steuerte er ans Ende der Theke. Aus dem Augenwinkel herausnahm sie ein jeansblaues Hemd wahr. Geschäftig lief Gabe zu ihm.

»Hi, Lyon. Was darf ich dir bringen? Ein Chili?«

»Nee danke. Viel zu heiß heute. Außerdem hat Gracie gestern Abend Chili gemacht, und nachher hatte ich einen total verkorksten Magen.«

»Lag das nicht eher an den Margaritas, mit denen du das Zeug runtergespült hast?«

Ein dunkles Lachen schüttelte seinen trainierten Brustkorb. »Was du nicht sagst.« Diese Stimme. Was für ein Typ war das wohl, der über eine solche Wahnsinnsstimme verfügte? Andy, die ihre Neugier schließlich nicht mehr bezähmen konnte, riskierte einen verstohlenen Blick. In dem Moment meinte er zu Gabe: »Mach mir einen doppelten Cheeseburger.«

»Kommt sofort.«

Aber das bekam die Journalistin schon nicht mehr mit, zu sehr war sie auf Lyon Ratliff fokussiert, den sie sich ganz anders vorgestellt hatte. Auf jeden Fall älter, vermutlich weil General Ratliff schon weit in den Achtzigern war. Offensichtlich war sein Sohn jedoch erst nach dem Krieg geboren, denn sie schätzte ihn auf etwa fünfunddreißig.

Er hatte dichte, schwarze, gewellte Haare, die an den Schläfen silbrig schimmerten. Dunkle, markant geschwungene Brauen. Welche Augenfarbe mochte er wohl haben? Das konnte sie auf die Entfernung beim besten Willen nicht erkennen. Seine schmale, römisch anmutende Nase hätte zu einem Schauspieler gepasst, der in den Verfilmungen biblischer Szenen mitwirkte, der sinnlich volle Mund dagegen zu einem völlig anderen Genre.

»Ist das da auf dem Grill Fleisch von der Ratliff-Ranch?« , erkundigte er sich bei Gabe.

Erneut lauschte Andy hingerissen. Seine Stimme klang wie eine Offenbarung, dynamisch und voller Nachdruck, dass man gar nicht weghören konnte. Sein heiser-rauchiges Timbre war pure Erotik. Und passte definitiv besser zu der zweiten Darsteller-Kategorie.

»Aber sicher«, erwiderte Gabe. »Ia-Qualität. Was Besseres kannst du lange suchen.«

Schmunzelnd lehnte Lyon sich zurück. Als er sich wieder vorbeugte, um nach einem Glas Eiswasser zu greifen, das Gabe ihm hingeschoben hatte, bemerkte er zufällig die junge Frau. Er stutzte, sah weg und nahm den Blickkontakt seelenruhig wieder auf.

Andy verfolgte, wie er – seine Iris war tatsächlich rauchgrau – ihr Gesicht taxierte. Als er ihr in die Augen schaute, gewahrte sie in seinen Verblüffung. Aber das war sie gewöhnt. Zumal das irisierende Topasbraun, das von dichten, dunklen Wimpern umrahmt wurde, so ziemlich jeden faszinierte.

Die grauen Augen glitten zu ihren Haaren. Machte sie der im Nacken zusammengebundene Pferdeschwanz etwa zu jung? Oder, Grundgütiger, sah sie womöglich aus wie eine Dreißigjährige, die einen auf jünger machen wollte?

Krieg jetzt bloß keine Paranoia, Andy, ermahnte sie sich. Natürlich war ihre zimtfarbene Mähne mit den aufgehellten Strähnchen ein Blickfang. Und die Schweißperlen am Haaransatz? Bemerkte er die auch? Auf einem vergilbten Transparent warb Gabe zwar mit seinen vollklimatisierten Räumlichkeiten, trotzdem fühlte Andy sich unangenehm verschwitzt. Unvermittelt spürte sie jede Körperzelle, ihre vibrierenden Nervenenden. Als würde sie bei lebendigem Leib seziert – von Lyon Ratliff, der diese besondere Spezies mit wissenschaftlichem Interesse betrachtete.

Als seine Augen zu ihrem Mund schweiften, senkte sie den Blick. Tastete nach ihrem Glas und hätte es um ein Haar umgestoßen. Sie biss sich nervös auf die Lippe. Blöde Kuh, schimpfte sie sich im Stillen. Statt ihn von sich abzulenken, verstärkte sie seinen visuellen Forscherdrang womöglich noch.

Was war bloß auf einmal mit ihr los? Das hier war ein Job wie jeder andere. Und sie ein Vollprofi, oder? Seit drei Tagen war sie hinter diesem Typen her, erkundigte sich beiläufig nach ihm und seinem Vater, saugte jede noch so winzige Information auf wie ein Schwamm und ertrug rüde Abfuhren. Stundenlang hatte sie sich in dem altbackenen Schönheitssalon herumgedrückt und dem Provinzklatsch gelauscht, in der Hoffnung, irgendetwas Substanzielles über die Ratliffs herauszubekommen. Und sich höflich, aber entschieden geweigert, dass man ihr eine Dauerwelle verpasste, »damit Ihr Haar mehr Volumen bekommt«. Letztlich hatte sie nicht mehr erfahren, als dass Lyon an der letzten Tanzveranstaltung im Countryclub nicht hatte teilnehmen können, weil es seinem Daddy gesundheitlich schlechter ging, dass er neue Pflanzen für die Ranch bestellt hatte – und dass die Manikürekraft mit Sicherheit vom Marquis de Sade höchstpersönlich ausgebildet worden war.

Und jetzt, wo er nur ein paar Schritte von ihr entfernt saß, brachte sie doch tatsächlich keinen vernünftigen Satz heraus und hätte sich am liebsten in ihre Bestandteile atomisiert. Wo, bitte schön, war ihre professionelle Coolness, ihr Selbstvertrauen geblieben? Die Hartnäckigkeit, mit der sie üblicherweise die Gesprächsführung bestritt, hatte sich verflüchtigt. Die Objektivität, die sie sonst bei ihren Reportagen auszeichnete, schien ausgeblendet – wegen der schier umwerfenden sexuellen Ausstrahlung dieses Mannes. Sie hatte Prominente, Politiker und Staatsoberhäupter interviewt – sogar zwei Präsidenten der Vereinigten Staaten – und dabei kein bisschen Fracksausen gehabt. Und dann das: Dieser Cowboy kommt in einen angeranzten Schnellimbiss spaziert – und schon bin ich ein hoffnungsloses Nervenbündel.

Krampfhaft um Fassung bemüht, hob sie den Kopf und musterte ihn trotzig. Er taxierte sie dermaßen abschätzig, dass ihr die Luft wegblieb. Um seine Mundwinkel herum zuckte es verächtlich. Die Botschaft war auch ohne Worte eindeutig:

Okay, okay, die Gleichberechtigung der Frau mag ja für sich gesehen eine prima Sache sein. Aber momentan bist du für mich nichts weiter als ein Lustobjekt, und da gibt’s verdammt noch mal nichts dran zu rütteln, Kleine.

Doch, fauchte sie im Stillen. Sie würde ihm diese arrogante Nummer schlicht und einfach austreiben müssen. Ihm in ruhigem, sachlichem Ton beibiegen, für wen sie arbeitete und warum sie hergekommen war … Sobald er seinen Cheeseburger verputzt hat, entschied sie gnädig, da Gabe ihm soeben das Ungetüm vor die Nase schob.

Abwesend blätterte sie in Gabes angeschmuddelter, fettgesprenkelter Speisekarte. Die Preise waren im Laufe der Jahre immer wieder durchgestrichen oder neu übermalt worden. Andy schlürfte ein weiteres Glas von dem ekelhaft süßen Tee. Beobachtete, wie eine Mutter ihrem kleinen Jungen Ketchup vom Mund wischte, woraufhin dieser sich eine weitere matschige Fritte nachschob und den Ausgangszustand wiederherstellte. Sie spielte an dem Drahtgestell herum, in dem drei Flaschen Steaksauce standen. Zupfte vier Papierservietten aus einem Spender und tupfte umständlich den Wasserring auf, der sich unter ihrem Glas gebildet hatte.

Schließlich fasste sie sich ein Herz und spähte zum Ende der langen Theke hinüber: Lyon war fast fertig mit seiner opulenten Mahlzeit. Er nippte an einem Kaffee, seine langen, schlanken Finger zupackend um den Becher gelegt. Konzentrierte sich auf das Verkehrschaos, das draußen vor der breiten Glasfront des Schnellimbiss herrschte. Als sie jedoch von dem hohen Barhocker herunterglitt, riss er sich von dem Anblick los und schaute zu ihr herüber. Noch während sie ihm zulächelte, hätte sie sich ohrfeigen mögen. Herrje, hoffentlich wirkte ihr Lachen nicht zu mädchenhaft oder wie ein Flirt, und er fasste das Ganze als Anmache auf!

»Hallo«, sagte sie. Auf wackligen Beinen stakste sie zu ihm und blieb neben seinem Stuhl stehen.

Er begutachtete sie mit einem langen Blick und nickte anerkennend. Grinste lasziv und verströmte dabei – ehrlich – reinen Sexappeal. Als fände er nichts Besonderes dabei, von einer ihm wildfremden Frau angesprochen zu werden. »Hi.«

Mist, er wollte es ihr bewusst schwermachen und bot ihr keinerlei Gesprächseinstieg. Auch gut, Mr. Ratliff. Sie atmete tief durch und sagte: »Ich bin Andrea Malone.«

Andy fiel aus allen Wolken, war er doch schlagartig wie umgewandelt. Die Augen unter den dunkel geschwungenen Brauen blickten mit einem Mal finster und unnahbar. Für eine lange Weile fixierte er sie eisig, dann drehte er sich kurzerhand zum Tresen und kehrte ihr seinen breiten Rücken zu. Trank weiter seinen Kaffee, als wäre sie gar nicht existent.

Sie spähte zu Gabe hinüber. Er schien demonstrativ damit beschäftigt, die Salzstreuer aufzufüllen, gleichwohl hätte sie wetten mögen, dass er die Lauscher aufgestellt hatte, um nur ja alles mitzubekommen. Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. »Ich sagte, ich bin …«

»Ich weiß, wer Sie sind, Ms. Malone«, schnaubte Lyon vernichtend. »Sie kommen aus Nashville, von der Telex Cable Television Company.«

»Demnach haben Sie wenigstens den Absender gelesen, bevor sie die Briefe ungeöffnet an mich zurückschickten, stimmt’s?«, erkundigte sie sich mit einem Hauch von Provokation in der Stimme. Das hoffte sie jedenfalls.

»Stimmt.« Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Seine stoische Gelassenheit machte sie rasend. Am liebsten hätte sie ihm die Kaffeetasse aus den Fingern gerissen – wenn das überhaupt möglich gewesen wäre, bei diesen zupackenden Händen – und durch den Raum geschleudert, um diesem Arroganzbolzen ein bisschen Dampf zu machen. Allerdings hätte ihre impulsive Handlung leicht in eine Katastrophe münden können. Und sie hatte wenig Lust, sich mit diesem muskelbepackten Adonis anzulegen. Sie war zwar ehrgeizig, aber bestimmt nicht lebensmüde. »Mr. Ratliff, Sie wissen …«

»Ich weiß, was Sie wollen. Und meine Antwort lautet: Nein. Das habe ich Ihnen definitiv schon vor Monaten auf Ihren ersten Brief hin geantwortet. Der einzige, auf den ich reagiert habe. Offenbar ist Ihnen der Inhalt jenes Schreibens entfallen. Er lautete im Wesentlichen, dass Sie sich Ihren Atem, Ihre Energie, Zeit, Geld und« – er taxierte sie zynisch – »die albernen neuen Klamotten hätten sparen können. Ich würde niemals meine Einwilligung dazu geben, dass Sie meinen Vater für Ihre Fernsehsendung interviewen. Meine Haltung zu diesem Thema hat sich seit damals nicht geändert.« Wieder kehrte er ihr eiskalt den Rücken zu.

Andy war der festen Überzeugung gewesen, dass sie, ausstaffiert mit knallengen Bluejeans und Westernstiefeln à la Texas-Cowgirl, in dieser ländlichen Idylle völlig unauffällig, sozusagen Undercover hätte recherchieren können. Aber damit hatte sie wohl schwer danebengelegen. Okay, sie hatte es vermasselt. Was soll’s. Trotzdem würde sie die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen. Sie straffte die Schultern, nicht merkend, dass dabei die sportlich geschnittene Baumwollbluse über ihrem Busen spannte. »Sie haben sich meinen Vorschlag noch gar nicht angehört, Mr. Ratliff. Ich …«

»Interessiert mich nicht«, versetzte er scharf. Dabei schnellte sein Kopf zu ihr herum, und sein Blick traf unbeabsichtigt auf ihre spitzen Brüste. Andy hätte im Erdboden versinken mögen. Sie erstarrte, fühlte sich völlig ausgeliefert in dieser kompromittierenden Situation. Wagte nicht zu atmen, als er nach einer langen Weile den Blick hob und sie wütend anfunkelte.

»Keine Interviews mit meinem Vater«, betonte er mit leiser, eindringlicher Stimme. »Er ist ein alter, kranker Mann. Da haben vor Ihnen schon ganz andere bei mir angefragt, erfahrene und hochkarätige Leute aus der Branche, Ms. Malone. Meine Antwort lautet definitiv: Nein.«

Er schwang sich vom Barhocker. Gute Güte, war der Typ riesig, sie reichte ihm gerade mal bis zur Schulter, stellte Andy fest. Sie wich einen Schritt zurück und beobachtete fasziniert, wie er in die Tasche seiner figurbetonten Jeans griff und eine Fünfdollarnote herauszog. Während sich seine Hand in den eng anliegenden, festen Stoff schob, flutete eine heiße Röte über ihre Wangen. Er legte den Geldschein neben seinen Teller. Nach der unappetitlichen Speisekarte zu urteilen, war das mehr als das Doppelte dessen, was ein großer Cheeseburger eigentlich kostete.

»Danke, Gabe. Man sieht sich.«

»Bis neulich, Lyon.«

Andy war fassungslos, dass er sie dermaßen eiskalt abservierte. Als wäre sie Luft für ihn, strebte er schnurstracks dem Ausgang zu. Frustriert heftete sie sich an seine Fersen. »Mr. Ratliff«, rief sie kleinlaut.

Er blieb stehen und drehte sich gefährlich langsam zu ihr um. Andy beschlich das unangenehme Gefühl, von winzigen Lasern durchbohrt zu werden, als sein Blick sie vom Scheitel bis zu den Spitzen ihrer neuen Stiefel vermaß.

»Ich mag keine ehrgeizigen, karrieregeilen Tussis, Ms. Malone. Und genau diesen Eindruck machen Sie auf mich. Ich sträube mich vehement dagegen, dass mein Vater Interviews gibt – und vor allem Ihnen. Also packen Sie Ihre neuen Klamotten zusammen und Ihren hübschen kleinen Arsch wieder nach Nashville, wo Sie herkommen.«

In dem kleinen, stickigen Motelzimmer knallte Andy ihre Handtasche auf das Bett und warf sich in den unbequemen Sessel. Presste die Finger auf ihre Stirn, während sie mit den Daumen die hundsgemein dröhnenden Schläfen massierte. Keine Ahnung, ob es an der Hitze, dem ungewohnten Klima oder an Lyon Ratliffs rigoroser Abfuhr lag. Jedenfalls hatte sie wahnsinnige Kopfschmerzen. Sie seufzte. Ganz bestimmt hatte es mit diesem unsäglichen Typen zu tun. Warum auch legte er ihr gnadenlos Steine in den Weg?

Ein paar Minuten später stand sie auf, streifte die ungewohnt steifen Stiefel von den Füßen und trat sie beiseite. »Nichts für ungut, aber genug ist genug«, knirschte sie. Sie glitt ins Bad, wo sie zwei Aspirin mit dem lauwarmen Wasser herunterspülte, das aus dem Kaltwasserhahn kam.

»Wieso hast du ihm nicht einfach eine in seine arrogante Visage verpasst?«, fuhr sie ihr Spiegelbild an. »Stehst da rum wie eine komplette Vollidiotin und lässt dich von ihm niederbügeln, tss!« Sie löste die Spange aus ihrem Haar und schüttelte es missmutig nach hinten, was ihren Kopfschmerzen gar nicht guttat. »Und das alles nur, weil du dieses blöde Interview willst, stimmt’s?«

Ihr grauste davor, Les anzurufen. Was sollte sie ihm berichten? Er steckte berufliche Niederlagen nur schlecht weg, wobei Niederlage noch milde ausgedrückt war. Während sie Vorwahl und Nummer eintippte, überlegte sie, wie sie ihm die Hiobsbotschaft schonend beibringen könnte. Die Telefonistin von Telex meldete sich, und sie ließ sich in Les’ Büro durchstellen. »Ja«, vernahm sie seine gereizte Stimme in der Leitung.

»Hi, ich bin’s.«

»Ach nee, und ich dachte schon, du wärst in diesem Provinznest von irgendwelchen Cowboys gekidnappt worden. Echt nett von dir, dass du dir die Zeit nimmst, mich anzurufen.«

Zynismus. Momentan schien Zynismus schwer angesagt. Andy trug es mit Fassung, wie sie Les’ sämtliche Launen ertrug. »Tut mir leid, Les, aber ich hab deshalb nicht angerufen, weil ich nichts Positives für dich hatte. Schon vergessen, unser Memo im letzten Monat von wegen unnötiger Kosten durch ineffiziente Ferngespräche?«

»Aber das gilt doch nicht für dich, Andy-Maus«, sagte er etwas versöhnlicher. »Wie kommst du denn so klar in der Wildnis?«

Sie rieb sich die pochenden Schläfen. »Nicht besonders«, meinte sie gedehnt. »In den ersten Tagen habe ich komplett auf der Stelle getreten. Inzwischen weiß ich auch nicht viel mehr, bloß, dass der Garten um das Ranchhaus neu gestaltet werden soll. Das ist alles. Das und wo Lyon Ratliff, der Sohn, bisweilen zu Mittag isst, wenn er in der Stadt ist. Heute hatte ich immerhin das Vergnügen, den Gentleman persönlich kennen zu lernen.«

Sie starrte auf ihre Nylonsöckchen und wackelte mit den Zehen, bemüht, Lyons beißenden Kommentar beim Hinausgehen auszublenden. Und sich stattdessen auf seinen Blick zu konzentrieren, als sie einander das erste Mal tief in die Augen geschaut hatten. Sie hatte sich einfach toll gefühlt … begehrenswert wie schon lange nicht mehr.

»Und«, bohrte Les ungeduldig.

»Oh … und … ähm … das ist echt ein harter Brocken, Les. Der bleibt stur wie ein Maultier. Unmöglich, mit diesem Rüpel vernünftig zu reden.«

»Klingt nach einem verdammt netten Typen«, wieherte Les.

»Er war regelrecht verletzend zu mir.« Abwesend zupfte sie an einem Wollfaden des leuchtend rot und schwarz gestreiften Bettüberwurfs herum. »Inzwischen bin ich schwer im Zweifel, Les, ob es überhaupt Sinn macht. Vielleicht sollten wir die Sache fallen lassen. Was, wenn der alte General wirklich zu geschwächt ist für ein Interview? Die Berichte über seinen Gesundheitszustand stimmen mich misstrauisch. Womöglich steht er die Aufregung nicht durch. Oder ist gar nicht mehr dazu in der Lage, Fragen zu beantworten. Was hältst du davon, wenn ich die Zelte abbreche und zurückkomme?«

»Andy-Maus, was ist denn auf einmal mit dir los? Ist dir etwa die heiße texanische Sonne zu Kopf gestiegen?«

Sie vermochte sich Les bildhaft vorzustellen. In diesem Augenblick würde er seine Füße in den bequemen Wildledertretern vom Schreibtisch nehmen, den Chefsessel näher heranrollen und das Kinn wie Rodins »Denker« in die Hand stützen. Seine horngerahmte Brille auf den rotblonden Haarschopf schieben oder irgendwo auf dem hoffnungslos überfüllten Schreibtisch ablegen, zwischen überquellende Aschenbecher, leere Schokoriegelverpackungen und wochenalte Zeitungsartikel. Wäre sie jetzt nicht tausend Meilen weit weg, sondern in seinem Büro, träfe sie tiefe Verachtung aus seinen kalten, blauen Augen. Sie schauderte, als spürte sie seinen vernichtenden Blick bereits durchs Telefon.

»Willst du dir von diesem bornierten Bauernlümmel etwa in die Parade fahren lassen, Baby? Da hast du doch schon ganz andere Kaliber bewältigt. Knallharte Brocken. Weißt du noch, diese durchgeknallten Gewerkschaftsfuzzis? Sind mit Stöcken auf unseren Fotografen losgegangen, aber dir fraßen sie nach zehn Minuten quasi aus der Hand. Weil sie scharf waren auf deinen Luxusbody. Jeder Mann, der Augen im Kopf hat …«

»Les«, unterbrach sie ihn scharf. »Ich darf doch sehr bitten.«

»Bitten, um was? Baby, bei dir würde ich mich nicht lange bitten lassen. Wann immer du Lust hast.«

Sie, Les Trapper und Robert Malone hatten gemeinsam bei einem kleinen Fernsehsender angefangen. Les hatte die aktuellen Nachrichtensendungen produziert, Robert war Reporter gewesen. Andy hatte die Abendnachrichten moderiert, gemeinsam mit einem linkischen Jerry-Lewis-Typen, der schon seit der Gründung des Senders dabei war. Die Unternehmensleitung hatte sich verständlicherweise nicht dazu durchzuringen vermocht, diesem bebrillten Urgestein nach all den Jahren noch zu kündigen.

Auch nach ihrer Heirat mit Robert waren die drei gute Freunde geblieben. Da sich ihr Mann als Fernsehkorrespondent häufig im Ausland aufgehalten hatte, war sie ab und zu mit Les ausgegangen, aber natürlich rein platonisch.

Unvermittelt dachte sie wieder an jenen Abend, als Les sie aufgesucht und ihr schonend beigebracht hatte, dass Robert bei einem Erdbeben ums Leben gekommen war. In Guatemala, wo er für eine Reportage recherchierte. Les hatte sich über Wochen hinweg rührend um sie gekümmert, ihr vieles abgenommen, was sie psychisch nicht verkraftet hatte. Noch Monate nach Roberts Tod hatte sie sich hinter Les versteckt. Für sie war er der große Beschützer.

Sie waren Freunde geblieben und arbeiteten inzwischen beide für Telex. Dass Les seine schlüpfrigen Angebote nicht ernst meinte, war ihr sonnenklar. Er war nie solo, hatte immer irgendwas am Laufen, oft sogar mehrere Affären nebeneinander.

Gleichwohl hatte der Job oberste Priorität für ihn. Das war immer so gewesen und würde auch so bleiben. Er war enorm ehrgeizig. Für eine Superstory hätte er vermutlich sogar seine eigene Großmutter verkauft. Er war ein ausgekochtes Schlitzohr, und nach Andys Einschätzung fehlte es ihm des Öfteren an Sensibilität und Taktgefühl. Seine Ausdrucksweise war bisweilen unterste Schublade, seine Launen waren legendär.

Trotzdem war er ihr Freund. Und ihr Chef. Und deshalb rückte sie besser schleunigst mit einer konstruktiven Idee heraus.

»Was hältst du davon, wenn ich Lyon Ratliff zu einem Interview bewege? Er wäre sicher …«

»Stinklangweilig. Der lässt doch nichts raus. Teufel noch mal, kannst du mir mal verraten, wer sich für diesen Nobody interessiert? Wir brauchen den alten Herrn, Andy-Maus. Und zwar dalli, bevor er uns abkratzt, klar? Du willst doch groß rauskommen, oder?«

»Na logo. Das wäre absolut genial.«

»Okay, dann solltest du dich schleunigst von der Ich-pack-das-nicht-Nummer verabschieden.« Seine Stimme wurde merklich weicher. »Andy-Maus, du hast es drauf. Du kannst es mit den Spitzenleuten beim Sender aufnehmen. Du hast Talent. Du bist die beste Reporterin, die ich kenne. Weißt du noch, wie du diesen Massenmörder fertig gemacht hast? Der Typ hat echt geheult. Ich hab’s gesehen – auch ohne Brille. Du bist jung, klug, sexy, ein Vollblutweib mit Augen, bei denen Männer schwach werden. Setz deine Superfigur ein. Verführ diesen Cowboy und …«

»Les!«

»Pardon, das war mir glatt entfallen. Immerhin rede ich mit der keuschesten Evastochter, die jemals erschaffen wurde, um die lüsterne Männerwelt zu verführen. Schau mal, Andy, für wen sparst du dich eigentlich auf, hm? Bestimmt nicht für mich – ich hab nämlich zigmal versucht, bei dir zu landen. Seit Roberts Tod vor drei Jahren lebst du enthaltsam wie eine Nonne. Du hast nämlich ein Problem, du bist zu verkrampft. Werd mal ein bisschen lockerer, Baby. Klimper mit deinen langen Wimpern bei diesem Rodeoreiter, und schon frisst er dir aus der Hand wie sein Gaul.«

Lyon Ratliff und aus der Hand fressen? Bei der absurden Vorstellung musste sie sich das Lachen verbeißen. Dafür seufzte sie resigniert. Irgendwie hatte Les ja Recht. Sie rackerte sich in ihrem Job ab und gönnte sich kein bisschen Privatleben. Ob es daran lag, dass sie nach Roberts Tod viel zu oft allein war? Oder dass sie sich zwanghaft dazu berufen fühlte, ihrem Vater, einem bekannten Journalisten, nachzueifern?

Allerdings entsprach die Anstellung bei Telex beileibe nicht ihrer Vorstellung von einem ultimativen Traumjob, obwohl sie landesweit auf den Bildschirmen präsent war. Nein, ihr schwebte eine Karriere bei einer der großen, renommierten TV-Gesellschaften vor. Aber um dort einen Job zu bekommen, musste man einen Wahnsinnscoup landen. Ein Interview mit General Michael Ratliff wäre das Karrieresprungbrett schlechthin – die ungeteilte Aufmerksamkeit der renommierten Fernsehbosse hätte sie damit locker in der Tasche.

»Also gut, Les. Ich bin zwar nicht einverstanden mit deinen Methoden, aber letztlich ziehen wir beide an einem Strang. Ich probier’s noch mal.«

»Super, das ist mein Mädchen! Du sagtest doch was von Landschaftsgestaltung, oder? Schlepp dem Typen meinetwegen irgendwelches Grünzeug an. Womöglich kannst du dich sogar mit einer Ladung Gartenzwerge bei ihm einschmuggeln.«

»Hahaha. Deine Ideen waren auch schon mal besser.«

»Immer schön fröhlich bleiben, Baby. Kannst wohl keinen Spaß mehr vertragen, hm?«

»Ich leg jetzt auf, Les.«

»Bis bald, Andy-Maus. Ich liebe dich.«

»Ich dich auch. Ciao.«

Den Rest des Nachmittags verbrachte sie am Motelpool. Das hatte sie sich redlich verdient, beschwichtigte sie sich, als sie sich auf einer der Liegen ausstreckte. Sie fühlte sich psychisch und physisch ausgepowert, auch wenn man ihr äußerlich nichts anmerkte. Ganz im Gegenteil: In ihrem winzigen Zweiteiler erntete sie anerkennende Pfiffe von drei jungen Typen, die in einem Pick-up vorbeifuhren. Ein harmloser Flirt.

Und wie stand es mit Lyon Ratliff?

Es war jetzt Stunden her, dass er sie einer kritischen Musterung unterzogen hatte. Sobald sie aber wieder an seine anzüglichen Blicke dachte, spürte sie, wie ihr Körper noch im Nachhinein darauf reagierte. Ein ahnungsvolles Ziehen wogte durch ihre Brüste; die rosigen Spitzen unter dem knappen Bikinioberteil wurden fest, ihr Unterleib von einem erotisierenden Prickeln erfasst. Ein untrügliches Signal dafür, dass sie auch nach Roberts Tod heimliche Sehnsüchte, Wünsche hatte.

Gegen Abend schwang sie sich in ihren kleinen Mietwagen und fuhr zu einem Grillrestaurant, wo sie sich ein Steaksandwich kaufte, das sie in ihrem Motelzimmer aß. Der Fernseher lief, aber die unsäglichen Serien und Shows waren einfach nur langweilig. Sie versuchte, sich in einen aktuellen Liebesroman zu vertiefen. Obwohl der Held blond und grünäugig war, stellte Andy ihn sich dunkel gelockt vor, mit rauchgrauen Augen in einem herb anziehenden, sonnengebräunten Gesicht. Mit sinnlich vollen Lippen, die sich missmutig zuckend verzogen und gleichzeitig unvergessliche Küsse versprachen. Unvermittelt stellte sie sich Lyons schlanken, trainierten Körper nackt vor. Verglichen mit dessen maskuliner Ausstrahlung war der Held in ihrem Buch ein müder Abklatsch.

»Lyon ist der größte Kotzbrocken, der mir jemals untergekommen ist«, knirschte sie. Sie warf das Buch beiseite, lief zur Tür und schloss ab. Bevor sie die Nachttischlampe ausschaltete, warf sie noch einen flüchtigen Blick über ihre Schulter. Betrachtete ihre Silhouette in dem hohen Ankleidespiegel. Sie trug lediglich ein T-Shirt und einen Minislip. »Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben«, baute sie sich moralisch auf. Die Sache fing an, ihr Spaß zu machen.

Im Nachhinein konnte sie es kaum fassen, wie einfach das Ganze gewesen war! Ganz nebenbei hatte sie im Schönheitssalon nämlich mitbekommen, dass Lyon Ratliff eine Ladung Pflanzen für die Ranch bestellt hatte. Und die Frau des Gärtnereibesitzers war vor Stolz fast geplatzt, als sie den Kundinnen verkündete, dass ihr Mann die Gehölze am Donnerstagmorgen liefern und einsetzen würde.

Als Andy am anderen Morgen aufwachte, reifte in ihr ein Plan. Im Stillen dankte sie Les für die Inspiration. Sie entschied sich für einen leichten wildseidenen Hosenanzug mit einer ärmellosen, korallenroten Bluse. Steckte das Haar im Nacken zu einem Knoten zusammen, zumal die strenge Frisur ihre professionelle Kompetenz unterstrich. Dann fuhr sie in Richtung Ratliff-Ranch und stellte den Wagen etwa eine Meile vor ihrem Ziel auf dem Seitenstreifen ab. Hoffentlich war sie nicht zu spät dran.

Nachdem sie etwa zwanzig Minuten gewartet hatte, sah sie den schwer beladenen Gärtnerei-Lkw über den Highway herantuckern. Sie sprang aus dem Wagen und winkte mit ihrem Sonnenhut – eine hilflose, junge Frau, die verloren am Straßenrand stand. Wie von ihr heimlich eingeplant, hielt der Lastwagen kurz hinter ihr. Sie lief zu dem Fahrer hin, der hilfsbereit aus dem Führerhaus sprang.

Die Originalausgabe erschien 1983 unter dem Titel »Prime Time« bei Warner Books, a TimeWarner Company, New York.

1. Auflage Deutsche Erstausgabe November 2007 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München. Copyright © Sandra Brown, 1983 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007 by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH. Umschlaggestaltung: HildenDesign, München Umschlagmotiv: Michal Pudobycko MD ⋅ Herstellung: Heidrun Nawrot Satz: DTP Service Apel, Hannover

eISBN 978-3-641-10034-6

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