11 Montana Western Dezember 2022 - Pete Hackett - E-Book

11 Montana Western Dezember 2022 E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Von Pete Hackett, Alfred Bekker, Barry Gorman, Thomas West Männer im Kampf um Recht und Rache. Romane aus einer dramatischen, harten Zeit. Dieses Buch enthält folgende Western: Thomas West: Eine Stadt voller Abschaum Barry Gorman: Grainger und der Teufel von Montana Alfred Bekker: Im Land von El Tigre Pete Hackett: Marshal Logan und der ehrliche Kopfgeldjäger Pete Hackett: Blutige Nuggets Pete Hackett: Das höllische Rudel Pete Hackett: Der Tod mischt die Karten Pete Hackett: Der Marshal von Plainview Pete Hackett: Marshal Logan gegen Tod und Verderben Pete Hackett: Marshal Logan und die unerbittliche Jagd Pete Hackett: Das harte Gesetz der Wildnis

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Seitenzahl: 1346

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Von Pete Hackett, Alfred Bekker, Barry Gorman, Thomas West

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Inhaltsverzeichnis

Copyright

11 Montana Western Dezember 2022

Eine Stadt voll Abschaum

Teil 1

Teil 2

Grainger und der Teufel von Montana

Copyright

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IM LAND VON EL TIGRE

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Sammelband 12 (Band 89-96)

INHALT

Band 89 Marshal Logan und der ehrliche Kopfgeldjäger

Band 90 Blutige Nuggets

Band 91 Das höllische Rudel

Band 92 Der Tod mischt die Karten

Band 93 Der Marshal von Plainview

Band 94 Marshal Logan gegen Tod und Verderben

Band 95 Marshal Logan und die unerbittliche Jagd

Band 96 Das harte Gesetz der Wildnis

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER WERNER ÖCKL

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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11 Montana Western Dezember 2022

Von Pete Hackett, Alfred Bekker, Barry Gorman, Thomas West

Männer im Kampf um Recht und Rache.

Romane aus einer dramatischen, harten Zeit.

Dieses Buch enthält folgende Western:

Thomas West: Eine Stadt voller Abschaum

Barry Gorman: Grainger und der Teufel von Montana

Alfred Bekker: Im Land von El Tigre

Pete Hackett: Marshal Logan und der ehrliche Kopfgeldjäger

Pete Hackett: Blutige Nuggets

Pete Hackett: Das höllische Rudel

Pete Hackett: Der Tod mischt die Karten

Pete Hackett: Der Marshal von Plainview

Pete Hackett: Marshal Logan gegen Tod und Verderben

Pete Hackett: Marshal Logan und die unerbittliche Jagd

Pete Hackett: Das harte Gesetz der Wildnis

Eine Stadt voll Abschaum

Western von Thomas West

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Teil 1

Bear River, Wyoming, September 1868

Wie ein großer, schmutziger Fleck schmiegte sich die Ansammlung grauer Holzhäuser an den bewaldeten Hang. Virgil Potter lenkte seinen Schimmel durch den Fluss und ritt in den schmutzigen Fleck hinein.

Die einzige Straße des Ortes war erfüllt vom Hufschlag vieler Pferde und Maultiere, vom Geschepper Dutzender Karren und vom Gelächter und Geschrei unzähliger Männer. Lauter abgerissene, schmutzige Gestalten in fleckigen, blauen Nietenhosen mit Picken und Schaufeln auf den Schultern und großen Blechpfannen unter den Armen. Goldsucher, die aus ihren Claims in die Stadt zurückkehrten.

Das Goldfieber hatte Bear City in jenen Tagen im Griff. Die Stadt pulsierte vor Geschäftigkeit und vor Gier.

Virgil Potter ritt langsam durch die Menge der Pferde, Gespanne und Goldsucher. Kaum jemand nahm Notiz von dem jungen Reiter, dessen blonde Lockenpracht unter einem schwarzen Hut hervorquoll. Die wachen, blauen Augen in seinem glattrasierten, sonnenverbranntem Gesicht spähten aufmerksam über die Menge und zu den grauen Fassaden der aus dem Boden gestampften Häuser. Virgil Potter war damals, als die vier sich zum ersten Mal begegneten, gerade mal sechsundzwanzig Jahre alt.

Saloons, Hotels, Stores und Friseurläden wechselten sich ab. Die Goldsucher zogen eine Menge Geschäftemacher in die nördlichen Rockys.

Virgil zog die Zügel an, der Schimmel blieb stehen. Er blickte über die Dächer der Häuser links und rechts der Straße. Wolken hingen über den Gipfeln der Rocky Mountains. Das Licht der untergehenden Sonne lag auf ihnen, wie ein rötlicher Seidenschleider.

Unschlüssig blickte Virgil von einer Straßenseite auf die andere. In welchem Saloon sollte absteigen? >Riverside Billard Room< oder >Mountain Hall<. Er entschied sich für den >Riverside Billard Room<, der ihm größer erschien und nach ein paar Zimmern aussah.

Eine schicksalsträchtige Entscheidung, wie sich zeigen sollte. Zwei Jahre später würde Virgil sich an diesen Augenblick erinnern.

Er band den Schimmel am Geländer des Bürgersteigs fest, warf sich seine abgeschabte Mochila über die Schulter und zog seinen Sattelkarabiner aus dem Holster. Seine Sporen klirrten, als er den Bürgersteig hochstieg und über die staubigen Holzbohlen schritt.

Er stieß die Schwungtür auf und betrat den Saloon. Auf dem kurzen Weg zur Theke wanderten seine Augen über Tische, Barhocker und Wände.

Sechs Männer hockten an der Theke, Goldsucher in schäbiger Kleidung zumeist. Nur die Hälfte der Tische war besetzt. An einem, nicht weit von der Schmalseite der Theke, saß eine junge Frau - blond, scharfgeschnittene Nase, schmales Gesicht. Sie trug ein dunkelblaues Reisekleid mit weißem Rüschenkragen. Neben ihr stand ein großer, geflochtener Bastkoffer.

In der linken Ecke des quadratischen Raumes, am Pokertisch, sah er vier Männer sitzen. Drei weitere standen hinter ihren Stühlen und sahen ihnen beim Pokern zu.

Virgil registrierte beiläufig den konzentrierten Blick eines der Männer. Ein wuchtiger Bursche mit dichten, schwarzen Brauen und einem gewaltigen Schnurrbart. Und Virgil registrierte die angespannte Körperhaltung des Spielers, von dem er nur den Rücken sehen konnte. Ein Mann mit langem, etwas schütterem Blondhaar. Er trug einen eleganten Frack, ein weißer Hut lag neben ihm auf dem Tisch, und er mischte die Karten so flink, dass man Hände und Karten kaum unterscheiden konnte.

Es war Virgil Potter zur zweiten Natur geworden solche Einzelheiten wahrzunehmen. Sie hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet, diese zweite Natur - als Scout und Jäger in der Wildnis, als Späher bei der sechsten US-Kavallerie während des Bürgerkriegs.

Das, was am äußersten Rand seines Blickfeldes lag, sah er genauso scharf, wie die Dinge im Zentrum seines Gesichtskreises. Die Shoshonen hatten ihm das beigebracht. Er hatte eine Zeitlang Pferde an die Indianer im Norden Wyomings verkauft.

Der silberbeschlagene Kolben seines Revolvers schlug gegen den Barhocker, als er sich auf die Sitzfläche schwang. Ein .32er Smith&Wesson Armeerevolver, Modell No. 2. "'Nabend, Ma'am." Er lüftete seinen schwarzen Hut und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Die Frau nickte, doch ihr schmales Gesicht blieb verschlossen.

"'N Kaffee würd mich glücklich machen", wandte er sich an den Wirt. "Und 'n Teller Bohnen wär auch nicht verkehrt."

"Kein Problem", knurrte der Wirt - ein ziemlich gewichtiger Bursche mit langem, weißem Bart.

"Na prächtig! Und wie stehts mit 'nem Zimmer?"

Der Wirt musterte ihn aus kleinen, verschlagenen Augen. "Schwein gehabt, Mister - hab nur noch ein freies Bett. Für einen Quarter können Sie's haben."

Virgil grinste die Frau an. "So gehts mir immer, Ma'am - ich komm in irgendein Kaff am Ende der Welt, und das Glück ist schon da und drückt mich an seinen Busen." Er wandte sich wieder dem Wirt zu. "Darauf trink ich doch glatt einen Whisky!"

Die Frau dachte nicht daran zu reagieren. Kühl und ohne Scheu taxierte sie ihn. Virgil bemerkte den energischen Zug um ihre grünen Augen und um den großen Mund. Er schätzte, dass sie ein, zwei Jahre jünger sein mochte, als er. Vielleicht auch drei. Was treibst du in diesem schmutzigen Bergnest, dachte er...

Sein Blick wanderte zum Pokertisch. Immer noch die stechenden Augen des großen Mannes mit dem Walrossschnauzer. Trotz des mächtigen Schädels und der buschigen Brauen hatte sein Gesicht etwas Mildes, fast Kindliches. Er war merkwürdig korrekt frisiert und trug ein Jackett aus dunkler, grober Baumwolle.

Unablässig beobachtete er sein Gegenüber, den Mann mit dem dünnen, langen Blondhaar und dem teuren Anzug. Der wandte plötzlich den Kopf zur Seite. "Einen Doppelten, Jason!", rief er dem Wirt zu.

In dem Augenblick sah Virgil den blonden Schnurrbart des Mannes und sein Raubvogelprofil. Und in dem Augenblick wusste er, dass er den Mann kannte - Bill Henning, ein Kartenhai von der übelsten Sorte.

O Mann..., dachte Virgil, grast du seit neustem die Goldgräbersiedlungen ab?

Er hatte vor noch nicht einmal einem Jahr zwanzig Dollar an Henning verloren. Ein ausgekochter Fuchs. Unten, in Santa Fe. Auch in Denver und in Fort Smith war er ihm schon begegnet.

Seine Augen wanderten zwischen dem glühenden Blick des Schwarzhaarigen und dem drahtigen Rücken des Kartenhais hin und her. Virgil bedauerte schon Essen und Trinken bestellt zu haben. Fast körperlich konnte er jetzt die Spannung spüren, die sich vom Pokertisch aus im Saloon ausbreitete. Und er begriff, dass es Ärger geben würde...

Virgil rutschte vom Hocker und schlenderte an der kühlen Schönheit vorbei zum Pokertisch. Dort lehnte er sich vor einem leeren Stuhl gegen die Wand und beobachtete die vier Kartenspieler. Einer der drei Männer, die hinter ihnen standen, musterte ihn feindselig. Ein unrasierter, struppiger Bursche mit einem Strohhut und einer zu großen, speckigen Jacke. Virgil grinste ihn an. Die Augen des Typs verengten sich.

Der Perlmuttgriff von Hennings .45er Colt ragte aus dessen Holster. Virgil spähte zu den Hüften des Schwarzhaarigen mit den glühenden Augen. Er konnte keinen Waffengurt entdecken. Seh ich recht, oder trägt das Rindvieh keinen Revolver...?

*

Tom Smith warf einen Blick auf seine Münzen. Die letzten beiden Türme schrumpften jetzt auch schon zusammen. Gut dreißig Dollar hatte er in den letzten beiden Stunden verloren. Dass die Männer links und rechts von ihm noch mehr Federn hatten lassen müssen, tröstete ihn wenig. Im Gegenteil - es machte ihn misstrauisch. Der drahtige Mann ihm gegenüber mischte die Karten. Ein Wirbel aus Fingern und Karten tanzte vor Toms Augen.

Links sah er die Gestalt eines jungen Burschen auftauchen. Ganz in schwarz gekleidet und dichte, blonde Locken. Tom beachtete ihn nicht weiter. Auch die in kleinen Gruppen hereinströmenden Goldsucher und Minenarbeiter nahm er kaum wahr.

Er starrte die Hände des Mannes an, der ihm gegenüber saß. Das Gefühl, der propere Gentleman könnte falsch spielen, hatte ihn beschlichen. Doch so aufmerksam er ihn auch beobachtete - er konnte keine faulen Tricks erkennen.

Wie er die Karten mischte! Wie ein Profi. Aber dass er hier mit keinem Greenhorn am Tisch saß, wusste Tom schon seit zwei Stunden. "Sie machen einen unglücklichen Eindruck, Smith", sagte der Spieler. Er hieß Bill Henning, und sein Gesicht erinnerte Tom an einen Habicht. "Der Abend ist noch lang, und das Glück eine launische Frau." Ein spöttisches Grinsen flog über das hagere Gesicht des blonden Gentlemans.

"Da mögen Sie Recht haben", grollte Tom mit seinem tiefen Bass. Er ließ den Mann keinen Moment aus den Augen. Der Kerl schien gut bei Kasse zu sein. Jedenfalls sprach seine teure Garderobe dafür. Und seine hohen Einsätze. Tom schätzte, dass Henning in seinem Alter war, Ende dreißig also.

Tom konnte den Bewegungen seiner Hände kaum folgen, als Bill Henning austeilte. Nacheinander nahm er die Karten auf. Die vierte, die Henning ihm über den Tisch warf, rutschte über die Tischkante und fiel zugedeckt auf den Boden.

Blitzschnell stieß sich der blonde Lockenkopf von der Wand ab, bückte sich und griff nach der Karte. Mit dem Bild nach unten legte er sie auf den Tisch. Langsam schob er sie zu Tom. Der sah auf, und für Sekunden begegneten sich ihre Blicke. Tom sah in blaue, listige Augen. Eindringlich hielten sie seinen Blick fest, als wollten sie ihm etwas sagen.

"Danke, Mister", brummte Tom und wollte sich die Karte greifen. Der junge Bursche hielt sie fest, und Tom betrachtete die Hand des Mannes auf dem Kartenrücken. Der Zeigefinger war ausgestreckt, und sein schmutziger Nagel schien auf eine ganz bestimmte Stelle im unteren Viertel des Kartenrandes zu deuten.

Tom sah genauer hin - und dann entdeckte er die kleine, kaum sichtbare Kerbe am Rand der Karte. Endlich ließ der Mann los, und Tom steckte die Karte in sein Blatt. "Wollen Sie eine andere, Smith?", erkundigte Henning sich höflich.

Tom schüttelte stumm seinen mächtigen Schädel. Aufmerksam flogen seine Augen über die Karten der Mitspieler. Und plötzlich entdeckte er auf vier Karten die haarfeinen Kerben. Immer in einem anderen Abschnitt des Kartenrandes, mal unten, mal oben, mal in der Mitte.

Schweigend ordnete er seine Karten. Er hatte drei Damen. Die anderen beiden warf er auf den Tisch. "Ich kauf zwei", knurrte er. Nacheinander kauften die Männer ihre Karten. Henning nahm nur eine neue.

Von der Seite spürte Tom den Blick des Blonden. Der Bursche musste Augen wie ein Adler haben, dass er die gezinkten Karten entdecken konnte. Tom nahm die erste der neuen Karten auf. Eine Pik Sieben. Und dann die zweite. Eine Karo Sieben. Foulhouse.

Gespannt beobachtete er Henning. Noch immer das hintergründige Grinsen auf seinem Habichtgesicht. Vermutlich grinste der Mann selbst im Schlaf.

Tom schob zwei Dollar in den Pott. Der Spieler links von ihm zog mit, Henning legte noch einmal fünf drauf, und der vierte Mann stieg aus. Ohne Henning aus den Augen zu lassen, warf Tom eine Fünf-Dollar-Note in die Mitte. Jetzt stieg auch der Spieler links von Tom aus. Henning aber zog gleich und legte gleich noch einmal zwanzig Dollar drauf.

Tom betrachtete seine beiden Münztürme. Dann zählte er sie durch. Zweiundzwanzig Dollar, fast der Wochenlohn eines Cowboys. Er nahm zwei Dollarmünzen von dem Turm und schob den Rest in den Pott. "Ich will sehen."

"Wie Sie wünschen, Smith", grinste Henning und legte sein Blatt auf den Tisch. Vier Asse und eine Herzacht. Tom ließ sein Foulhouse fallen. "Wirklich schade." Henning mimte den Mitfühlenden. "Aber das reicht wohl nicht ganz." Er streckte die Arme aus, um das Geld einzustreichen.

"Sie spielen falsch, Sir." Toms dunkler Bass dröhnte durch den ganzen Saloon. "Es tut mir leid, dass ich das sagen muss. Sie markieren die Karten mit dem Fingernagel." Er griff nach den drei Damen seines Foulhouse', drehte sie um und reichte sie seinem Nachbarn. "Sie werden uns unser Geld zurückgeben müssen."

Totenstille im Saloon. Alle Gäste reckten die Hälse und stierten zum Pokertisch. Die Hände auf dem Geld verharrte Bill Henning mitten in der Bewegung. Er machte ein Gesicht, als würde er sich zum ersten Mal im Spiegel sehen. Dann lehnte er sich zurück und lachte. Lachte laut und wiehernd...

*

Virgil sah das dreckige Grinsen der drei Kerle hinter Bill Henning. Besonders der Struppige mit dem Strohhut gefiel sich darin wie ein Gockel zu krähen, während er feixte. Smith war jedenfalls nicht allein.

Virgil blickte sich um. Der Saloon hatte sich inzwischen gefüllt. Unzählige Augenpaare hingen an dem lachenden Kartenhai. Und an Smith, der ihn ungerührt betrachtete. Die blonde Frau war aufgestanden. Langsam wich sie ans andere Ende der Theke zurück. Plötzlich standen alle auf, die an den Nachbartischen saßen und versuchten möglichst viele Schritte zwischen sich und den Pokertisch zu bringen.

Auch die beiden Pokerspieler zwischen Henning und Smith erhoben sich, und selbst Hennings feixende Parteigänger suchten das Weite. Schließlich saßen der Kartenhai und Smith allein an dem runden Tisch. Henning lachte noch immer.

"Ich bin erleichtert, dass meine Feststellung ihre Laune hebt." Smiths Bass dröhnte durch den Saloon. Henning hörte auf zu lachen. "Ich hatte schon befürchtet, Sie würden mir böse sein." Smith wirkte so ungerührt und gelassen, dass Virgil sich fragte, ob der Mann überhaupt Nerven hatte.

"Machen wir's kurz." Smiths Hände lagen völlig entspannt neben seinen Karten auf dem Tisch. "Sie geben uns unser Geld zurück, und wir vergessen das Ganze."

Hennings Lippen wurden schmal. Wut zerrte an seinen Gesichtszügen. Ohne Vorwarnung glitt seine Rechte zum Griff seines Colts hinab und riss ihn aus dem Halfter. Im gleichen Moment prallte Smiths Stuhl an die Wand und sein wuchtiger Körper schoss über den Tisch. Noch bevor der Kartenhai seine Waffe in Anschlag bringen konnte, packte Smith ihn an den Aufschlägen seines Jacketts und zerrte ihn zu sich über den Tisch.

Karten fielen herunter, Münzen klimperten auf dem Holzboden, Gläser zersprangen vor Virgils Stiefelspitzen. Er spannte den Hahn seines Revolvers.

Smith zog Hennings Oberkörper ein Stück hoch und schlug ihm die Faust mit solcher Wucht gegen die Wangenknochen, dass der Mann vom Tisch geschleudert wurde und zu Virgils Füßen am Boden aufschlug. Sofort war Smith bei ihm, riss ihm den Revolver aus der Hand und schleuderte ihn Richtung Theke. Dort schlug er im Flaschenregal ein.

Smith zog den Mann auf die Beine, als wäre er ein mit Stroh ausgestopfter Sack. Ein rechter Haken landete in der Magengrube des Kartenhais. Ächzend krümmte er sich zusammen. Eine linke Gerade traf ihn an der Stirn und schleuderte ihn weit in den Saloon hinein.

Die Leute wichen zurück, Virgil hörte die ersten Bravo-Rufe. "Mach Maisbrei aus dem Ganoven!", schrie eine raue Männerstimme aus der Menge der Goldgräber.

Mit Fausthieben trieb Smith den Falschspieler vor sich her Richtung Ausgang. Vorbei an Tischen und Stühlen, vorbei an Goldgräbern und Minenarbeitern, vorbei auch an den drei Gefährten Bill Hennings. Virgil sah, wie der Struppige seinen Revolver zog und auf Smith anlegte.

Es ging blitzschnell. Virgil zog, ein Schuss explodierte, eine Waffe polterte auf den Boden, und der Kerl mit dem Strohhut hielt sich schreiend den Unterarm fest. Die anderen beiden starrten Virgil an wie eine Erscheinung.

Mit einem letzten Fausthieb beförderte Smith den Kartenhai durch die Schwungtür. Virgil hörte den dumpfen Aufprall seines Körpers draußen auf dem Bürgersteig. Den Rest erledigten die Bürger Bear Rivers - die Goldgräber und Geschäftsleute. Sie legten den bewusstlosen Henning auf sein Pferd und trieben es mitsamt seinen drei Kumpanen aus der Stadt.

Tom Smith kam zurück an die Theke. "Vielen Dank, Sir." Er meint mich, dachte Virgil, den noch nie jemanden mit >Sir< angesprochen hat. Er grinste.

"Bringen sie uns zwei Doppelte, Jason!", rief Smith dem Wirt zu. "Einen für den Gentleman und einen für mich!"

"Und einen dritten für die Lady!", schickte Virgil hinterher. Die blonde Frau in dem blauen Reisekleid tauchte plötzlich neben ihm auf. Sie war aschfahl. "Sie sehen aus, als könnten sie einen gebrauchen auf diesen Schreck!"

Diesmal lächelte sie...

*

Am nächsten Morgen saßen sie zusammen beim Frühstück. Genau wie Virgil Potter hatte Tom Smith im >Riverside Billard Room< übernachtet. Er beugte sich über seinen Teller und sog genießerisch den Duft gebratener Eier ein. "Ohne dich hätte ich gestern mein letztes Frühstück gegessen." Er hängte sein Jackett über die Stuhllehne. Sein graues Hemd und seine schwarze Lederweste wirkten gepflegt, fast wie neu. "Und ich hätte es nicht mal gewusst." Der Anblick eines Mannes ohne Revolver befremdete Virgil.

"Du kannst verteufelt gut mit deinen Fäusten umgehen", sagte er.

"Hatte auch eine hervorragende Ausbildung."

"Ausbildung?" Fragend runzelte Virgil die Stirn. "Wo?"

"In den Slums von New York City." Tom Smith sagte das ohne Anflug von Sarkasmus. "Dort lernt ein kleiner Junge seine Fäuste gebrauchen, oder er verhungert." Er brach sich ein Stück Maisfladen ab, griff zur Gabel und begann die Eier in sich hineinzustopfen. "Was treibt dich in diese gottverlassene Gegend?"

"Ich hörte, man könnte hier zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang fünfzig Dollar machen, wenn man eine Pfanne hat und bereit ist auf den Knien durch den Bear Creek zu rutschen." Er sah den Älteren an. "Und was willst du hier?"

"Das Gleiche. Gold." Schritte auf der Treppe ließen sie aufhorchen. Sie sahen sich um. Schmale Stiefel wurden auf den Stufen sichtbar, dann eine weite Reithose und schließlich ein schwarzes Baumwollhemd um der engen Taille einer Frau. Suzanne Jefferson. So hatte sich die blonde Frau gestern Abend vorgestellt. Virgils Herzschlag beschleunigte sich.

Ohne zu zögern kam sie zu ihnen an den Tisch. "Guten Morgen." Die Männer grüßten zurück. Zu Virgils Verblüffung stand Tom sogar auf.

Sie bestellte Milch und gebratene Eier, dann setzte sie sich. "Ich habe eine große Bitte an Sie, Mr. Smith."

Aus seinen großen dunklen Augen blickte der Mann sie an. "Jetzt bin ich gespannt."

"Ich war hier in Bear River verabredet..." Sie unterbrach sich, als würde sie nach Worten suchen. "Mit meinem Bruder. Er schürft seit zwei Jahren nach Gold in dieser Gegend. Gestern wollten wir uns hier treffen. Er ist nicht gekommen."

"Und wie kann ich Ihnen da helfen, Miss Jefferson?"

Sie zog einen Bogen Papier aus ihrer Stofftasche. "Henry hat mir eine Karte geschickt, auf der sein Claim eingezeichnet ist." Virgil fiel der flehende Ausdruck auf ihrem sonst so selbstbewussten Gesicht auf. "Ich bin völlig fremd hier. Sie wissen ja - ich komme aus Boston... ich wollte Sie bitten, mich durch die Wildnis zum Claim meines Bruders zu begleiten..."

Smith betrachtete die Karte. Ein steile Falte erschien zwischen seinen dichten, schwarzen Brauen.

"Aber natürlich bringen wir Sie dorthin", sagte Virgil. "Gar keine Frage. Ist doch so, Tom, oder?" Er erntete einen rätselhaften Blick des Älteren. Virgil fühlte sich durchschaut.

"Ich würde Sie selbstverständlich bezahlen..."

"Der Claim liegt zwei bis drei Tagesritte flussaufwärts", sagte Tom. "Ziemlich zerklüftete Gegend dort."

"Kein Problem für uns, Ma'am", beteuerte Virgil. Die Aussicht zwei oder gar drei Tage mit der berauschend schönen Frau zusammen zu sein, hatte ihn hellwach gemacht. Smith musterte ihn aus dunklen Kinderaugen, während er sein Okay gab. Virgil meinte ein spöttisches Funkeln in diesen unergründlichen Augen zu sehen.

Eine Stunde später standen sie vor dem Saloon und packten ihre Sachen auf die Pferde. Suzanne hatte sich von ihrem letzten Geld einen Rappen gekauft. Und ein nicht mehr ganz neues Spencer-Gewehr. "Lernt man in Boston denn, mit so einem Schießprügel umzugehen?"

"Nein", sagte sie kühl. "In Boston nicht."

Die Morgensonne schob sich schon über die Bergrücken, und die Stadt schien wie ausgestorben. Die meisten Männer waren längst unten am Fluss, um dem Traum vom schnellen Reichtum nachzujagen.

Um so mehr wunderte sich Virgil, als er plötzlich eine Gruppe von etwa vierzehn Männern die Straße herunterkommen sah. Angeführt wurden sie von einem dürren Greis in dunkelbraunem Frack und Zylinder gleicher Farbe. Vor Smith, der schon im Sattel saß, blieben sie stehen.

Der Greis stellte sich als Bürgermeister von Bear River vor. "Sind Sie Thomas J. Smith?", wollte er wissen.

"Der bin ich, Sir."

"Wir haben gehört..." Der Alte fuchtelte mit seinen dürren Fingern in der Luft herum. "Nun ja... wie sie diesen Schurken gestern verdroschen haben. Viele solcher Scheißkerle kommen bei uns vorbei, und machen Schwierigkeiten... Viel zu viele. Nun ja... was soll ich sagen...?" Er drehte sich zu seinen grimmig dreinschauenden Begleitern um. Die nickten ihm ermutigend zu. "Jedenfalls bräuchten wir einen Mann wie Sie, Mr. Smith."

"Einen Mann, wie mich?" Smith schien sich auf den Wortschwall des Bürgermeisters genauso wenig einen Reim machen zu können, wie Virgil.

"Ja. Als Townmarshal." Der greise Bürgermeister hakte die Daumen im Hosenbund ein und machte ein wichtiges Gesicht. Die Blicke seiner Begleiter hingen erwartungsvoll an Smith.

"Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Gentlemen", sagte Smith. "Ich habe gerade einen anderen Auftrag angenommen. "In einer Woche bin ich zurück, dann teile ich Ihnen meine Entscheidung mit..."

*

Am Ufer des Bear Creek entlang ritten sie in die Wildnis der Rocky Mountains hinein. Sie kamen langsam voran, und am zweiten Tag mussten sie die Pferde oft stundenlang über schmale Felspfade entlang des Steilufers führen.

"Womit haben Sie in New York City Ihr Geld verdient?", wollte Suzanne von Tom wissen, als sie in der Abenddämmerung um ein Feuer saßen. Vier ausgenommene Fische garten auf Steinen, die sie in die Glut gelegte hatten.

"Ich war ein paar Jahre lang bei der Polizei", sagte Tom. Beiläufig registrierte er Virgils Blicke. Seit sie von Bear River aufgebrochen waren hingen seine Augen an der schlanken Gestalt der Frau. "Danach habe ich meine Dollars als Boxer verdient."

"Als Boxer!?" Sie schlug sich auf die Schenkel und lachte. "Ich glaub es nicht!"

"Seh ich so harmlos aus?"

"Nein." Übergangslos wurde sie ernst. "Ich weiß, dass Sie alles andere als harmlos sind, Tom." Er bemerkte die Heiserkeit in ihrer Stimme. Wenn er bloß gewusst hätte, wie er all diese kleinen Zeichen zu deuten hatte - die versehentlichen Berührungen, wenn sie nebeneinander gingen, die respektvolle Art, mit der sie ihn behandelte, das weiche Lächeln auf ihrem sonst so energischen Gesicht, wenn er sie anschaute.

"Warum sind Sie nicht in New York geblieben", fragte sie. "Als Polizist verdient man doch nicht schlecht und ist ein angesehener Mann?"

"Das ist eine lange Geschichte." Virgils Schweigen gefiel ihm nicht. Tom wusste genau, dass der blonde Junge es auf Suzanne abgesehen hatte. Und zwar ernsthaft. Mindestens so ernsthaft, wie er selbst. "Vielleicht erzähle ich Sie Ihnen gelegentlich."

"Und warum tragen Sie keinen Revolver?" Suzanne musterte den großen Mann mit prüfendem Blick. "Alle Männer im Westen tragen Waffen." Sie lachte. "Das ist einfach gesünder."

"Auch das gehört zu dieser langen Geschichte." Tom senkte unwillig den Kopf. "Ich erzähl sie nicht jedem. Aber Ihnen erzähle ich sie vielleicht mal." Sein Blick blieb an ihrer Brust hängen. Unter dem Stoff des Hemdes zeichneten sich ihre Brustwarzen ab. Als wären sie hart geworden. Als würde das Gespräch mit ihm sie erregen...

Ihre Augen begegneten sich. Tom sah die Röte über ihr Gesicht fliegen. Und er sah die Sehnsucht in ihren Augen.

"Und nun machen wir ein Spielchen!", mischte Virgil sich ein. Er holte Würfel heraus und setzte sich neben Suzanne. Etwas zu dicht für Toms Geschmack. Bis zur Dunkelheit würfelten sie. Virgil ließ seinen Charme spielen, gab sein ganzes Witzrepertoire zum Besten und sorgte dafür, dass Suzanne eine Menge Grund zum Lachen hatte. Zwei oder dreimal legte er sogar den Arm um sie.

Tom mochte den blonden Burschen. Er war jünger als er. Und sah besser aus, ohne Zweifel. Aber er dachte nicht daran, ihm die Frau zu überlassen.

Später, als die Nacht über den Wald und die Berge gefallen war, lauschte er Suzannes Atemzügen. Sie lag so nah bei ihm, dass er sie trotz des Rauschens des Flusses hören konnte. Lange fand er keinen Schlaf. Sein Schwanz pochte ihm unter der Decke.

Am nächsten Morgen war Suzannes Lager leer. Etwas abseits hockte Virgil im Gras und spähte hinunter zum Fluss. Tom schälte sich aus seinen Decken und setzte sich neben ihn. Etwa zweihundert Schritte entfernt von ihnen badete Suzanne im Fluss. Nackt.

"Sie ist schön", flüsterte Virgil. "Unglaublich schön." Tom schwieg. Wie gebannt blickte er auf den nackten Körper der Frau. Auf ihre schmalen, festen Schenkel, auf ihren runden Hintern, auf ihr blondes Haar, das in der Morgensonne schimmerte. Ihre Brüste konnte er auf diese Entfernung kaum erkennen. Aber in seiner Fantasie hatte er sie mehr als einmal geküsst.

"Du bist scharf auf sie, stimmts?" Virgils Blick hatte etwas Lauerndes.

"Wie kommst du darauf?"

"Ich hab Augen im Kopf." Virgil hob den Zeigefinger, als wollte er drohen. "Wenn du sie mir wegschnappst, bring ich dich um." Es war wohl scherzhaft gemeint, aber ganz sicher war Tom nicht.

Eine halbe Stunde später brachen sie auf. Gegen Mittag kamen sie an eine brüchige Hängebrücke, auf der sie den Fluss überqueren mussten. Die Steilufer links und rechts waren gut fünf Meter hoch oder mehr. Und glatt wie die Wand eines Fabrikschornsteins. Sie waren nicht sicher, wie viel Gewicht sie der Brücke noch zumuten konnten.

Suzanne tastete sich als erste über die Brücke. Dann kamen die Pferde an die Reihe. Tom schug ihnen mit der flachen Hand auf die Flanken und trieb sie über den Abgrund. Eines nach dem anderen. Nach den Pferden ging er selbst über die Brücke. Er hörte es Knarren, und seine Nackenhaare stellten sich auf.

"Vorsicht, Virgil - sie hält nicht mehr viel aus!", schrie er, um das Tosen des Wassers unter ihnen zu übertönen.

Virgil stellte es ganz geschickt an - wie ein junger Hengst spurtete er über das alte Ding. Als er gerade die Mitte hinter sich gelassen hatte, brach sie krachend zusammen und riss ihn in die Tiefe.

"Virgil!" Suzanne schlug die Hände vors Gesicht. Tom warf sich auf den Boden, kroch an den Rand des Abgrunds und spähte in die Tiefe. Virgil klammerte sich an einem großen Stein fest und zog sich hinauf.

"Bist du okay?!" Tom brüllte gegen das Tosen der Fluten an.

"Sieht so aus, was?!" Virgil hockte sich auf den Stein. Die Seile der Brückenreste hingen in einem verkrüppelten Baum in der Steilwand. Unerreichbar für ihn.

"Warte!", rief Tom. "Ich werf dir ein Lasso hinunter."

"Kein Problem!", winkte Virgil. "Ich verlass mich auf dich!"

Tom stand auf. Suzanne stand vor ihm. Wieder dieser sehnsüchtige Blick. Toms Augen wanderten zwischen ihrem Gesicht und dem Lasso hinter dem Sattel seines Pferdes hin und her. Sekundenlang standen sie sich gegenüber. Keiner sprach ein Wort. Das Rauschen des Flusses erfüllte die Luft.

Langsam ging Tom auf sie zu. Er strich ihr zärtlich über das Haar. Sie ließ es geschehen. Er küsste sie auf den Mund. Sie ließ es geschehen. Er küsste ihren Hals und ihre Augen. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und ließ es geschehen.

"Du bist die schönste Frau, die mir begegnet ist, seit ich den Mississippi überquert habe", flüsterte er ihr ins Ohr. "Und das ist verdammt lange her."

Er zog ihr das Hemd aus der Hose. "Wie nennt man das, wenn einem beim Anblick einer Frau das Herz klopft, wenn einem in ihrer Nähe die Hände feucht werden, wenn man nicht einschlafen kann, weil ihr Bild einem vor Augen steht." Knopf für Knopf löste er. "Ich glaub man nennt das Liebe, oder täusch ich mich?"

Sie antwortete nicht. Er streifte ihr das Unterhemd über die Brüste. Brüste wie heiße, geschwollene Pfirsiche - rund und prall. Er berührte sie, wie man wertvolles Porzellan berührt, oder empfindliche Blüten. Sie schloss die Augen und bog ihren Körper zurück, als wollte sie ihre herrlichen Brüste seinen Lippen darbieten.

Tom beugte den Kopf. Seine Zunge leckte zärtlich über die braunen, harten Stiele der großen Pfirsiche. Sie stöhnte. "Als ich dich am Pokertisch sah..." Er schloss seine großen, starken Hände um ihre Brüste. "...als ich sah, wie du den Mistkerl verprügelt hast..." Sie drängte ihr Becken an ihn heran, und endlich knetete er ihre Brüste durch, als wollte er das Geheimnis ihre Anziehungskraft ergründen. "...da wusste ich, dass du es bist..."

Seine Hände fuhren auf ihren Rücken, strichen ihre Wirbelsäule entlang, tasteten ihre Schulterblätter und rutschten tief nach unten in ihren Hosenbund hinein, bis seine Finger die Kerbe zwischen ihren Gesäßbacken fühlten. Sie rieb ihr Becken an seinem harten, pochenden Schwanz und er spürte die Wölbung ihrer Weiblichkeit.

"Hey, was ist los da oben?!" Virgils Stimme hinter ihnen hob sich schwach vom Gebrüll des Wassers ab. "Wo bleibt das verdammte Seil?!"

Es gab kein Halten mehr. Toms Hände machten sich selbstständig. Öffneten ihren Gürtel, öffneten die Knöpfe ihrer Hose und streiften sie ihr über Schenkel und Knie. Gott! Wie warmes Wildleder fühlte sich die Haut ihrer Schenkel an. Sie lachte, setzte sich ins Gras und zog Stiefel und Hosen und Schlüpfer aus.

Er kniete vor ihr, während sie die Schnalle seines Gurtes löste. Ihre Knie waren geschlossen, als würde sie sich zieren, aber in ihren Augen sah er nichts als Verlangen.

Sanft öffnete er ihre Knie, strich mit den Fingerbeeren über die unglaublich weiche Haut ihrer Schenkel und berührte schließlich den blonden, weichen Pelz zwischen ihren Beinen.

Seine Augen glitten über die weichen, runden Linien ihres Körpers, über ihre Brüste, ihre Taille, ihren Bauch und ihre Hüften. "Wie schön du bist", flüsterte er und ließ seinen Finger in die Spalte zwischen ihren Schamlippen rutschen. "Schöner als ein Traum." Sie legte den Kopf in den Nacken und seufzte tief.

Kreisend erforschte er die feuchte Höhle zwischen ihren Lippen, rutschte tiefer und tiefer in sie hinein, und Suzanne öffnete ihre Schenkel weiter und weiter.

Während sein Finger in ihr kreiste, beugte er sich erneut über die prallen Wunderwerke ihrer Brüste, schloss die Lippen um ihre Spitzen und saugte sie in seinen großen Mund. "O Gott!", rief sie. "O Gott!", und hob ihr Becken aus dem Gras, um es seinem tanzenden Finger entgegen zu stoßen.

Seine Zunge glitt über ihre Brustwarzen, über ihren Hals, über ihre Arme und Schenkel, seine Rechte massierte ihr kreisendes Gesäß, und der Finger seiner Linken streichelte sie von innen.

Als ihre Feuchtigkeit ihm über das Handgelenk floss, kniete er sich zwischen ihre Schenkel, öffnete seine Hose und holte seine Schwanz heraus. Der glühte, als würde er brennen.

Suzanne packte ihn, wie Virgil da unten nach dem rettenden Fels gegriffen hatte und bog ihn ihrer nassen Spalte entgegen.

Tom schob seine großen Hände unter ihr Gesäß hob sie hoch und versenkte seinen glühenden Stab in ihre weiche Feuchtigkeit. Sie schrie laut.

"Was treibt ihr da oben?!" Wieder Virgils Geschrei aus der Schlucht. "Der Teufel soll euch holen, wenn ihr mir nicht endlich das Seil 'runterwerft!"

Sie achteten nicht auf seine Flüche. Zwischen ihren weit geöffneten Schenkeln kniend, die Hände fest um ihre Gesäßbacken geschlossen stemmte er ihren leichten Körper gegen seine Lenden. Wieder und wieder. Erst behutsam und geschmeidig, dann schneller und fester, und schließlich fordernd und hart. Sie schrie und schrie - Tom war überwältigt von ihrer Lust.

Ihre Arme, ihr Oberkörper und ihr Kopf sanken ins Gras. Wie ein goldener, zerfasernder Schleier hing ihr Haar zwischen den Halmen. Und ihr Becken und ihr Gesäß überließ sie seinen starken Händen. Und der Kraft seiner Stöße.

Irgendwann hörten sie weder das Tosen des Flusses noch Virgils Gebrüll, noch das Rauschen des Herbstwindes in den Baumwipfeln. Sie versanken in der Glut ihrer Lust und zuckten aneinander, als wollten sich verschlingen.

Danach lagen sie keuchend im Gras. Suzanne presste sich an ihn. "Daran werde ich mein Leben lang denken", flüsterte sie. "Ich werde dich nie vergessen."

Er verstand nicht ganz. "Dafür werd ich schon sorgen, dass du mich nie vergisst."

Später löste er endlich das Lasso vom Sattelknauf. Gemeinsam traten sie an den Rand des Steilufers. Virgil schwang beide Fäuste und machte ein wütendes Gesicht. "Seid ihr komplett übergeschnappt?!", brüllte er. "Mich eine Stunde auf diesem beschissenen Stein hocken zu lassen?!"

"Ich hätte nie gedacht, dass er so böse werden kann", sagte Suzanne.

"Wir mussten erst die Pferde einfangen!", schrie Tom zurück. Er warf ihm das Seil zu. Während Virgil es um seine Handgelenke schlang, wandte Tom sich zu Suzanne, die neben ihm stand und seinen Arm festhielt. "Ich will, dass du mich heiratest", sagte er. Sie lächelte rätselfhaft und antwortete nicht.

*

Die Herbstsonne stand im Zenit eines wolkenlosen Himmels, als sie am Mittag des nächsten Tages rasteten. Sie hatten inzwischen das auf der Karte eingezeichnete Gebiet erreicht. Schroffe Felsen erhoben sich links und rechts des Bear Rivers. Der Claim von Suzannes war nirgends zu entdecken.

"Er muss irgendwo hier in dieser Gegend sein", sagte sie, "Henry schrieb, dass er seine Hütte vom Fluss aus zu sehen ist."

"Dann werden wir sie auch finden." Tom streckte sich auf seiner Decke aus. "Erstmal ein Nickerchen."

Virgil beobachtete die beiden mit wachsendem Misstrauen. Er war nicht nachtragend. Aber seit sie ihn gestern nach seinem Absturz eine Stunde lang im Fluss hatten warten lassen, spürte er die Nähe, die zwischen Tom und Suzanne gewachsen war. Von jetzt auf nun, wie es schien. Sie sprachen sich mit Vornamen an, sie lächelten einander verliebt an, sie berührten sich zärtlich, wenn sie glaubten, er würde sie nicht beobachten.

Aber er beobachtete sie genau. Und ein ungeheurer Verdacht wuchs in ihm - Suzanne und Tom hatten ihn gestern bewusst so lange in der Patsche sitzen lassen. Um ungestört vögeln zu können. Während einer schlaflosen Nacht kreisten Virgils Gedanken um nichts anderes, als um diesen ungeheuerlichen Verdacht. Und nun wuchs seine Verbitterung von Stunde zu Stunde. Seine Verbitterung und seine Wut.

Suzanne blickte zum Fluss hinunter. "Ich vertrete mir ein wenig die Füße", sagte sie und kletterte über die felsige Böschung zum Bear River hinunter. Virgil sah, wie sie am Ufer entlang flussaufwärts ging und hinter dem dichten Ufergestrüpp verschwand.

Tom hatte die Augen geschlossen. Wie es schien, schlief er. Virgil erhob sich und folgte der Frau.

"Hey, Suzanne!", rief er, als er ihre schlanke Gestalt zwischen Büschen und Steinen entdeckte. Sie drehte sich um und wartete. "Was war das gestern - du hast dich von ihm vögeln lassen, hab ich Recht?"

Sie blitzte ihn aus schmalen Augen an. Wie eine angriffslustige Raubkatze wirkte sie plötzlich. "Wir mussten die Pferde wieder einfangen", sagte sie kühl. "Ist das so schwer zu verstehen?"

"Warum sollen die Gäule plötzlich das Weite gesucht haben?", knurrte Virgil. "Du hast dich von ihm vögeln lassen, gibs endlich zu?"

Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. "Und wenn? Was geht es dich an?", fauchte sie.

"Also stimmt es." Er wusste es ja, aber es aus ihrem Mund zu hören, war wie ein Faustschlag in die Nieren. Die Enttäuschung tat ihm körperlich weh. Virgil schwankte zwischen Wut und Bitterkeit.

Grob packte er ihre Handgelenke und riss sie zu sich. "Verdammt, Suzanne, vielleicht hab mich zufällig in dich verliebt!" Schrecken stand in ihren grünen Augen. "Ich bin viel jünger als er, du weißt nicht, was in mir steckt..." Sie schwieg. Virgil schloss die Arme um sie und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Ein warmer Schauer strömte durch seinen Körper, als er ihre Wärme und die Wölbungen ihrer Brüste fühlte.

Sie bog sich zurück, als wollte sie ihm ausweichen, aber er hielt sie fest. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seinen Brustkorb. Virgil wusste genau, dass er einen hirnrissigen Fehler machte, aber das Verlangen überwältigte ihn.

Plötzlich eine schwere Hand auf seiner Schulter. Jemand griff in seinen blonden Lockenkopf und riss ihn in den Nacken. Virgil schrie auf, ließ die Frau los und griff nach dem Arm über seinen Kopf. Ein nackter, haariger Arm. Der Arm riss ihn zurück, Virgil strauchelte, stolperte über Steine und schlug hart im Ufergeröll auf.

Die Verblüffung lähmte ihn für Sekunden, als er über sich nicht wie erwartet den Rivalen Tom Smith erkannte, sondern einen Fremden sah. Ein Mann, groß wie ein Baum und mit einem Brustkorb wie ein Fass. Ein grobschlächtiges Gesicht voller Bartstoppeln, und gänzlich kahlgeschorener Schädel. Wie ein Pirat sah der Mann aus. Er griff nach einem Aststrunk und holte aus.

"Nicht, Henry!", schrie Suzanne. "Tu ihm nichts!"

Virgil rollte sich blitzschnell zur Seite, der Asthieb donnerte neben ihm ins Geröll. Er konnte sich nicht erklären, was Suzannes Bruder so überaus wütend machte - er rollte erneut zur Seite, zog seinen Smith&Wesson und sprang auf die Beine.

"Nicht schießen, Virgil!" Suzanne kreischte hysterisch. "Um Gottes Willen schieß nicht...!"

Wie eine Dampfwalze überrollte der andere ihn, packte seinen Revolver und rammte ihm gleichzeitig das Knie zwischen die Beine. Stöhnend sackte Virgil zusammen.

Als er endlich wieder Luft bekam und den Kopf heben konnte, stand der Koloss drei Schritte vor ihm. In seiner Hand Virgils .32er. "Ich habs nicht gern, wenn man mein Mädchen anfasst." Der Hahn war gespannt, Virgil sah den fetten Finger um den Abzugsbügel sich krümmen.

"Nein!", schrie Suzanne. Sie warf sich auf den Schussarm des zwei Köpfe größeren, der Schuss explodierte und schlug zwei Schritte neben Virgil im Geröll ein. Steinsplitter sausten ihm um die Ohren.

"Hör endlich auf, Henry!" Suzanne hing an seinem Arm und versuchte ihn von Virgil wegzudrücken. Virgil aber sah den Hass in den Augen des Hünen, sah die Zornesadern an Stirn und Schläfen des grimmig verzerrten Gesichtes. Und er wusste, dass der Mann töten wollte. Töten, und weiter nichts.

Schritte knirschten im Geröll, ein Schatten flog an Virgil vorbei und prallte von der Seite gegen den Hünen namens Henry. Tom Smith. Die Männer stürzten zwischen die Steine. Virgil sah Fäuste fliegen, hörte das dumpfe Klatschen von Schlägen auf Kochen und Weichteile, hörte das hässliche Knirschen, als Zähne abbrachen.

Sekunden später stand Tom auf. Er atmete schwer. Der Hüne blieb liegen. Er stöhnte und wälzte sich im Geröll. Tom warf Virgil seine Waffe zu. Er fing sie auf und erhob sich ächzend. Merkwürdig gebeugt hinkte er zu Tom und blickte auf den Mann herab. Suzanne kniete neben ihm und schob ihren Schenkel unter seinen Kopf. Der Mund des Kerls war ein blutendes Loch. Virgil entdeckte zwei Zähne auf den blutigen Steinen neben seinem Kopf.

"Das ist ein Missverständnis, Henry", sagte Suzanne mit weinerlicher Stimme. "Die Männer haben mich durch die Berge zu dir gebracht. Warum bist du nicht nach Bear River gekommen?"

"Ich denke es war in Ihrem Sinne, dass wir ihre Schwester nicht allein in die Wildnis gehen ließen, Sir." Toms Stimme vibrierte vor Wut.

Der Hüne namens Henry stieß Suzanne zur Seite und fuhr hoch. "Schwester?!", nuschelte. Flammende Blicke schossen zwischen Suzanne und Tom und Suzanne und Virgil hin und her. "Hast du ihnen erzählt, du wärst meine Schwester?!" Er packte sie am Handgelenk und zog sie zu sich. "Du Miststück!"

Virgil glaubte plötzlich zu träumen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Toms Gesicht die Farbe eines Grauschimmels annahm.

"Ich dachte, sie wären dann eher bereit mich zu begleiten." Suzanne sprach plötzlich heiser und leise.

Der Bursche schnaubte wütend, das Blut quoll ihm aus Mund und Nase und tropfte auf sein schmutziges Unterhemd. "Sie ist meine Verlobte!", brüllte er. "Kapiert, ihr Scheißkerle!?" Der Kleiderschrank stand auf. "Meine zukünftige Frau, ist das klar?!" Er griff in die Tasche seiner weiten Nietenhose. "Und nun macht, dass ihr fortkommt!" Er warf ihnen drei Nuggets vor die Füße.

"Wo sind deine Sachen?", blaffte er Suzanne an. Sie deutete in Richtung Lagerplatz. Am Ufer entlang zerrte er die Frau mit sich fort.

Virgil sah ihnen nach. "Bullshit, verfluchter", zischte er. "Hast du den Witz gehört? >Meine zukünftige Frau<... Wie kommt so eine schöne Frau an so einen Kretin, frag ich dich..."

Tom drehte sich nicht um. Er stand wie erstarrt und blickte hinunter auf den blutigen Stein und die abgebrochenen Zähne.

*

Am Nachmittag ritten sie wieder flussabwärts. Tom fühlte sich, als sei etwas in ihm abgestorben. Virgil machte zwei, drei Versuche ein Gespräch mit ihm anzufangen. Tom reagierte nicht. Die Worte des Jüngeren rauschten an ihm vorbei, wie das wilde Wasser der Bear Rivers.

So blieb es auch während des ganzen Rittes.

Nach drei Tagen sahen sie die graue Straßenzeile Bear Rivers unter sich im Tal liegen. Sie hielten die Pferde an und betrachteten die hässliche Wunde in der Landschaft. Der schmutzige Fleck aus Hütten und Häusern schien sich noch weiter in den Berghang hineingefressen zu haben.

"Ich weiß, dass du sie gefickt hast", sagte Virgil. "Wenn du einen Revolver tragen würdest, wie ein anständiger Mann, hätte ich mich schon längst mit dir geschossen."

"Wir können uns gern schlagen", sagte Tom mit tonloser Stimme. Seit der Trennung von Suzanne fühlte er nichts mehr. Ein großer Stein schien seinen Brustkorb auszufüllen.

Virgil ging lieber nicht auf das Angebot ein. "Andererseits hast du mir da oben am Bear River das Leben gerettet."

"Dann sind wir ja quitt." Tom blickte reglos auf die Goldgräberstadt hinunter.

"Nicht ganz", sagte Virgil, und er grinste nicht dabei. "Meinen Schuss im >Riverside Billard Room< hast du mir bezahlt, als der Kretin mich killen wollte. Aber die Rechnung für deinen Fick mit Suzanne ist noch offen..."

"Sie gehörte dir nicht", sagte Tom.

Virgil tippte sich an den Hut. "Nun denn - bis irgendwann wieder..." Er gab seinem Pferd die Sporen. In südöstlicher Richtung ritt er davon. Vorbei an Bear River.

Tom trieb sein Pferd an und ritt hinunter in die Stadt.

Zwei Tage später heftete ihm der Bürgermeister den Marshal-Stern ans Jackett. In so kurzer Zeit und so gründlich räumte er in Bear River mit Strolchen aller Art auf, dass sich sein Ruf wie ein Lauffeuer verbreitete. >Bear River Tom< nannten sie ihn in den Städten und Orten zwischen Mississippi und Rocky Mountains.

Nicht ganz ein Jahr blieb er in Bear River. Danach holten in die Bürger von Greeley, Colorado in ihre Stadt. Auch dort tat er, was er am besten konnte: Mit eiserner Faust Recht und Gesetz der Vereinigten Staaten durchsetzen...

*

Abilene, Kansas, Frühsommer 1870

Virgil Potter lenkte seinen Schimmel durch die Main Street von Abilene. Und staunte. Im Bürgerkrieg war er einmal mit seiner Kavallerieschwadron hier vorbeigekommen. Damals war Abilene noch ein winziges Nest gewesen, in dem kaum hundert Seelen lebten.

Jetzt säumten zahllose Häuser die Main Street, und fast viertausend Menschen lebten jetzt in der berühmt-berüchtigten Kuhstadt von Kansas. Und in manchen Wochen noch einmal tausend mehr. In den Wochen, in denen die wilden texanischen Cowboys hunderttausende von Longhorn-Rindern in die Koppeln der Verladestation vor den Toren der Stadt trieben.

Auch jetzt hielten sich etwa dreihundert Cowboys in der Stadt auf. Draußen, vor der Stadt, wurden sie aus den Koppeln in die Viehwaggons der Kansas Pacific Railway getrieben. Bis auf die Main Street hörte man ihr Gebrüll. Virgil konnte die Dampfwolken der Lok hinter den Dächern aufsteigen sehen, die Abilene Richtung Osten verließ, um die Ostküste mit Fleisch zu versorgen.

Eine Horde Cowboys galoppierte an ihm vorbei. Unrasierte, schmutzige Burschen mit Stoppelbärten speckigen Lederchaps, die ihnen um die Beine flatterten. Fußgänger wichen erschrocken zur Seite, um nicht niedergeritten zu werden. Böse Blicke schickten sie den Reitern hinterher. Und ein Mann schüttelte die Faust.

Bis vor zwei Tagen war Virgil selbst mit diesen rauen Gesellen unterwegs gewesen. Auf dem Chisholm Trail von Austin nach Abilene. Anfang April waren sie mit achtzehntausend Stück Vieh aufgebrochen. Und jetzt, Ende Mai, fast acht Wochen später hatten sie siebzehntausendsechshundert Rinder in die Koppeln der Verladestation getrieben.

Acht Wochen sechzehn Stunden am Tag im Sattel. Acht Wochen nur Rinder, Grasland und die mürrischen Gesichter der Cowboys. Acht Wochen ohne vernünftige Gesellschaft und vor allem: Ohne Frauen. Seit zwei Tagen machten die ausgehungerten Texaner die Stadt unsicher.

Auch Virgil war ausgehungert nach Gesellschaft. Und nach Frau. Er hatte sich den Lohn für acht Wochen auszahlen lassen. Zweihundert Dollar. Aber er hatte die Schnauze voll vom Leben im Sattel. Der Friseur, bei dem er sich den Bart aus dem Gesicht hobeln und seine blonden Locken stutzen ließ, wollte gehört haben, das die Kansas Pacific Railway Männer suchte, die gut reiten und noch besser mit dem Schießeisen umgehen konnten. Männer, die ihre Züge vor Überfällen schützten.

Genau der richtige Job für Virgil.

Die stinkenden Cowboy-Klamotten hatte er weggeworfen. Und ein paar Dollar für neue Garderobe investiert. Ein nagelneuer, schwarzer Stetson saß auf seinem Blondschopf. Er trug ein neues, helles Leinenhemd und eine schwarze Lederweste. Dazu neue, schwarze Hosen und neue Stiefel. Virgil fand, dass er eine verdammt gute Figur machte in den neuen Klamotten. Und da hatte er Recht.

Er hielt seinen Schimmel vor einer Baustelle an. Steine wurden von Ochsenkarren geladen. Drei Wände eines großen Rohbaus waren schon hochgezogen. Männer, Frauen und Kinder standen auf der Straße und sahen den Arbeitern zu.

"Was gibt das hier?", fragte Virgil einen Mann in dunkelbraunem Anzug. "Eine Spielhalle? Oder ein Theater?"

"Blödsinn." Der Mann musterte ihn misstrauisch. "Ein Gefängnis. Mit dem verdammten Viehzeug kommen eine Menge Rowdies in unsere Stadt. Der Marshal nimmt schon keine Verhaftungen mehr vor, weil er nicht mehr weiß, wo er die tollwütigen Hunde hinsperren soll."

"Und weil er Angst hat", rief eine Frau, die in der Nähe stand. Ein paar Leute drehten die Köpfe und bedachten Virgil mit grimmigen Blicken. Er war froh, dass er keine Cowboy-Kluft mehr trug. Die Bürger von Abilene schienen nicht gut zu sprechen zu sein auf die Texaner.

Er trieb sein Pferd an. Der Friseur hatte schon solche Andeutungen gemacht. Wenn Cowboys in der Stadt waren, konnte man kaum schlafen, hatte er behauptet. Die ganze Nacht Betrunkene auf der Straße, die ganze Nacht Gegröle, Schlägereien und Schüsse.

Virgil glaubte nicht, dass der Friseur übertrieben hatte. Männer die wochenlang durchgearbeitet hatten, waren ein bisschen wie Dynamitstangen, deren Zündschnur heruntergebrannt war und nun kurz vor der Sprengladung glimmte. Wehe dem, der einem Texaner mit solch einer Gemütsverfassung gegenüberstand, und sich verleiten ließ mit der Hand in die Nähe seines Revolverkolbens zu gelangen. Wer dann nicht schnell genug zog, brauchte in der Regel einen Arzt. Oder einen Totengräber.

Die texanischen Cowboys waren schnell mit der Waffe. Allein auf Unbewaffnete schossen sie niemals. Deswegen, so hatte Virgils Friseur erzählt, empfahl die Bürgerwehr den Leuten von Abilene auch in den Wochen der Viehverladung den Waffengurt zu Hause zu lassen.

Zehn Minuten später hielt Virgil sein Pferd vor einem großen zweistöckigen Haus an. >Kansas Pacific Railway Hall< stand auf dem weißen Schild über dem Vordach. Ein Eisenbahnhotel.

Virgil machte den Schimmel fest, warf sich die Mochila über die Schulter und zog seinen Karabiner aus dem Sattelholster. Musik drang aus den offenen Fenstern des Untergeschosses. Er stieg den Bürgersteig hinauf und zog die große Eingangstür des Hotels auf.

Stimmengewirr umfing ihn, Violinen- und Pianoklänge und der Rauch von Zigarren. Wie grauer Nebel hing er unter den Petroleumlampen des weitläufigen Schankraumes. Die Theke war fast so lang wie eine Kegelbahn. Aus offenen Nebenzimmern drang das Klacken von Billardkugeln. An Spieltischen hockten Männer mit Pokerblättern in den Händen und durch zwei große offene Türen sah Virgil in einen Tanzsaal.

Aus dem Saal drang auch die Musik. Männer und Frauen wirbelten über die Tanzfläche. Cowboys in erster Linie und junge Frauen in wadenfreien Kleidern mit weiten Ausschnitten. Frauen, die den ausgehungerten Burschen gaben, wonach sie nach sechs oder acht einsamen Wochen Knochenarbeit gierten. Und sich dafür bezahlen ließen. >Schwestern der Sünde< wurden sie in Abilene genannt.

Es war noch nicht einmal sieben Uhr abends, und mehr als die Hälfte der Tische im Schankraum warteten noch auf Zecher und Esser. Auch an der Theke noch eine Menge Platz.

Virgil legte seine Mochila auf einen Barhocker und lehnte seinen Karabiner daneben. Rechts neben der langen Flaschenbar ging eine Tür auf. Ein massiger Kahlkopf schob sich hinter der Theke entlang auf Virgil zu. Der Wirt.

"Ein Zimmer würde mich glücklich machen!", rief Virgil ihm entgegen. "Und ein Stallplatz für meinen Gaul..." Das Wort erstarb ihm auf den Lippen. Vier Schritt von ihm entfernt blieb der Wirt stehen. Von jetzt auf nun, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Aus kleinen, funkelnden Augen fixierte er seinen neuen Gast.

Wie Schuppen fiel es Virgil von den Augen. "Bullshit...", flüsterte er. Plötzlich erschien eine blonde Frau auf seiner inneren Bühne - und dann ein Bild nach dem anderen: Suzanne, die alte Hängebrücke über den Bear River, Tom Smith, ein steiniges Ufer neben dem Fluss, ein fleischiger Finger um den Abzugsbügel seines Smith&Wesson...

"Bullshit", wiederholte Virgil. Er war einfach nicht darauf gefasst gewesen den Goldgräber hier wieder zu treffen. Wie war sein Name gleich gewesen? Henry, richtig.

Henry schob sich langsam näher. Die geballte Faust der Rechten auf dem Tresen. Virgil sah die geschwollene Ader auf seiner Stirn. "Ich hab kein Zimmer frei, du Arschloch", krächzte der Bursche. Zwei Lücken klafften in der Reihe seiner gelben Schneidezähne. "Aber auf dem Friedhof ist noch eine Menge Platz."

Virgil griff sich Mochila und Gewehr und tippte sich an den Hut. "Danke für den Hinweis, Sir." Mit großen Schritten durchquerte er den Schankraum. Die Hand schon am Türgriff drehte er sich noch einmal um. Neben dem großen Spiegelregal hinter der Theke stand ein blonde Frau und sah ihm nach. Suzanne...

*

Bill Hennings Augen wanderten über die aufgedeckten Blätter seiner Mitspieler. Er sah zwei Pärchen, einen Drilling und eine kleine Straße. Genau das, was er erwartet hatte. "Tja, Gentleman -" ein spöttisches Grinsen flog über sein scharfgeschnittenes Gesicht. "- nicht schlecht, was Sie da zu bieten haben." Er legte seine Karten auf den Tisch. "Aber nicht genug - große Straße."

Die Männer fluchten, einer schlug mit der Faust auf den Tisch und stand auf. "Ich hab genug für heute. Bei so einer Pechsträhne sollte man nicht einmal über die Straße gehen."

"Schade, Mr. Macy." Bill Henning beugte sich über den Tisch und strich die Münzen und Scheine aus dem Pott ein. "Der Abend hat erst angefangen, und das Glück ist eine launische Frau."

Schmale, weiße Hände legten sich auf seinen Rücken. Rote Spitzenrüschen ragten über die Handgelenke. Bill Henning legte den Kopf zurück und rieb ihn gegen zwei feste Wölbungen. Er blickte nach oben über den Brüsten unter dem engen, schwarzen Kleid das Gesicht einer jungen Frau. "Gratuliere, Darling", flötete sie.

"Danke", grinste er. Seine Rechte griff hinter den Stuhl, tastete den rauen Stoff eines Kleides und zog es hoch, bis seine Finger das Muster von Netzstrümpfen spürte. Und zwischen den weiten Maschen weiche, nackte Haut. Er streichelte die Kniekehlen des Frauenbeines. Die Frau hinter ihm drängte sich näher an ihn heran.

Janet Shewring hieß die Frau. Sie war vierundzwanzig Jahre alt. Eine kleine, fast zierliche Person mit einem ovalen Gesicht, über dessen Stupsnase sich ein paar Sommersprossen zogen. Ihr Haar war blauschwarz, und Janet pflegte es zu einem Dutt zusammen zu binden, so dass ihr schlanker, weißer Hals zu sehen war.

Nicht nur ein schönes Gesicht hatte Janet, sondern auch beachtliche Rundungen. So beachtlich, dass Henning sie vor einem halben Jahr aus dem >Joystar< geholt hatte. Der >Joystar< war damals eine Art Edelpuff in Abilene.

Janet wohnte nun im >Pearlhouse<, einem Saloon mit gesalzenen Preisen, ein paar Zimmern und einem halben Dutzend Spieltischen. Bill Henning war seit einem halben Jahr gewissermaßen ihr einziger Kunde, und er achtete eifersüchtig darüber, dass dies so blieb.

Henning hatte den Laden von seinen Pokergewinnen gekauft und auf Vordermann gebracht. Das >Pearlhouse< war nicht das einzige Lokal in Abilene, dass ihm gehörte. Abilene, über Nacht zur wichtigsten Kuhstadt in Kansas erblüht, hatte eine Menge windiger Geschäftemacher von Hennings Sorte angezogen.

Die Tür zu Hennings privatem Spielzimmer wurde aufgestoßen. Ein struppiger Bursche mit Vollbart und einem Strohhut auf rötlichen Lockenkopf trat ein. Charley Woolster - der Chef von Henning persönlicher Leibgarde, wenn man das so nennen will.

Er legte einen Brief vor seinen Boss auf den Tisch. Mit der linken Hand tat er das. Auch sein Revolverholster hing links. Sein rechter Arm klebte steif und kerzengerade ausgestreckt an seinem Körper. "Schlechte Nachrichten", knurrte er.

Henning öffnete das Kuvert und entfaltete den Brief. Er war schnell gewesen. Ein für alle Mal, begann der kurze Text, ich verkaufe nicht an dich. John D. Chapell.

Chapell war der Besitzer des >Joy Stars<. Eine Goldgrube, der Schuppen, besonders in Zeiten wenn hunderte von notgeilen Cowboys in der Stadt herumtobten.

Henning faltete den Brief zusammen. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde um eine Spur eisiger. Seine Laune sank. "Sorry, Gentleman - aber ich habe noch zu tun heute Abend. Wenn Sie wollen, können wir das Spiel morgen Abend fortsetzen."

Die Männer standen auf. "Ich bestehe darauf", sagte einer mit grimmiger Miene. Nacheinander verließen sie das Spielzimmer. Als die Tür sich schloss, griff Henning nach den Frauenhänden auf seinen Schultern. Wie um sich beruhigen streichelte er sie.

"Hast du ihm nicht gesagt, dass von Verkaufen keine Rede sein kann!?" Seine Stimme war schneidend scharf, und Charly Woolster wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. "Chapell hat über zwanzigtausend Dollar Spielschulden bei mir!"

"Er will davon nichts wissen", beteuerte der struppige Charley. "Er sagt, du hättest falsch gespielt."

Henning stieß Janets Hände von seinen Schultern und sprang auf. "Sag Steve und Hank Bescheid! Sie sollen sich ein paar Männer nehmen und den Laden auf den Kopf stellen!"

Steve Roe und Hank Belton waren die berüchtigsten Revolvermänner in Abilene. Wie gut zwei Dutzend anderer Strauchdiebe standen sie auf Hennings Gehaltsliste.

"Sagt mir Bescheid, wenn die Sache erledigt ist. Dann besuche ich Chapell persönlich!"

"Schon klar, Bill." Woolster hastete aus dem Raum.

Henning drehte sich zu Janet um. Er steckte ihr einen Geldschein in den Ausschnitt ihres Kleides. "Mach dir 'nen schönen Abend."

"Wir wollten doch essen gehen!" Sie zog einen Schmollmund.

"Verschwinde!", fuhr er sie an.

"Du hast mir versprochen heute Abend mit mir...!"

Henning packte sie grob am Arm und schob sie zur Tür. "Du hast doch gehört, dass ich zu tun habe! Ich ruf dich, wenn ich dich brauche...!"

*

Das Steak schmeckte ihm nicht. Dahin die gute Stimmung. Finstere Gedanken zogen durch Virgils Hirn, seit er dem Fettsack namens Henry so unverhofft wiederbegegnet war. Und seit er Suzanne gesehen hatte.

Der Saloon, für den er sich schließlich entschieden hatte, war wesentlich kleiner, als das Eisenbahnhotel. Aber dafür eine Spur nobler. Und teurer. >Pearlhouse< hieß es.

Virgil hatte ein Zimmer gemietet. Nun hockte er an einem Tisch neben dem Treppenaufgang und säbelte missmutig an seinem Steak herum.

Irgendwo im Schankraum, außerhalb von Virgils Blickfeld, schlug eine Tür zu. Schnelle Schritte knallten über die Holzdielen. Die Männer an Theke und Tischen hoben die Köpfe. Einige spitzten die Münder, als wollten sie pfeifen, andere hoben bewundernd die Brauen. Ohne Zweifel war eine Frau im Anmarsch.

Virgil lauschte. Die rollbare Garderobe verstellte ihm die Sicht auf den größten Teil des Schankraums. Er hatte sich bewusst in die hinterste Ecke verzogen. Die Frau schoss an der Garderobe vorbei. Eine kleine, schwarzhaarige Frau, höchstens Anfang zwanzig. Virgil sah ihre Brüste unter ihrem schwarzen Kleid wippen, sah ihre schmale Hüfte, sah ihr wiegendes Becken und ihr niedliches Sommersprossengesicht.

Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, rauschte sie an ihm vorbei und lief die Treppe hinauf. Virgil saß direkt neben der Treppe und durch die gedrechselten Geländerholme hindurch konnte er sehen, wie sie das Kleid über ihre Knöchel hob, und wie die schmalen Muskeln ihrer Oberschenkel unter dem Stoff pulsierten.

Als ihre Beine fast auf seiner Augenhöhe waren, griff er entschlossen durch die Holme hindurch und hielt sie an der rechten Fessel fest. Sie fasste mit beiden Händen nach dem Geländer, um nicht zu stolpern. Ihr Kopf erschien über dem Geländer. Wütend blickte sie auf Virgil herab.

"Wir beide haben etwas gemeinsam", sagte Virgil. Es fiel ihm nicht schwer zu grinsen. "Du bist sauer, ich bin sauer - wie wärs, wenn wir zusammen etwas trinken und ein wenig Dampf ablassen?"

"Lass mich los", zischte sie leise. Virgil machte ein enttäuschtes Gesicht und gab ihre Fessel frei. Die Absätze ihrer hochhackigen Schnürstiefel trommelten die Treppe hinauf, ihre Schritte entfernten sich, Virgil hörte eine Tür ins Schloss fallen.

"Schade", murmelte Virgil. Er widmete sich wieder seinem Steak.

Ein paar Minuten verstrichen. Vielleicht fünf, vielleicht mehr. Virgil schob den leeren Teller von der Tischkante weg und bestellte einen Kaffee. Wieder Schritte auf der Treppe. Diesmal leiser und langsamer, fast zögernd.

Virgil hob den Kopf. Zwischen den Treppenholmen rote Schnürstiefel und schwarzer Kleiderstoff. Über dem Geländer ein Frauengesicht - weich, gewölbte Stirn, Stupsnase, Sommersprossen, Kirschmund. Sie lächelte nicht, aber es funkelte auch kein Zorn mehr in ihren rehbraunen Augen.

Sie stieg die Treppe hinab und setzte sich an Virgils Tisch. "Gut", sagte sie, "trinken wir etwas und lassen ein wenig Dampf ab..."

*

Dunkelheit fiel über Abilene. Es wurde laut auf der Main Street. Cowboys fegten im gestreckten Galopp über die Straße. Manche schossen in die Luft. Vor irgendeinem der zahlreichen Saloons, Billardrooms und Spielhöllen zügelten sie ihre Pferde, sprangen aus den Sätteln und stürmten die Bürgersteige und die Lokale.

Es war die Tageszeit, zu der die braven Bürger der Stadt ihre Töchter von der Straße holten und die Fensterläden schlossen. Die Zeit, zu der der jeweilige Marshal - und Abilene sah viele Marshals in jenen Tagen - vor dem Fenster seines Office stand, nervös an seiner Zigarre sog und hoffte, das Schicksal würde ihn in der kommenden Nacht vor allzu ernsten Schwierigkeiten bewahren.

Gegenüber des >Joy Stars< hockten etwa sieben Männer auf dem Bürgersteig oder lehnten gegen die Pfosten der Überdachung. Seelenruhig drehte Steve Roe sich eine Zigarette.

Roe war ein kleiner, drahtiger Kerl. Wer ihn zum ersten Mal sah, hielt ihn in der Regel für ein schmalzlockiges Milchbübchen. In der Tat war er ziemlich dünn und eine lächerliche Tolle hing ihm aus dem weit in den Nacken geschobenen Hut in die Stirn. Und in der Tat erinnerte sein bleiches, glubschäugiges Gesicht an das Gesicht eines eifrigen Sonntagsschülers. In Abilene munkelte man, Roe sei knapp über zwanzig, aber ganz genau wusste das niemand.

Es gab ein paar Männer, die sich in den vergangenen Jahren durch Roes äußeren Eindruck dazu hinreißen ließen ihren Colt gegen ihn zu ziehen. Etwa sieben Männer, vielleicht auch acht, waren es gewesen. Sie ruhten inzwischen alle auf dem Friedhof am Rande der Stadt.

Roes langjähriger Waffenbruder Hank Belton war um gut einen Kopf größer als Roe. Vielleicht fünf- oder sechsundzwanzig Jahre alt pflegte er selbst bei großer Hitze seinen braunen Ledermantel nicht abzulegen. Er war ein athletisch gebauter Typ mit breiten Schultern und kräftigen Armen und Beinen.

Anders als Roe legte er keinen großen Wert auf sein Äußeres. Das fettige, schwarze Haar hing ihm lang und strähnig auf die Schultern herab. Sein drahtiger Bart wucherte ihm fast bis zu den Augen. Er ließ sich nur einmal im Monat rasieren.

Er hockte auf den Stufen des Bürgersteigs, starrte hinüber zum >Joy Stars< und ließ seine Fingergelenke knacken. Ein Geräusch, dass Charley Woolster, der neben ihm auf der Straße stand, jedesmal zusammenzucken ließ.

Immer mehr Männer tauchten aus der Dunkelheit auf und gesellten sich zu der finsteren Gruppe. Schließlich hatten sich dreizehn Männer um Woolster, Roe und Belton versammelt. Alle waren mit Handfeuerwaffen bewaffnet. Eine Trugen Äxte auf den Schultern.

"Okay", sagte Woolster irgendwann. "Ich glaub, ihr seid genug. Also nochmal: Ihr geht rein und haut den Laden zusammen. Aber seht zu, dass die Bausubstanz erhalten bleibt. Und schlagt nicht allzuviel Cowboys tot, die Texaner sind empfindlich. Und dass ihr mir keines der Mädchen anrührt! Die dürfen auch nicht eine Schramme abkriegen, kapiert? Die Weiber werden in Zukunft die Goldgrube unseres Chefs sein und dafür sorgen, dass ihr Hohlköpfe pünktlich euren Lohn ausgezahlt bekommt. Alles klar?"

"Und wohin sollen wir nächste Woche zum Bumsen gehen, wenn der Laden dicht machen muss?", wollte einer der Männer wissen.

"Idiot!", blaffte Woolster. "Wenn ihr den Laden kaputthaut, werden die Mädchen doch nicht gleich aus der Stadt verschwinden! Wir werden ihnen schon ein Dach über dem Kopf besorgen, wo sie die Beine breit machen können! Und jetzt los!"

Die Männer erhoben sich und schritten über die staubige Straße auf den dreistöckigen Holzkasten zu. Nur die großen Fenster des Untergeschosses waren hell erleuchtet. Hinter den Fenstern der beiden oberen Stockwerke sah man entweder gedämpftes, flackerndes Licht oder sie waren vollständig dunkel. Woolster ließ sich auf dem Bürgersteig nieder und zündete sich ein Zigarillo an.

Steve Roe stieß die Tür zum >Joy Stars< auf. Gespräche und Gelächter an Theke und Tischen verstummte schlagartig. Etwa zehn Cowboys und fast doppelt so viele Mädchen machten erschrockene Gesichter. Acht oder neun Männer aus Roes und Beltons Truppe stürmten sofort die Treppe hinauf.

"Okay, Junges - " Als wollte er die Cowboys beschwichtigen hob der kleine Roes beide Hände. "Eine kleine geschäftliche Auseinandersetzung. Habt ihr nichts mit zu tun, ist klar, am Besten, ihr geht ein ein bisschen frische Luft schnappen."

Zwei der Texaner kannten Roe und Belton noch nicht. Folglich sahen sie keinen Grund ihre Reflexe zu beherrschen. Anders ausgedrückt: Sie griffen blitzschnell zu ihren Revolvern. Der eine schaffte es gerade noch, seine Waffe auf Steve Roe anzulegen, der zweite bekam sie nicht mal mehr aus dem Halfter. Zwei Schüsse donnerten durch den kleinen Thekenraum, Mädchen schrien, und die beiden Texaner fielen um, wie gefällte Bäume.

Die anderen Cowboys hoben die Hände. "Ist gut, Roe, alles klar - wir wollten sowieso gerade gehen."

"Na prächtig." Roe winkte sie mit dem noch rauchenden Revolver zur Tür. "Nehmt die Mädchen gleich mit." Hank Belton steckte seinen Colt zurück ins Halfter. Er schnappte sich einen Stuhl und begann auf Schränke, Bilder und Regale einzudreschen. Die Cowboys und die Mädchen huschten aus dem Schankraum ins Freie.

Roes und Beltons Männer wüteten eine geschlagene Stunde lang in dem Bordell, schlugen mit Äxten auf Betten und Türen ein, jagten nackte Mädchen und Männer aus Betten und Zimmern, schlitzten Matratzen auf und zertrümmerten Fenster und Spiegel.

"Was zum Teufel ist hier los!?" Ein untersetzter Mann mit hellem, großkariertem Frack und Melone auf der Glatze stürzte in den Schankraum des Bordells. Er klammerte sich an einer Winchesterbüchse fest. "Ihr Schweine! Was macht ihr hier?!" Seine Stimme überschlug sich, sein Gesicht lief rot an und seine Augen füllten sich mit Tränen. "Mein schönes Lokal! Mein Lebenswerk!" Er fuchtelte mit der Büchse herum, als könnte er sich nicht entscheiden, auf welchen der Männer er schießen sollte.

Belton drückte ihm von hinten seinen Remington in den Nacken. "Ist schon schade um so ein bombastisches Lebenswerk, nicht wahr Johnny?" Seine Stimme klang rau und kehlig, als hätte er gerade mit reinem Alkohol gegurgelt. "Aber warum spielst du auch um solch hohe Einsätze? In deinem Alter ist das nichts mehr für die Nerven."

John D. Chapell, der Betreiber des >Joy Stars<, ließ das Gewehr sinken. Er zitterte. "Ich... ich wollte doch alles bezahlen... bitte, tut mir nichts..."

Steve Roe, der hinter der Theke mit seinem Revolverkolben gegen Flaschen und Gläser wütete, schwang sich über den Tresen. Er nahm Chapell die Büchse ab. "Bill Henning will seinen Puff restaurieren. Wir sollen schon mal den ganzen Plunder wegschmeißen, den er nicht mehr braucht."

Er machte eine kurze Kopfbewegung und zwei seiner Leute packten Chapell. "Bitte, bitte...", wimmerte er. "Ich bin mit allem einverstanden..."

"Na dann gibts ja keine Probleme", höhnte Hank Belton. Sie führten den Mann durch die Küche in den Hof hinaus. Dort schnappte sich Roe eine Eisenstange und hebelte vier breite Bretterbohlen von der Sickergrube. Entsetzlicher Gestank stieg aus dem Dreckloch. "Auch einverstanden mit einem kleinen Bad?", krächzte Belton. Das Licht aus den Fenstern fiel in sein bärtiges Gesicht. Er feixte und entblößte seine weißen Zähne dabei.

Chapell winselte um Gnade, vergoss Tränen, und als sie ihn an den Rand der Grube schoben, stemmte er sich mit den Füßen in den Staub des Hofes. Roe gab ihm einen Tritt, und der arme Kerl plumpste in die Kloake.

Er schrie und strampelte, hielt sich mit hastigen Schwimmbewegungen mühsam an der Oberfläche der Jauche, und Belton machte sich einen Spaß daraus, ihm eine lange Latte auf den Kopf zu setzten und ihn unter die tief in die stinkende Brühe zu drücken. Die Männer standen am Rand der Sickergrube und lachten Tränen.

Erst als die Schwimmbewegungen des Mannes erlahmten und sein Kopf immer öfter in der Jauche verschwand warfen sie ihm ein Seil zu und zogen ihn heraus...

*

Sie hieß Janet. Und sie vertrug eine Menge Whisky. Je länger Virgil ihr in die bernsteinfarbenen Augen schaute, je öfter er den Schwung ihrer Taille und die Wölbungen ihrer Brüste mit den Augen nachzeichnete, desto blasser wurde Suzannes Bild auf seiner inneren Bühne.

"Ich bin da einem Kerl begegnet, der was gegen mich hat", erzählte er. "Dem Wirt des Eisenbahnhotels. Er hat mich rausgeschmissen. Deswegen bin ich sauer."

"Henry Loominal?", fragte sie erstaunt. "Von dem hast du dich vor die Tür setzen lassen?"

"Ich wollte keine Schießerei riskieren", sagte Virgil. Was dieser Henry Loominal gegen ihn hatte, verschwieg er lieber.

"Er ist der dümmste, geldgeilste und versoffenste Hohlkopf in ganz Abilene", sagte Janet. "Und trotzdem gehört ihm der größte Laden in der Stadt. Aber das hat er einzig und allein seiner Frau zu verdanken." Sie zog ihren Stuhl ein Stück näher an den Tisch. Wie zufällig berührten sich ihre Knie.

"Seiner Frau?" Virgil mimte den Ahnungslosen.

"Suzanne Loominal. Eine schöne Frau und eine kluge dazu. Sie hätte weiß Gott einen anderen Mann verdient. Der Mistkerl säuft sich die Hucke voll und sie hält den Laden am Laufen." Sie beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. "Es heißt, er würde sie prügeln."

Virgil roch den Duft ihres Parfüms. Ihre Lippen glänzten feucht, und plötzlich spürte er wie sich ihr Knie unter dem Tisch an seinem rieb.

"Sind sie schon lang in der Stadt?" Seine Stimme wurde heiser. Er rückte näher an sie heran.

"Seit knapp zwei Jahren. Die Leute sagen, er hätte eine Menge Gold in den Rockies gefunden."

"So, so..." Er streckte seine Hand unter dem Tisch aus und erwischte die Innenseite ihres Knies. Streichelnd arbeitete seine Hand sich über ihren Schenkel. Sie trug Netzstrümpfe. Zwischen den Maschen spürte er ihre Haut.

Sie schloss die Augen und seufzte. "Es gibt eine Menge solcher schrägen Existenzen hier in der Stadt..." Sie rückte so nahe an den Tisch, dass sie die Ellbogen aufsetzen und ihren Kopf zwischen die Hände stützen konnte.

"Zum Beispiel...", fragte Virgil. Seine Hand knetete das weiche Fleisch ihres Schenkels, sein Mittelfinger bohrte sich durch eine Masche und massierte ihre Haut.