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Eine geheime Mission bringt Navy-SEAL David "Flipper" Holloway nach Key West. Hier sollen Top-Secret-Informationen aus Regierungskreisen weitergegeben werden. Die Spur führt zu einer gewissen Swan Jamison, die auf der Insel einen Schmuckladen betreibt. Flippers Auftrag: mit Swan flirten, ihr Vertrauen gewinnen, herausfinden, was sie treibt. Doch als die atemberaubende Schönheit ihn mit ihrem sexy Lächeln bezaubert, ist die Mission in Gefahr! Sein Verlangen für die Verdächtige brennt lichterloh …
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „An Honorable Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2062 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Gabriele Ramm
Abbildungen: Harlequin Books, S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733724733
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Marinestützpunkt Coronado in San Diego, Kalifornien
„In was für Schwierigkeiten steckst du nun schon wieder?“
David Holloway, der von seinen Navy-SEAL-Kollegen „Flipper“ genannt wurde, schaute auf die vier Männer, die wie Brüder für ihn waren. Mehr als einmal hatten sie schon ihr Leben füreinander riskiert, und sie würden auch weiterhin aufeinander aufpassen, sei es nun im Dienst oder privat. Diese Bindung erklärte ihre besorgten Gesichter. Kurz fragte er sich, woher sie wussten, dass er zum Admiral beordert worden war.
„Ich hoffe, in keinen, Mac“, antwortete Flipper.
Aber genau wie seine Freunde wunderte auch er sich. Normalerweise wurde man nur zum Admiral zitiert, wenn man wegen irgendeiner Sache getadelt werden sollte, und er steckte nie in Schwierigkeiten. Okay, selten. Als Sohn eines pensionierten SEAL-Offiziers und als Jüngster von fünf Brüdern – alle Navy SEALs – wusste er, dass es besser war, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.
„Vielleicht gibt’s irgendeine Veranstaltung, zu der du seine Tochter begleiten sollst. Du bist schließlich der einzige Single unter uns“, meinte Coop grinsend.
Flipper fand das nicht lustig. Sie kannten Georgianna Martin, die dreiundzwanzigjährige Tochter des Admirals. Sie war zwar hübsch, aber die Horrorstorys, die sie von ihren Teamkollegen gehört hatten, die aufgefordert worden waren, Georgianna zu Veranstaltungen zu begleiten, waren alles andere als amüsant. Sie galt als total verwöhnt, egoistisch und versnobt. Deshalb hoffte Flipper inständig, dass der Admiral ihn nicht aus diesem Grund zu sich beordert hatte.
Es war nicht überraschend, dass Mac von Flipper wissen wollte, ob er in Schwierigkeiten steckte. Thurston McRoy – Codename Mac – war älter als die anderen vier Männer des Teams, die ihre Karriere als SEALs alle etwa zur selben Zeit begonnen hatten. Mac hatte bereits fünf Jahre vorher seinen Dienst angetreten und führte sich daher manchmal wie ein großer Bruder auf. Er erteilte ständig gute Ratschläge, selbst wenn keiner sie hören wollte.
Abgesehen von Mac und Flipper bestand ihr SEAL-Team noch aus Brisbane Westmoreland, Codename Bane, Gavin Blake, Codename Viper, und Laramie Cooper, der von allen „Coop“ genannt wurde.
Flipper blickte auf die Uhr. „Da ich noch ein bisschen Zeit habe, ehe ich beim Admiral antanzen muss, sollten wir was essen gehen.“
„Klingt gut“, meinte Bane.
Kurz darauf machten Flipper und seine vier Teamkameraden sich über Burger, Pommes und Milchshakes her. Statt noch länger über das Treffen mit dem Admiral zu spekulieren, sprachen die Männer über wichtigere Dinge wie ihre Familien.
Banes Frau Crystal hatte im letzten Jahr Drillinge bekommen, und er zeigte den anderen die neuesten Fotos auf seinem Smartphone.
Layla, Vipers Frau, würde in wenigen Monaten Gavin Blake, den Vierten zur Welt bringen, und natürlich war Viper schon aufgeregt, bald Vater zu werden.
Und genau wie auch Bane, konnte Mac, der Vater von vier Kindern war, reichlich Fotos vorzeigen.
Coop hatte einen zweijährigen Sohn, von dem er erst vor ungefähr einem halben Jahr erfahren hatte, als er zufällig seine ehemalige Freundin wiedergetroffen hatte. Sie waren wieder zusammengekommen, hatten geheiratet und waren jetzt eine glückliche Familie.
Anfang der Woche hatten die fünf die Nachricht erhalten, dass ab nächster Woche ihr viermonatiger Urlaub beginnen würde. Flipper hatte vor, nach Hause nach Dallas zu fliegen, und konnte es kaum erwarten. Seine Mutter hatte bald Geburtstag, und er war froh, dass er zur Feier da sein konnte.
„Übrigens, egal, was ihr alle für Pläne in eurem Urlaub habt, Hauptsache, ihr denkt an die Geburtstagsfeier von meiner Mom. Mir ist schon klar, dass ihr vielleicht nicht kommt, Viper, da das Baby bald fällig ist, aber von euch anderen will ich keine Ausreden hören.“
„Ja, ja“, meinte Bane grinsend. „Wir kommen.“ Auch der Rest des Teams nickte.
Als Viper noch einen Hamburger bestellte, zogen ihn die anderen damit auf, dass seine Frau für zwei essen sollte und nicht er. Anschließend sprachen sie darüber, was sie alles in ihrer freien Zeit unternehmen wollten.
Zwei Stunden später trat Flipper ins Büro des Admirals. Überrascht stellte er fest, dass sein befehlshabender Vorgesetzter Shields ebenfalls anwesend war. Flipper salutierte.
„Rühren. Bitte setzen Sie sich, Lieutenant Holloway.“
„Danke, Sir“, erwiderte er und nahm Platz. Er war es gewohnt, von seinem kommandierenden Offizier genau unter die Lupe genommen zu werden, aber den scharfen Blick aus den grünen Augen von Admiral Norris Martin empfand er als unangenehm.
„Ihr Vorgesetzter hier hat Sie wärmstens empfohlen, Lieutenant Holloway. Ich habe Sie hergebeten, weil wir Sie brauchen. Ihr Land braucht Sie.“
Flipper hatte kein Problem mit dieser Aussage. Er war ein Navy SEAL und hatte genau wie sein Vater und seine Brüder diesen Weg eingeschlagen, weil er sein Land beschützen wollte. „Und was soll ich tun, Sir?“
„Man hat uns zugetragen, dass es einen Fall von Spionage in Key West gibt. Jemand verkauft wertvolle Regierungsgeheimnisse an die Chinesen.“
Flipper antwortete nicht sofort.
Er hasste Verräter, aber er hatte herausgefunden, dass eine Reihe von Amerikanern durchaus Verrat begingen, wenn der Preis stimmte. Das begriff er. Was er nicht begriff, war, warum er ausgewählt worden war. Er war Teil eines SEAL-Teams. Und er arbeitete nicht im Marine-Nachrichtendienst.
Seine Überraschung schien sich auf seiner Miene abzuzeichnen, denn Admiral Martin fuhr fort: „Ich habe den Bericht dazu erhalten, doch ich glaube ihm nicht.“
Flipper hob eine Augenbraue. „Sie glauben nicht, dass geheime Dokumente in Key West außer Landes geschmuggelt werden, Sir?“
„Oh doch, das schon, aber was ich nicht glaube, ist, dass diejenige, die sie verdächtigen, sich irgendetwas hat zuschulden kommen lassen.“
„Gibt es dafür einen Grund, Sir?“
„Hier sind die Informationen“, mischte sich sein direkter Vorgesetzter ein und reichte Flipper einen Ordner.
Flipper öffnete ihn und blickte auf das Foto einer sehr schönen Frau. Sie war schätzungsweise Mitte zwanzig, hatte dunkle Augen und volle Lippen. Hinzu kam ein bezauberndes Gesicht mit schokoladenbrauner Haut, das von einer rotbraunen, gelockten Mähne, die ihr bis auf die Schultern reichte, umrahmt wurde. Von den Ohren baumelten goldene Creolen, und um den Hals trug sie eine goldene Kette.
Ihm war bewusst, dass er schon zu lange auf dieses Gesicht starrte, aber er konnte nicht anders. Die Frau sah umwerfend aus.
Widerstrebend löste er den Blick von ihrem Gesicht, um sich den Hintergrund des Fotos genauer anzuschauen. Tropische Vegetation, die Frau stand in der Nähe eines Gewässers. Vielleicht irgendwo auf einer Insel? Unten auf dem Foto las er:
Ich vermisse dich, Godpop 1
Liebe Grüße, Swan
Swan? Ein ungewöhnlicher, aber passender Name.
Flipper blätterte zur nächsten Seite und stieß auf ein Foto, auf dem ein großer Mann mit sandfarbenem Haar und braunen Augen neben einer schönen Frau stand, die Ähnlichkeit mit Swan aufwies. Ihre Mutter. Vor den beiden stand ein niedliches Mädchen von ungefähr acht Jahren.
Flipper musterte das Gesicht des Mädchens und kam zu dem Schluss, dass es zu der schönen Frau auf dem ersten Foto herangereift war. Schon damals hatte sie lange Locken gehabt.
Neben dem Foto waren die Daten der jungen Frau aufgelistet. Wie er vermutet hatte, war sie vierundzwanzig. Sie hieß Swan Jamison, eine Amerikanerin, die in Key West geboren worden war. Zurzeit gehörte ihr ein Schmuckladen auf der Insel. Das war alles an Informationen.
Flipper hob den Blick und sah, dass sowohl sein Vorgesetzter als auch der Admiral ihn anstarrten. „Ich vermute, dass dies die angebliche Verräterin ist?“
„Ja“, antwortete Admiral Martin. „Sie ist mein Patenkind. Ich bin Godpop 1.“
„Sie ist auch mein Patenkind“, fügte Shields hinzu. „Ich bin Godpop 2.“
Flipper blickte von einem Mann zum anderen. „Ich verstehe.“
Admiral Martin nickte. „Ihr Vater war Mitglied in unserem SEAL-Team und unser bester Freund. Sein Name war Andrew Jamison.“
Flipper hatte schon gehört, dass sein befehlshabender Offizier und Admiral Martin vor einigen Jahren Teil desselben SEAL-Teams gewesen waren.
„Andrew war einer der Besten. Er hat sein Leben verloren, als er unseres gerettet hat“, erklärte Shields. „Er war nicht sofort tot, und bevor er starb, hat er uns das Versprechen abgenommen, dass wir uns um Leigh, seine Frau, und um seine Tochter Swan kümmern.“ Er hielt kurz inne und sprach dann weiter: „Vor über achtundzwanzig Jahren hatte Andrew Leigh bei einem Einsatz in Jamaica kennengelernt. Sie war damals Model. Ein Jahr später haben sie geheiratet, und er ist mit ihr nach Key West gezogen, wo unser Team stationiert war. Nach Andrews Tod ist Leigh mit ihrer Tochter nach Jamaica zurückgekehrt. Doch als Swan die Highschool abgeschlossen hatte, ist sie wieder auf die Keys gekommen und in das Haus ihrer Eltern gezogen.“
„Wie alt war sie, als ihr Vater starb?“, wollte Flipper wissen.
„Fünfzehn“, antwortete der Admiral. „Swan stand ihrem Dad sehr nahe. Leigh hielt es ohne ihn in den Staaten nicht mehr aus und ging deshalb nach Jamaica zurück. Vor zwei Jahren ist sie leider auch gestorben.“
Flippers Vorgesetzter erzählte weiter: „Leigh hat uns zu sich gerufen, bevor sie an Magenkrebs starb, und hat uns gebeten, ein Auge auf Swan zu werfen. Das hätten wir ohnehin getan, da wir stets Kontakt zu beiden gehalten hatten. In den Sommerferien war Swan immer bei einem von uns zu Besuch. Wir haben unsere Rolle als Patenonkel ernst genommen. Wir waren auch bei ihren Abschlussfeiern an der Highschool und auf dem College dabei.“
„Hatte Swan denn amerikanische Großeltern?“
Flipper sah in die grimmigen Gesichter seiner Vorgesetzten. „Ja. Doch die Großeltern väterlicherseits hatten etwas dagegen, dass ihr Sohn Leigh geheiratet hat“, berichtete Shields.
„Mit anderen Worten, sie haben ihre Enkelin nie akzeptiert.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Genau“, bestätigte der Admiral. Anscheinend wollte er das Thema wechseln, denn er fügte hinzu: „Uns wurde Zeit eingeräumt, um die Wahrheit herauszufinden, allerdings nicht viel. Zum Glück hat Swans dritter Patenonkel eine hohe Position beim Marine-Nachrichtendienst inne. Sonst wüssten wir gar nichts über diese Untersuchung. Uns bleiben dreißig Tage, um zu beweisen, dass Swan keine Verräterin ist, und um herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist. Und hier brauchen wir Ihre Hilfe. Statt Sie in Ihren wohlverdienten Urlaub zu schicken, so wie die anderen Mitglieder Ihres Teams, schicken wir Sie auf eine spezielle Mission, Lieutenant Holloway. Sie fahren nach Key West.“
Key West, Florida
Swan Jamison war ganz aufgeregt, als sie den großen Karton auf ihrem Schreibtisch öffnete. Obwohl sich darin nur Sachen befanden, mit denen sie ihre Bestände zur Herstellung von Schmuck aufstocken wollte, dienten sie ihr als Bestätigung, dass sich die Insel langsam von dem verheerenden Hurrikan vor acht Monaten erholte.
„Ist auch was für mich dabei?“, fragte Rafe und streckte den Kopf zur Tür herein.
Ihr Laden befand sich in einem der angesagten Viertel, damit sie von den Touristen, die die Insel besuchten, auch profitieren konnte. Um die hohen Instandhaltungskosten zu decken, hatte Swan einen der großen hinteren Räume an Rafe vermietet, der dort ein Tattoo-Studio betrieb. An manchen Tagen hatte er mehr Kunden als sie.
„Nein, es sind nur Sachen für mich, Rafe.“ Sie blickte auf die Uhr. „Du bist heute ja früh dran.“ Normalerweise kam er nicht vor Mittag.
„Ich habe einen Termin um halb elf und muss meine Tinte vorbereiten.“ Und dann war er verschwunden. Mit seinen Kunden redete Rafe gern und viel, mit ihr eher weniger.
Die Glocke über der Tür verriet ihr, dass ein Kunde für sie hereingekommen war. Jamila, die in Teilzeit und meistens morgens bei ihr arbeitete, hatte frei, weil sie sich einen Beauty-Tag gönnte. Ihr Freund arbeitete auf einem Kreuzfahrtschiff, das morgen im Hafen anlegen sollte. Swan freute sich für Jamila und war selbst auch glücklich darüber, denn die Schiffe brachten immer kauffreudige Touristen mit.
Sie kam aus ihrem Büro und sah, dass ein Mann sich die Auslagen in der Nähe der Tür ansah. Das war gut. Während er den Schmuck betrachtete, konnte sie ihn mustern.
Er hatte ein nettes Profil, war groß und hatte breite Schultern, die in dem T-Shirt gut zur Geltung kamen, genau wie die muskulösen Oberschenkel in der engen Jeans. Er hatte blonde Haare, die ziemlich kurz geschoren waren, und seine Hände hatten genau die richtige Größe für seine Statur.
Seine gerade Haltung verriet ihr, dass er vermutlich bei der Army war. Und so breitbeinig, wie er dastand, als müsste er sogar an Land das Gleichgewicht halten, deutete auf die Marine hin.
Schade. Mit Männern aus der Army wollte sie nichts zu tun haben. Wobei, wenn sie ehrlich war, hatte sie in letzter Zeit überhaupt nichts mit Männern zu tun. Sie war einfach zu beschäftigt.
Und Candys Scheidung machte die Sache auch nicht besser. Swan war schon klar, dass sie sich von dem, was ihrer besten Freundin passiert war, nicht beeinflussen lassen sollte, aber diese Entschuldigung war so gut wie jede andere.
Okay, jetzt hatte sie genug geschaut. Es wurde Zeit, den ersten Verkauf des Tages zu tätigen „Kann ich Ihnen helfen?“
Er drehte sich um, und als er sie ansah, lief ihr ein wohliger Schauer über den Rücken.
Wow! Sie hatte schon blaue Augen gesehen, aber noch nie so unheimlich strahlende. In denen könnte man glatt ertrinken. Und diese Gesichtszüge … Fantastisch! Ganz zu schweigen von seinem Körper. Da würde jede Frau gern einen zweiten Blick riskieren. Vermutlich auch noch einen dritten, bevor sie dahinschmolz.
„Ja, ich kann Hilfe gebrauchen.“
Und wieso hörte er sich auch noch so gut an? Der Klang seiner Stimme – ein tiefer, etwas rauer Ton – ließ ihr die Kehle austrocknen.
„Gerne“, sagte sie und ging zu ihm. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Ihr Laden war wegen des Hurrikans zwei Monate lang geschlossen gewesen, und jetzt, nachdem die Touristen langsam wieder eintrudelten, musste sie zusehen, dass sie wieder etwas verkaufte.
„Womit kann ich Ihnen denn helfen?“ Ihr entging nicht, wie er sie anstarrte, mit deutlichem Interesse. Das war völlig in Ordnung. Sie achtete auf ihr Äußeres, ganz einfach, weil ihre Mutter es ihr beigebracht hatte. Die war schließlich Model gewesen.
Wie immer versetzte ihr die Erinnerung an ihre Mutter einen Stich. Sie vermisste sie schrecklich.
„Ich brauche ein Geschenk.“
Swan nickte. Der Mann sah nicht nur gut aus und klang gut, nein, er roch auch noch fantastisch. Ein Blick auf seine Hand verriet ihr, dass er keinen Ehering trug. Wahrscheinlich wollte er ein Geschenk für seine Freundin oder baldige Verlobte kaufen.
„An was haben Sie denn gedacht?“
„Was würden Sie vorschlagen?“
„Nun, das kommt drauf an“, erwiderte sie und schaute in diese blauen Augen.
„Worauf?“
„Was die Person mag. Ich arbeite hauptsächlich mit Steinen, aber wie Sie sehen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Steine.“
Er lächelte, und Swan merkte, dass es in ihrem Bauch zu kribbeln begann, als sie das kleine Grübchen in seiner Wange entdeckte. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht so genau, was sie mag. Ihr Geschmack ändert sich von Jahr zu Jahr. Da ist es schwer, auf dem Laufenden zu bleiben.“
Swan nickte. „Oh. Das hört sich so an, als würden Sie sich schon länger kennen.“
Sein Lächeln wurde noch breiter. „Stimmt. Man könnte sagen, mein ganzes Leben lang. Es geht um meine Mom.“
„Ach so.“
„Ja. Sie hat nächsten Monat Geburtstag. Als ich an Ihrem Geschäft vorbeigekommen bin, dachte ich, ich schaue mal, was Sie so haben.“
Auf jeden Fall Herzklopfen, dachte Swan. Okay, es handelte sich also um seine Mutter. „Das freut mich. Lassen Sie mich Ihnen ein paar Sachen zeigen.“
„In Ordnung. Sie haben eine ganz schön große Auswahl.“
„Danke. Ich mache das Meiste selbst.“
„Ehrlich? Was denn zum Beispiel?“
Sie führte ihn zu der Vitrine, in der die exklusive Swan-Kollektion ausgestellt war. „Diese hier. Der Großteil der Steine kommt aus Indien, Argentinien oder Afrika.“
Er beugte sich vor. „Das sind ausgesprochen tolle Arbeiten.“
„Danke.“
„Ich bin übrigens David. David Holloway.“ Er streckte ihr die Hand entgegen.
Sie ergriff sie und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das sie bei der Berührung verspürte. „Freut mich, Sie kennenzulernen, David.“ Schnell zog sie ihre Hand zurück. „Ich bin Swan.“
„Wie der Name des Ladens.“
„Genau.“
„Es ist ein ungewöhnlicher Name.“
„Ja, das fanden meine Eltern auch. Bei ihrem ersten Date hat mein Vater meine Mom von Jamaica nach New York geflogen, um mit ihr Schwanensee anzuschauen.“
„Das ist ja mal ein Date.“
„Ja, er war definitiv darauf aus, sie zu beeindrucken.“
„Ich nehme an, es ist ihm gelungen.“
Swan lachte. „Ja, denn er hat sie selbst dorthin geflogen. Er besaß einen Pilotenschein.“
„Jetzt bin selbst ich beeindruckt.“
Eigentlich gab sie nicht gern mit ihrem Vater an, aber manchmal konnte sie nicht anders. „Er war bei der Air Force – dort hat er das Fliegen gelernt. Anschließend ist er zur Navy gewechselt, um ein SEAL zu werden. Da hat er Mom getroffen. Sie hatte gar nicht gewusst, dass er vorher bei der Air Force war. Das hat sie erst erfahren, als sie nach New York flogen.“
Wieso erzählte sie ihm das alles? Normalerweise plauderte sie nicht so viel. „Wie wäre es hiermit?“, wechselte sie deshalb das Thema. „Ich habe dieses Schmuckstück Verzauberung getauft.“
„Warum?“
„Schauen Sie es sich an“, schlug sie vor. „Der Anhänger an der Kette ist eines meiner Lieblingsstücke, denn der tropfenförmige Edelstein ähnelt meiner ersten Arbeit.“ Dass sie die für ihre Mutter kreiert hatte, brauchte sie ihm nicht zu erzählen.
„Wirklich schön.“
Sein Tonfall ließ sie aufblicken, und sie stellte fest, dass er nicht den Schmuck, sondern sie ansah. Sie schauten sich einen Moment zu lange in die Augen, bis Swan schließlich den Blickkontakt abbrach.
Sie schluckte. „Sind Sie denn interessiert … an diesem Stück?“ Es fiel ihr schwer, die Schmetterlinge im Bauch zu ignorieren.
„Ich bin an vielem interessiert, Swan, aber ich fange mal hiermit an.“
Swan Jamison war sogar noch schöner als auf dem Foto, das Flipper letzte Woche gesehen hatte.
Dort war ihre samtweiche Haut gar nicht richtig zur Geltung gekommen. Und der rote Lippenstift, den sie heute trug, ließ ihre Lippen noch voller, noch verführerischer erscheinen.
Er hatte den Bericht über sie gelesen. Er wusste, dass sein Vorgesetzter und Admiral Martin aus persönlichem Interesse handelten. Er nicht. Wenn Miss Jamison sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, würde er es herausfinden. Und wenn sie nicht diejenige war, die geheime Daten an China lieferte, dann würde er den Schuldigen aufspüren.
„Das heißt, Sie möchten diese Kette kaufen?“
Ihre Frage brachte Flipper zurück zur Gegenwart. „Ja.“
„Wunderbar. Ich bin sicher, dass sie Ihrer Mutter gefällt.“
„Bestimmt. Haben Sie auch Ohrringe dazu?“
„Nein, aber ich könnte etwas Passendes dazu kreieren.“
Darauf hatte er gehofft. „Bis wann?“
„Es wird ein paar Tage dauern. Das Kreuzfahrtschiff läuft morgen ein, da ist dann immer viel los hier im Laden. Es sei denn, Sie bräuchten sie eher.“
„Nein, ich kann warten. Meine Mutter hat erst nächsten Monat Geburtstag.“
Und er hätte eine Entschuldigung, um noch einmal in den Laden zu kommen.
Flipper beobachtete Swan, wie sie die Vitrine öffnete und die Kette herausnahm. Sie würde seiner Mutter bestimmt gefallen.
„Bitte füllen Sie das hier aus“, sagte Swan. „Und Sie müssten die Ohrringe bezahlen, ehe ich sie anfertige.“
„Kein Problem“, sagte er und nahm das Formular entgegen.
Nachdem er es aufgefüllt hatte, reichte er es ihr, und sie warf einen Blick darauf. „Sie sind also aus Texas?“
„Ja. Dallas. Waren Sie da schon mal?“
„Ja, einmal. Hat mir gut gefallen.“
„Ich bin dort geboren worden und aufgewachsen.“
„Und was hat Sie nach Key West verschlagen?“, wollte sie wissen.
„Die Arbeit, jedenfalls die nächsten dreißig Tage.“ Das war keine Lüge.
„Aufbauhilfe nach dem Hurrikan?“
„So was in der Art.“
„Sind Sie in der Army?“
„War ich mal.“
„Das hab ich sofort gesehen.“
Er hob eine Augenbraue. „Wie das?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann Leute vom Militär immer gleich erkennen.“
„Weil Ihr Dad in der Army ist?“
„Er war in der Army. Dad ist bei einem Einsatz ums Leben gekommen.“
„Das tut mir leid.“ Flipper bedauerte es immer sehr, wenn ein anderer Soldat sein Leben verlor.
„Danke. Ihre Ohrringe sind in zwei Tagen fertig, David. Sie haben mir ja Ihre Handynummer aufgeschrieben, sollte ich es also früher schaffen, rufe ich Sie an.“
„In zwei Tagen reicht völlig. Ich komme dann wieder.“
„In Ordnung, David.“
„Bis dann, Swan.“ Er drehte sich um und verließ den Laden.
Auch wenn er sie gern sofort zum Essen eingeladen hätte, durfte er die Dinge nicht überstürzen. Obwohl er nur dreißig Tage Zeit hatte, um ihre Unschuld zu beweisen und den wahren Schuldigen zu finden, musste er erst ihr Vertrauen gewinnen.
Swan war gut gelaunt, als sie am Abend nach Hause kam. Sie hatte mehr als sonst verkauft. Eine Reisegruppe aus New York war auf der Insel, und die Leute gaben gern ihr Geld im Urlaub aus. Ihr sollte es recht sein.
Die Eröffnung eines Schmuckladens war ein riskanter Schritt gewesen, doch er hatte sich ausgezahlt. Sie hatte einen Uni-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und war nach dem College auf die Insel zurückgekehrt, um als Managerin in einem der Luxus-Hotels hier zu arbeiten. Der Job hatte ihr Spaß gemacht, doch irgendetwas hatte ihr gefehlt. Sie hatte ihre Kreativität nicht ausleben können.
Auf dem Sterbebett hatte sie ihrer Mutter versprechen müssen, dass sie dieses Talent nicht länger brachliegen lassen würde.
Als selbst nach Begleichung all der Beerdigungskosten noch genügend Geld übrig geblieben war, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, hatte sie sich diesen kleinen Laden gekauft. Eine Investition, die sich wegen der guten Lage ausgezahlt hatte.
Jetzt sah sie einem gemütlichen Feierabend entgegen. Also band sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging in die Küche, um sich ein Glas Wein einzuschenken. Dabei kehrten ihre Gedanken zum wiederholten Male zu ihrem ersten Kunden zurück.
David Holloway.
Er war ein heißer Typ, das musste sie zugeben. Und die Erinnerung an seine Augen verfolgte sie schon den ganzen Tag.
Er war in ihren Laden gekommen, um ein Geschenk für seine Mutter zu kaufen. Das war doch echt süß. Seine Mutter konnte sich freuen. Viele Männer erinnerten sich nicht einmal an den Geburtstag ihrer Mütter. Schon häufig genug war sie mit solchen Typen ausgegangen, ohne dass daraus jemals eine engere Beziehung geworden war. Wenn ein Mann seine Mutter schon nicht ordentlich behandelte, gab es auch keine Hoffnung für die Freundin.
Als sie jetzt die Terrassentür öffnete und hinaustrat, dachte sie wieder an diese blauen Augen und daran, wie sie sich gefühlt hatte, als David Holloway sie angeschaut hatte. Noch nie hatten die Augen eines Mannes sie derart aus dem Gleichgewicht gebracht.
Was war nur mit ihr los? Auch wenn er zugegebenermaßen echt heiß war, ließ sie sich normalerweise nicht von einem Mann aus der Ruhe bringen. Sie verabredete sich, wenn sie Lust darauf hatte, musste aber zugeben, dass sie in letzter Zeit selten Interesse gehabt hatte. Zumindest nicht seit ihre beste Freundin Candy Key West verlassen hatte und nach Boston gezogen war. Candy hatte sich geweigert, noch länger auf der Insel zu leben, auf der auch ihr Ex und seine Neue wohnten.
Doch daran wollte Swan jetzt nicht denken. Stattdessen blickte sie hinaus aufs Meer. Es war ruhig heute Abend. Als sie wegen des Hurrikans evakuiert worden war, wusste sie nicht, was sie bei ihrer Rückkehr erwartete. Sowohl ihr Haus als auch der Laden waren beschädigt gewesen, aber nicht so sehr, wie sie befürchtet hatte.
Die Vorstellung, womöglich ihr Haus zu verlieren, war schrecklich gewesen. Hierher hatte nämlich ihr Vater ihre Mom gebracht, nachdem sie geheiratet hatten. Daher waren mit diesem Heim so viele schöne Kindheitserinnerungen verbunden.
Bis ihr Vater irgendwann nicht mehr von einem Einsatz zurückgekommen war.
Swan musste schlucken, als sie an den Tag dachte. Nie wieder hatte sie die Augen ihrer Mutter funkeln sehen. Swan erinnerte sich daran, dass ihre Mutter ihr einmal gesagt hatte, wenn du den Mann triffst, der deine Augen zum Strahlen bringt, dann halte ihn fest.
Sie fragte sich, ob sie diesen Mann wohl jemals finden würde.