9,99 €
Dieser Band enthält folgende Western: (999XE) Heinz Squarra: Grainger und das Wells-Fargo-Mädchen Heinz Squarra: Der Witwenmacher Heinz Squarra: Carringo und der Betrug Alfred Bekker: Blutspur Pete Hackett: Trag den Stern für Wichita Horst Friedrichs: Für Wells Fargo durch die Hölle Heinz Squarra: Der Büffelkiller Horst Friedrichs: Carringo und das Wolfskind Horst Friedrichs: Carringo und der Winchester-Mann Wesley Carrington war ein Mann, der den Streit anzog wie der Dreck die Fliegen. Unglücklicherweise gehörte er zu meiner Treibmannschaft, mit der ich 3000 Rinder nach Mexiko bringen wollte... Und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1151
10 Harte Western September 2022
Copyright
Grainger und das Wells-Fargo-Mädchen
Der Witwenmacher
Carringo und der Betrug
Blutspur
Trag den Stern für Wichita
Für Wells Fargo durch die Hölle
Der Büffelkiller
Carringo und das Wolfskind
Carringo und der Winchester-Mann
Dieser Band enthält folgende Western:
Heinz Squarra: Grainger und das Wells-Fargo-Mädchen
Heinz Squarra: Der Witwenmacher
Heinz Squarra: Carringo und der Betrug
Alfred Bekker: Blutspur
Pete Hackett: Trag den Stern für Wichita
Horst Friedrichs: Für Wells Fargo durch die Hölle
Heinz Squarra: Der Büffelkiller
Horst Friedrichs: Carringo und das Wolfskind
Horst Friedrichs: Carringo und der Winchester-Mann
Wesley Carrington war ein Mann, der den Streit anzog wie der Dreck die Fliegen. Unglücklicherweise gehörte er zu meiner Treibmannschaft, mit der ich 3000 Rinder nach Mexiko bringen wollte... Und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Western von Heinz Squarra
Der Umfang dieses Buchs entspricht 114 Taschenbuchseiten.
Der gewissenlose Trickbetrüger Jethro Hengston wird von Grainger gejagt, doch der Verbrecher nutzt verschiedene Maskierungen und kann immer wieder entkommen. An Graingers Seite befindet sich die schöne Sheila, deren Vater ein Opfer von Hengston wurde. Nun arbeitet sie für Wells Fargo und will dem Gauner das Handwerk legen. Aber so einfach macht es Hengston seinen Jägern nicht.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Zum Blog des Verlags geht es hier:
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe! –
Der Mann in der schwarzen Spielerkleidung zügelte sein Pferd am Ende des Canyons und blickte über das Tal hinweg. Emsig wie Ameisen wühlten stoppelbärtige, schmutzige Männer in Erdlöchern herum, die sich den sanften Hang hinunter bis zu den Zelten und Hütten erstreckten.
An der Seite des Mannes hielt eine Frau ihr Pferd an. Sie sah bleich aus, blickte auf die aus Brettern zusammengenagelten Hütten und die Zelte. Schweiß rann über ihr Gesicht.
Geschrei vom Saloon schallte den Hang herauf. Zwei Männer tauchten vor den Gebäuden auf und gingen aufeinander los. Das Geschrei verstärkte sich. Weitere Digger griffen in die Prügelei ein.
»Mein Gott, das sind ja Wilde«, sagte die Frau.
»Angst, Cora?« Jethro Hengston grinste seine Begleiterin aus schwarzen, funkelnden Augen an.
»Um ehrlich zu sein, ja.«
»Wir sind in zwei Stunden wieder weg.« Der hagere Mann schnalzte mit der Zunge und ritt weiter. Er zog den Revolver und feuerte in die Luft, um die Aufmerksamkeit der Digger zu erwecken.
»He, Leute, ich bin der Beauftragte des Gouverneurs von Nevada für alle Landfragen! Ihr Halunken habt euch hier einfach Regierungsland abgesteckt und wühlt den Boden nach Gold um. Wer hat euch das erlaubt?« Hengston hielt an und stellte sich in den Steigbügeln auf.
Die Goldgräber krochen aus den Löchern.
»Doch der Gouverneur macht es gnädig. Ihr könnt die Landurkunden für die Claims von mir kaufen. Aber wehe dem, der das versäumt. Übermorgen ist Militär hier und kontrolliert euch. Und wer dann keinen Claimbrief hat, den holt der Teufel. – Also, ihr trefft mich im Saloon. Und bildet euch nicht ein, dass ich auf jeden einzelnen lange warte. Mein Büro ist nur eine Stunde geöffnet.«
Der große, hagere Mann setzte sich in den Sattel zurück und ritt weiter.
Cora brannten rote Flecken auf den Wangen, und die Schweißperlen tropften von ihrem Kinn.
»Nicht schlappmachen, Schatz«, murmelte der große Mann. »Du wolltest das nette Spielchen doch unbedingt mitmachen. Nun halte es auch gefälligst durch.«
Auf dem Karrenweg zur abenteuerlichen Stadt unten im Tal liefen vor den beiden Reitern die Digger zusammen und versperrten den Weg. Sie sahen sich genötigt, die Pferde abermals zu zügeln.
»Was ist los?«, fragte ein bärtiger Geselle, der trotz beträchtlicher Hitze einen alten, offenstehenden Armeemantel trug.
»Ihr müsst Claimrechte kaufen, wie es üblich ist«, erwiderte Hengston mit funkelnden Augen. »Zwanzig Dollar das Stück. Doch wer nicht will, soll seinen Krempel packen und verschwinden. Übermorgen ist Kavallerie hier und kontrolliert euch. Gebt den Weg frei und sputet euch. Das Landbüro ist nur eine Stunde geöffnet.«
Hengston trieb sein Pferd wieder an und lenkte es der Menge entgegen.
Eine Gasse öffnete sich.
»Platz auch für Miss Carson, meine Sekretärin!«, befahl Hengston.
Vor dem Saloon prügelten sich noch immer rund ein Dutzend Männer. Einer ging gerade mit einem Schaufelstiel auf den nächsten los, drosch auf ihn ein, und wurde von einem anderen von hinten niedergeschlagen.
Hengston hielt an und feuerte in die Luft. Das Donnern schallte über die Hütten und Zelte hinweg, brach sich an der schroffen Felswand und hallte durch das Tal.
»Aufhören!« Hengston drückte noch einmal ab, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
Tatsächlich hielten die Raufenden inne. Der Mann, der gerade im Dreck lag, raffte sich auf und rückte am Hut herum.
Hengston hielt vor dem Saloon, kletterte aus dem Sattel und löste eine schwarze Ledertasche von einem Riemen. »Was starrt ihr Miss Carson denn so an? Das ist meine Sekretärin. Kein Flittchen, das man ungestraft lüstern anglotzen darf!«
Die Kerle senkten wirklich die Köpfe.
Hengston grinste in sich hinein, half seiner bleichen Begleiterin aus dem Sattel und führte sie in den verräucherten Saloon.
Am langen Tresen saßen sechs Mädchen in buntschillernden Kleidern wie Papageien auf Hockern. Hengstons Blick überflog rasch die Gesichter. Keines kam ihm bekannt vor.
»Rückt zwei Tische zusammen und weg mit den Stühlen!«, kommandierte er. »Anstellen in Einerreihe, dann geht es schneller, Männer. Weiß jeder seinen Namen? Wer falsche Angaben macht, wandert ins Gefängnis!«
Der barsche Ton veranlasste den Keeper und seine beiden Helfer zu emsiger Tätigkeit. Sie schoben Stühle beiseite und rückten Tische zusammen, wischten über die Platten und brachten unaufgefordert Kaffee für die angebliche Miss Carson und Whisky für Hengston.
Der hagere Mann legte die Tasche auf den Tisch, öffnete sie und breitete eine Skizze des Tales auf dem Tisch aus. Die aus Bergen und Wald bestehenden Umrisse waren entsprechend skizziert. Der Raum im Inneren unterteilte sich in ein Raster von dreihundert gleichmäßigen Quadraten, die von Nordwesten angefangen Nummern trugen.
Hengston legte den Plan so, dass ihn die am nächsten stehenden Männer sehen mussten. Dann packte er kleine Karten von weißer Farbe aus. Sie trugen ebenfalls Nummern und als Kopf die Aufschrift »Landurkunde«. Unter der Nummer befand sich ein beinahe riesiger Stempel, der mehr Eindruck schinden konnte als alles andere zusammen,
»Wo haben Sie abgesteckt?«, fragte Hengston den ersten Mann am Tisch.
Der Mann fuhr mit dem Finger über die Skizze. »Da ungefähr.« Der Finger verharrte.
»Dreiunddreißig.« Hengston suchte die entsprechende Karte heraus, übergab sie dem Mann und kassierte zwanzig Dollar.
Die Frau an seiner Seite sah aus, als würde sie jeden Augenblick ohnmächtig werden.
»Ist sie krank?«, fragte der Kellner.
Hengston hielt inne. »Ach was. Die vielen Männer, die nach Schweiß und Pferden stinken und sie gierig anstarren, irritieren Sie. Haben Sie keinen Stuhl für sie?«
Die beiden Kellner drängten sich gegenseitig aus dem Weg, um einen Stuhl zu holen, und schließlich konnte sich die bleiche Begleiterin des angeblichen Gouverneursbeauftragten setzen.
»Der nächste bitte!«, rief Hengston. »Und wer fertig ist, sollte das Gedrängel verlassen!«
Es dauerte keine Stunde, dann hatte Hengston einhundertfünfzig Karten verkauft und dreitausend Dollar in seiner schwarzen Tasche verstaut. Niemand trat mehr an die zusammengeschobenen Tische.
»Es sind noch Claims frei!«, rief der Mann, zog den Revolver erneut und schlug damit auf die Tischkante.
»Das dürften alle Digger gewesen sein, Sir«, entgegnete der Wirt.
»Na gut. Wenn noch jemand nachkommt, muss er übermorgen an die Soldaten bezahlen. Die mehrfache Summe, versteht sich. – Hier, bewahren Sie die Skizze auf, Mister.« Hengston schob dem Keeper die Skizze zu, schob die restlichen Karten in die Tasche, verschloss sie und trat zurück.
»Noch einen Whisky, Sir?«
»Nein, danke. – Miss Carson, wir sind schon fertig.« Der Mann zog die Frau vom Stuhl hoch und führte sie hinaus. Er half ihr aufs Pferd, saß selbst auf und ritt mit ihr den sanften Hang hinauf. Er folgte dem Karrenweg in den Wald hinein. Doch als sie das Tal hinter sich nicht mehr sahen, lenkte Jethro Hengston sein Pferd vom Wege und durchbrach das Dunkel des Waldes.
»Hast du auf einmal Angst?«, fragte die Frau hinter ihm mit schriller Stimme.
Hengston hielt an und ließ sie an seine Seite kommen. »Eines der Mädchen kam mir dann doch bekannt vor. Zuerst dachte ich, die Gesichter wären mir alle fremd.«
»Aber es hat dich doch niemand erkannt.«
»Ich weiß nicht. Mir fiel sie ja auch erst auf, als sie mich so merkwürdig anstarrte. Los, schneller!«
Im Trab ging es durch das Halbdunkel nach Westen, bis sie nach ungefähr fünf Meilen eine Schneise erreichten und Hengston glaubte, dass niemand den Spuren folgen könnte. Er hielt an und schaute zurück.
»Du hast weniger Claims verkauft, als du dachtest, Jethro.«
Er schaute sie an und grinste. »Immerhin dreitausend Bucks, Cora. Dafür muss zum Beispiel ein Cowboy an die acht Jahre lang arbeiten.«
»Aber du hast erwartet, dass du viertausend, wenn nicht fünftausend Dollar abkassieren kannst.«
»Es klappt nicht immer so. Das nächste Mal.«
Coras Wangen, die vom schnellen Ritt durch den Wald Farbe bekommen hatten, wurden erneut blass. »Du hast versprochen, dass wir nach Kalifornien gehen und ein normales Leben auf einer Farm führen wollen.«
Sein Grinsen verstärkte sich. »Wie blöd muss einer sein, der mir so was zutraut, Cora? Dreitausend Dollar zerrinnen mir in kurzer Zeit zwischen den Fingern. Logisch, dass ich dann neues Geld beschaffen muss. Logisch auch, dass ich keine Hütten baue, keine Zäune ziehe und nicht den Boden umwühle.« Er löste die Tasche vom Sattel, schaufelte mit der linken Hand das Geld heraus und ließ es in seinen Taschen verschwinden.
Cora schaute irritiert zu.
»Hast du meine Vorbereitungen genau verfolgt?« Hengston verschloss die schwarze Tasche. »Man muss sich das Terrain sorgfältig ansehen und genau planen. Man sollte bei einer solchen Aktion beachten, dass bedruckte Blätter, großartige Namen und riesige Stempel den Menschen die Augen verkleistern.«
»Was hast du vor, Jethro?«
Hengston warf ihr die Tasche zu. Sie traf die Frau gegen den Arm und fiel auf den Waldboden. »Ich wollte dir nur noch einmal ins Gedächtnis rufen, wie man so etwas macht, Cora. Falls du es allein oder mit einem anderen versuchen willst.«
Sie wurde noch eine Spur bleicher. »Du Schwein willst weder mit mir eine Farm aufbauen, noch das Geld teilen!«, entfuhr es ihr schrill.
»Erfasst, Schatz. Jethro teilt nie.« Der Mann lachte schallend, zog das Pferd herum und gab ihm die Sporen.
»Jethro, warte auf mich!«
Das Echo ihres Rufs vermischte sich mit dem hallenden Hufschlag und klang wie spöttisches Gelächter.
Der Reiter tauchte zwischen Fichten und Tannen unter.
Die plötzliche Erkenntnis, belogen und betrogen worden zu sein, traf Cora wie ein Schlag und machte sie unfähig, an das nächstliegende, nämlich die rasche Flucht zu denken.
Im Saloon tanzten die Mädchen auf der Bühne, angefeuert von den Diggern, die in großer Zahl noch nicht zu ihren Claims zurückkehrten.
»Höher die Beine!«, brüllte einer.
Der nächste jagte Kugeln aus seinem Colt in die Holzblende vor dem Podium, auf dem die halbnackten Mädchen herumhüpften. Die Kneipe bebte. Der Boden unter den Füßen der Mädchen erzitterte. In panischer Angst, der Spaß könnte gefährlich werden, schwangen sie die Beine so hoch, dass eine von ihnen das Gleichgewicht verlor und stürzte.
Dröhnendes Gelächter erfüllte den Saloon.
Das Mädchen sprang auf und hopste mit den anderen weiter.
Aber die schwarzhaarige Marion blieb auf einmal stehen.
»He, keine Lust mehr?« Der Kerl mit dem rauchenden Colt feuerte erneut, diesmal über die Köpfe der Mädchen hinweg. Pochend wurde die Rückwand getroffen.
Aber Marion stand immer noch und blickte durch den Zigarettenrauch und Pulverdampf in eine imaginäre Ferne. Und auf einmal lachte sie lauthals.
Da verhielten auch die anderen Mädchen. Und die Goldsucher starrten zu der lachenden Marion hinauf. Auf einmal war nur noch das Kichern des Mädchens zu hören.
Marion wurde von ihrer Nachbarin am Arm gefasst und gerüttelt. »He, hast du den Verstand verloren?«
Marion wurde halbwegs ernst. »Nein, ich nicht. Aber die Männer vielleicht.«
Vor der Bühne rückte die Menge dichter zusammen.
»Ihr seid aufs Kreuz gelegt worden!« Marion musste wieder lachen, neigte den Oberkörper nach vorn und schlug sich auf die Oberschenkel. »Und wie glatt! Das war gar kein Beauftragter des Gouverneurs. Das war Jethro Hengston, ein Trickbetrüger, nach dem sie in Texas, New Mexico, Nebraska, Kansas und weiß der Teufel wo noch wie eine Stecknadel suchen! Der hat euch wertlose Zettel verkauft!«
Marions erneutes Gelächter erfüllte die Kneipe, ging aber alsbald im drohenden Gemurmel unter.
Ein Mann sprang auf die Bühne. »Ruhe, zur Hölle! He, woher weißt du das?«
»Ich sah ihn mal. Aber ich konnte mich nicht erinnern, wo das gewesen sein könnte, und wer er war. Jetzt fiel es mir ein.«
»Er ist höchstens zwei Stunden weg!«, rief ein anderer. »Los, vielleicht schnappen wir ihn noch!«
Wer ein Pferd besaß, stürzte hinaus, um es zu holen. Minuten später sprengten die Goldsucher davon.
»Der Trickbetrüger Hengston«, murmelte der Keeper am Tresen. »Und ich hab ihm noch Whisky spendiert!«
»Nicht mal maskiert hat er sich«, sagte Marion.
Draußen sprengten die letzten Reiter durch das Tal und verschwanden im Wald hinter den Claims.
Grainger hatte sich einen Stuhl aufs Podium gestellt. So konnte er die ganze Kneipe überschauen und sah sogar den US Marshal, mit dem er vor einer Stunde eingetroffen war.
US Marshal Wilder stand vor Cora Harriet, die gefesselt auf einem Hocker saß, umgeben von rund zwei Dutzend Goldsuchern.
Marion kam summend zur Bühne herauf und bewegte sich mit wiegenden Hüften aufreizend vor Grainger. »Wollen wir tanzen? Du hast doch sonst nichts zu tun.«
»Wo war das, wo du Hengston mal gesehen hast?«
Marion verharrte. »In Texas. Im Panhandle.«
»Genauer!«
»Amarillo. Er hat einem Rancher im Spiel einen Bullen abgeknöpft und wollte ihn gerade für viel Geld verhökern, als jemand seinen Namen rief. Da konnte er das Geschäft nicht mehr abwickeln. Aber auf seinem Pferd schaffte er es. Und bis die anderen feuerten, war er schon am Stadtrand. Er ist unheimlich clever.«
Grainger sah das helle Blitzen in den Augen des Mädchens. »Aber nicht sehr galant, wie Cora sagte.«
Marions Augen verdunkelten sich. »Ja, er ist ein richtiger Hundesohn, seine Freundin im Dreck sitzenzulassen. Die Goldsucher sagten, die Frau hätte noch dort gehalten, wo Hengston sie verlassen haben muss. Und die Tasche lag im Gras. – Was interessiert dich eigentlich daran? Ich dachte, du wärst nur zufällig mit dem Marshal hierher gekommen.«
»Bin ich auch«, erwiderte Grainger prompt und ohne wegen dieser Lüge in Verlegenheit zu geraten. Denn tatsächlich war er hinter Hengston her, seit feststand, dass der Halunke nach jedem Verbrechen eine Grenze hinter sich ließ und somit für seine Verfolger eine unsichtbare Barriere aufbaute. Alle Marshals und Sheriffs unterstanden den County oder Militärbezirken ihrer jeweiligen Staaten oder Territorien und durften jenseits dieser Grenzen keine Amtshandlungen vornehmen. Da die grenzüberschreitenden Hilfen der Behörden sich als überaus mangelhaft erwiesen hatten, war man höheren Ortes zu der Überzeugung gelangt, einen Mann der Brigade Sieben einsetzen zu müssen, der auf der Spur bleiben konnte, egal, wie viele Grenzen sie hinter sich zurückließ.
»Was willst du dann hier?«, fragte Marion bohrend weiter.
»Sei doch nicht so neugierig. Hol uns zwei Whisky.«
Marion verließ die Bühne, kehrte aber rasch mit zwei großen Gläsern Whisky zurück. Sie gab Grainger eines, holte dann einen Stuhl von der Wand und setzte sich neben ihn.
»Cora kann von Glück reden, dass sie eine Frau ist«, plauderte das Mädchen weiter. »Einen Mann hätten sie ohne Umstände aufgeknüpft und nicht im Traum daran gedacht, einen Boten zum Marshal zu schicken. – Prost, Grainger!«
Er stieß mit ihr an und trank einen Schluck.
Marion lehnte sich gegen ihn. »Ich hab’ hinten ein feines Zimmer. Willst du es mal sehen?«
»Nicht jetzt.«
»In Ordnung, ich zeige es dir später.« Sie beugte sich weiter herüber und küsste ihn auf die Wange. »Du gefällst mir, Grainger. Aber ich glaube dir nicht, dass du den Marshal aus reiner Langeweile begleitet haben sollst. Da steckt mehr dahinter.«
Er lächelte sie an. »Stimmt, Marion. Aber hör auf, danach zu fragen.«
»Bist du ein Geheimagent? Oder vielleicht ein Staaten-Marshal?«
Er stieß sein Glas gegen ihres. »Trink, Marion. Und beschreib mir den Kerl mal.«
»Hengston? Ich denke …«
»Du sollst ihn mir beschreiben und nicht soviel fragen«, unterbrach Grainger sie.
»Er ist fast so groß wie du, schwarzhaarig, hat blitzende Augen, ein etwas langes Gesicht und ein scharf geschnittenes Kinn. Ziemlich breite Schultern besitzt er auch. Und aussehen tut er wie ein Spieler. – Genügt das?«
»Sehr viel ist es nicht.«
»Er trägt auch noch einen Patronengurt mit einem Colt 45, aber das ist wohl nicht außergewöhnlich.«
Grainger nickte. Die Beschreibung deckte sich mit anderen, die er von Jethro Hengston schon bekommen hatte, aber sie passte auf hunderte von Männern, wenn nicht auf tausende.
»Cora Harriet sagte, sie wäre mit Hengston vor dem Coup schon drei Tage lang in der Nähe gewesen. Er habe das Tal beobachtet und wäre sogar zweimal in Verkleidung heruntergekommen, um sich genau umzusehen. Einmal als Fallensteller und einmal als Priester. Der hat es faustdick hinter den Ohren, was?«
»Allerdings«, gab Grainger zu.
»Trink das Zeug, es wird verdammt schnell warm.« Marion goss sich den Whisky wie Wasser in den Mund. »Wie sieht es denn mit einer Belohnung aus?«
»Denkst du dabei an dich?«
»An wen denn sonst?«
»Es ist vier Tage her, Marion. Es kann gut sein, dass er bereits hundert Meilen von hier entfernt ist. Mit seiner Beute. Was gibt’s da zu belohnen?«
»Nun hör mal, ich hab ihn immerhin erkannt. Du könntest kaum hier sitzen, wenn es anders wäre. Also mindestens zeige ich dir das Zimmer. Nun komm, sei kein Frosch.« Sie stand auf und zog ihn vom Stuhl. »Du wirst doch nicht etwa Angst vor mir haben?«
Er trank sein Glas leer, stellte es auf den Stuhl und verließ mit dem Mädchen das Podium. Marion summte eine Melodie, bewegte sich wiegend und erweckte einen durch und durch zufriedenen Eindruck.
Sie verließen den Saloon durch eine Hintertür, schritten durch einen schmalen, finsteren Gang, von dem viele Türen abzweigten und befanden sich schon fast an seinem Ende, als Marion stehenblieb.
»Hier.« Sie klinkte die Brettertür auf und ließ sie herumschwingen. Dumpf schlug sie gegen die Wand. Marion vollführte eine einladende Handbewegung. »Nach Ihnen, Sir!«
Grainger lächelte und betrat den kleinen Raum, der nur ein so winziges Fenster besaß, dass es trotz des grellen Sonnenscheins draußen im Inneren beinahe dunkel war. Die rohen Bretterwände waren mit roter Farbe getüncht. Auf den beiden Seiten rechts und links des Lichtschachts hing je ein Spiegel, jeder so groß wie eine aufgeschlagene Zeitung und von einem goldbemalten Holzrahmen umgeben. In der Ecke stand ein Schrank und daneben ein Bett ohne Vordergiebel. Ein Fell lag darauf.
Marion schloss die Tür, kam ohne Umstände auf Grainger zu und umarmte ihn.
»Wolltest du mir nicht lediglich das Zimmer zeigen?«
»Dummes Zeug, ich wollte dich hereinlocken.« Sie küsste ihn, drehte sich dabei etwas herum und stand so, dass Grainger ihren Rücken im Spiegel trotz des Halbdunkels sehen musste.
»Das Kleid hat hinten Knöpfe«, sagte sie leise und lockend, dann berührten ihre Lippen seinen Hals.
Grainger wollte sich nicht lumpen lassen, obwohl seine Gedanken eigentlich dem Trickbetrüger, Straßenräuber und Mörder Hengston folgten. Er knöpfte Marion das Kleid auf und schob den leise raschelnden Stoff von ihren Schultern.
Das Mädchen trat nur etwas zurück und ließ einen Moment die Arme sinken, schon rutschte der Stoff in sich zusammen, und sie stand nackt zwischen Grainger und dem schillernden Spiegel.
Da erschallten draußen Schritte. Sie verklangen ganz in der Nähe.
»Die nächste Tür«, sagte eine Mädchenstimme.
Abermals knarrten Dielen, und Sporen rasselten. Die Tür bewegte sich und schwang auf. Im Rahmen standen der Marshal und eines der mageren Saloonmädchen. Das Girl kicherte.
»Dumme Gans«, sagte Marion, ließ Grainger los, ging zum Bett und legte sich darauf. Der Marshal schien sie nicht im mindesten in Verlegenheit zu bringen.
»Ich wollte Ihnen sagen, dass ich wieder wegreite und die Frau mitnehme, Grainger.«
»Danke, Marshal.«
»Die Vernehmung erbrachte keine neuen Erkenntnisse. Hengston hat sie vor ein paar Wochen in einer Stadt aufgegabelt, mitgenommen und zum Mitmachen überredet. Sie hatte Beziehungen zu einer Zeitungsdruckerei in dem Nest. Ich meine, sie kannte den Verleger recht gut. Der war scharf auf sie. Während Cora ihn abschleppte, konnte Hengston sich in der Druckerei in aller Ruhe beschäftigen. So kam er zu den Karten. Den Stempel soll er schon besessen haben, behauptet die Gefangene.«
Das Mädchen, das dem Marshal das Zimmer gezeigt hatte, kicherte wieder.
»Hengston ist nach Westen, als er sie vor vier Tagen verließ«, erzählte der Marshal weiter. »Das wäre Richtung Kalifornien. Es ist aber kaum anzunehmen, dass er Cora den Weg zeigte, den er nehmen wird. Er musste damit rechnen, dass wir sie irgendwo greifen.«
»Genau meine Meinung«, stimmte Grainger zu. »Ich tippe eher auf Arizona.«
»Wieso?«
»Weil er nach unseren Erkenntnissen da noch nicht war. Und weil es ihn bisher immer in Gegenden zog, in denen er noch hoffen durfte, ein Fremder zu sein.«
»Ja, kann sein«, erwiderte der US Marshal. Er blickte auf das nackte Mädchen auf dem Bett und hustete streng. »Sie werden sich erkälten, Miss!«
»Ist das Ihr Problem?«, fragte Marion schnippisch.
Der Marshal antwortete ihr nicht. Er schaute erneut auf Grainger. »Ich wünsche Ihnen Glück und hoffe, Sie werden unterwegs von den liebestollen Mädchen nicht zu sehr aufgehalten.«
»Ich hoffe auch, dass es sich in Grenzen hält«, entgegnete Grainger.
Der Marshal schob das wieder kichernde Mädchen zur Seite und warf die Tür zu. Die Schritte entfernten sich im Flur.
»Komm, Grainger, sonst wird mir wirklich kalt!«, verlangte Marion. Sie stand dabei auf, und weil Grainger sich immer noch nicht bewegte, schnallte sie ihm den Patronengurt ab, ließ ihn fallen und knöpfte seine Levishose auf.
Grainger streifte das Hemd herunter und zog die Texasstiefel aus. Er stieg aus der Hose und ließ sich von Marion auf das weiche Fell auf dem breiten Bett ziehen.
Draußen war ein verstohlenes Kichern zu hören, das etwas lauter wurde und schon aus mehreren Kehlen kommen musste.
»Diese verdammten Ziegen!« Marion sprang auf, griff nach Graingers Patronengurt, zerrte den schweren Colt heraus, war mit wenigen Schritten bei der Tür, stieß sie auf und bedrohte die draußen stehenden Mädchen.
»Ich knalle euch alle ab, wenn ihr nicht augenblicklich verschwindet! Bei drei fällt der erste Schuss! – Eins …«
»Die ist verrückt geworden!«
Kreischend rannten die Mädchen durch den schmalen Flur.
Marion jagte ihnen eine Kugel hinterher, als die Tür zum Saloon bereits zufiel und niemand mehr getroffen werden konnte. Doch sie war überzeugt, genügend Abschreckung damit erzielt zu haben.
Mit der linken Hand fuchtelte sie gegen den Schwarzpulverdampf an, der sie wie eine Wolke umgab. Dabei trat sie zurück, schloss die Tür und drehte sich um.
Grainger stand neben dem Bett und zog sich an.
»Was ist denn mit dir los?«
»Mir geht es hier entschieden zu hektisch zu.« Er fuhr in die Stiefel, stülpte den Hut auf und schnallte den Patronengurt um. Dann kam er ihr entgegen und nahm ihr die rauchende Waffe aus der Hand.
»Das ist nicht fair, Grainger. Ich hab mir solche Mühe gegeben, dir zu gefallen, und nun kneifst du.«
»Vielleicht beim nächsten Mal, wenn weniger Trubel ist. Adios, Schatz.« Er schob den Colt in das Holster und das nackte Mädchen zur Seite. Gern war er mit dem mageren Saloonmädchen sowieso nicht auf das Zimmer gegangen.
»Grainger, komm doch zurück!«, rief Marion ihm bettelnd nach.
Er winkte hinter sich. »Es klappt schon noch mal, Schatz!«
»He, der ist aber schnell!«, rief eines der Mädchen im Saloon am Tresen.
»Hat sie etwa auch auf dich geschossen, Grainger?«
Er blieb bei den Mädchen stehen und warf einen Dollar auf den Schanktisch. »Ihr seid ziemlich dämliche Gänse.« Grainger wandte sich ab und verließ den Saloon.
Der Marshal ritt mit der Gefangenen an seiner Seite und gefolgt von den Goldsuchern bereits den Hang hinauf.
Grainger holte sein Pferd im Zeltstall und verließ die Diggerstadt.
Grainger erwachte von einem Geräusch, drehte sich im Bett herum und griff nach dem Colt auf dem Stuhl neben dem Bett.
»Grainger?«, fragte eine melodische Frauenstimme.
Er setzte sich im Bett auf und meinte ein Gesicht wie einen hellen Fleck im Dunkel zu erkennen. Offenbar auch weißblondes Haar darum. »Ja?«
»Ich bin Sheila Warrior.« Die Gestalt trat ganz über die Schwelle und schloss die Tür.
Grainger legte den Colt auf den Stuhl zurück, weil er nicht das Gefühl hatte, dass eine Gefahr von der Besucherin ausging. »Und?« fragte er gedehnt.
Sie trat näher, aber das Gesicht nahm in der Schwärze keine feste Form an. Nur helle Augen meinte Grainger noch zu erkennen.
»Ich habe gehört, dass Sie hier sind.«
Er dachte scharf nach, doch der Name Sheila Warrior sagte ihm nichts.
»Nein, ich bin Ihnen fremd«, fuhr sie sofort fort, trat an die Seite des Betts und setzte sich.
»Würden Sie die Lampe anzünden?«, fragte Grainger. »Sie hängt über dem Bettgiebel.«
Die Frau entfernte sich. Ein Schwefelholz wurde am Bettgiebel entzündet, und die Frau war zu erkennen, als sie den Lampendocht anbrannte.
Sie hatte ein ovales, sehr helles Gesicht mit großen blauen Augen, gut geschwungenen Lippen und weißen, blinkenden Zähnen. Das weißblonde Haar rahmte das junge Gesicht ein und reichte bis auf die Schultern. Sheila war von mittelgroßer, auffallend gut gebauter Gestalt und beinahe schon erlesen gekleidet. Zum hellen Wildlederanzug, der mit Fransen besetzt war, trug sie eine rote Bluse mit Rüschen, ein braunes Halstuch, halbhohe Wildlederstiefel mit großen Stulpen und auffälligen Messingschnallen daran. Um ihre Hüften spannte sich ein schmaler Gürtel mit Patronen in den Schlaufen und einem Derringer in dem Holster. An der Windschnur hing ein Wildlederhut in ihrem Nacken.
Sie gefiel Grainger ausnehmend gut. Ein Vergleich mit der mageren Marion kam ihm lächerlich vor.
Sheila schritt erneut an die Seite des Betts und setzte sich. »Ich habe in einem Nest in Nordarizona erfahren, dass sie hinter Hengston her sind. Deshalb folge ich Ihnen.«
Grainger rückte im Bett höher, um sich an den oberen Giebel lehnen zu können.
»Mein Vater war Postfahrer«, erzählte Sheila weiter. »Er wurde von Hengston erschossen.«
»Wo und wann?«
»Vor etwas über einem Jahr in Kansas.«
»Soll ich das so verstehen, dass Sie seitdem hinter ihm her sind?«
»Nein, so lange nicht. Ich hielt mich damals im Osten auf und erfuhr von der Sache erst später. Ich dachte auch, man würde ihn irgendwo stellen. Aber dann musste ich erfahren, dass er ständig die Grenzen wechselt und unsere schwerfällige, kleinstaatliche Bürokratie damit sozusagen außer Gefecht setzt. Damals entschloss ich mich, selbst nach ihm zu suchen.«
»Ich verfolge ihn über die Grenzen hinweg, Miss Warrior. Sie können beruhigt nach Hause zurückkehren.«
»Inzwischen möchte ich dabei sein, wenn er für seine Taten büßt!« In den großen, blauen Augen der höchstens fünfundzwanzig Jahre alten Frau flammte es auf.
»Sie wollen, dass ich Sie mitnehme, wenn ich richtig verstehe«, stellte Grainger fest.
»Ja.«
Er schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen, Sheila. Viel zu gefährlich. Und mit meinem Auftrag sicher auch unvereinbar.«
Sie rückte auf dem Bett näher. Es ging etwas von ihr aus, was Grainger betörte, und er sah auch nur noch ihre Augen, die immer näher kamen.
»Du hast das Format, ihn wirklich zu schnappen, Grainger. Das spüre ich.« Ihre vollen Lippen berührten seinen Mund.
Das ging ihm ein bisschen sehr plötzlich und konnte nicht ganz unvorbereitet sein. Aber die lockenden Augen faszinierten ihn so sehr, dass er der angebotenen Versuchung leicht erlag und sie umarmte. Er konnte nicht mehr daran denken, dass er einer heißen Spur folgte. Hengston war in Arizona auf dem Weg nach Süden in einer Handelsstation erkannt worden. Der Stationsmann hatte sich zwar davor gehütet, Hengston etwas merken zu lassen, aber unmittelbar, nachdem Hengston sein Haus verlassen hatte, hatte der Mann einen Boten losgeschickt.
Er war dicht an dem Kerl dran, der irgendwo in vielleicht nur fünfzig Meilen Umkreis hockte und ein neues Verbrechen auskochte. Denn anderswo hatte ihn niemand mehr gesehen.
Die Meldung war schon eine Woche alt. Grainger hoffte nun, in Tucson etwas Neues zu erfahren, wenn er übermorgen dort beim Marshal eintraf.
Die neu aufgetauchte Verfolgerin würde ihn behindern. Aber nun lag er schon mit ihr auf dem Bett, schob ihr die weiche Wildlederjacke zurück und knöpfte die Bluse auf. Ihre Leidenschaft nahm ihn völlig gefangen. Ihr heißer Körper drängte sich ihm entgegen, und ihr Stiefel schob sich über ihn und hielt ihn fest wie eine Klammer.
Er zog ihr den Stiefel vom Fuß und öffnete die Schnalle ihres schmalen Patronengurtes.
»Warte einen Moment.« Sie löste sich von ihm, stand auf, zog die Kleider herunter und warf sie wahllos aufs Bett und den Boden. Sie war gertenschlank und hatte volle Brüste, was er nun richtig sehen konnte. Doch dann lag sie schon wieder halb auf ihm, und ihr Haar verteilte sich über sein Gesicht und die Schultern, und ihre Küsse brannten auf seinem Hals. Er griff nach ihrem Schenkel und zog ihn erneut höher. Eine Hitzewelle kam aus ihrem Körper und durchströmte ihn, und er sah die großen blauen Augen, in denen Feuer loderte.
Das Mädchen lag neben ihm und schlief.
Graingers Gedankenwelt ordnete sich nur langsam wieder. Eine Frau wie Sheila kreuzte nicht jede Woche seinen Weg, und es fiel ihm ein wenig schwer, sich von ihrem Einfluss zu befreien.
Er richtete sich langsam auf, stellte die Füße auf den Boden und erhob sich.
Sheila schlief weiter.
Grainger ging zur anderen Seite, nahm seine Kleidung, den Patronengurt und den Colt und zog sich rückwärts bis an die Tür zurück. Dort zog er sich an und achtete darauf, möglichst wenige Geräusche zu verursachen. Er schnallte den Patronengurt um und steckte den Colt 45 in das Holster. Mitnehmen durfte er Sheila nicht, das war zu gefährlich und hätte ihn auch nur behindert. Und ein wenig bezweifelte er auch ihre Worte. Wer wusste, ob sie nicht in irgendeinem Auftrag versuchte, Hengston zu finden und sich an ihn zu hängen, weil das wohl größeren Erfolg versprach.
Langsam drückte er die Türklinke nach unten, stahl sich hinaus und schloss die Tür.
Im Saloon unter der Galerie war es dunkel. Grainger ging an der Wand entlang zu der Hintertür. Sie war unverschlossen. Er trat auf die Schwelle, stand auf einer kleinen Plattform und erkannte im Mondschein die zum Hof führende Feuertreppe. Rasch lief er sie hinunter, erreichte die Hauptstraße, die verlassen in der Nacht lag, und steuerte den Mietstall an.
Der Stallmann schlief im Stroh der letzten, leeren Box. Grainger stieß ihm die Stiefelspitze gegen die Schuhsohle.
Der alte Mann fuhr empor und griff nach dem im Stroh liegenden Spencer-Gewehr.
»Lassen Sie das. Ich will nur mein Pferd holen.«
»Ach, Sie sind das.« Der Mann legte das Gewehr weg. »Nach Ihnen fragte eine junge Dame.«
»Haben Sie sie schon mal in der Stadt gesehen?«
»Nein, die war noch nie hier.«
Grainger ging zu seinem Pferd und sattelte es.
Der Mann kam leise brummelnd durch den Gang und kämmte sein graues Haar mit gespreizten Fingern.
»Wenn sie nochmal nach mir fragt, sagen Sie, ich wäre nach Norden geritten.« Grainger führte den Braunen in den Gang und gab dem Mann einen halben Dollar.
Der Stallmann steckte ihn grinsend ein.
Grainger führte das Pferd hinaus und schwang sich in den Sattel. Der Stallmann folgte ihm bis zur Tür nach und schaute dem Reiter nach.
»Vor zwei Stunden«, erklärte der Stallmann der jungen Frau und musterte sie. Sie hatte noch gerötete Wangen und sah etwas erregt aus.
»Wohin ritt er?«
»Nach Norden.«
»Sie lügen doch!«, schimpfte die junge Frau sofort.
Der Stallmann stutzte und furchte die Stirn. »So, meinen Sie?«
»Der Keeper erinnert sich, dass Grainger ihn fragte, wie weit es noch nach Tucson wäre. Und Tucson liegt südlich. Was hat er für die Lüge bezahlt?«
Nun grinste der Stallmann schief. »Einen halben Dollar, Miss.«
»Da!« Sie gab ihm einen ganzen Silberdollar. »Wohin ist er also geritten?«
»Nach Süden, Miss, wie Sie vermuteten.«
»Na also.« Sheila nahm dem Stallmann den Zügel ihrer Fuchsstute aus der Hand und sprang mit einem Satz so schnell in den Sattel, dass der Alte ihr nicht mehr zu helfen vermochte. Sie gab den Pferd die Sporen und sprengte auf Graingers Spuren in die Nacht hinaus.
»Du hängst mich nicht ab, Grainger«, murmelte sie. »Ich bin dabei, wenn wir Hengston stellen!«
Lautes Peitschenknallen, Hufschlag und Räderrasseln kündigten die Ankunft der Postkutsche in Bisbee an.
Menschen liefen trotz der Sonnenglut des Hochsommertages auf der Straße zusammen.
Am Tresen im Saloon standen Hengston und noch zwei Männer, die sich plötzlich unbeobachtet wähnten.
»Müssen wir hier noch länger bleiben?«, fragte der eine Begleiter, ein bulliger, finsterer Bursche.
»Ich würde Zattigs Vermögensverhältnisse gern noch genau nachprüfen«, gab Hengston zurück. »Morgen sind wir weg und bereiten die Sache vor.«
Der drahtige Kerl auf seiner anderen Seite trank sein Glas leer und wollte in dem Moment, als der Keeper aus dem Fenster schaute und auch sonst niemand auf ihn achtete, nach der halbvollen Flasche greifen.
Hengston versetzte ihm einen Ellenbogenstoß in die Hüfte. »Idiot, Pfoten weg!«
Der Keeper blickte über die Schulter. Hengston grinste ihn an, schob sein Glas ins Spülbecken und ging zu einem Fenster.
Vor der Poststation der kleinen Stadt Bisbee, ganz im südlichen Arizona, hielt die Postkutsche. Eine Staubwolke quoll über das Gefährt, den Fahrer, seinen Begleitfahrer und die vier Gespannpferde hinweg.
Hengston duckte sich jäh und trat rückwärts.
Der bullige Kerl starrte ihn an.
»Den kenne ich«, raunte Hengston dem neu angeworbenen Kumpan zu.
»Dann nichts wie weg!« Der Kerl wirbelte herum, hastete durch den Saloon und verschwand durch die Hintertür. Hengston stürmte schon hinterdrein, und der drahtige Bursche schloss sich an.
Verblüfft starrte der Wirt hinter den drei Männern her und schüttelte den Kopf.
Hengston und Anhang erreichten eine Ecke und beobachteten die Postkutsche, um die die Menschen der Stadt nun eine Traube bildeten.
»Los, jetzt beachtet uns keiner.«
Sie huschten über die Straße und erreichten aufatmend den Mietstall. Der Stallmann wurde von Hengston zur Seite gestoßen.
»He, he, was soll das?«, schimpfte der Mann.
»Keith, sag es ihm!« Hengston lief schon zu seinem Pferd weiter, riss den Sattel von der Trennwand und warf ihn dem Pferd auf den Rücken.
Der bullige Keith packte den Stallmann mit der linken Hand und setzte ihm die andere Faust mitten ins Gesicht. Mit rudernden Armen flog der Städter zurück und stürzte ins Stroh.
»Alles klar, Alter?«, fragte Keith, spuckte auf den Boden und ging zu seinem Pferd.
Beinahe im Handumdrehen sattelten die Schufte ihre Tiere und führten sie hinaus. Aber direkt neben dem Gelände des Mietstalls lag der Hof der Poststation. Nur ein Zaun trennte die beiden Anwesen. Und auf der anderen Seite tauchte eben der Kutscher mit einem ausgeschirrten Postpferd auf.
Hengston und der andere Mann blieben gleichzeitig stehen. Der Postfahrer erkannte den Banditen augenblicklich.
»Dort ist Jethro Hengston!«, brüllte der Kutscher.
»Zur Hölle!« Hengston riss den Colt heraus und feuerte auf die Menge, den Kutscher und den alten Deputy-Marshal. Alle warfen sich zu Boden. Nur der Hilfs-Marshal reagierte zu langsam.
Getroffen blieb der Mann stehen, strauchelte und brach zusammen.
Keith und Guy saßen schon auf den Pferden und feuerten nun ebenfalls auf die überraschte Menge, die zunächst Deckung suchte. Hengston sprang in den Sattel, schoss und trieb sein Pferd an.
Sie sprengten durch den Hof und lenkten die Pferde durch das Salbeigestrüpp am Ende des Anwesens. Das trockene Buschwerk wurde auseinandergerissen. Staub stob in die Luft und verschluckte die Reiter.
Als endlich jemand mit einem Gewehr auftauchte, waren die Halunken nicht mehr zu sehen.
Grainger lehnte an der Wand im Büro des US Marshals von Tucson und lauschte den hastig hervorgestoßenen Worten. Der Kutscher war noch völlig außer Atem und sah so erschöpft aus, dass man hätte glauben können, er wäre die zwanzig Meilen von Bisbee hierher gerannt und nicht etwa auf dem Bock gefahren.
Der Marshal wandte Grainger das Gesicht zu. »Haben Sie das gehört?«
»Jedes Wort, Marshal.«
Der Kutscher sank auf den Stuhl neben dem Gewehrständer vor dem Schreibtisch des Marshals.
Grainger stieß sich von der Wand ab und ging zur anderen Seite hinüber, um den Fahrer wieder von vorn sehen zu können. »Wann war das?«
»Heute Mittag.«
»Dann müssen Sie ja wie der Teufel gefahren sein.«
»Ich konnte zweimal die Pferde wechseln. Und jedes Mal war es dafür höchste Zeit, Mister.«
Grainger nickte verstehend. »Wohin ritten die Kerle?«
»Nach Süden. Richtung mexikanische Grenze. Die ist von Bisbee nur vier Meilen entfernt. Es sind dann ein paar Männer hinter den Schurken her, aber ich halte jede Wette, dass die Hengston nicht mehr einholen konnten. Und über die Grenze gehen die sowieso kaum.«
»Und der Marshal ist tot?« Der US Marshal setzte sich hinter den Schreibtisch.
Der Kutscher nahm den Hut ab. »Tut mir leid, Sir, aber ein Zweifel daran scheidet aus. Immerhin haben sie einen Barbier in Bisbee, der sich gleichzeitig als Doc betätigt.«
»Wie lange war Hengston in der Stadt?«, fragte Grainger.
»Drei Tage, sagten die Leute.«
Graingers Blick kreuzte sich mit dem des Marshals.
»Der führt was im Schilde«, murmelte der Mann mit dem Stern an der abgeschabten Lederjacke.
»Das sagten die Leute auch«, wandte der Kutscher ein. »Aber niemand hatte eine Vermutung, was es sein könnte. Die Kerle sollten immer nur im Saloon gehockt haben. Höchstens mal einen Spaziergang am Abend hätten die unternommen.«
»Einen Spaziergang am Abend?«, entfuhr es dem Marshal.
»Ja, erzählten die Leute.«
»Das ist schlimm genug. Wer weiß, was die an drei Abenden alles ausgekundschaftet haben.«
»Auf jeden Fall noch nichts ausgefressen«, erwiderte der Kutscher. »Keiner in der Stadt hat was vermisst. Niemand wurde angegriffen. Und keiner konnte sagen, dass er beobachtet worden wäre.«
»So was muss man nicht unbedingt merken«, wandte Grainger ein. »Aber es dürfte ein deutliches Zeichen dafür sein, dass die Kerle zu früh gestört wurden.«
»Das wurde in Bisbee auch vermutet.« Der Kutscher nickte zustimmend.
»Brachte Hengston die beiden anderen schon mit in die Stadt?«, wollte Grainger wissen.
»Die beiden anderen sollen dort vor längerer Zeit schon mal gesehen worden sein und tauchten mit Hengston wieder auf. Aber früher hatten sie in Bisbee auch nichts angestellt.«
Der US Marshal erhob sich. »Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen, Mr. Roswell.«
Auch der Kutscher erhob sich. Der Marshal gab ihm die Hand. Er kam um den Tisch herum und begleitete den Mann der Wells Fargo aus dem Office. Als er die Tür schloss, wandte er sich um.
»Die kommen nochmal nach Bisbee zurück. Die Frage ist, wann das sein wird und warum.«
»Ich werde dort sein und hoffe, sie zu bemerken. – Wann wollen Sie einen neuen Hilfs-Marshal für Bisbee einsetzen?«
»Im Augenblick habe ich niemanden für den Posten. Und wenn Sie dahin reiten, kann ich das auch noch ein bisschen aufschieben.«
»Das käme meinen Wünschen sehr entgegen«, entgegnete Grainger. »Weil ein Marshal fast immer meint, man würde ihm ins Gehege kommen und von dem Ruhm was abhaben wollen, auf den er selbst erpicht ist.«
»Ich schreibe dem Town-Mayor einen Brief, den ein Bote heute noch nach Bisbee bringt. Ich muss den Mann einweihen, Grainger.«
»Warum das?«
»Die steigen mir später aufs Dach, wenn sie erfahren, dass ich hinter ihrem Rücken was durchzog. So ein Town-Mayor besitzt heute viel mehr Macht und Einfluss als noch vor ein paar Jahren.«
»Gefällt mir gar nicht.«
»Kann ich mir denken. Aber keine Sorge. Ich kenne Town-Mayor Drake sehr gut. Er ist ein verschwiegener Mann, wenn es darauf ankommt. Und ich werde ihm schreiben, dass es darauf ankommt.«
Grainger seufzte.
»Für die anderen können Sie dort als Durchreisender auftreten. Da fällt mir ein, es ist noch jemand in Tucson, der sich für diesen Jethro Hengston interessiert.«
»Wer?«
Der Marshal grinste. »Sie sagte, Sie würden …«
»Sheila«, entfuhr es Grainger.
»Richtig. Nehmen Sie das tatkräftige Mädchen als Begleiterin mit. Als Ihre Braut, das fällt am wenigsten auf. Wenn die Kerle dann heimlich die Stadt beobachten und etwas erfahren sollten, fällt kein Verdacht auf Sie.«
»Sie gehen davon aus, die könnten in Bisbee etwas vorbereiten und dabei einen Helfer haben?«
Der Marshal zuckte mit den Schultern. »Bei Hengston muss man auf vieles gefasst sein, das wissen Sie doch. Wenn Ihre Braut zum Beispiel in dem Nest krank würde, wäre Ihr Aufenthalt in der Stadt für jeden Bewohner eine Selbstverständlichkeit.«
»Sie haben sich das ja schon alles wunderbar zurechtgelegt. Und Sheila ist es offenbar mit Leichtigkeit gelungen, meinen Spuren zu folgen.«
»Sie ist sehr tüchtig«, räumte der Marshal schmunzelnd ein.
»Das wird man aber in der Regel durch gute Ausbildung. Und nicht etwa, weil man den Mörder des eigenen Vaters finden will.«
Nun grinste der Marshal ganz offen. »Hengston hat wirklich ihren Vater auf dem Gewissen. Das war also nicht gelogen, wenn sie es Ihnen erzählte. Inzwischen wurde sie jedoch bei der Wells Fargo angestellt. Nicht etwa als Spezialagent, der Mörder jagen soll. Mehr als eine Art Kundschafter, der lediglich herausfinden soll, wo sich bestimmte Personen aufhalten.«
»In diesem Fall Hengston?«
»Stimmt.«
Grainger ging im Büro auf und ab.
»Sie sollen das Mädchen nur als Tarnung mitnehmen. Und damit Sheila Warrior ihren Aufgaben genügt. Ich sorge im Gegenzug dafür, dass die Meldung der Post nach Phoenix verschleppt wird. Damit nicht schon in zwei oder drei Tagen Agenten der Wells Fargo da unten auftauchen und Hengston in die Flucht schlagen. – Ist das ein faires Angebot?«
Grainger quälte sich ein Lächeln ab und gab dem Marshal die Hand. »Einverstanden. Aber noch eins: Wann kam Sheila denn hier an?«
»Erst vor drei Stunden. Zwei Stunden später als Sie, Grainger. Die ist fix, was?«
»Ich fürchte, sie kann mir ziemlichen Ärger bereiten. – Wo ist sie jetzt?«
»Vermutlich in der Poststation. Das ist hier gewissermaßen ihre Dienststelle.«
»Dann dürfte sie ja bereits wissen, wohin die Reise nun gehen soll.«
»Stimmt genau. Und ich muss mich beeilen, um mit dem Agenturleiter ins Reine zu kommen. Sonst ist die Meldung nach Phoenix schon unterwegs, wenn ich ihn sehe. Also, beeilen wir uns.«
Sie verließen gemeinsam das Office und traten ins Dunkel hinaus.
Geschäftiges Leben erfüllte Tucson. Aus beiden Saloons der Stadt schallte Gelächter, das Klimpern von Klavieren und vielfältige andere Geräusche wie eine Untermalung.
Sie überquerten die Straße und betraten die Poststation.
Sheila stand an der Barriere, die den Schalterraum teilte. Der Hut hing an der Windschnur in ihrem Nacken, und die Wildlederbluse mit den langen Fransen an den Nähten stand offen. Sie lächelte Grainger strahlend an und schien gar nicht beleidigt zu sein, weil er sie vor ein paar Tagen sitzengelassen hatte.
»Hallo!«, rief sie aufgeräumt, eilte ihm entgegen und gab ihm die Hand. »Wie klein doch die Welt ist!«
»Du hast es faustdick hinter den Ohren«, gab er flau zurück.
»Meat, ich hab mit Ihnen zu reden.« Der US Marshal winkte dem Agenturleiter und verließ mit ihm den Schalterraum.
»Wann reiten wir?«, wollte Sheila wissen.
»Eines sage ich dir gleich: Wenn es zum Kampf kommt, lässt du die Nase hinter einer Wand, ist das klar?«
»Ich hab ein Schießeisen, wie jeder sehen kann. Und das trage ich bestimmt nicht zur Zierde mit mir herum. Übrigens besitze ich auch ein Gewehr.«
Grainger hätte seine Zustimmung am liebsten schon wieder zurückgezogen. Doch er wusste, dass sie ihn nicht mehr allein losreiten ließen. Mindestens die Spezialagenten der Post würden bald in Bisbee auftauchen und ihre Messingschilder möglicherweise in der Stadt spazieren tragen. Da schien es schon das kleinere Übel zu sein, die schöne Sheila mitzunehmen.
»Also, wann geht’s los?«
»Am besten jetzt gleich. Dann sind wir morgen beizeiten in der Stadt und dürften kaum zu spät kommen.«
»Einverstanden.« Sheila schaute sich um. »Los, verdrücken wir uns.«
Sie verließen die Station, steuerten den Mietstall an und sattelten ihre Pferde. Grainger wollte ihr helfen, als er mit dem Braunen fertig war, doch inzwischen war auch Sheila soweit, führte die Fuchsstute schon vorbei und hinter das Gebäude.
»Hat er dir gesagt, dass es am besten ist, wir mimen ein Brautpaar?«
»Ja.« Grainger saß auf. »Wann hast du dir denn das ausgedacht? Der Kutscher kam doch erst vor einer halben Stunde.«
»Ich wollte das mit dir schon in der anderen Stadt besprechen. Aber du hast dich ja aus dem Staub gemacht. Gemein war das, Grainger, eine Frau einfach so sitzenzulassen!«
Die Stadt blieb hinter ihnen in der Nacht zurück.
»Warum sagst du nichts dazu?«
»Du hattest mich belogen, Sheila. Ich konnte mir gleich nicht vorstellen, dass du Hengston privat verfolgst.«
»Hat der Marshal dir das erzählt?«
»Er musste mit der Wahrheit herausrücken, wenn er mich zu dem Geschäft überreden wollte.« Grainger lenkte den Braunen auf die Overlandstraße und folgte ihr nach Südosten.
Buschwerk und Kakteen flankierten den Weg und waren auch weiter abseits im fahlen Mondlicht zu erkennen.
»Ich wüsste übrigens noch etwas Besseres, Grainger. Wir sollten uns als Ehepaar ausgeben, nicht als Brautpaar. Dann finden die Leute nichts dabei, wenn wir nur ein Zimmer nehmen. Das hilft uns, eine Menge Geld zu sparen.«
»Fällt dir das erst jetzt ein?«
»Nein, keineswegs. Das wollte ich dem Marshal nur nicht auf die Nase binden. Er ist ein bisschen altmodisch, musst du wissen. Dem hätte gleich mein ganzer Plan nicht gefallen.«
Im Osten stieg die Sonne über die Hügel und zerriss die Nebelschwaden über dem Grasland. Die Sicht nahm zu. Grainger vermochte von einer Minute zur anderen die Stadt zu sehen, die nur noch eine knappe Meile entfernt in dem langen Tal lag, das im Süden von großen Kakteen begrenzt wurde. Noch weiter da unten stiegen die teilweise skurrilen Felsen der Sierra San Antonio jenseits der Grenze empor.
Sheila saß etwas zusammengesunken auf der Fuchsstute und kämpfte hin und wieder verstohlen gähnend gegen die Müdigkeit an. Sie hatte mehrere Nächte durchreiten müssen, um an Graingers Fersen zu bleiben, und das machte sich nun doch bemerkbar.
Als sie den Stadtrand erreichten, traten Männer mit angeschlagenen Gewehren aus dem Schatten der Vordächer ihrer weißen Adobelehmhütten und blickten finster auf die Ankömmlinge.
Die Erkenntnis, einen der meistgesuchten Banditen des Westens im Ort gehabt zu haben und der Tod des alten Hilfs-Marshals waren ihnen anscheinend gewaltig in die Glieder gefahren.
»Weiß du, wer der Town-Mayor ist?«, flüsterte Sheila, die nun doch wieder hellwach war.
»Nein, ich vergaß den Marshal danach zu fragen. Wir werden es noch sehen. Der Bote hat in den Stationen unterwegs die Pferde gewechselt und dürfte längst hier gewesen sein. Vermutlich schläft er jetzt in der Poststation.«
Hinter ihnen schoben sich die Menschen von rechts und links auf der Straße wie eine Mauer zusammen und folgten ihnen schweigend.
Sie hielten in der Mitte zwischen dem Saloon und der Poststation. Sheila fiel ein Gesicht hinter einem Fenster im Posthaus auf.
»Ja, er ist hier.« Sie ließ den Oberkörper langsam zusammensinken.
»Also pass auf, es geht los. Ich bin erschöpft und habe Fieber.«
Ihr Oberkörper neigte sich weit nach vorn, bis sie auf dem Hals der Stute lag.
Vor ihnen und an den Seiten wurden die Gewehre gesenkt.
»Das ist er nicht«, sagte jemand. »Ein Fremder. He, Mister, was ist mit der Frau?«
»Wir sind schon lange unterwegs, und unser letztes Wasser war nicht mehr sehr gut. Vielleicht irgendeine Infektion, wenn nicht nur die Erschöpfung.»
»Ist das Ihre Frau?« Ein kleiner, glatzköpfiger Mann schob sich heran. »Ich bin hier der Barbier und muss auch den Doc ersetzen.«
»Ja, sie ist meine Frau«, entgegnete Grainger. Es gefiel ihm gar nicht, die vielen Menschen derart hinters Licht führen zu müssen, aber schließlich nutzte es ihrer Aufgabe.
Die letzten Gewehre senkten sich.
Ein großer, breitschultriger Mann schritt auf die Pferde zu. Er mochte bald sechzig sein, hatte lichtes Grauhaar und trug eine grüne Schürze vor dem Bauch. »Ich bin der Town-Mayor, Mister. Drake ist mein Name.«
Grainger lächelte verbindlich zu dem Mann hinunter. »Grainger, Mr. Drake.«
Sheila stöhnte gekonnt und rutschte im Sattel zur Seite.
»Achtung!« Der Barbier hastete um das Pferd herum und fing Sheila auf, als sie scheinbar abstürzte. »Schnell, tragt sie ins Haus, Leute. Am besten in ein Zimmer im Saloon, bei mir ist nicht genug Platz.«
Sheila wurde von den Leuten in einem dichten Pulk in den Saloon gebracht, und alles strömte hinterher. Nur der Town-Mayor blieb vor den Pferden stehen.
Grainger saß ab.
»Ich habe die Nachricht des Marshals bekommen«, flüsterte Drake.
Grainger schaute sich um. »Wurden die Banditen noch einmal gesehen?«
»Nein. Wir verfolgten sie bis an die Grenze, aber wir sahen sie ja gar nicht. Wir sind nur der Staubfahne nach.«
»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen, was sie hier gesucht haben könnten?« Grainger schaute sich weiter um. An der Ecke sah er einen Drugstore mit zwei großen Fenstern. Vor der Tür stand eine auffallend attraktive Frau mit langen, roten Haaren, in die das Sonnenlicht Funken zu zaubern schien.
»Wir haben nicht den mindesten Schimmer, was die hier gewollt haben könnten, Mr. Grainger.«
Er beobachtete die Frau immer noch. Neben sie trat in diesem Augenblick ein mittelgroßer, vielleicht sechzig Jahre alter Mann. Die junge Frau überragte ihn um Haupteslänge. Sie wirkte neben ihm jedoch noch größer, da der Mann über einen erheblichen Körperumfang verfügte. Rotes Borstenhaar stand auf seinem Kopf. Sein rundes Gesicht sah gerötet aus. Er schwitzte trotz der frühen Stunde schon so sehr, dass er sich mit einem großen, bunten Taschentuch beinahe pausenlos über das Gesicht wischte. Der Mann trug einen Prince-Albert-Rock, Lackschuhe und hielt einen Zylinder in der Hand.
Der Town-Mayor blickte über die Schulter. »Das ist Tracy Zattig, der Besitzer des Drugstore. Und seine Frau Melanie.«
»Seine Frau?«, staunte Grainger.
Drake grinste schief. »Er ist doppelt so alt wie sie. Aber er hat Geld. Viel Geld. Hier ziehen ab und zu Trecks auf dem Weg nach Südwesten durch. Da lässt sich gut etwas verdienen. Im Prinzip gilt das zwar für uns alle. Aber wenn man etwas verkauft, was man erst herstellen muss, ist man nie so gut dran wie ein Händler.«
Die Frau trug ein grünes Kostüm aus teurem Stoff und sichtbar wertvollen Schmuck, große Gehänge an den Ohren, Ringe an den Fingern und mehrere Reifen an den Armen.
»Die müssen offenbar wirklich auf nichts verzichten«, sagte Grainger leise.
»Zattig legt Wert darauf, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Ansonsten ist er ein Geizkragen. Melanie kam als Tanzmädchen hierher. Vor zwei Jahren. Sie wollte bleiben und suchte sich aus, wer für sie als Ehemann in Frage käme. Es waren mehrere, die sich um sie rissen. Aber ob ihre Wahl richtig war, darf man bezweifeln. Er hält sie wie einen exotischen Vogel in einem Käfig. Bisbee ist bestimmt keine Stadt nach ihren Begriffen.«
»Vielleicht wartet sie darauf, Witwe zu werden.«
»Das kann unter Umständen noch dauern, bis sie selbst graue Haare bekommt. Zattig verfügt über eine ziemlich stabile Gesundheit. Kann mich nicht erinnern, dass er mal krank gewesen wäre.«
»Lern, kaltes Wasser und Lappen!«, rief der Barbier mit Donnerstimme durch den Saloon. »Sie hat Fieber. Ich muss ihr Kompressen auflegen. Beeile dich ein bisschen!«
Der Town-Mayor blickte fragend auf Grainger.
»Meine Frau ist eine erstaunlich gute Schauspielerin und wird unseren Aufenthalt in der Stadt legalisieren.«
»Wirklich, das muss ihr der Neid lassen. Schaffen wir die Pferde weg, bevor wir auffallen.«
Sie führten die Tiere zum Mietstall und brachten sie hinein. Der Stallmann befand sich nicht in dem langen, flachen Gebäude, in dem mehr als ein Dutzend Pferde in den zwanzig Boxen standen.
»Sie haben also wirklich keine Ahnung, was die Kerle hier gewollt haben könnten, Mr. Drake?«
»Noch nicht mal einen Schimmer davon. Aber es liegt was in der Luft. Jeder hier spürt es. Sie sahen es ja, die kommen gleich mit ihren Gewehren, wenn ein Fremder auftaucht. Jeder spürt es. Da kommt noch etwas auf uns zu.«
Sheila lag bis zum Hals eingepackt im Bett, als Grainger das Zimmer betrat. Es handelte sich um einen relativ großen Raum. Die Wände waren tapeziert, die Möbel sauber verarbeitet und lackiert, und von der Decke hing eine doppelarmige Petroleumlampe.
»Nicht schlecht.« Grainger schob die Hände in die Hosentaschen und blickte sich um.
»Der Barbier muss Tomaten auf den Augen haben oder von Medizin nichts verstehen. Der hätte doch merken können, dass ich nur vor Angst schwitze. Er flößte mir sogar ein ekelhaft schmeckendes Pulver ein. Ohne einen Schluck Wasser.«
Grainger ging zum Fenster und blickte über die Stadt hinweg. Sie bestand aus einer Häuserzeile und den Schuppen der Handwerker dahinter. Außer der Poststation gab es noch eine Bank, die nach Angaben des Town-Mayors inzwischen rund um die Uhr von vier Mann drinnen bewacht wurde.
»Geld gibt es hier vermutlich eine stattliche Menge«, murmelte Grainger. »Aber dass es drei Mann gelingen sollte, da heranzukommen, ist eher unwahrscheinlich.«
»Und wenn die Bande stärker als drei Mann ist? Wenn Hengston nur nicht alle Leute mit hierher brachte?«
»Nein. Die beiden anderen wurden hier schon vor einiger Zeit mal gesehen und waren allein. Wo sollte Hengston denn plötzlich eine ganze Bande aufgegabelt haben?« Grainger wandte sich um. Er musste immer noch an das seltsame, nicht zusammenpassende Paar vor dem Drugstore denken.
»Komm, leg dich zu mir. Wir haben Ruhe verdient. Am hellen Tage passiert sowieso nichts.«
Er ging zum Bett und setzte sich. Sheila warf die schwere Decke zur Seite und befreite sich von den Kompressen. Dann zog sie die Wildlederhose und die rote Bluse aus, die sie noch am Körper trug.
Grainger sah sie in dem Spiegel, der über dem Frisiertisch vor ihm an der Wand hing. Sie kroch von hinten an ihn heran und umarmte ihn.
»Wir sind für alle Mann und Frau. Es ist nur natürlich, dass wir zusammen im Bett liegen.« Sie zog ihm die Lederweste herunter und knöpfte sein Hemd auf.
»Du warst aber ziemlich müde.«
»Jetzt nicht mehr.« Sheila zog ihm das Hemd von den Schultern und berührte mit den vollen Lippen seinen Hals. Und er spürte das Prickeln unter der Haut wieder, das ihm ihre Berührungen verursachten.
Sheila ließ ihn los, stand auf, zog die Gardine vor das Fenster und schloss die Tür ab. Grainger zog sich aus. Sie lag früher als er im Bett und erwartete ihn mit offenen Armen. Ihre heißen Küsse ließen ihn abermals die Banditen vergessen und den Augenblick genießen.
Das grelle Sonnenlicht ließ über dem Gestein im Bergtal die Hitze wabern. Dunst und Staub standen in der Luft und dahinter die Sonne wie eine fahlgelbe Feuerscheibe.
Hengston zügelte sein Pferd am Ausgang des weiten Tales inmitten der Sierra San Antonio. Hinter Buschwerk, bizarren Felsentürmen und hohen Saguarokakteen war ein großes, quadratisches Gemäuer zu erkennen. Der angebaute Turm besaß keine Spitze mehr. Aber das große Kreuz daneben auf dem Flachdach verriet, dass es sich um eine alte spanische Mission handelte.
Keith und Guy zügelten ihre Pferde rechts und links des Trickbetrügers.
Keith grinste Hengston von der Seite an. »Zwei alte Padres leben in dem Gemäuer. Weiße.«
»Weiße?«, fragte Hengston überrascht.
»Wenn ich es sage.«
»Wieso Weiße?«
»Keine Ahnung. Aber es sind welche. Wir sahen sie uns an, als wir hier Wasser holten. Und es scheint in der Nähe sonst niemand weiter zu geben. Nur einen mexikanischen Campesino etwas östlich in einem Canyon. Der lebt mit seiner Frau und zwei halbwüchsigen Söhnen da. Wenn hier geschossen wird, hören die gar nichts. Und mit den weißen Padres haben sie auch bestimmt nichts am Hut.«
»In Ordnung, sehen wir nach, was sich damit anfangen lässt.« Hengston trieb sein Pferd an.
Nebeneinander ritten die Halunken durch das Tal. Als sie das verfilzte Buschwerk hinter sich hatten, konnten sie das alte Gemäuer in voller Größe sehen. Risse zogen sich die Wände hinauf. Ein großes Balkentor stand zwischen hohen Fensterschlitzen und war geschlossen. Vor der alten Mission, die eigentlich schon eine Ruine genannt werden konnte, befand sich ein Brunnen.
Als sie den Brunnen erreichten und anhielten, wurde ein Flügel des Tores geöffnet. Zwei mit dunkelbraunen Kutten bekleidete alte Padres traten ins Sonnenlicht.
»Na, was hab ich gesagt«, raunte Keith Hengston zu.
Der Anführer der kleinen Horde stieg ab und trat vor die Pferde. »Wir sind weit geritten und haben kein Wasser mehr, Hochwürden.«
»Nehmt euch Wasser, soviel ihr braucht«, erwiderte der eine Padre. »Der Herr hält es für euch bereit.«
»Danke.« Hengston wandte sich dem Brunnen zu. Ein Seil war an der Mauer an einem Haken befestigt und hing in den schwarzen Schacht hinunter. Er zog daran und hörte einen Eimer in der Tiefe gegen die Wand schlagen.
Die Padres umgingen den Brunnen. Sie hatten beide weißbärtige Gesichter und ähnelten deswegen einander wie Brüder.
Hengston stellte den vollen Zinkeimer auf den Brunnenrand. Keith brachte die leeren Flaschen. Guy nahm den Eimer und half seinem Kumpan.
»Ihr lebt allein hier in der Wildnis?«, fragte Hengston in einem Ton, der eher gleichgültig klingen sollte.
»Ich bin Bruder Bautista, mein Sohn.« Der eine Kuttenträger kam links an der Mauer entlang. »So getauft nach Father Juan Bautista Velderrain, dem Gründer unseres Ordens.«
»Aha«, sagte Hengston und überlegte, welchen Namen er angeben sollte.
Aber der Padre interessierte sich offenbar nicht dafür, denn er fuhr schon fort: »Wir sind vom Orden San Xavier del Bac aus Tucson. Leider stellte der Herr uns vor eine unlösbare Aufgabe.«
Hengston gab sich neugierig. Keith ließ den leeren Eimer wieder in den Brunnen hinunter, um ihn abermals zu füllen.
»In diesem Tal und in den Bergen, die du sehen kannst, lebten Indios. Der Herr erschien unserem Abt und sprach zu ihm, dass wir den Heiden den rechten Glauben beizubringen hätten, und so kamen wir hierher und bauten diese Mission. Vierzig Jahre ist es jetzt her. Wir lehrten die Indios, den kargen Boden zu nutzen und wollten sie zu Fleiß erziehen, damit sie Gott ins Angesicht schauen durften. Aber sie waren faul und aufsässig und liefen weg.«
Hengston blickte auf das Gemäuer. »Es sieht viel älter aus als vierzig Jahre.«
Bekümmert nickte Padre Bautista. »Der Herr gab uns die Schuld an dem Versagen. Er ließ die Erde beben, so dass der Turm einstürzte und Risse das Haus spalteten. Aber er ließ das Kreuz auf dem Dach stehen. Zum Zeichen seiner Macht und Güte. Denn wir überlebten es damals alle.«
»Und die Indios kehrten nicht zurück?«
Abermals schüttelte der betagte Mann den Kopf. »Der Herr vermochte sie nicht zu erleuchten.«
»Warum seid ihr dann nicht zu eurem Orden zurück?«
»Wir sind zurück. Aber der Abt glaubte bis zu seinem seligen Ende, dass es gut wäre, wir würden hier auf die Rückkehr der Ungläubigen warten. Und so warten wir.« Der Padre bekreuzigte sich.
»Darf man die Mission einmal betreten?«
»Aber sicher, mein Sohn. Gottes Haus steht für alle offen.« Der Padre schritt voran.
Hengston und seine Kumpane folgten ihm, und der zweite Padre bildete den Schluss.
In der Mission war es halbdunkel und kühl. Nur wenig Licht fiel durch die hohen Schlitze in den Wänden. Das Gebetshaus war nur ein Teil der Mission, wie die Türen im Hintergrund verrieten. An einer Wand befand sich der Altar, von dem die Farbe abblätterte. Stumpf stand das Messgeschirr unter einem großen Kreuz an der Wand. Zwei hölzerne Ikonen in Nischen besaßen gespaltene Köpfe, weil die Trockenheit das Holz in den vielen Jahren aufgerissen hatte. Die Betstühle standen nicht mehr vor dem Altar, sondern sie lagen auf einem wüsten Haufen über- und ineinander in einer Ecke.
Die Padres verließen die Banditen, knieten am Altar nieder, küssten die dort liegenden, alten und farblos gewordenen Tücher und falteten die Hände.
Hengston zog den Revolver. Seine Kumpane taten das gleiche. Zugleich hoben sie die Waffen an und feuerten.
Das Krachen wummerte fürchterlich laut durch das tote Gemäuer und verschluckte das Röcheln der am Altar zusammensinkenden Padres.
Grainger stand am Fenster und schaute auf die Stadt hinunter. Die Dämmerung sank über das Land.
Zattig stolzierte wie ein Pfau vor dem Drugstore auf und ab, und jedes Mal, wenn jemand vorbeiging, zog er den Zylinder und deutete eine Verbeugung an, was wegen seiner rundlichen Figur recht komisch aussah.
Sheila räkelte sich im Bett und sagte: »Das kann von mir aus einen ganzen Monat so weitergehen.«
Grainger wandte sich um. »Du bist gar nicht so verrückt darauf, dass Hengston auftaucht, was?«
»Jetzt nicht mehr, Grainger.« Ihre große Augen strahlten. »Und soll ich dir sagen, warum?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Unsere Wege werden sich trennen, wenn Hengston Vergangenheit ist. Zwangsläufig.«
»Ja, das wird wohl so sein, Sheila. Und das wussten wir auch von vornherein.«
»Leider.« Sie seufzte.
Grainger wandte sich um, blickte über die Häuser hinweg und sah die Holzkreuze auf dem Friedhof in den letzten grauen Schleiern des scheidenden Tages versinken. Dort hatten sie am Nachmittag den toten Hilfs-Marshal unter großer Beteiligung beerdigt.
Zufällig fiel sein Blick auf die Straße, und er sah den Barbier mit einer schwarzen Tasche die Straße überqueren. Grainger wirbelte herum.
Sheila stand gerade auf und wollte zu ihm treten.
»Dein Doc!«
Sie wurde blass. »Mein Gott, bist du sicher, dass er … Natürlich, er wollte am Abend noch mal nach mir sehen. Schnell, Grainger, die Kompressen!« Sie sprang ins Bett.
Grainger hastete zur anderen Seite, kramte die Tücher zusammen, tauchte sie ins Wasser und legte sie Sheila an. Er warf die Decke über sie und versetzte ihrem Anzug und der Bluse einen Tritt, dass sie unters Bett flogen.
Da war der Mann schon oben und schlug gegen die Tür. »Mr. Grainger, sind Sie da?«
Grainger ging hin und schloss auf. Er ließ den Mann an sich vorbei und schob die Tür zu.
Barbier Laurence setzte ein freundliches Grinsen auf. »Und, wie geht es uns jetzt, Madam?«
Sheila stöhnte gekonnt. »Ich fühle mich noch immer elend.«
»Ja ja, das braucht seine Zeit.« Laurence schob die Decke zur Seite und starrte aus hervorquellenden Augen auf das nackte Mädchen. »Ent … entschuldigen Sie«, stotterte er und deckte Sheila wieder zu.
Sie zwinkerte mit fast geschlossenen Augen. »Was meinen Sie?«
»Nichts weiter.« Der Mann wandte sich um. »Wer hat sie denn ausgezogen?«
Grainger gab sich unwissend. »Ich war auch nicht immer hier. Vielleicht sie selbst.«
»Seltsam, seltsam.« Laurence schüttelte den Kopf. »Na, jedenfalls nehmen wir jetzt schön brav unser Pülverchen, und dann wird es uns bald wieder besser gehen.«
Sheila stöhnte wieder und hauchte: »Muss das sein?«
Der Barbier stellte die Tasche auf den Stuhl am Bett, öffnete sie, entnahm ihr zuerst einen Zwicker und klemmte ihn auf den Nasenrücken. Dann brachte er eine Flasche mit einem weißen Pulver und einen kleinen Löffel zum Vorschein.
»Es schmeckt doch so ekelhaft!«, jammerte Sheila.
Laurence kicherte. »Was gut schmeckt, hilft auch nicht gegen Krankheiten, Madam. Bittere Medizin ist immer gut.« Er entkorkte die Flasche mit den Zähnen und ließ das weiße Pulver auf den Löffel rinnen, bis sich ein satter Haufen bildete. Dann schob er mit den Zähnen den Korken in den Flaschenhals zurück und ließ sie in die Tasche gleiten.
»So, Mund auf, Augen zu und kräftig schlucken!« Er hob Sheilas Kopf etwas an und schob ihr den Löffel in den Mund.
»Das geht ja prima, Madam.«
Das Mädchen schluckte und sah bleich aus.
»Kann sie nicht wenigstens etwas Wasser kriegen?«, fragte Grainger teilnahmsvoll.
»Aber nein, dann spült sie doch gleich alles bis in den Magen, und die Wirkung ist futsch. Das Bittere an der Medizin muss man genießen!« Laurence kicherte wieder, steckte den Löffel in die Tasche und ließ die beiden Bügelseiten zuschnappen. »Ich sehe morgen wieder nach Ihnen, Madam. Und keine Sorge, Sie sind schon über dem Berg!«
Grainger ging zur Tür und öffnete sie für den Barbier.
»Gute Nacht, Mr. Grainger.«
»Gute Nacht, Mr. Laurence. – Ach so, Sie haben noch gar nicht gesagt, was wir Ihnen schulden?«
»Bezahlt wird immer erst nach der Behandlung.« Der Mann nickte noch mehrmals freundlich und lief auf der Galerie zur Treppe.
Grainger schloss die Tür. Sheila sprang aus dem Bett, spuckte das weiße Pulver ins Waschbecken und gurgelte mit Wasser, das sie ebenfalls ausspuckte.
»So ein Teufelszeug! Der vergiftet seine Patienten doch!« Sheila hustete noch.
Grainger trat ans Fenster.
Auf der Straße waren an Seilen über der Fahrbahn aufgehängte Lampen angezündet worden. Der Barbier lief durch den Lichtkreis über den Radrinnen und tauchte im Dunkel unter.
Hinter der Schmiede loderte ein heller Schein in die Höhe. Ein Flammenbündel schoss über das Dach.
»Feuer!«, entfuhr es Grainger. Mit vier Schritten war er an der Tür, riss sie auf, trat an die Brüstung und rief in den Saloon hinunter: »Hinter der Schmiede brennt ein Schuppen!«
Die Männer am Tresen warfen die Köpfe herum und starrten sekundenlang herauf. Dann hastete der erste zur Schwingtür und stürzte hinaus.
»Es brennt!«, rief draußen eine kreischende Stimme. »Hinter der Schmiede. Schnell, beeilt euch!«