Zweite Chance für den Millionär - Nancy Salchow - E-Book

Zweite Chance für den Millionär E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Ihre ganze Kindheit und Jugend haben sie gemeinsam auf dem Land verbracht: Johanna und Nick. Einen Sommer lang war er sogar ihre große Liebe. Bis es ihn in die Großstadt zog, um Karriere zu machen, während sie in der Provinz blieb, um auf dem Bauernhof ihrer Familie zu arbeiten. Acht Jahre später ist er plötzlich wieder da: vermögend, erfolgreich und noch immer unverschämt gutaussehend. Doch während er Johannas Nähe sucht, geht sie instinktiv auf Abstand, viel zu wütend ist sie noch immer darüber, dass er sie damals zurückgelassen hat. Doch ihre verdrängten Gefühle für Nick sind nicht das einzige Problem, denn seine Rückkehr scheint nur der Zwischenstopp auf einer Dienstreise zu sein. Die Tatsache, dass Johannas Ex-Freund Mike wenig begeistert über Nicks Rückkehr ist, macht das Gefühlschaos schließlich perfekt. Ein emotionaler Kampf um Vertrauen, verdrängte Gefühle und die eigenen Prinzipien stellt Johannas Leben auf den Kopf. Der Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und natürlich ein wohlverdientes Happy End.

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Danksagung und Nachwort

Impressum

Über das Buch

Ihre ganze Kindheit und Jugend haben sie gemeinsam auf dem Land verbracht: Johanna und Nick. Einen Sommer lang war er sogar ihre große Liebe. Bis es ihn in die Großstadt zog, um Karriere zu machen, während sie in der Provinz blieb, um auf dem Bauernhof ihrer Familie zu arbeiten.

Acht Jahre später ist er plötzlich wieder da: vermögend, erfolgreich und noch immer unverschämt gutaussehend. Doch während er Johannas Nähe sucht, geht sie instinktiv auf Abstand, viel zu wütend ist sie noch immer darüber, dass er sie damals zurückgelassen hat.

Doch ihre verdrängten Gefühle für Nick sind nicht das einzige Problem, denn seine Rückkehr scheint nur der Zwischenstopp auf einer Dienstreise zu sein. Die Tatsache, dass Johannas Ex-Freund Mike wenig begeistert über Nicks Rückkehr ist, macht das Gefühlschaos schließlich perfekt.

Ein emotionaler Kampf um Vertrauen, verdrängte Gefühle und die eigenen Prinzipien stellt Johannas Leben auf den Kopf.

Der Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und natürlich ein wohlverdientes Happy End.

Es handelt sich um eine Neuauflage des Romans „Millionäre überbewertet“.

Anmerkung:Fleesenow ist eine von der Autorin erfundene Kleinstadt an der Ostsee, die immer mal wieder in ihren Büchern vorkommt. Angesiedelt wäre Fleesenow, gäbe es den Ort wirklich, vermutlich irgendwo in der Nähe der Insel Poel oder Wismar, der Heimat der Autorin.

Prolog

Für den Bruchteil von Sekunden verliere ich mich in der Art, wie er mich anschaut. Jeder andere Mensch könnte mich auf dieselbe Weise anschauen und es wäre nichts weiter als ein Blick. Aus Nicks Augen jedoch wirkt jede Aufmerksamkeit wie eine Botschaft – tiefgründig wie ein lange gehütetes Geheimnis, intensiv wie ein vertrauliches Geständnis.

Alles in mir sehnt sich danach, die Zeit zurückzudrehen und mich mit dem Kopf einer Frau dem Bauchgefühl eines Mädchens hinzugeben – dem Mädchen, das ich glaubte, nicht mehr zu sein. Doch es ist zu viel geschehen. Vor allem aber ist zu viel nicht geschehen. Träume, die wir hätten ausleben können. Wege, die wir hätten gemeinsam gehen können.

„Johanna?“ Er schaut mich fragend an, als mein Schweigen anhält. Doch anstatt ihm zu antworten, löst sich jedes Wort in meinem Kopf auf, bis nur noch gedankenlose Leere übrig ist.

Worüber haben wir gerade eben noch gesprochen? Warum haben wir gestritten? Und was genau werfe ich ihm eigentlich vor?

Ich fühle mich wie in einer Zeitschleife, die mich nicht mehr hergeben will. Eine Schleife, die an mir zerrt und mich gleichzeitig mit Emotionen überhäuft, von denen ich glaubte, sie längst hinter mir gelassen zu haben.

Ich schaue auf und erwidere seinen Blick, der mich noch immer auf unerschütterliche Art und Weise festhält.

Er steht so nah vor mir, dass ich seinen Atem hören kann.

Was tue ich hier eigentlich? Und warum hatte ein einziges Lied die Macht, mich aus dem Zelt zu vertreiben und in diese Situation zu bringen?

Ich möchte etwas sagen, doch meine Stimme gehorcht mir nicht. Stattdessen beginnt sich alles um uns herum zu drehen.

Ich sehe meine Hand, als wäre es die einer anderen Person, wie sie sich seitlich an seinen Hals legt, meine andere Hand, wie sie seine Wange berührt.

Und plötzlich gibt es kein Zurück mehr. Mehr Zugeständnisse scheint er nicht zu brauchen. Entschlossen zieht er mich an sich und küsst mich so leidenschaftlich, als hinge sein Leben davon ab.

Spätestens von diesem Moment an schaltet sich mein Kopf komplett aus. Alles, wonach ich mich sehne, ist hier und jetzt zum Greifen nah. Ich spüre seine Zunge an meiner, warm und fordernd, selbstbewusst und leidenschaftlich. Es ist der Kuss eines selbstsicheren Mannes, der ganz genau weiß, was er will. Und doch spüre ich irgendwo zwischen seinen kräftigen Händen noch immer denselben Mann, fast noch ein Junge, der mir damals seine Liebe gestanden hat.

Seine Lippen wandern zu meinem Hals, während er mein Haar sanft zur Seite streicht.

Eine allesübergreifende Ungeduld überkommt mich. Fast scheint es so, als habe sie acht Jahre gebraucht, um sich in mir in diesem Maße aufzustauen, nur um jetzt alle Zweifel wegzuspülen.

Ich sehe mir selbst dabei zu, wie ich nach seiner Hand greife und ihn hinter mir herziehe.

Die Tür zum Stall des alten Jensen ist nicht verschlossen. Um diese Uhrzeit ist hier niemand zu erwarten, erst recht nicht am Tag des Festes, das alle Bewohner zum Zelt und dem dazugehörigen Lagerfeuer zieht.

Noch in der offenen Tür fallen wir übereinander her. Mit dem Fuß schlägt er sie hinter uns zu, ohne dabei die Hände von mir zu lassen.

Die Musik aus dem Festzelt ist dumpf bis hierher zu hören und scheint wie eine blasse Erinnerung aus einer anderen Welt, während wir mit mutigen Schritten unsere eigene Realität betreten.

Keiner von uns beiden sagt auch nur ein Wort – und doch scheinen wir ganz genau zu wissen, was der andere denkt.

Als hätte er geahnt, was ich hier und jetzt, genau in diesem Moment brauche, zieht er mich in eine der ehemaligen Pferdebuchten. Halb küssend, halb an den Klamotten des anderen zerrend, lassen wir uns im Stroh nieder.

Ist das wirklich wahr? Gerade eben haben wir uns noch die bissigsten Kommentare an den Kopf geworfen und jetzt liegen wir hier, frei von allen Hemmungen und Zweifeln.

Bin das noch immer ich?

Und vor allem, ist das noch immer derselbe Mann, dem ich vor acht Jahren mein Herz geschenkt habe?

Alles scheint so vertraut, und doch ist alles anders.

Kapitel 1

„Da bist du ja!“ Mit offenem Mund steht Nadja in der Stalltür und starrt mich an, als hätte ich den Urknall verpasst. „Ich habe dich schon überall gesucht.“

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“ Ich schiebe die Forke ins Stroh, während ein Huhn empört in der Buchte gackert, weil ich es beim Eierlegen störe. „Ich bin gerade beim Ausmisten, das siehst du doch.“

Unbeeindruckt von ihrer für sie so typischen Hibbeligkeit schiebe ich das alte Stroh in den Sack, ohne aufzusehen.

„Johanna.“ Nadja wird lauter. „Ich rede mit dir!“

Seufzend stelle ich die Forke gegen die Wand und schaue auf. Wie immer wirkt sie mit ihren engen weißen Jeans, dem schwarzen Glitzertop und dem platinblonden Kurzhaarschnitt wie ein Fremdkörper zwischen Stroh und Tieren.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du dir andere Klamotten anziehen sollst, wenn du mich auf dem Hof besuchst“, schimpfe ich. „Wehe, du jammerst hinterher wieder, dass du in Hühnerdreck getreten bist.“

„Zum Umziehen war keine Zeit, ich bin direkt aus dem Salon hergekommen.“

„Himmel, was ist denn so dringend?“ Ich schiebe mir eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus dem Zopfgummi gelöst hat. „Du siehst ja aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

„Okay, ich mach’s kurz: Die Mutter von Nick war vorhin zum Schneiden und Föhnen bei uns. Ich war gerade hinten im Personalbereich und habe zufällig ihr Gespräch mit einer anderen Kundin belauscht.“

„Zufällig?“ Ich hebe die Augenbrauen.

„Stell dir vor, sie hat erzählt, dass Nick herkommt.“ Ihr Atem wird schneller. „Hierher nach Fleesenow.“

Für einen Moment ringe ich um Fassung, versuche jedoch, mir nichts anmerken zu lassen.

„Und wenn schon.“ Ich räuspere mich. „Dann besucht er eben seine Eltern, ist doch nichts dabei.“

„Er kommt nie her. Wenn, dann besuchen sie immer ihn in München. Fast so, als würde er krampfhaft versuchen, seiner alten Heimat aus dem Weg zu gehen. Seiner alten Heimat und …“

„Und mir, du kannst es ruhig aussprechen.“

„So habe ich das nicht gemeint.“

„Aber ich meine es so, Nadja. Acht Jahre lang war es ihm egal, wie es seinen alten Freunden geht, da erlaubst du mir doch hoffentlich auch, dass es mir inzwischen egal ist, wie es ihm geht.“

„Willst du mir etwa weismachen, dass es dich nicht interessiert, dass er nach all den Jahren plötzlich wieder da ist?“

Ich greife nach der Forke und harke das restliche Stroh zusammen. „Er hat sich für ein anderes Leben entschieden, welche Rolle spielt es da noch, was ich denke?“

„Seine Mutter hat erzählt, dass er inzwischen sogar Millionär ist. Das musst du dir mal vorstellen: Der kleine Nick auf dem Traktor deines Vaters scheffelt heute das große Geld mit dem Verkauf von Bioprodukten. Eine Idee, die er zweifellos seinen ländlichen Wurzeln zu verdanken hat.“ Sie schlägt lachend die Hände zusammen. „Ha! Das heißt dann wohl, dass wir gewissermaßen auch einen Anteil an seinem Erfolg haben.“

„Hörst du dir eigentlich selbst zu?“

„Ach Joey.“ Sie zwinkert mir zu. „Ich mache doch nur Spaß. Außerdem dachte ich mir, dass ich dir lieber gleich von seinem Besuch erzähle, bevor du es von jemand anderem erfährst.“

„Das ist wirklich lieb gemeint.“ Ich lasse die Schultern sinken und stütze mich auf die Forke. „Aber was soll ich denn deiner Meinung nach tun? In Panik verfallen? Nick war derjenige, der damals abgehauen ist. Es war seine Entscheidung, nicht meine. Wenn jemand nervös sein sollte, dann er und nicht ich. Aber ich wette mit dir, dass es ihn einen feuchten Dreck interessiert, wen von uns er wiedersieht.“

„Klingt aber sehr nach Verbitterung, wenn du mich fragst und nicht nach einer Frau, der es ganz egal ist, ihren Ex wiederzusehen.“

„Es war nur ein Sommer, Nadja. Glaubst du etwa, dass ich ihm heute noch nachtrauere?“

„Vielleicht wart ihr einen Sommer lang ein Paar, aber davor wart ihr jahrelang die besten Freunde. Das vergisst man doch nicht so einfach, auch wenn du versuchst, mir das einzureden.“

Langsam fangen ihre Anekdoten an zu nerven. Typisch Nadja. Entweder merkt sie wirklich nicht, wenn sie sich auf zu dünnem Eis bewegt oder sie will es nicht merken.

„Also schön.“ Ich hole tief Luft. „Was willst du von mir hören? Dass es seltsam ist, ihn wiederzusehen? Ja, das ist es. Dass ich mir damals die Augen wegen ihm ausgeheult habe? Ja, das habe ich – und niemand weiß das besser als du, nachdem ich den Weinvorrat deiner Eltern gekillt habe und du es auf dich genommen hast, damit ich keinen Ärger bekomme. Das werde ich dir nie vergessen.“ Ich atme aus. „Aber das alles ist so lange her. So verdammt lang her, Nadja. Was für eine Frau wäre ich, wenn ich mit 25 immer noch nicht über ihn hinweg wäre?“

„Eine Frau, die einfach wahnsinnig verknallt war.“ Sie tritt einen Schritt näher, sorgsam darauf bedacht, sich nirgends schmutzig zu machen. „Komm schon, Joey, ich bin’s. Es gibt keinen Grund, die coole Socke zu spielen. Lass uns darüber reden.“

„Also schön, er kommt zurück.“ Ich hebe die Arme. „Und nun? Soll ich deswegen durchdrehen? Wer weiß, ob wir uns überhaupt über den Weg laufen? Vielleicht ist er ja auch nur ein paar Tage hier.“

„Ich weiß nicht, wie lange er bleibt. Nur, dass er auf jeden Fall morgen auf dem Scheunenfest sein wird.“

Mein Herz beginnt zu rasen. Das jährliche Scheunenfest. Unweigerlich schieben sich die Bilder unseres letzten gemeinsamen Sommers in meinen Verstand. Unser erster Kuss. Unsere erste gemeinsame Nacht. Sein Liebesgeständnis. Es fühlt sich an, als lägen Jahrzehnte zwischen damals und jetzt.

„Und wenn schon.“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich da sein werde.“

„Du bist immer dort. Alles andere wäre auffällig, Süße.“

In Momenten wie diesen hasse ich es, dass sie alles über mich weiß.

„Musst du nicht in den Laden zurück?“, frage ich unruhig.

„Das ist der Vorteil, wenn man einen eigenen Salon hat“, antwortet sie. „Man kann auch mal spontan verschwinden, wenn man gerade keine Kundin bedient und die Kollegin da ist.“

„Schön für dich.“ Ich presse meine Lippen zusammen. „Aber wenn ich mit den Hühnern fertig bin, muss ich rüber zu den Pferden. Wie du siehst, habe ich also keine Zeit zum Tratschen.“

„Ach Joey.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Du bist einfach süß, wenn du versuchst, mir etwas vorzumachen.“ So schnell, wie sie gekommen ist, verschwindet sie wieder durch die Stalltür. Draußen dreht sie sich noch einmal um. „Lass uns später telefonieren, okay?“

Ich winke ihr flüchtig zu, ohne sie wirklich anzuschauen. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist ein weiterer skeptischer Blick von ihr, mit dem sie mich zu analysieren versucht.

Ich ziehe den mit altem Stroh befüllten Sack aus dem Stall und werfe ihn über meinen Rücken, um ihn zum Komposthaufen zu tragen. Auf halber Strecke bleibe ich stehen.

Gedankenverloren lasse ich meinen Blick in die Ferne wandern, hinaus auf die goldenen Felder und die mächtigen Eichen, die sie säumen, bis hin zu dem alten Kopfsteinpflaster, das zum Fleesenower See führt.

Der See. Auch er ist mit so vielen Erinnerungen verbunden.

Wie lange ist das alles her? Und wann wird sich die Gegenwart ein für alle Mal von der Vergangenheit lösen? Vielleicht niemals?

Das Krähen des Hahns reißt mich aus den Gedanken. Wie wach geworden kippe ich den Sack aus und mache mich auf den Weg zum Unterstand, um frisches Stroh zu holen. Was auch immer in meinem Kopf vor sich geht, die Arbeit macht sich schließlich nicht von allein.

Kapitel 2

„Wir haben schon seit Tagen nicht mehr zusammen gefrühstückt, Schatz.“ Nirgends klingt die Stimme meiner Mutter vorwurfsvoller als am Telefon.

„Ich bin in letzter Zeit einfach früher aus dem Haus als sonst, Mama. Da hatte ich noch keinen Hunger. Ich trinke morgens nur meinen Kaffee und dann bin ich auch schon draußen auf dem Hof.“

„Das gilt nicht als Ausrede. Dein Vater ist seit fünfunddreißig Jahren Frühaufsteher und isst trotzdem jeden Tag sein Frühstück. Also, kommst du morgen früh rüber? Es gibt auch deine Lieblings-Sanddorn-Marmelade.“

„Wir wohnen und arbeiten auf demselben Bauernhof – und du rufst mich an, um mich das zu fragen?“ Ich lache. „Wir haben uns vor einer Stunde gesehen, Mama.“

„Ach, ich musste nur gerade daran denken, als ich den Marmeladen-Bestand geprüft habe.“

„Du bist süß. Also schön. Wenn es dir so wichtig ist, bin ich morgen gegen sechs bei euch, okay?“

„Prima. Und was machst du jetzt? Gehst du noch aus?“

„Heute nicht. Ich lasse mir glaube ich ein heißes Bad ein und bin für den Rest des Tages faul. Ella hat mir heute den letzten Nerv geraubt, da muss ich mich erst mal ein wenig erholen.“

„Du hast sie zu sehr verwöhnt, das ist jetzt die Quittung.“

„Sie ist eine ganz normale Stute, Mama. Ich habe sie niemals anders behandelt als die anderen Pferde. Nur im Moment will sie einfach nicht richtig fressen.“

„Hast du Dr. Farnow schon angerufen?“

„Er kommt nachher noch kurz vorbei.“

„Das ist gut. Lass uns morgen weiterreden, ja? Dein Vater sucht mal wieder nach den Schlüsseln für den Van. Wir sehen uns, Schatz.“

„Mach’s gut, Mama.“

Ich lege das Telefon auf die Schlafzimmervitrine und setze mich aufs Bett.

Alles scheint wie immer. Die Gespräche mit meiner Mutter, die sich ständig Sorgen um mich macht, obwohl ich ihr niemals Anlass dafür biete. Die Arbeit mit den Tieren. Die Koordination für das Hofcafé.

Und doch, irgendetwas ist anders.

Mein Blick fällt auf den Kleiderschrank neben der Tür.

Instinktiv stehe ich auf und öffne ihn, auf Zehenspitzen stehend greife ich schließlich ins obere Fach und ziehe einen kleinen Karton heraus.

Seufzend lasse ich mich erneut aufs Bett fallen und nehme den Deckel ab.

Alte Postkarten und Fotos. Erinnerungen aus vergangenen Tagen.

Unterbewusst scheine ich genau zu wissen, wo ich finde, was ich suche, denn schon nach wenigen Griffen halte ich es in der Hand.

Der Sommer 2009.

Lachend legt er von hinten die Arme um mich, während er auf einem Strohballen sitzt und ich mit breitem Grinsen davor stehe.

Das lange schwarze Haar fällt mir auf die Schultern, an meinen Jeans hängt etwas Heu vom Transport der Pferde, die wir an dem Tag von einem anderen Hof geholt haben.

Nick trug das Haar damals kurz.

Ob es noch immer genauso dunkel ist wie seine Augen?

Seine Augen. Dieser freche Blick, der einfach alles zu sehen scheint und doch so voller Wärme ist.

Schnell lege ich das Foto zurück und drücke den Deckel auf den Karton.

Warum tue ich mir das an? Warum lasse ich es zu, dass allein die Gewissheit, dass er zurückkehrt, diese Gefühle in mir auslöst? Und warum zum Teufel kehren die Erinnerungen an seinen Abschied selbst acht Jahre später immer wieder zurück?

Ich tue das nicht nur für mich, Joey. Ich will etwas im Leben erreichen. Für uns beide.

Wie soll dein Verschwinden für uns beide gut sein? Mein Leben ist hier, Nick. Das weißt du. Ich liebe es hier, und ich brauche niemanden, der mir irgendein besonderes Leben beschert. Ich kann für mich selbst sorgen.

Daran habe ich keinen Zweifel, aber bevor ich weiß, wie es mit uns weitergeht, muss ich die Weichen für meine Zukunft legen, und das geht nun mal nicht hier.

Da ist sie wieder, die Wut, die mir den Atem raubt. Die Wut auf ihn und seine Entscheidung. Die Wut auf mich, weil ich ihm immer noch den Zugang zu meinen Gedanken gewähre.

Entschlossen springe ich auf, schiebe den Karton zurück in den Schrank und lehne mich gegen die Tür, als könne allein diese Geste die Vergangenheit auslöschen.

Was auch immer ihn dazu bewegt hat, nach Fleesenow zurückzukehren, eins steht fest: Ich werde mich davon nicht aus der Spur bringen lassen.

Kapitel 3

„Guten Morgen, Bruno. Kommst du nach hinten zur Lagertür? Mein Transporter steht schon draußen, ich habe die Eier- und Gemüselieferung dabei.“

„Hallo Johanna. Dich schickt der Himmel.“ Bruno kommt hinter seinem Verkaufstresen hervor und nickt seiner Kollegin am Regal zu, die Kasse zu übernehmen.

Sein enganliegendes weißes T-Shirt, das seinen gewaltigen Bauch bedeckt, bringt mich insgeheim auch an diesem Morgen zum Grinsen. Die aschgraue Kappe, die seinen mittlerweile fast komplett kahlen Kopf bedeckt, gehören zu ihm wie die Maisernte zum Herbst.

„Ich hole nur noch schnell die Bestellliste.“ Er verschwindet durch den Gang mit den Reinigungsmitteln in Richtung Büroräume.

„Ich gehe schon mal nach hinten“, rufe ich ihm nach.

Gerade als ich mich zur Ladentür umdrehen will, zucke ich wie erstarrt zusammen. „Du?“

Er steht vor mir wie die Erscheinung aus einem verblassten Traum.

„Hallo Joey“, ist alles, was er sagt. Fast so, als hätten wir uns gerade erst gestern gesehen.

Wortlos starre ich ihn an.

Dieselben durchdringenden Augen wie früher, das Haar etwas kürzer, im Gesicht der Ansatz eines Dreitagebartes.

Augenblicklich schieben sich die Erinnerungen mit ganzer Macht in meinen Verstand.

Seine Oberarme sind kräftiger als früher. Ob er Sport treibt?

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich noch immer nichts gesagt habe.

„Du siehst gut aus“, sagt er mit sanftem Lächeln.

„Danke, du auch.“ Ich kämpfe mir ein höfliches Grinsen ab.

„Es ist lange her“, sagt er leise.

„Acht Jahre“, antworte ich mit fester Stimme.

Unsere Vorgeschichte würde zumindest eine Umarmung erfordern. Stattdessen stehen wir uns in der Mitte des Ladens gegenüber und unterhalten uns wie zwei oberflächliche Bekannte, die nur aus Höflichkeit miteinander reden.

„Ich habe euren Transporter vor der Tür gesehen“, sagt er. „Der ist ja doppelt so groß wie der alte.“

Ich nicke. „Wir liefern mittlerweile viel größere Mengen aus als früher. Unser Kundenstamm ist gewachsen. Unser Angebot auch und …“ Ich verstumme. Es fühlt sich seltsam an, derart belanglose Floskeln mit ihm zu wechseln.

„Meine Mutter sagt, ihr richtet inzwischen auch Landhochzeiten aus.“

„Alle Feierlichkeiten, die so gebucht werden. Es gibt immer viel zu tun. Die Ernte, die Tiere, das Hofcafé, die Kutschfahrten. Es kommt einiges zusammen.“

„Deine Eltern sind sicher sehr glücklich über deine Unterstützung.“

„Das klingt so, als würde ich das alles nur ihnen zuliebe tun.“

„So habe ich das nicht gemeint, Joey. Das weißt du.“

Ich beiße mir auf die Zunge. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für den alten Streit.

„Es scheint sich jedenfalls einiges getan zu haben, seitdem ich weggegangen bin“, sagt er.

„Johanna!“ Brunos Stimme lässt mich aufschrecken. Mit der Liste in der Hand steht er hinter mir. „Du bist ja immer noch hier. Ich wäre dann so weit.“

„Tut mir leid. Ich habe mich festgequatscht.“

„Nick! Das gibt’s ja nicht.“ Bruno schlägt ihm freudig auf die Schulter. „Du hier? Was verschafft uns die Ehre? Habe gehört, du hast ordentlich Karriere in der großen weiten Welt gemacht.“

„Bruno.“ Nick umarmt ihn. „So groß ist die Karriere nun auch wieder nicht. Außerdem kann keine Karriere die Heimat ersetzen.“

Scheinheiliges Gequatsche! Von wegen Heimat. Acht Jahre lang keinen Fuß in heimische Gefilde setzen und jetzt so gefühlsduselig werden?

Cool bleiben, Joey. Er ist es nicht wert, dass du dich aufregst.

„Von mir aus können wir, Bruno“. Ich räuspere mich. „Ich muss danach noch zu einem anderen Kunden.“

„Na dann.“ Er löst sich von Nick. „Dann lass uns mal den Transporter leeren.“

„Wir sehen uns sicher später noch.“ Nick lächelt mir zu.

„Bestimmt“, ist alles, was ich herausbekomme.

Ohne mich noch einmal umzudrehen, folge ich Bruno durch den Laden in Richtung Lager. Doch mit jedem Schritt, den ich mich von Nick entferne, wird mir bewusst, wie viel Macht seine Anwesenheit noch immer auf mich hat.

Warum bin ich noch immer wütend auf ihn? Warum kann es mir nicht einfach egal sein, ob er hier ist, in München oder auf Hawaii? Das Letzte, was er verdient hat, ist auch nur ein einziger meiner Gedanken.

Nick und ich, das war gestern.

Und gestern ist acht Jahre her.

Kapitel 4

„Unser Kundenstamm ist gewachsen? Das ist alles, was du zu ihm gesagt hast?“ Nadja wirft ein Kleid neben mir aufs Bett. „Du verarschst mich, oder?“

„Na ja, wir haben belangloses Gefasel ausgetauscht, und dann kam Bruno, um die Lieferung mit mir durchzugehen.“

Sie zieht ein weiteres Kleid aus dem Schrank und hält es vor sich. „Was meinst du? Zu gewagt?“

„Du weißt schon, dass wir zum Scheunenfest gehen und nicht auf die Fashion Week, oder?“

„Mein letztes Date ist Wochen her. Ich brauche endlich mal wieder ein bisschen Frischfleisch im Bett – und wenn ich mir das angeln will, kann das Outfit nicht sexy genug sein.“

„Dann zieh’ es einfach an und gut ist. Wozu brauchst du da meine Meinung?“

„Aber du hast versprochen, mir beim Aussuchen zu helfen.“

„Am Ende ziehst du doch eh immer an, was du willst. Egal, was ich sage.“ Ich zwinkere ihr zu. „Das wissen wir doch beide.“

Seufzend wirft sie das Kleid zu dem anderen und setzt sich neben mich.

„Nun sag schon.“ Sie mustert mich skeptisch. „Wie war es für dich, ihn zu sehen? Du musst doch irgendetwas empfunden haben.“

„Also jetzt gerade empfinde ich eine große Portion Genervtheit, weil du wieder mal nicht lockerlässt.“

„Komm schon, Joey, wir wissen doch beide, dass du eigentlich darüber reden willst.“

„Selbst wenn ich es wollte, es gibt nichts zu erzählen. Wir haben uns nur kurz begrüßt, ein bisschen über den Hof geredet und das war’s auch schon.“

„Wie hat er denn ausgesehen? Wie hat er dich angeschaut?“

„Wie er mich angeschaut hat? Ist das dein Ernst?“

„Um Himmelswillen, Joey, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“

„Also gut, wenn du es genau wissen willst: Er hat mich angesehen, als hätte er ein schlechtes Gewissen.“

„Sehr gut.“ Sie schlägt die Hände zusammen.

„Was ist daran bitteschön gut?“

„Na ja, das zeigt doch, dass du ihm nicht egal bist.“

„Wen interessiert es, ob ich ihm egal bin? Er hat jetzt sein Leben und ich meins. Und daran wird auch seine kurze Stippvisite in Fleesenow nichts ändern. Die anderen können ihn ja gern wie den Papst begrüßen, für mich ändert sein Auftauchen nichts.“

„Ach Joey.“ Sie legt die Hand auf mein Knie. „Du kannst ja gern ihm oder den anderen etwas vormachen, aber mir nicht. Ich weiß, dass er die Liebe deines Lebens war – und das ändert sich nicht einfach so.“

„Du hast es schon ganz richtig erkannt, Nadja. Er war meine große Liebe. Heute bin ich erwachsen und alt genug, um zu wissen, dass Liebe eben nicht alles im Leben ist. Vor allem dann nicht, wenn es eine einseitige Liebe ist.“

„Einseitig? Ist nicht dein Ernst, oder? Jeder Vollidiot weiß doch, wie sehr dich Nick vergöttert hat. Und zwar schon lange bevor ihr zusammengekommen seid.“

„Wenn er mich so sehr vergöttert hätte, wäre er nicht einfach so abgehauen.“

„Er wollte doch, dass du ihn begleitest, oder?“

„Du weißt, dass ich meine Zukunft schon immer auf dem Hof gesehen habe. Das war mein Plan – und er ist es bis heute.“

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein totaler Dickkopf bist?“

„Ach ja? Nur weil ich liebe, was ich tue?“

„Nein, weil du nicht akzeptierst, dass eben auch andere Leute ihre eigenen Zukunftspläne haben.“

„Du verstehst das nicht.“ Ich stehe auf und gehe zum Fenster. Wortlos schaue ich hinaus.

„Ach ja?“ Sie legt ihr Kinn von hinten auf meine Schulter und umschließt mich mit beiden Armen. „Und was verstehe ich nicht, Herzchen?“

„Es hat mich einfach verletzt, wie leicht es ihm fiel, mich zurückzulassen. Wie selbstverständlich es für ihn war, sein ganzes Leben hier aufzugeben. All seine Worte über die Liebe zu seiner Heimat, zum Leben auf dem Land sind doch rückblickend keinen Cent wert gewesen. Ich meine, er konnte ja gar nicht schnell genug wegkommen. Für mich fühlte sich das an wie …“ Ich gerate ins Stocken.

„Wie was?“

„Na ja, als würde er auf uns alle hinabschauen. Auf alle, die das Leben auf dem Land lieben und auch dazu stehen. Auf alle, die ihrer Heimat treugeblieben sind.“

„Und wenn du alle sagst, meinst du in Wahrheit dich?“

Ich versuche, die Tränen zurückzuhalten. Verrückt, dass die Emotionen selbst nach all der Zeit noch die Macht haben, mich zum Weinen zu bringen.

„Er hat dir viel bedeutet“, sagt sie leise, als sie meine Tränen bemerkt. „Das vergisst man nicht so einfach.“

„Das ist es nicht.“ Ich streiche meine Wange trocken. „Es war nur so … so demütigend.“

„Findest du nicht, dass du übertreibst? Er hat das Leben hier doch nie schlecht gemacht. Er wollte einfach studieren, etwas erreichen. Jeder hat halt andere Prioritäten. Deswegen bedeutet ihm seine Heimat sicher nicht weniger als dir.“

„Und warum ist er dann kein einziges Mal hier gewesen während seines Studiums? Warum ist er nicht spätestens danach zurückgekommen? Nein, ihm ging es immer nur ums Wegkommen. Weg von hier. Weg von allem, was uns als Kinder miteinander verbunden hat.“

Ich atme tief ein. Dann drehe ich mich mit gequältem Lächeln um.

„Aber was auch immer damals passiert ist“, ich räuspere mich, „es spielt heute keine Rolle mehr. Ich mache mein Ding und nichts und niemand wird mich davon abhalten.“

Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Das klingt schon viel besser. Und jetzt lass uns auch für dich die richtigen Klamotten für heute Abend aussuchen. Es ist nämlich sehr wichtig, dass du noch schärfer als sonst aussiehst. So scharf, dass sich Nick schwarzärgert, dass er dich damals sitzengelassen hat.“

Ich lache. „Klingt nach einer ausgezeichneten Idee.“

Kapitel 5

„Papa!“ Ich halte die Hand vor den Mund. „Du bist ja kaum wiederzuerkennen.“

Meine Mutter hakt sich mit stolzem Blick bei ihm unter. „Da siehst du mal, welchen Einfluss ich auf deinen Vater habe, wenn er mich lässt.“

Papa macht eine wegwerfende Handbewegung. „Es ist doch nur ein neues Hemd, das ist alles.“

Ich nehme einen Schluck von meiner Weißweinschorle. „Nein ehrlich, Papa, du siehst richtig gut aus, wenn du mal für ein paar Stunden deine grüne Latzhose an den Nagel hängst.

---ENDE DER LESEPROBE---