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Zyklus, Hormone, Sex & Co. – was du schon immer von deiner Gynäkologin wissen wolltest Wie kann ich PMS wirksam behandeln? Ist eine Intimrasur gefährlich? Warum sollte ich meinen Beckenboden trainieren? Wie halte ich mein vaginales Mikrobiom in Balance? Und was hilft bei Scheidentrockenheit? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen wohl jede Frau, doch nicht immer bietet die Sprechstunde die richtige Gelegenheit, um sie zu stellen. Aus diesem Grund hat es sich die Gynäkologin Dr. Katrin Gross zur Aufgabe gemacht, die 100 häufigsten Fragen rund um das Thema Frauengesundheit zu beantworten. Offen, fundiert und klar bespricht sie Themen wie • Sex, • Menstruationsbeschwerden, • Verhütung, • Geschlechtskrankheiten, • Schwangerschaftsabbruch und • Intimpflege. Darüber hinaus räumt sie mit Klischees und Mythen auf, gibt praktischen Rat und lässt dabei keines der vermeintlichen Tabuthemen aus. Das Wissen über deine Anatomie und gynäkologische Hintergründe gibt dir die Macht, die richtigen Entscheidungen für dich und deinen Körper zu treffen und selbstbewusst für deine Gesundheit einzustehen!
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Seitenzahl: 263
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DR. KATRIN GROSS
100 FRAGENAN DEINE FRAUENÄRZTIN
DR. KATRIN GROSS
100 FRAGENAN DEINE FRAUENÄRZTIN
Die wichtigsten Fakten und Tipps zu Sexualität, Verhütung, Vaginalflora, dem weiblichen Zyklus und häufigen Beschwerden
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen
Wichtige Hinweise
Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt oder eine qualifizierte Ärztin. Der Verlag und die Autorin haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
Originalausgabe
1. Auflage 2023
© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Dr. Susanne Meinrenken
Umschlaggestaltung: Maria Verdorfer, München
Umschlagabbildungen: Shutterstock/Aleksandra Kirichenko, Irina Strelnikova, Marina Shevchenko, valeriya kozoriz, VasilkovS
Illustrationen im Innenteil: Karolin Ohrnberger, www.karooh.com; außer Seite 66: Shutterstock/Pikovit
Satz: Bernadett Linseisen (schere.style.papier), München
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2395-8
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2148-7
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2149-4
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
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1 Geschlechtsorganewir schauen näher hin
Äußeres Geschlechtsorgan – Wunderwerk Vulva
Innere Geschlechtsorgane – geheimnisvolle Unterwelt
Beckenboden – die Hängematte unserer Unterbauchorgane
Eine Mamma kommt selten allein
2 Vaginalfloraein sensibles Ökosystem
Ausfluss und Mikrobiom – eine saure Angelegenheit
Bakterielle Vaginose – Vaginalflora im Ungleichgewicht
3 Menstruationszyklusder ewige Kreislauf
Zyklus – alles dreht sich um den Eisprung
Wenn die Blutung macht, was sie will
4 Verhütungmit oder ohne Hormone?
Barrieremethoden – Klassiker der Verhütung
Natürliche Familienplanung – Körper unter Beobachtung
Hormonspirale, Kupferspirale oder Kette – sicher ist sicher
Antibabypille – Fakten, Fakten, Fakten
Notfallverhütung – wenn es schnell gehen muss
5 Weibliche Lustdie große Unbekannte
Das Gehirn im Einklang mit den Genitalien
Wie wir feucht werden und »kommen«
Schmerzen beim Sex
6 Was stimmt da nicht?Geschlechtskrankheiten und andere Beschwerden
Geschlechtskrankheiten können jede(n) treffen!
HPV – von Genitalwarzen und Gebärmutterhalskrebs
Blasenentzündung und vaginale Pilzinfektion – wie ein Boomerang
Weit verbreitete und häufig unentdeckte Leiden
Inkontinenz – unkontrollierter Urinverlust
Quellenverzeichnis
Verwendete Literatur
Über die Autorin
wir schauen näher hin
Den weiblichen Geschlechtsorganen wird außer beim jährlichen Frauenarztbesuch keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Im allgemeinen Sprachgebrauch existieren sie oft nicht einmal in ihrem korrekten Ausmaß. Was genau »untenrum« zu finden ist, darüber wissen wir erstaunlich wenig. Den Begriff Vagina hört man hin und wieder für alles im weiblichen Intimbereich. Doch die Vagina ist nicht sichtbar, sie gehört zu unseren inneren Geschlechtsorganen und bezeichnet lediglich die Verbindung zwischen Vulva und Gebärmutter. Um dieses Chaos aufzulösen, wird es höchste Zeit, deine Geschlechtsorgane genauer kennenzulernen.
Sammeldusche im Hallenbad – ein verstohlener Blick fällt auf die ältere Dame drei Duschköpfe weiter rechts, genauer gesagt auf ihren Intimbereich. Alles, was wir im Augenwinkel erhaschen können, ist ein graues Meer aus gekräuselten Haaren. Das dürfte bei vielen von uns die einzige Begegnung mit dem weiblichen äußeren Geschlechtsorgan gewesen sein. Denn wir Frauen − und mit »Frau« meine ich alle, die sich als Frau fühlen, wobei klar ist, dass dazu nicht alle Menschen mit weiblichen Geschlechtsorganen gehören, und dass nicht alle, die sich als Frau fühlen, weibliche Geschlechtsorgane haben – wir Frauen sind mit unseren Genitalien im öffentlichen Raum nicht sichtbar. Während Mann den Penis seiner Kumpels bereits im frühen Kindesalter in jeder Sportumkleidekabine betrachten kann, bleibt die Vulva im Verborgenen. Auch wenn Zeichnungen der Vulva vermuten lassen, dieses Organ sei sehr einheitlich, sieht die Vulva jeder Frau ganz einzigartig aus.
Vulva, so wird die Gesamtheit deiner äußeren, sichtbaren weiblichen Geschlechtsorgane bezeichnet. Hierzu gehören der Venushügel, die Klitoris, der Vaginalvorhof, das Hymen und die Vulvalippen. Sind damit die Schamlippen gemeint? Ganz genau, aber dieser Begriff impliziert, dass unser wunderschönes weibliches Geschlechtsorgan Anlass bietet, sich zu schämen. Dafür gibt es aber keinen Grund. Wir verwenden daher den aktuell verbreiteten und aus feministischer Perspektive korrekten Begriff Vulvalippen. Diese Strukturen bilden einen engen Verbund und bestimmen das individuelle Aussehen deiner Vulva. Die Anatomie ist bei uns allen gleich. Details über den Aufbau der Vulva mit seinen zahlreichen lateinischen Begriffen, dem genauen Verlauf der Blutgefäße und den kleinsten Verzweigungen des Nervensystems habe ich schon während der ersten Semester im Medizinstudium gelernt. Worüber niemand sprach, erkannte ich erst viele Jahre später, nachdem ich meine Ausbildung zur Frauenärztin begonnen hatte. Mit jeder gynäkologischen Untersuchung, jeder Operation im Intimbereich und jeder Geburt, die ich begleiten durfte, wurde klarer: Wirklich jede Vulva sieht anders aus! Es gibt unzählbare Variationen von Formen und Farben. Die Länge der Klitorisvorhaut, die Breite der Vulvalippen, die Farbe der Vulva im Vergleich zur umgebenden Haut und das Behaarungsmuster machen jede Vulva individuell und einzigartig. Im Grunde sollte das nicht weiter überraschen, schließlich hat auch keine von uns die gleichen Ohren, Lippen oder Füße. In den meisten Schulbüchern und selbst in Lehrbüchern der Medizin wird das allerdings nicht dargestellt: Hier gleicht eine Vulva der anderen: einheitlich symmetrisch, von den äußeren Vulvalippen bedeckt und einfarbig.
Die weiblichen Genitalien unterteilt man in äußere und innere Geschlechtsorgane. Die äußeren Geschlechtsorgane werden in ihrer Gesamtheit Vulva genannt.
Die individuelle Ausgestaltung der Genitalien findet noch im Mutterleib statt. In der ersten Zeit nach der Befruchtung ist jeder Embryo mit den gleichen Geschlechtsmerkmalen ausgestattet, sieht »untenrum« gleich aus, egal ob Junge oder Mädchen. Erst acht Wochen später, wenn die Hormonproduktion einsetzt, beginnt die Differenzierung zu weiblichen oder männlichen Organen. Dabei spielt nicht das Vorhandensein weiblicher Geschlechtshormone die entscheidende Rolle, sondern die schlichte Abwesenheit des männlichen Geschlechtshormons Testosteron gibt bei uns Frauen das Kommando zur Entstehung der Vulva. Für ihre Ausbildung benötigt der Embryo im Schnitt vier Wochen. Erst dann, in Woche zwölf der Schwangerschaft, sind die Geschlechtsorgane vollständig ausgeprägt und als solche im Ultraschall zu erkennen. Anschließend begibt sich deine Vulva in eine Art Winterschlaf, um sich mit Beginn der Pubertät unter dem Einfluss des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen variabel zu formen. Jetzt entsteht das individuelle Aussehen deiner Vulva. So kann die Klitoriseichel teilweise sichtbar oder komplett von ihrer Vorhaut verdeckt sein, die inneren Vulvalippen können ganz glatt, leicht faltig oder stark krumpelig werden und dabei sieht die linke Hälfte niemals genauso aus wie die rechte. All diese Varianten sind normal!
Mythos
Urin kommt aus der Vagina
Zwischen den inneren Vulvalippen und in der Regel vollständig von diesen bedeckt liegt im Verborgenen der Vaginalvorhof, in den die weibliche Harnröhre mündet. Die Harnröhre? Richtig: Wir pinkeln nicht, wie viele glauben, aus der Vagina. Der Urin plätschert aus der Harnblase über die Harnröhre in die Toilettenschüssel. Anders als Männer haben wir Frauen also einen exklusiven Weg für ihn.
Begriffe wie »große Schamlippen« und »kleine Schamlippen« sind irreführend. Denn die »kleinen« Vulvalippen sind fast immer größer als die »großen« und überragen diese um mehrere Zentimeter. Wie groß ist die Varianz der Vulvalippen genau? Was ist »normal«? Dieser Frage gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Luzern 2017 nach.1 Sie haben erstmals die äußeren Geschlechtsorgane einer großen Gruppe Frauen vermessen. Moment mal, 2017!? Vorher ist niemand auf die Idee gekommen, Vulven zu vermessen? Richtig, darüber waren selbst die Forschenden in Luzern erstaunt. Bereits vier Jahrhunderte zuvor füllte Kepler ganze Bücher mit Messungen über Positionen der Planeten und über 200 Jahre vorher hatte Humboldt schon Tausende tropische Pflanzenarten vermessen. Aber für die Maße der Vulva hatte sich bisher anscheinend niemand interessiert. Um diesen Missstand zu beheben, wurde schließlich bei 657 Frauen zwischen 15 und 84 Jahren das Maßband angelegt − mit erstaunlichen Ergebnissen. Die Breite der inneren Vulvalippen kann ein Millimeter oder 60-mal so viel, also sechs Zentimeter, betragen. Die Länge der äußeren Vulvalippen variierte immerhin zwischen einem und 18 Zentimetern. Es wurden unterschiedlich große Klitoriseicheln zwischen 0,5 und 3,5 Zentimetern entdeckt. Die Erkenntnis war so einfach wie eindeutig: »Normal« gibt es nicht. Die Vielfalt an Länge, Breite und Formen ist einfach zu groß.
Das Wissen darüber ist kaum verbreitet und auch ich hatte bis zum Ende meines Studiums keine Ahnung davon, wie vielfältig Vulven aussehen. Nicht jede von euch ist Frauenärztin von Beruf, aber wo, wenn nicht auf dem gynäkologischen Stuhl, soll man andere Vulven zu Gesicht bekommen? Genau, im Internet. Durch die für jeden zugängliche Pornografie sowie den Trend der kompletten Schamhaarentfernung wird das Aussehen der Vulva nach und nach sichtbarer. Das führt dazu, dass ihre Optik zunehmend thematisiert wird und neue Schönheitsideale entstehen. Allerdings ist die »Standardvulva« einer Pornodarstellerin komplett enthaart, der Venushügel flach, die äußeren Vulvalippen farblos und der After oft sogar gebleicht. Darüber hinaus sind die inneren Vulvalippen stets symmetrisch und so kurz, dass man sie nicht sehen kann. Schauen wir nochmal auf die Ergebnisse der Vulvastudie aus Luzern, dann stellen wir fest: Dieses Ideal entspricht in aller Regel nicht der Realität. Solche Darstellungen führen dazu, dass wir Frauen mit unseren natürlichen Vulven unzufrieden werden und uns dieser vermeintlichen Norm anpassen, und dadurch begehrenswerter sein wollen. Der Schritt unters Messer ist dann nicht mehr weit. Die Nachfrage nach schönheitschirurgischen Eingriffen im Intimbereich ist groß, es werden heute alle denkbaren »Korrekturen« angeboten − ein sehr lukrativer Geschäftszweig. Der häufigste Eingriff ist die Verkleinerung der inneren Vulvalippen, die sogenannte Labioplastik. Zwischen 2014 und 2018 hat sich die Anzahl der Labioplastiken um 25 Prozent erhöht. Ist ja keine große Sache, denkst du jetzt? Wir wollen schließlich oft das, was wir nicht haben: Wir lassen Haare färben, legen den Lockenstab an oder kleben künstliche Wimpern auf. Der Unterschied ist aber gewaltig: Ein intimchirurgischer Eingriff ist unumkehrbar und mit Risiken verbunden. Bei einer solchen Operation können sensible Nervengeflechte der Vulva verletzt werden. Empfindungsstörungen an den sehr berührungssensiblen und für die Lustgenerierung wichtigen inneren Vulvalippen können die Folge sein.
Die Vulva verändert ihr Aussehen im Lauf des Lebens
Sind die inneren Vulvalippen zunächst von den äußeren verdeckt und kaum sichtbar, wachsen sie während der Pubertät durch Geschlechtshormone in die Länge, werden dunkler, dicker und werfen Falten. Die prallen äußeren Vulvalippen können durch starken Gewichtsverlust und nach Schwangerschaften schlaffer werden. Ist die fruchtbare Lebensphase abgeschlossen, sinkt der Östrogenspiegel im Blut. So kommt es nach der Menopause zu einer Rückbildung der Vulvalippen, einer Verkleinerung der Klitoris sowie zu einem Schwund der Schleimhaut am Vaginaleingang. Auch die Behaarung nimmt ab und wird, genau wie auf dem Kopf, weiß oder gräulich. Diese Veränderungen sind total natürlich.
In seltenen Fällen gibt es auch medizinische Gründe für einen intimchirurgischen Eingriff: Wenn die inneren Vulvalippen so groß sind, dass sie ständig wund werden und im Alltag Schmerzen verursachen. Der Leidensdruck kann enorm sein und die Scham so ausgeprägt, dass eine glückliche Sexualität nicht möglich ist. Die gründliche Aufklärung vor so einem Eingriff ist entscheidend. Dazu gehört auch zu vermitteln, welche Vielfalt an Vulven es gibt und dass »Pornovulven« die absolute Ausnahme sind.
Vermutlich hast du in deinem Leben nicht viele andere Vulven gesehen. Aber hast du deine eigene schon einmal betrachtet? Hast du wahrgenommen, wie sie aussieht, wie sie sich anfühlt? Falls nicht, ist jetzt die perfekte Gelegenheit. Du traust dich nicht? Vielleicht kann dich das ermutigen: Frauen, die wissen, wie ihre eigene Vulva aufgebaut ist, haben eine erfülltere Sexualität. Gönne dir diese kurze Auszeit und suche dir dafür einen gemütlichen Ort: das Bett oder einen flauschigen Teppich. Schaue dir deine Vulva dann im Spiegel näher an. Wo überall befinden sich Haare? Was verbirgt sich darunter? Nimm wahr, welche Farben deine Vulva hat, wie deine inneren Vulvalippen geformt sind und wieviel deiner Klitorisperle unter ihrer Vorhaut hervorspickelt. Es geht darum, deine Genitalien zu erfahren, und zu begreifen, mit welcher Scham sie bisher eventuell behaftet waren.
Für fortgeschrittene Vulvaforscherinnen habe ich diesen Rat: Schnappe dir deinen Spiegel noch einmal, direkt nach dem Sex. Du wirst erstaunt sein, wie anders deine Vulva plötzlich aussieht. Woran das genau liegt, erfährst du auf Seite 16.
Von Natur aus hat jede Frau Intimbehaarung. Sie zieht sich vom Venushügel über die äußeren Vulvalippen, um den After und reicht oft bis auf die Innenseite der Oberschenkel.
Unsere Intimbehaarung unterliegt genau wie unser Kopfhaar der Mode. Auch wenn der natürliche Look aktuell wieder mehr im Trend liegt, hält ein Großteil von uns an der Idealvorstellung einer komplett rasierten Vulva fest. Da viele davon ausgehen, die Enthaarung sei eine gesellschaftliche Erwartung, kommt es regelmäßig vor, dass sich Frauen bei mir entschuldigen, wenn sie unrasiert zur Untersuchung kommen. Andere empfinden Intimbehaarung als unhygienisch oder versprechen sich besseren Sex (Stichwort Haare im Mund). Egal, warum du dich für die Rasur entscheidest, einige grundlegende Dinge sollten dir bewusst sein: Der Venushügel ist ein hochsensibles Sinnesorgan. Die Schamhaare haben die wichtige Aufgabe, Lust zu intensivieren und bilden quasi eine eigene erogene Zone. Außerdem werden Sexuallockstoffe über die Schambehaarung verteilt und nehmen so Einfluss auf unsere sexuelle Attraktivität. Entscheidest du dich für eine Rasur, entfernst du mit deiner Intimbehaarung diese Möglichkeit der Lustgenerierung.
Außerdem führen Probleme, die durch Intimrasur hervorgerufen werden, oft in die gynäkologische Praxis. Wie kommt es dazu? Sogenannte Rasierpickel entstehen, wenn nachwachsende Haare in die Haut einwachsen. Das löst als Reaktion eine lokale Entzündung aus, die du als Rötung und Schwellung wahrnimmst. Über Bakterien am Rasierer oder an den Fingern kann dann schnell eine lokale Infektion entstehen. Die betroffene Stelle tut weh und schwillt noch stärker an, es kann Eiter entstehen. Kapselt sich dieser Eiter in der Tiefe ab, muss diese Eiterhöhle professionell, also von einer Ärztin oder einem Arzt, eröffnet werden.
Um Rasierpickel und Hautreizungen zu vermeiden, kannst du einfach ein paar Punkte beachten:
Führe die Rasur durch, wenn die Haut besonders weich ist, also nach dem Baden, Duschen oder nachdem du den Rasierschaum einige Minuten hast einwirken lassen.
Entferne überschüssige Hautzellen vor der Rasur durch ein sanftes Peeling mit einem Peeling-Schwamm.
Verwende am besten frische Rasierklingen, die ihr Leben nicht schon seit Wochen in der Duschablage fristen.
Rasiere, wenn möglich, nicht gegen die Wuchsrichtung und ohne die Haut zu spannen.
Trage nach der Rasur eine Desinfektionssalbe auf (die gibt es rezeptfrei in der Apotheke).
Spüle den Rasierer anschließend gründlich ab und lagere ihn trocken an einer sauberen Stelle.
Führt das nicht zu einer Verbesserung deines Hautbildes, kannst du versuchen, auf Cremes zur Haarentfernung umzusteigen. Sie lösen das Haar oberhalb des Hautniveaus chemisch auf und führen daher seltener zu eingewachsenen Haaren.
Übrigens: Die Annahme, dass Rasieren zu einem dichteren und dickeren Haarwuchs führt, ist unbegründet. Er rührt daher, dass wir die Haare an ihrem dicksten Abschnitt, in der Nähe der Wurzel abschneiden. Bei vollem Schamhaar werden die Haare zu ihrem Ende hin immer dünner und feiner. Fährt man nach der Rasur über die verbliebenen Stoppeln, fühlen sie sich im Vergleich dicker und rauer an.
Bereits im 17. Jahrhundert wurden Lage und Aufbau der Klitoris sehr genau erforscht und präzise in anatomischen Zeichnungen festgehalten. Man fand heraus, dass die Klitoris im Schnitt elf Zentimeter lang und damit zwei Zentimeter länger als der durchschnittliche Penis ist. Ein Organ beachtlicher Größe. Wie ist zu erklären, dass dieses Wissen heute kaum noch bekannt ist? Im Verlauf des 19. Jahrhunderts fand eine durch Kirche und Patriarchat herbeigeführte Unterdrückung der weiblichen Sexualität statt, die teilweise bis heute anhält. Dazu kam die Erkenntnis, dass der weibliche Orgasmus nicht für die Fortpflanzung notwendig ist – dass eine Frau ohne ihn schwanger werden kann. Dieses Wissen hat die Klitoris überflüssig gemacht, wodurch sie nach und nach an Aufmerksamkeit verlor. In der Erstausgabe des Anatomie-Standardwerks Grey‘s Anatomy aus dem Jahr 1858 beispielsweise wurde die Klitoris noch korrekt in ihrer vollen Größe abgebildet. Nicht einmal 50 Jahre später fand sich auf der gleichen Seite nur noch eine klitzekleine Kugel, beschriftet mit »Klitoris«. Und so ist sie uns bis heute bekannt: als kleine Perle oder »Kitzler« irgendwo am vorderen Teil der Vulva.
Die Klitoriseichel bildet aber nur die Spitze des Eisbergs, das einzig sichtbare eines riesigen Lustorgans. Um sie zu finden, orientieren wir uns an den inneren Vulvalippen. Die vereinigen sich an ihrem zum Bauch gerichteten Ende zur Klitorisvorhaut, welche mit der Klitoriseichel teilweise fest verwachsen ist. Größe und Faltenreichtum der Klitorisvorhaut sind sehr variantenreich. Der freie Teil der Klitoriseichel kann durch Zurückziehen der Klitorisvorhaut sichtbar gemacht werden. Aber über 90 Prozent der Klitoris sind nicht sichtbar und liegen im Inneren deines Körpers. Dazu gehören der Klitorisschaft, die beiden Klitorisschenkel und die paarigen Schwellkörper. Der Klitorisschaft setzt sich als kleines Würmchen hinter der Klitoriseichel ins Innere fort. Die Schenkel ragen bis tief in dein Becken, während sich die beiden Schwellkörper um den Vaginaleingang schmiegen und diesen umschließen. Die Klitorisschenkel bestehen aus einem großen Knäuel Venen, die von einer dicken Hülle umgeben werden. Sie füllen sich mit Blut und schwellen auf diese Weise bei sexueller Erregung an und werden steif – exakt wie die Erektion des Penis beim Mann. Der Klitoriskörper mit seinen beiden dicken Schenkeln reitet auf den Schwellkörpern und ist über »Zügel« mit ihnen verbunden. Die Schwellkörper vergrößern sich bei sexueller Erregung um bis zu 40 Prozent. Da den Schwellköpern im Vergleich zu den Schenkeln eine straffe Hülle fehlt, können sie keine Erektion ausbilden. Durch die Befestigung der Klitoris am Beckenknochen und an den inneren Vulvalippen ist sie anders als der Penis kaum beweglich. Das Wissen über das wahre Ausmaß und die Lage der Klitoris hätte uns wahrscheinlich viele frustrierende Erfahrungen erspart. Erzählt es daher unbedingt weiter!
Die Klitoris umfasst die hier in Rosa eingezeichneten Anteile im Becken der Frau, von denen bis auf die kleine Klitoriseichel alle von außen nicht zu erkennen sind (die gestrichelten Linien deuten die Klitorisvorhaut und die Vulvalippen an).
Jede Vulva ist mit spezialisierten Sinnessensoren ausgestattet, die der Stimulation dienen. Sie reagieren auf sanfte Berührungen, auf Reibung und auf Druck. Ein Teil dieser Sinnessensoren kommt überall in der Haut vor. Sie heißen Merkelsche Tastkörperchen und Ruffinikörperchen und detektieren, wie stark das Areal berührt wird, in dem sie liegen. Im Genitalbereich finden sich zusätzlich spezialisiertere Sensoren – die Genitalkörperchen. Sie haben die Aufgabe, neben der Information »Es findet eine Berührung statt« die Nachricht »Das macht Lust auf mehr« an das Gehirn zu senden. So können die Klitorisschenkel und Schwellkörper indirekt über die darüber liegende Haut erregt werden. Das Rennen um die meisten Sinnessensoren gewinnt allerdings die Klitoriseichel, sie ist mit bis zu 10 000 Nervenendungen die sensibelste Region deines Körpers. Die Information »Das macht Lust auf mehr«, die dabei an das Gehirn gesendet wird, bewirkt, dass die Eichel aus ihrer Vorhaut hervortritt, um noch mehr Berührung oder Reibung aufnehmen zu können und so die entstandene Erregung immer weiter zu steigern. Viele Frauen empfinden eine direkte Berührung der Klitoriseichel daher als unangenehm. Ein sanftes Streicheln der Klitorisschenkel kann dann eine schöne Alternative sein.
Das ist aber nicht alles, was die Klitoris zu bieten hat: Ihre Stimulation bewirkt auch eine verstärkte Durchblutung. Gefäße werden weitgestellt und es kommt zu einem regelrechten Blutstau in der Klitoris. Anders als auf der Autobahn ist das hier ein gewünschter Effekt. Die Venen nehmen dadurch enorm an Volumen zu und werden gegen ihre straffe Bindegewebshülle gedrückt. Ein Blutabtransport ist nun nicht mehr möglich und das Gewebe wird hart – so entsteht die Erektion. Durch die Ausdehnung der Klitorisschwellkörper wird der Vaginaleingang zunehmend verengt. Zusätzlich wird durch die Muskulatur der kräftigen Klitorisschenkel rhythmisch Blut in die Klitoriseichel gepumpt. Dieses Pumpen kann durch vaginale Penetration noch verstärkt werden. Das rhythmische Stoßen des Penis oder eines Sexspielzeugs drückt ebenfalls die Klitorisschenkel zusammen und presst noch mehr Blut Richtung Klitoriseichel, was wiederum die Genitalkörperchen in Aufruhr versetzt. Bei anhaltender Erregung führt dieses faszinierende Zusammenspiel schließlich zum Orgasmus. Dabei zieht sich die Klitoriseichel prompt wieder unter ihre Vorhaut zurück, um sich vor einer Überreizung zu schützen. Egal ob sie durch sanftes Streicheln, Druck oder Vibration erregt wird: Deine Klitoris gibt alles, um dir zu einem Orgasmus zu verhelfen. Mehr dazu wirst du ab Seite 149 erfahren.
Der Glaube, dass der Vaginaleingang vor dem ersten Geschlechtsverkehr durch ein Häutchen ähnlich einem Joghurtdeckel verschlossen wird, ist in unserer Gesellschaft fest verankert. Es werden viele Unwahrheiten über dessen Bestehen und Verlust von Generation zu Generation weitergegeben. Falsche Annahmen über das »Jungfernhäutchen« begegnen uns daher überall. Im Internet, in Arztpraxen und im Aufklärungsunterricht. So verfestigt sich der Mythos »Jungfernhäutchen« in jedem heranwachsenden Mädchen. Die im medizinischen Jargon verwendete Bezeichnung Hymen kommt aus dem Griechischen und bedeutet »Membran« oder »Häutchen«. Dieser Begriff ist nicht passend, denn er unterstützt den Mythos des vor dem ersten Geschlechtsverkehr noch vollständig verschlossenen Vaginaleingangs. Anatomisch eindeutig ist hingegen, dass: es keine Haut gibt, die fest über den Vaginaleingang gespannt ist. Etwa ein bis zwei Zentimeter vom Vaginaleingang entfernt befindet sich lediglich ein elastischer Kranz aus Schleimhautfalten, der einige Millimeter in deren Öffnung hineinragt. Bei fast allen Frauen ist dieser Schleimhautkranz ringförmig und wird daher Hymen anulare genannt. Er ist jedoch sehr variabel ausgeprägt und kann auch wie ein Halbmond geformt sein.
Nur in Ausnahmefällen verschließt er den Vaginaleingang ganz oder teilweise. Das Menstruationsblut kann dann nicht richtig abfließen und staut sich in der Gebärmutter (Uterus), was zu Unterbauchschmerzen in der Pubertät führen kann. Diese fehlerhafte Ausbildung des Schleimhautkranzes muss in einer kurzen Operation behoben werden. Sind nur Teile des Schleimhautkranzes miteinander verwachsen, entsteht die Variante des Hymen cribriforme. So eine Verwachsung kann den Vaginaleingang löchrig aussehen lassen oder ihn in zwei Hälften unterteilen (Hymen septus). Auch in diesem Fall wird durch einen kleinen Schnitt der Vaginaleingang geöffnet. Wir halten fest: Ein »Jungfernhäutchen« gibt es nicht. Um dieses Wissen gesellschaftlich zu verankern, braucht es neue Bezeichnungen. Wenn es darum geht, solche wertfreien Begriffe für unsere Genitalien durchzusetzen, sind uns die Schweden ein großes Stück voraus. Die Schwedische Vereinigung für Sexualerziehung ersetzte das Wort für Jungfernhäutchen mit dem Wort Slidkrans, also Scheidenkranz, was viel besser die Beschaffenheit dieser Schleimhautfalte beschreibt. So wird durch Sprache eine neue Realität geschaffen.
Das Hymen, hier hellrosa, ist eine dünne Schleimhaut, die ganz unterschiedlich aussehen kann.
Als Embryo im Fruchtwasser unserer Mütter schwimmend hatten wir alle eine Sache gemeinsam: Unsere Vagina war tatsächlich durch ein Schleimhäutchen verschlossen. Die mütterlichen Hormone, die uns als Babys während der Geburt überfluten, bewirken, dass dieses Häutchen ganz weich wird und sich öffnet. Übrig bleibt besagter Schleimhautkranz. Während der Pubertät und der damit einhergehenden Ausschüttung eigener weiblicher Geschlechtshormone wird der Schleimhautkranz noch weicher und nimmt seine rosige Farbe an. Verschwinden wird der Schleimhautkranz jedoch nie. Er ist bei uns allen vorhanden − egal wie viel Sex wir hatten, wie viele Kinder wir geboren haben oder wie alt wir sind. Ich verwende ihn sogar täglich zur Orientierung, wenn ich nach einer natürlichen Geburt vaginale Verletzungen versorge. Es gibt selten Frauen, die von Geburt an keinen Schleimhautkranz haben. Und das macht rein gar nichts; diese Frauen haben keinerlei Einschränkungen der Sexualität oder Fruchtbarkeit. Ob der Schleimhautkranz vorhanden ist oder nicht, spielt daher aus medizinischer Sicht überhaupt keine Rolle.
Den Irrglauben, ein »Jungfernhäutchen« verschließe die Vaginen dieser Welt, haben wir bereits widerlegt. Wie sieht es mit dem Hymen als Ausdruck der Jungfräulichkeit aus? Es ist ein Konstrukt des Patriarchats mit dem Ziel, die Sexualität von uns Frauen zu kontrollieren. Welche Macht dieser Mythos hat, spiegelt sich in der Vorstellung, dass das Jungfernhäutchen beim ersten Mal durchstoßen und dabei unter Schmerzen zerstört wird. So stand es bis vor Kurzem sogar noch im Duden: Unter Defloration war im Duden zu lesen: »Zerstörung des Jungfernhäutchens einer Frau [beim ersten Geschlechtsverkehr]«; auf die Initiative von Clitoria’s Secrets wurde die Definition Anfang 2020 geändert in: »Beenden der weiblichen Jungfräulichkeit (durch ersten Geschlechtsverkehr)«].
Durch solche mit schmerzhafter Zerstörung assoziierten Beschreibungen wird das »erste Mal«, bevor es überhaupt erlebt wurde, mit Angst besetzt. Angst ist ein so mächtiges Gefühl, dass es über das Gehirn direkt an den Beckenboden weitergegeben wird. Dieser reagiert darauf mit Anspannung seiner Muskulatur, was zu Krämpfen und Schmerzen führt, was wiederum die Vorstellung vom schmerzenden Reißen des Hymens verfestigt. Fakt ist aber: Es gibt kein verschließendes Häutchen und damit auch kein einmaliges Event wie die erste Penetration, durch das es reißt. Es ergibt keinen Sinn, überhaupt von »intakt« und »zerstört« zu sprechen. Wie wir gelernt haben, zieht sich der Schleimhautkranz kontinuierlich im Laufe des Lebens zurück. Dieser Effekt kann zwar durch die Einführung von Penissen, Tampons oder Menstruationstassen verstärkt werden, die Bezeichnung »reißen« trifft aber nicht im Entferntesten zu.
Und wenn wir schon dabei sind, mit Irrglauben aufzuräumen: Die Blutung als Zeichen der »Entjungferung« ist wissenschaftlich widerlegt. Der Schleimhautkranz besitzt im Vergleich zur restlichen Vulva relativ wenige Blutgefäße. Eine Penetration löst daher nur in seltenen Fällen eine Blutung dieser Struktur aus. In einigen konservativen Gemeinschaften wird von frisch Vermählten aber eben dieser Blutbeweis verlangt. Aus Sorge davor, das Laken könnte weiß bleiben, piksen sie sich in den Finger oder setzen »künstliche« Hymen mit Rinderblut ein. Manche entscheiden sich sogar für eine sogenannte »Hymenalrekonstruktion«. In einem operativen Eingriff wird der vaginale Schleimhautkranz zusammengenäht, um die Illusion eines »Jungfernhäutchens« zu erschaffen.
Eine Blutung während des ersten penetrativen Geschlechtsverkehrs oder bei darauffolgenden Malen kann zwar vorkommen – jedoch aus anderen Gründen. Beispielsweise durch forciertes Eindringen bei mangelnder Feuchtigkeit der Vagina können kleine Risse in der Schleimhaut entstehen, die aber schnell verheilen. Seltener ist es der Muttermund, der blutet – eine Schleimhautverletzung, die absolut harmlos ist. Es ist wissenschaftlich belegt, dass eine Blutung nach dem ersten Mal in der Mehrzahl der Fälle gar nicht beobachtet wird.2,3
Mythos
Anhand des Jungfernhäutchens lässt sich feststellen, ob du schon Sex hattest
Wissenschaftler konnten belegen, dass es durch Sex nicht zwingend zu Veränderungen des vaginalen Schleimhautkranzes kommt. Bei über der Hälfte der untersuchten Mädchen konnte nach einvernehmlichem penetrativen Geschlechtsverkehr keine optische Veränderung des Schleimhautkranzes festgestellt werden.4 Nicht nur die Wissenschaftler, sondern absolut niemand konnte und kann feststellen, ob ein Mädchen oder eine Frau bereits Sex hatte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher 2018 dazu aufgerufen, sogenannte »Jungfräulichkeitstestungen« zu unterbinden.
Verborgen in unserem Unterbauch und geschützt durch das Becken liegen unsere inneren Geschlechtsorgane. Dazu zählen die Vagina, die Gebärmutter, die Eileiter und unsere Eierstöcke. Bereits im Mutterleib angelegt und während der Pubertät zum Leben erweckt, dienen sie alle einem Zweck: der Fortpflanzung. Dafür sind Empfängnis, die Beherbergung und Ernährung eines Embryos und die Geburt entscheidend. Um diese Funktionen erfüllen zu können, verfügen diese Organe über beeindruckende Fähigkeiten.
Die Vagina ist ein Muskelschlauch, der sich zwischen Vaginalvorhof und Gebärmutter erstreckt und damit die Verbindung zu deinen inneren Geschlechtsorganen herstellt. Durchschnittlich ist sie zehn Zentimeter lang. Wenn nicht gerade ein Tampon oder etwas anderes eingeführt wurde, liegen die Vorder- und Rückwand der Vagina aneinander und berühren sich. In der Vagina befindet sich dann: nichts. Ihre beiden Nachbarorgane Harnblase und Enddarm drücken den Muskelschlauch in ihrer Mitte zusammen und verteidigen so ihren Platz im Becken. Auch wenn die Vagina also zurückhaltend erscheint, hat sie bedeutende Aufgaben. Sie ist dein primäres Geschlechtsorgan und ermöglicht ein Eindringen des Penis und damit die Fortpflanzung. Der durchschnittliche Penis misst im erigierten Zustand 13 Zentimeter und damit 3 Zentimeter mehr als die Vagina. Wie soll das passen? Die Vagina kann sich auf die doppelte Länge ausdehnen. Ihre enorme Elastizität erhält sie durch einen anatomischen Trick: Sie ist nicht glatt, sondern in zahlreiche Falten gelegt. Ähnlich einer Ziehharmonika kann sie sich so, wenn wir erregt sind, in ihrer Länge ausdehnen.
Die Wände der Vagina sind von innen mit Schleimhaut überzogen. Die Schleimhaut wird, genau wie in deinem Mund, immer feucht gehalten. Das geschieht durch die umgebenden Blutgefäße, die ihre Flüssigkeit (aber nicht die Blutzellen) durch die Vaginalwand ins Innere drücken, wie bei einem Sieb. Die Feuchtigkeit hat zur Folge, dass alles, was in die Vagina eingeführt wird, besser gleitet. Sollte es beim Sex trotzdem zu starker Reibung kommen, können in der Schleimhaut kleinere Risse entstehen, die umgehend von der Vagina selbst repariert werden und folgenlos abheilen. Obwohl auf diese Weise die Penetration ermöglicht wird, trägt die Vagina wenig zur Entstehung deiner Lust bei. In ihrem Inneren sind nämlich kaum Nervenendungen zu finden. Je weiter wir in die Vagina vordringen, desto weniger empfindsam ist sie. Das machen wir Ärztinnen und Ärzte uns bei verschiedensten Operationen zunutze. Die unsensible Region in ihrem hintersten Ende lässt zu, dass problemlos Eingriffe wie die Entfernung der Gebärmutter von dort aus durchgeführt werden können. Zugute kommt uns dabei die hervorragende Selbstheilungsfunktion der Vagina.
Am hinteren Ende der Vagina ist ein fester Knubbel zu tasten. Immer wieder kommen Patientinnen zu mir in die Notaufnahme in der Sorge, einen Tumor in der Vagina entdeckt zu haben.
Mythos
Die Vagina kann durch Sex und Geburten ausleiern
Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen besteht der Glaube, die Vagina könnte durch Geschlechtsverkehr ausleiern. Um zu verstehen, warum das ein Mythos ist, musst du dich kurz an den Aufbau der Vagina erinnern und stellst fest: Eine straffe Vagina gibt es nicht. Jede Vagina hat etliche Falten, die sie runzelig erscheinen lässt. Dieser Wandaufbau macht sie so elastisch und ermöglicht ihr, sich bei Erregung in Länge und Breite auszudehnen. Entscheidend ist, was anschließend geschieht: Durch ihren Faltenreichtum und die umgebende Muskulatur bildet sich die Dehnung vollständig zurück und die Vagina nimmt wieder ihre ursprüngliche Form an (Stichwort Ziehharmonika). Das gelingt ihr selbst nach der Geburt, obwohl der Kopf eines Neugeborenen durchschnittlich 36 Zentimeter Umfang hat – da soll noch einmal einer behaupten, ein Penis könnte eine Vagina ausleiern.
Keine Angst: Das ist der Gebärmutterhals. Dass er einige Zentimeter in die Vagina hineinragt, ist absolut normal! Über diesen Weg wird dein Menstruationsblut einmal im Monat abgeleitet. Bleibt die Blutung aus, kann das ein erstes Zeichen für eine entstandene Schwangerschaft sein, an deren Ende die Vagina einer weiteren Aufgabe nachkommt: Sie dient als Geburtskanal. Dabei kommen wieder ihre Falten zum Einsatz: Sie erlauben neben der Ausbreitung in die Länge eine enorme Dehnbarkeit in die Breite, welche es ermöglicht, dass der kindliche Kopf die Vagina passiert. Aber deine Vagina kann noch mehr: Sie ist eine ziemlich gute Türsteherin. Das Abwehrsystem der Vaginalflora schützt dich vor ungebetenen Gästen, wie Viren, Bakterien und anderen Keimen, die zu aufsteigenden Infektionen führen können. Wie das genau funktioniert, erfährst du ab Seite 158.
Die Gebärmutter (griechisch Hysteria) ist ein aus Muskulatur bestehendes Organ, das in etwa aussieht wie eine Papaya. Wir unterscheiden den Gebärmutterkörper vom Gebärmutterhals, den wir bereits kennengelernt haben. Insgesamt hat sie eine Größe von etwa zehn Zentimetern, wovon zwei bis drei Zentimeter in die Vagina ragen. Der Gebärmutterhals hat in seiner Mitte, dem Muttermund, eine kleine Öffnung, die wie durch einen Stöpsel mit Schleim verschlossen ist. Anders als von vielen vermutet können Tampons oder Kondome daher nicht in die Gebärmutter oder gar den Bauchraum gelangen oder dort verloren gehen. Bei den meisten Frauen liegt die Gebärmutter nach vorne geneigt im Becken, oberhalb der Harnblase. Auch eine nach hinten, zum Darm geneigte Gebärmutter kommt bei zehn Prozent der Frauen vor und ist ganz normal. Wie deine Gebärmutter im Becken positioniert ist, wird von ihrem Halteapparat bestimmt. Auf beiden Seiten spannen sich kräftige Bänder zum Becken, um das Organ in Position zu halten. Die alten Ägypter gingen davon aus, dass die Gebärmutter kinderloser Frauen in deren Körpern umherwandert. Ihrem Auftrag des Gebärens folgend, auf der Suche nach Spermien, konnte sie