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Kurz und gut. Überraschend abwechslungsreich. Ob Märchen, Krimi oder Beziehungsdrama – diese Kürzest-Geschichten sind alles, nur nicht langweilig. Skurrile Geschichtchen für zwischendurch oder in einem Zug zu lesen. Willkommen zur Sekundennovelle & more.
„Wirklich sehr kurz.“
„Can’t get it out of my head.“
Jeff Lynne (ELO)
„Es fehlen jedwede Landschaftsbeschreibungen. Das ist doch kein Buch.“
Karl May
„Kürze ist der Geschichte Würze.“
Kurt Schwitters (untergeschoben)
„Kann man lesen.“
Norddeutscher Leser (unbekannt)
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Bei der vorliegenden Sammlung von erlesenen Flausen handelt es sich um eine Art „Best of-Ausgabe“. Viele der Texte sind nämlich schon in eBooks erschienen mit Titeln wie „Flausen im Kopf“, „JUHU!“, „Nicht mehr als 100!“ und „Husch, husch“. Einige Texte habe ich überarbeitet, andere sind neu.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und allzeit Mut zur Flause.
Stefan Wellmann
Flausenschreiber
Bad Bentheim. Am gestrigen Samstag erschoss eine Frau ihren Ehemann und dessen Geliebte im Ehebett und dann sich selbst. Die Rekonstruktion des Tatherganges ergab, dass die Ehefrau zunächst die Geliebte erschoss, dann den Ehemann und dann sich selbst. Die Möglichkeit, dass zunächst der Ehemann aufs Korn genommen wurde und dann die Geliebte, besteht auch. Die Ehefrau war jedenfalls als letzte dran. Es soll sich dem Vernehmen nach nicht um ein Dreiecksverhältnis gehandelt haben, bei dem zufälligerweise ein Gewehr Verwendung fand. Die Polizei geht vielmehr von einem klassischen Eifersuchtsdrama aus, wobei die Ehefrau auf die Geliebte eifersüchtig gewesen sein soll. Dass auch die Geliebte auf die Ehefrau eifersüchtig war, schloss die Polizei durch ihren Sprecher nicht aus, war aber für den Tathergang mal wieder nicht relevant. Allerdings konnte eine Eifersucht des Mannes ziemlich sicher ausgeschlossen werden. Sachschaden entstand keiner bis auf leichte Verschmutzungen im Schlafzimmer verursacht durch den Tathergang. Dem Gewehr geht es den Umständen entsprechend gut.
Mit einem Wok hat die Wirtin eines Asia-Imbisses in Kassel laut dpa auf einen Räuber eingedroschen und ihn so in die Flucht geschlagen (vgl. Spiegel online). Der kurz daraufhin gefasste Räuber, ein gewisser Herr Hotzenplotz zeigte sich bei seiner Festnahme erschüttert. Er habe den „mächtigen schwarzen Gegenstand“ nicht gekannt und „Höllenängste“ gehabt, als dieser wieder und wieder auf ihn darnieder fuhr. Außerdem sei die Wirtin mit nicht näher gekennzeichneten kleinen Holzstäbchen wie eine Furie auf ihn losgegangen, dass er um Leib und Leben und vor allem sein Augenlicht habe fürchten müssen. Herr Hotzenplotz beruft sich bei seinen Einlassungen auf die Charta der Menschenrechte. Die Polizei prüft nun ordnungsrechtliche, gewerberechtliche, strafrechtliche und menschenrechtsrechtliche Schritte gegen die Wirtin. Ob auch ein Verstoß gegen das Waffengesetz oder gar das Waffenkontrollgesetz in Betracht komme, konnte der Sprecher der Polizei bei Redaktionsschluss nicht sagen. Amnesty International sei aber eingeschaltet, der Wok und die Essstäbchen sichergestellt.
Wahr ist, dass laut Nachrichtenagentur dpa eine Bäuerin als falsche Domina per Inserat Arbeitssklaven suchte, die dann, mit Gummimaske ausgestattet, ganz normale Arbeiten auf dem Hof verrichteten (Rasen mähen, Holz stapeln, Dachstuhl ausbauen) und dafür auch noch bezahlen mussten.
Unwahr ist, dass dieses Geschäftsmodell demnächst von Leiharbeitsfirmen übernommen werden soll und auch die Agentur für Arbeit Interesse bekundet hat.
Sehr wahrscheinlich – allerdings unbestätigt – ist, dass die Bäuerin in der Kindheit Tom Sawyer und Huckleberry Finn gelesen hat (“Zaun streichen“).
Ich betrat mein Lieblingscafé wie gewohnt um 15.00 Uhr und hatte gerade Platz genommen, als mich die Bedienungskraft darauf hinwies, dass ich nackt sei.
Ich weiß, entgegnete ich, und erläuterte, dass wir uns ja hier auch in einem Traum befänden und da sei Nacktsein nun einmal nicht unüblich. Es sei, so klärte ich die mutmaßliche Studentin auf, ein Zeichen für Schutzlosigkeit. Ich sei allem schutzlos ausgeliefert und dafür erfindet der Traum nun einmal die Metapher „Nackt sein“. Das sei etwas sehr archetypisches und komme immer wieder vor. Sie und auch der Rest der Gäste, denen die kurze Konversation aufgefallen war, starrten mich ungläubig an, aber da darf man dann nicht irritiert sein, sondern muss sofort auf Normalität umschalten. Ein Milchkaffee bitte und ein Tellerchen mit Gebäck. Zack. Einfach bestellen und so tun, als ob alles in Ordnung ist. Was es ja, nebenbei gesagt, auch war.
Den im Gesicht ablesbaren Protest erstickte ich schon im Keim mit dem Hinweis, dass ich es eilig hätte und gleich zu meinem Anwalt müsste. Das Ansehen der Anwälte ist zwar nicht mehr so wie früher, aber es reichte zunächst aus, damit sie die Bestellung aufnahm. Allerdings insistierte sie dann beim Bedienen erneut darauf, dass es kein Traum sei und ich mich besser bedecken solle. Jetzt reichte es mir aber! Erstens, blaffte (ein sehr schönes Wort) ich sie an, sei dies sehr wohl ein Traum, denn sonst würde ich ja hier wohl nicht nackt sitzen. Und zweitens würde ich, wenn sie mich nun endlich in Ruhe meinen Kaffee trinken ließe, mich entgegenkommender Weise in Schweigen hüllen. Das müsse reichen. Es reichte, sie gab auf und nahm ab sofort keinerlei Notiz mehr von mir. Und da die Gäste in der Folgezeit ihrem guten Beispiel folgten, ging der Cafébesuch unbehelligt und gesittet zu Ende. Anschließend ging ich nach Hause, schaute noch ein wenig fern und schlief im Bett alsbald ein.
Am nächsten Tag erwachte ich wie gewohnt und überlegte beim Frühstück, ob das mit dem Traum wirklich gestimmt hatte. Denn auch das ist das Wesen von Träumen, dass man mittendrin nicht immer weiß, ob man tatsächlich träumt. Und bei aller Gewissheit, man kann sich letztlich doch nicht sicher sein.
Mir war der Sinn nach Überprüfung und also machte ich mich auf den Weg zum Café und fragte dort nach der Bedienung von gestern. Nachdem ich sie beschrieben hatte, sagte man mir, dass die nicht mehr da sei. Sie habe Knall auf Fall gekündigt, habe ihr Studium geschmissen und sei mit unbekanntem Ziel verschwunden. Etwas Seltsames müsse gestern passiert sein, teilte man mir mit. Sie habe wie hypnotisiert irgendetwas von Träumen und Verwirklichung gestammelt und dass es an der Zeit sei zu gehen. Nein, eine Adresse habe sie wirklich nicht hinterlassen. Aber ich könnte meinen Milchkaffee auch ganz normal bei der neuen Bedienung bestellen.
Das wollte ich jedoch nicht und ging.
Der weise Fakir spricht: Im Nagelstudio wird genagelt nicht.
Wenn der kleine Hunger kommt, dann mache ich ihn satt.
Es war einmal ein fieser Wolf, der nutzte die Unerfahrenheit von 7 kleinen Geißlein aus und fraß sie mit Haut und Haar, auch das kleine in der Uhr. Als die Mutter Geiß nach Hause kam und ihre Kinderlein nicht vorfand, da packte sie schnell ihre Sachen, schminkte sich und verschwand mit ihrem Liebhaber auf Nimmerwiedersehen. Die Rabenmutter führte fortan ein schickes Jet-Set-Leben mit allem Drum und Dran und war in einschlägigen Kreisen durchaus nicht unbekannt.
Es war einmal ein Männlein, das hieß Rumpelstilzchen. Es litt an ADHS. Außerdem war es hochgradig cholerisch, rachsüchtig und rechthaberisch. Mit anderen Worten: niemand mochte es. Eines Tages hüpfte es mal wieder um ein Lagerfeuer herum und freute sich diebisch über einen gelungenen Coup, als sein Mäntelchen Feuer fing und es im Nu in Flammen stand. Weil es nun aber so zappelig und außerdem allein war, bekam es den Brand nicht in den Griff und es verbrannte gar jämmerlich. Nichts blieb vom Rumpelstilzchen übrig außer einem Häufchen Asche. Den beseitigte am nächsten Tag das Reinigungskommando des Königs.
Es war einmal ein junges Mädchen, das hieß Rapunzel. Es wurde von irgendeinem fiesen Kerl, dessen Name nicht mehr bekannt ist, entführt und in einen hohen Turm gesperrt. Dort saß das arme Rapunzel dann rum und wusste mit seiner Zeit so recht nichts anzufangen. Und außerdem wuchs es nicht mehr, bis auf die Haare. Die wuchsen nämlich umso doller und füllten langsam den ganzen Raum.
Eines Tages kam ein Prinz vorbei, der sofort die Situation begriff und Rapunzel aufforderte, ihr goldenes Haar herunterzulassen. Wie befohlen, so getan. Und sofort kletterte unser eifriger Prinz den Haarstrang hoch, allein, Rapunzel hielt dem Gewicht des Prinzen nicht stand und fiel aus dem Turm heraus. Dabei stürzte sie mit dem Kopf so unglücklich auf den Retter, dass beide sofort tot waren. Das lange Haar von Rapunzel bedeckte die Szenerie, so dass niemand von dem Geschehen etwas mitbekam. Allmählich wuchs Gras über die Sache.
Er stand gegenüber auf dem Bürgersteig und schaute auf die Dachgeschosswohnung, dort, wo er sie hinter den zugezogenen Gardinen vermutete. Wie jeden Abend. Manchmal gab es einen kurzen Lichtschein am Fenster, für ihn ein Zeichen, dass sie tatsächlich zu Hause war.
Wie all die Tage, Wochen, Monate und Jahre zuvor hoffte er, dass sie das Fenster öffnen würde, ihn dort unten stehen sah und vielleicht zu sich hinaufbat. Doch auch heute blieb das Zeichen aus.
Als es dann in Strömen zu regnen begann, störte ihn das zunächst nicht. Hatte er doch schon zuvor jedem Wind und Wetter getrotzt. Und obwohl allmählich durchgeweicht und klatschnass, dachte er nicht ans Aufgeben.
Erst als alle Gullys überliefen und das Wasser in Sturzbächen die Straße hinunterströmte, wurde er wankelmütig. Er, Kummer und Leid gewohnt, hielt durch bis plötzlich die Wassermassen nun auch über seinen Kopf hinwegfegten, ihn mitrissen und in den Fluss spülten.
Seitdem fehlte von ihm jede Spur.
Meinen ersten Buddha erwarb ich irgendwo in den Weiten Ostfrieslands in einem Discounter mit dem Namen „PLUS“. Beschwingt von diesem so affirmativen Namen des Lebensmittelgeschäftes und noch ganz unter dem Einfluss eines sommerlichen Mehrwochentrips auf einer der Ostfriesischen Inseln betrat ich den Laden und sah ihn in der Ecke „Sonderangebote“ sitzen. Er war schwarz, ungefähr neunundzwanzig Zentimeter groß und strahlte in diesem von Neonlicht durchfluteten Ambiente eine Ruhe aus, die dem der Tiefkühlpizza deutlich überlegen schien.
Andererseits verwunderte mich diese Seelenruhe des Buddhas insofern nicht, als er auch noch unter der Rubrik „Spa“ verkauft wurde und schon das schien ihn nicht sonderlich aufzuregen. Vielleicht sagte er so zu sich auch, dass in einer so stark säkularisierten Warenwelt wie der unsrigen man auch als Buddha in punkto Markteintritt nicht so wählerisch sein sollte. Es tat mir schon leid, wie er da zwischen all den anderen Waren wie Räucherstäbchen, Leuchtlampe, Spa-Handtüchern und diversen anderen Wellness-Devotionalien der diesseitigen Welt fast ein wenig verloren umher saß und tiefes Mitgefühl bemächtigte sich meiner.
Ein wenig war es auch Scham, die mich zunächst vorbeigehen und dem hiesigen Teeangebot zuwenden ließ. Fast ein Gefühl wie in der Fußgängerzone das scheinbar selbstbewusste Vorbeigehen an den Bettlern, wo auch dort ein leichtes Unbehagen an der Seele haften bleibt.