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Exakt 100 Worte sind genug! Mehr braucht niemand, um zu sagen, was zu sagen ist. Flausenschreiber Stefan Wellmann gibt wieder alles und fabuliert, was das "gemeine Drabble" so hergibt.
Ob Innenansichten eines Schmetterlings, ein Alligator als Familienvater, Gothic-Feen in Osnabrück, das Geheimnis von Jacks Wolfskin oder Nachtgedanken des Papstes. Immer macht der Schreiberling bei genau 100 Schluss mit lustig! Texte wie ein Frühstückchen. Der Lese-Power-Riegel für Bus, Bahn, Flugzeug oder Schiff. Handy an, Tablet raus und eBook-Reader on: Jetzt wird wieder gelesen!
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The wind cries Mary. Soll er doch.
Ich bin ein Schreiberling. Ich sitze in einem Café an einem Tisch, genieße einen Milchkaffee mit viel Schaum und ich schreibe. Natürlich mit der Hand. Old school. Ich schreibe über das Schreiben, denn ein anderes Thema kenne ich nicht mehr, seitdem ich mein Leben nur noch dem Schreiben widme. Eine schöne Sache. Nur manchmal beschleicht mich dieses seltsame Gefühl. Als ob ich nicht ich selber bin, sondern jemand oder gar etwas anderes. Fast scheint es mir, als ob ich nur die ausgedachte Figur eines anderen Schreiberlings in einem Drabble bin. Dazu verdammt, niemals mehr als genau 100 Worte zu schreiben.
Als ich hier das erste Mal im Dunkeln stand, da war mir, Hand aufs Herz, schon ein wenig mulmig. Doch mit der Zeit gewöhnst du dich daran. Diese schier unendliche Nacht gibt mir die Gelegenheit, mein Dasein zu reflektieren. Ereignisse vergangener Zeiten kommen mir in den Sinn. Wie es ist, im Licht zu stehen. Alle Blicke gebannt auf dich gerichtet. Und viele, ganz viele richten sich nach dir. Du bist ihr großes Vorbild. Spüre ich so etwas wie Stolz? Morgen wird er endlich kommen. Der Sommerschlussverkauf. Morgen komme ich ganz groß raus. Denn ich bin eine Schaufensterpuppe. It’s Showtime, Baby.
Wenn du hier neben mir liegst, Liebling, dann fühle ich mich so pudelwohl, wie es nur ganz frisch Verliebten gelingt. Ein warmes Gefühl durchströmt mich und dir, Schatz, geht es ganz genauso. Das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Wie du den Mund öffnest, wenn du lächelst. Allerliebst. Du gibst mir alles, was ich brauche. Eine gute Zuhörerin für meine Gedanken, anschmiegsam und immer bereit. Zudem eine treue Gefährtin, wie jeder Mann sie sich nur wünschen kann. Komm, lass uns noch ein wenig du weißt schon was machen. Bevor ich dir die Luft rauslasse. Gleich kommt Mutter zum Tee.
Ich hasse Veränderung. Warum um Himmels Willen muss sich alles um mich herum immer wieder verändern? Kaum hast du dich an was gewöhnt, bumms, schon geht es wieder weiter. Wie soll man da noch zu sich kommen? Wie die Ruhe finden, die es braucht, um zu werden? Irgendwann ist ja auch mal gut! Ich bin einfach noch nicht so weit. Kann das bitte einfach einen Moment warten. Nur mal durchschnaufen. Mehr verlange ich doch nicht. Ich werde meinen vorbestimmten Weg gehen. Indianerehrenwort. Ich fresse doch schon den ganzen Tag. Bitte, liebe Natur, lass mir Zeit damit, ein Schmetterling zu werden.
Wenn man einen Wesenszug an Etta Kochlowski beschreiben sollte, dann käme der entfernte Beobachter mit Sicherheit auf Zurückhaltung. Ganz anders hingegen ihr Mann, der Thorben. Ein grober Klotz. Unsensibel, unhöflich und ein passionierter Fremdgänger. So war ihre Ehe von Anfang an ein einziges Missverständnis gewesen. Trotzdem kamen Etta mit ihrer Zurückhaltung und Thorben mit seinem Jähzorn und seiner Prügelsucht, die niemand in der Nachbarschaft bemerkt haben wollte, lange nicht voneinander los. Bis gestern. Da war der Thorben nicht auf der Arbeit erschienen, sondern schwamm im Rhein. Der Kommissar stellte fest: Das Messer in seinem Rücken fehlte in der ehelichen Küche.
Es war einmal ein König, der es sehr genoss, ein König zu sein. Natürlich auch wegen der Reichtümer. Vor allem gefiel es dem König, dass er so viele Untertanen hatte, die ihm immer so schön huldigten. Und wann immer es ihm in den Sinn kam, also beinahe täglich, ließ der König einen roten Teppich ausrollen und stolzierte darauf herum, während die Untertanen ihm zujubelten. Bis eines Tages der Teppich plötzlich anhob und der König damit abhob. Denn der Teppich war ein fliegender Teppich und entfleuchte mit dem König ins All. Er wurde nie wieder gesehen. Den Untertanen war es egal.
Superman, unser stählernder Held vom fernen Planeten Krypton, wollte sich eines Tages auf seine abendliche Patrouille begeben, als er ein veritables Kribbeln in der feinen Nase verspürte. Schnell flog er in einen nahen Wald, landete auf einer Lichtung, als er auch schon kräftig niesen musste. Das war’s dann mit dem Wald und dem langjährigen Aufforstungsprogramm der Regierung. „Ich habe einen Schnupfen“, stellte der außerirdische Held verwundert fest und flog in die Antarktis zu seiner Festung der Einsamkeit. Ab ins kuschelige Bett. Mit schön heißem Kamillentee. Comicfans diskutieren noch heute auf der bekannten San Diego Convention, wie das bloß geschehen konnte.
Der morgendliche Tau hing noch in den Gräsern, als ein Klapperstorch sich aufmachte, etwas Essbares zu ergattern. Er hatte Froschhunger und der wollte alsbald befriedigt werden. Schon stocherte er mit dem Schnabel im nahegelegenen Bächlein. Allein, weit und breit konnte er keine Froschbeute machen. Woran das lag? Nun, vielleicht warnte das viele Geklapper die Frösche und sie gingen geschickt in Deckung. Oder war es gar ein froschloser Bach? Der Storch war jedenfalls richtig sauer und lief immer hektischer den Bachlauf ab. Irgendwann gab er auf. Die Frösche, die auf den Bäumen saßen, quittierten es mit Genugtuung. Eine ganz neue Spezies.
Ich füßele nur zu gerne. Seit es mich schon in frühester Kindheit erregte, Gegenstände mit den Füßen zu berühren, kann ich gar nicht anders, als auch im Alltag möglichst viel zu füßeln. Am besten geht das in vollen Cafés und Bars. Dort fällt es dann gar nicht auf, wenn ich beiläufig die Slipper abstreife und meine Zehen nach möglichen Objekten der Begierde suchen. Manchmal dauert es etwas länger, bis es zum ersten Kontakt kommt. Aber dann geht es – unbemerkt von den Blicken anderer – so richtig zur Sache. Einmal biss mich ein großer Hund in den Fuß. Drei Wochen lang Füßelauszeit!
Die Frau im Bus drei Reihen vor mir war genau mein Typ. Lange schwarze Haare, die auf einen langen schwarzen Mantel fielen. Blasser Teint, schwarzes und rotes Make-up, das ihr etwas Verruchtes gab. Dazu lange schwarze Lederstiefel. Am Arndplatz stieg sie aus, ich folgte ihr den weiteren Weg in das Dunkel des Katharinenviertels. Sie schwebte mehr, als dass sie ging, vom Mondlicht angestrahlt. Ich beschloss, sie anzusprechen. Als ich sie erreichte, leuchtete und funkelte ihr Gesicht. Bevor ich etwas sagen konnte, löste sie sich auf und glitzernder Staub erhob sich in den Abendhimmel. Den schwarzen Mantel nahm ich an mich.
Manchmal habe ich so komplizierte Gedanken, dass ich sie selber nicht verstehe. Dann schreibe ich sie auf. Am kommenden Wochenende bewaffne ich mich mit Lexika (Fremdwörterbuch, Etymologieduden, Die Welt von A bis Z) und übersetze es in alltägliche Sprache. Nun rufe ich meine Mutter an und lese ihr alles vor. Häufig sagt sie „Ach, Junge, das versteht doch kein Mensch!“. Dann lege ich auf, zerreiße das Papier mit den ganzen Gedanken und koche mir eine schöne Tasse Kaffee mit viel Milch und Zucker. Während ich aus dem Fenster gucke, kommen schon wieder viele weitere Gedanken, die es zu übersetzen gilt.
„Ich habe Dich gestern Abend am Bahnhof gesehen?!“
„Gestern?“
„Ja, mit zwei Frauen?“
„Mit zwei Frauen?“
„Ja, eine blond, die andere schwarzhaarig. Eine links, eine rechts.“
„Ich also in der Mitte?“
„Genau! Es schien als konntest Du nicht mehr ganz geradeaus laufen.“
„Ich war nicht betrunken. Ich trinke doch nicht!“
„Dann haben die das freiwillig gemacht, die beiden. Die Blonde und die Schwatte?!“
„Im Prinzip ja.“
„Hallo, Radio Eriwan, was heißt Im Prinzip ja?“
„Es war nicht so ganz freiwillig.“
„Ah ja. Das heißt auf gut Deutsch, die haben Dich nicht ganz freiwillig abgeschleppt?!“
„Nein. Gegen eine kleine Abschleppgebühr.“
„Soso.“
Als der italienische Zauberer Alfredo Zampanoni bei seinem Comeback auf der Bühne der berühmten WonderCon einige seiner neuesten Werke präsentierte, riefen viele „Taschenspielertricks!“ und einer sogar „Amateur!“. Doch Zampanoni ließ sich nicht beirren und bereitete alles für seinen Megatrick „The vanished Partner“, zu Deutsch „Der verschwundene Ehepartner“, vor. Dazu steckte er seine eigene Frau – man munkelte, mit der Ehe soll es nicht zum Besten gestanden haben – in eine schnöde Holzkiste. Simsalabim – und in der Kiste befand sich nur noch ein Kaninchen. Da die Frau für immer verschwunden blieb, wurde Zampanoni von vielen Ehemännern angeheuert und verdiente damit ein beachtliches Vermögen.
Für Menschen wie mich, die sich nicht von anderen verabschieden können, ist das Ghosting eine tolle Erfindung. Einfach Account löschen und schon bist du aus dem Netz verschwunden. Und alle deine Freunde auf ganz einfache Art und Weise los. Im wirklichen Leben, dem „real life“, bereitet das allerdings noch vielen große Schwierigkeiten. Da ich gerne anderen helfe, habe ich mich darauf spezialisiert, andere Menschen beim „Real-Life-Ghosting“© zu unterstützen. Ich löse für sie mehr als nur den Account auf. Ich lasse sie für ihre Freunde ganz verschwinden. Und mit meiner fundierten Ausbildung gelingt alles absolut perfekt. Denn ich bin ein Auftragskiller.