12 Gute Krimis für die Sommerferien 2023 - Alfred Bekker - E-Book

12 Gute Krimis für die Sommerferien 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Krimis: Hinter Schloss und Riegel (Alfred Bekker) Der Legionär (Alfred Bekker) Alain Boulanger und der Mörder-Flic von Paris (Henry Rohmer) Ein Killer in Ostfriesland (Alfred Bekker) Ein Fall für den Norden (Alfred Bekker) Künstlerpech für Mörder (Alfred Bekker) Der Sniper von Berlin (Alfred Bekker) Der Hurenmörder von Berlin (Alfred Bekker) Tote Bullen (Alfred Bekker) Särge für die G-men (Emile C. Tepperman) Auftrag für einen Schnüffler (Alfred Bekker) Der verlorene Erbe (Alfred Bekker) Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland. Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nicht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ... Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Alfred Bekker, Henry Rohmer, Emile C. Tepperman

12 Gute Krimis für die Sommerferien 2023

UUID: bb24642c-cdd5-40b2-b380-18804eca37db
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Inhaltsverzeichnis

12 Gute Krimis für die Sommerferien 2023

Copyright

Hinter Schloss und Riegel

Der Legionär | Thriller von Alfred Bekker

Copyright

ERSTER TEIL

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ZWEITER TEIL

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Dritter Teil

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VIERTER TEIL

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Boulanger und der Mörder-Flic von Paris: Frankreich Krimi

Copyright

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Ein Killer in Ostfriesland

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Personen

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Ein Fall für den Norden

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Prolog

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Künstlerpech für Mörder

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Der Sniper von Berlin

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Der Hurenmörder von Berlin

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Tote Bullen

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Särge für die G-men

Auftrag für einen Schnüffler

Copyright

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Alfred Bekker | Der verlorene Erbe | Alpen-Krimi

Copyright

Der verlorene Erbe

12 Gute Krimis für die Sommerferien 2023

Alfred Bekker, Henry Rohmer, Emile C. Tepperman

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Hinter Schloss und Riegel (Alfred Bekker)

Der Legionär (Alfred Bekker)

Alain Boulanger und der Mörder-Flic von Paris (Henry Rohmer)

Ein Killer in Ostfriesland (Alfred Bekker)

Ein Fall für den Norden (Alfred Bekker)

Künstlerpech für Mörder (Alfred Bekker)

Der Sniper von Berlin (Alfred Bekker)

Der Hurenmörder von Berlin (Alfred Bekker)

Tote Bullen (Alfred Bekker)

Särge für die G-men (Emile C. Tepperman)

Auftrag für einen Schnüffler (Alfred Bekker)

Der verlorene Erbe (Alfred Bekker)

Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Norddeutschland. Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Björn Kilian aus Emden übernimmt den Fall, aber plötzlich will sein Auftraggeberin nicht mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt ...

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Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Hinter Schloss und Riegel

von Alfred Bekker

Für den Killer war Joe Grotzky ganz einfach ein Auftrag wie jeder andere. Es hatte ihm niemand gesagt, weshalb die Mafia Grotzky aus dem Weg haben wollte, aber der Killer konnte es sich zusammenreimen. Grotzky war Richter. Das erklärte schon fast alles.

Es war nicht sonderlich kalt, nur regnerisch. Aber der Killer trug dennoch Handschuhe. Er war hochgewachsen und ziemlich kräftig gebaut. Der blonde Kurzhaarschnitt unterstrich die kantigen Gesichtszüge. Seinen blauen Chevy hatte er am Straßenrand abgestellt. Jetzt ging der Blonde die Zeile der Reihenhäuser entlang. Mit der Rechten umklammerte er den Griff der Automatik, die in seiner tiefen Manteltasche verborgen war. Er mußte vorsichtig sein, denn der Mann, mit dem er es zu tun haben würde, war nicht irgendwer, sondern einer, der alle Tricks kannte. Der Blonde hielt an, ließ den Blick die Häuserzeile entlanggleiten und hatte dann die richtige Nummer gefunden.

Eine ältere Frau ging die Straße entlang. Der Blonde wartete, bis sie um die nächste Ecke gegangen war und überquerte dann die Fahrbahn.

Einen Augenblick später stand er an der Haustür und klingelte. Wenn es stimmte, was seine Auftraggeber ihm über Joe Grotzky gesagt hatten, dann war er um diese Zeit wahrscheinlich gerade erst aufgestanden und saß jetzt beim Frühstück. Genau die richtige Zeit für solch einen Besuch al- so... Der Blonde klingelte ein zweites Mal und faßte die Pistole mit dem aufgeschraubten Schall- dämpfer fester. Endlich kam jemand und machte auf. Aber es war nicht Grotzky. Es war eine Frau, die den Killer ziemlich erstaunt ansah. Sie war hübsch, fand der Blonde. Langes, rostbraunes Haar, dunkle Augen. Schade um sie! dachte der Killer. Aber es war ziemlich ausgeschlossen, daß er sie am Leben lassen konnte.

"Ist Mister Grotzky nicht da?" fragte er kühl.

"Nein, tut mir leid", erwiderte die Frau, während sie den Killer einer eingehenden Musterung unterzog. Auf ihrer hübschen Stirn erschienen ein paar Falten, die eine deutliche Portion Mißtrauen signalisierten. Von der Frau hatte man dem Blonden nichts gesagt. Er fluchte innerlich. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann war es Unprofessionalität. Sie hatten ihm ein Dossier zukommen lassen, in dem alles über Grotzkys Lebensgewohnheiten zu- sammengetragen war. Der Killer wußte über jede Kleinigkeit Bescheid. Nur die Frau, die war in dem Dossier nicht vorgekommen.

"Was wollen Sie von Joe?" fragte die Frau.

"Ich muß ihn dringend sprechen."

"Sind Sie ein Bekannter von ihm?"

Der Killer zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde mit der Antwort.

"Ja", sagte er dann.

"Joe kommt gleich zurück", berichtete die Frau. "Er ist nur kurz Zigaretten holen gefahren."

Sie wußte nicht, wer Grotzky war. Sie konnte nichts von seiner Vergangenheit wissen oder von dem, was er jetzt tat. Das war dem Blonden sofort klar, denn hätte sie Bescheid gewußt, dann wäre ihr Mißtrauen größer gewesen. Die andere Möglichkeit war, daß sie hervorragend schauspielern konnte. Der Blonde hob die Schultern.

"Kann ich bei Ihnen auf ihn warten?"

"Nicht so gerne. Ich bin allein und ich kenne Sie gar nicht. Außerdem ist das nicht meine Wohnung und ich weiß nicht, ob es Joe recht wäre, wenn..." Aha! dachte der Blonde. Grotzky kannte die Frau noch nicht lange. Vielleicht sogar erst seit dem gestrigen Abend. Aber das würde ihr auch nicht helfen.

"Es wäre ihm recht!" behauptete der Blonde.

"Nein, das möchte ich nicht!" sagte sie mit überraschender Bestimmtheit. Sie versuchte die Tür zu schließen, aber der Blonde ahnte das voraus und stellte seinen Fuß dazwischen. Ein schneller Griff und er hatte die Automatik aus der Manteltasche herausgerissen. Der lange Schalldämpfer zeigte direkt auf den Oberkörper der jungen Frau und ließ sie schreckensbleich zurückweichen. Der Blonde trat ein und gab der Tür einen Stoß mit der Hacke, so daß sie geräuschvoll ins Schloß fiel. Die Frau schüttelte stumm den Kopf. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sie wieder soweit beieinander war, daß sie etwas sagen konnte.

"Was wollen Sie?" fragte sie schluckend, während sie noch einen Schritt rückwärts machte und dabei gegen die Kommode stieß, die in dem engen Flur stand. Auf der Kommode stand das Telefon. Sie hatte den Hörer schon fast in der Hand, aber sie begriff, daß sie keine Chance hatte, irgend jeman- den anzurufen, bevor ihr Gegenüber sein Geschoß auf die Reise geschickt haben würde.

"Ist noch jemand in der Wohnung?" fragte der Blonde kalt. Sie schüttelte stumm den Kopf. Dann hob der Blonde die Schalldämpferpistole ein wenig an und drückte ab. Es gab ein Geräusch, das Ähn- lichkeit mit einem kräftigen Niesen hatte und auf der Stirn der jungen Frau erschien ein roter Punkt, der rasch größer wurde. Sie taumelte rück- wärts und schlug der Länge nach hin.

Der Blonde atmete tief durch. Die Sache mit der Frau war nicht eingeplant gewesen, aber sie hatte nuneinmal sein Gesicht gesehen. Und das war ihr Todesurteil gewesen. Der Blonde stieg über ihren leblosen Körper hinweg und sah sich im Rest der Wohnung um. Ein Zimmer nach dem anderen nahm er sich vor. Er mußte auf Nummer sicher gehen, aber die Frau hatte die Wahrheit gesagt. Sie war tat- sächlich allein gewesen. Der Blonde steckte die Waffe ein, faßte die junge Frau unter den Armen und schleifte sie ins Wohnzimmer. Dann ließ er sich in einen der klobigen Ledersessel fallen und wartete. Nicht lange, höchstens zehn Minuten. Dann waren an der Haustür Schritte zu hören. Ein Schlüssel wurde herumgedreht und jemand trat ein. Das mußte Grotzky sein.

"Jennifer?" Sekunden später stand Grotzky in der Wohnzimmertür. Der Blonde erkannte ihn sofort von den Fotos, die man ihm gegeben hatte. Alles was nun geschah, ging blitzschnell. So schnell, daß Joe Grotzky nicht den Hauch einer Chance hatte.

*

Als der Blonde seinen Job erledigt hatte, sah er sich noch ein bißchen im Haus um. Es gab etwas Bargeld. Ein paar Tausender, die steckte er ein. Er zog die Schubladen aus den Schränken und kippte den Inhalt auf den Boden. Es sollte wie ein Einbruch aussehen. Dann ging er ins Kellergeschoß und da erlebte er eine Überraschung. In Grotzkys Keller befand sich ein voll ausgerüsteter Atomschutzraum. Ein Schild an der Wand verriet das. Es standen auch gleich ein paar Verhaltensregeln für den Ernstfall dabei. Die dicke Tür, die diesen Raum Luftdicht von der Außenwelt abschließen konnte, stand offen. Er ging hinein und inspizierte den Raum interessiert. Dabei fragte er sich, ob Grotzky wirklich Angst vor einem Atomkrieg gehabt hatte oder ob er nur auf die Steuervorteile und Fördergelder aus gewesen war, die es für solche Schutzräume früher gegeben hatte. Der Killer zuckte die Schultern. Es konnte ihm gleichgültig sein. Aber auf jeden Fall war dieser Raum ein idealer Platz, um die Leichen unterzubringen. Er konnte die Tür von außen verschließen und dann würde man eine Weile brauchen, um sie zu finden. Das bedeutete auch, daß die Polizei länger brauchen würde, um zu rekonstruieren, was in diesem Haus passiert war.

Für den Killer war das nur von Vorteil.

Er würde Zeit gewinnen, um sich abzusetzen.

So ging er hinauf ins Erdgeschoß. Entschlossen nahm er Grotzkys Leiche über die Schulter und schleppte sie in den Keller. Der Eingang zum Schutzraum war ziemlich eng, wenn man eine Leiche auf den Schultern trug. Einer von Grotzkys Ärmeln verhakte sich im Türgriff und die dicke Sicher- heitstür fiel mit einem zischenden Geräusch zu.

Der Killer legte die Leiche auf eine der Liegen, die man hier für den Ernstfall aufgestellt hatte. Dann ging er zurück zur Tür, aber bekam sie nicht auf. Es war wie verhext, aber was er auch versuchte, sie ließ sich nicht öffnen...

*

Die beiden Männer, die an Grotzkys Haustür klingelten trugen Kittel mit der Aufschrift 'Harrys Schlüsseldienst'. Der Jüngere der beiden klingelte bereits zum zweiten Mal und wurde schon ungeduldig. Aber es machte niemand auf.

"Vielleicht ist niemand zu Hause", meinte er.

Der Ältere schüttelte den Kopf.

"Ich habe gestern nachmittag mit Mister Grotzky telefoniert und er hat mir gesagt, daß er um diese Zeit zu Hause sei..."

"Vielleicht funktioniert die Klingel nicht!" Der Jüngere ging ein paar Schritte seitwärts in Richtung des ersten Fensters.

"Weswegen sind wir eigentlich hier?" fragte er dann.

Der Ältere lächelte. "Ein Leckerbissen für dich, Bob! Da kannst du was lernen. Es geht um die Polung eines elektronischen Sicherheitsschlosses für die Tür zu einem Atomschutzraum."

"Polung?" fragte der Jüngere.

"Ja. Normalerweise funktionieren die Dinger so, daß sie sich von innen nur dann öffnen lassen, wenn außen keine Gefahr mehr durch Strahlung besteht. Aber wenn sie falsch gepolt sind, kann es passieren, daß sie genau umgekehrt funktionieren und sich erst öffnen, sobald draußen alles verstrahlt ist!"

Der Jüngere hörte gar nicht mehr zu, sondern blickte wie gebannt durch das Fenster. "Ich glaube, wir rufen besser die Polizei", sagte er. "Da drinnen sieht es aus, wie nach einem Einbruch!"

Der Legionär | Thriller von Alfred Bekker

Der Legionär

Thriller von Alfred Bekker

Ein ehemaliger Fremdenlegionär wird kurz nach Ende des kalten Krieges dazu angeheuert, russische Nuklearwissenschaftler umzubringen, die im Verdacht stehen, sich von interessierten Drittweltländern anheuern zu lassen. Er gerät in den Strudel einer Verschwörung, aus dem es kein Entkommen mehr gibt - denn plötzlich können ihn die Mächtigen nicht mehr am Leben lassen...

––––––––

Alfred Bekker ist Autor zahlreicher Fantasy-Romane und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA und die GORIAN-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Im Bereich des Krimis war er Mitautor von Romanserien wie Kommissar X und Jerry Cotton. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen wie in den Titeln MÜNSTERWÖLFE, EINE KUGEL FÜR LORANT, TUCH UND TOD, DER ARMBRUSTMÖRDER und zuletzt in dem Roman DER TEUFEL AUS MÜNSTER, in dem er einen Helden aus seinen Fantasy-Romanen zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Copyright

© 1993 by Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.alfredbekker.de

[email protected]

ERSTER TEIL

1993

"Haben Sie schon mal jemanden getötet?"

Der Mann, der mich das fragte, hatte mir zuvor gesagt, dass er einen Job für mich hätte. Es musste ein ziemlich mieser Job sein. Also genau von der Sorte, die man Leuten wie mir für gewöhnlich anbietet. Aber daran war ich gewöhnt und es wunderte mich schon lange nicht mehr. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Job so mies war.

Ich saß in dem preiswerten und etwas heruntergekommenen Cafe vor meinem Frühstück und sah den blassen, grauhaarigen Mann mit der dicken Brille an, als wäre er ein Außerirdischer. Sein Gesicht blieb völlig unbewegt. Er setzte sich zu mir, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert hätte. "Was ist?", fragte er kühl. "Hat Sie meine Frage derart aus der Fassung gebracht?"

"Nein."

"Das hätte mich bei einem ehemaligen Fremdenlegionär auch gewundert."

Ich hob die Augenbrauen. "Ach, ja?"

Er musterte mich kritisch. "Sie sehen nicht gut aus. Etwas heruntergekommen, würde ich sagen."

"Was geht Sie das an?"

"Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet."

"Woher wissen Sie, dass ich bei der Legion war? Woher wissen Sie überhaupt, dass ich hier sitze und frühstücke?"

Er lächelte. Es war ein stilles, kaltes Lächeln.

Und dann sah er mich mit einem undeutbaren Blick durch die flaschendicken Gläser an, die er auf der Nase trug.

"Ich weiß es eben", sagte er. "Ich weiß alles über Sie. Ich weiß Ihren Namen. Den, der in Ihrem Pass steht. Und ich weiß auch den, mit dem Sie geboren wurden. Gegenwärtig leben Sie in der Wohnung einer gewissen Tina Jörgensen. Hübsches Mädchen. Die Kleine ist Serviererin, nicht wahr? Fast ein bisschen über Ihrem Niveau."

Ich kniff die Augen zusammen. Der Bissen, den ich gerade im Mund hatte, blieb mir um ein Haar im Hals stecken. Ich entschied, das der Spaß jetzt vorbei war.

"Wer sind Sie?", fragte ich.

"Stellen Sie mir so eine Frage nie wieder", erklärte der Graue schnell. "Es hat einfach keinen Sinn. Ich werde nicht antworten." Ich sah auf seine Lippen. Sie bewegten sich kaum. Er hätte Bauchredner werden sollen!, dachte ich. Talent hätte er jedenfalls gehabt. Ich trank meinen Kaffee aus, nahm die Papierserviette und wischte mir den Mund ab.

"Was wollen Sie?"

Er antwortete mir nicht direkt. Das schien so zu seinen Eigenarten zu hören, soviel hatte ich schon mitgekriegt.

"Ich hatte Sie gefragt, ob Sie schon einmal jemanden getötet haben."

"Sie wissen doch sonst alles von mir. Warum nicht auch das?"

"Sie sollten mir vertrauen."

"Ach, wirklich?"

"Sie haben die Chance, eine Menge Geld zu verdienen oder dazustehen wie ein Idiot", erwiderte er mir. "Die Wahl liegt ganz bei Ihnen.“

Ich atmete tief durch und beschloss, das Spiel erst einmal mitzuspielen. Es war einfach zu interessant, um es nicht zu tun. Wie ein Idiot stand ich nämlich jetzt schon da. Wer sich von einer Serviererin aushalten lässt, ist bestenfalls ein Idiot, vermutlich etwas viel Schlimmeres. Oder die Serviererin ist eine Idiotin. Kommt ganz auf den Standpunkt an. Jedenfalls war ich abgebrannt genug, um die Ohren zu spitzen.

"Okay", sagte ich also. "Ich habe bereits einen Menschen getötet. Zufrieden?"

Sein Gesicht blieb regungslos.

"Ich nehme an, es hat Ihnen nicht allzuviel ausgemacht."

"Es war im Tschad. Gewissermaßen Notwehr."

"Bei der Sache, die ich mit Ihnen vorhabe, geht es gewissermaßen auch um Notwehr."

"Ach..."

"Haben Sie eine Waffe?"

"Brauchen Sie einen Killer? Ich bin keiner."

Er war nicht der erste, der mir so ein Angebot machte. Bis jetzt hatte ich solche Sachen immer abgelehnt. Manchmal fragte ich mich, warum eigentlich. Es gibt Leute, die leben ganz gut davon, obwohl die Billiglohn-Konkurrenz aus dem ehemaligen Ostblock in dieser Branche angeblich schon die Preise verdorben haben soll. Und so mancher, der sich darauf eingelassen hatte, fand sich am Ende selbst als Fischfutter in irgendeinem Kanal wieder. "Ich nehme an, unsere Unterhaltung ist damit zu Ende", meinte ich. "Ich bin kein Killer." Ich grinste. "Nehmen Sie sich einen Profi. Schnell, effektiv und neuerdings auch recht erschwinglich, sofern Sie keine besonderen Ansprüche stellen."

Er schüttelte den Kopf.

"Die Sache von der ich spreche, ist was ganz anderes", behauptete er. Aber das wirkte auf mich wenig überzeugend.

Ich lachte heiser. "Was soll schon anders daran sein? Soviel habe ich begriffen: Am Ende ist jemand tot." Ich schüttelte den Kopf. "Das ist nichts für mich!"

"Aber Sie könnten es!"

"Ich habe das Töten gelernt. Leider so ziemlich das einzige, was ich gut kann." Ich zuckte die Schultern und verzog das Gesicht zu einem sehr dünnen Lächeln. "Im Zivilleben nicht sehr gefragt, würde ich sagen."

"Haben Sie eine Ahnung!"

"Aber Sie wissen Bescheid, ja?"

Er lächelte seltsam. Ganz kurz nur. Es war das erste Mal, dass so etwas wie eine Regung auf seinem Gesicht erschien.

"Für jeden ist es irgendwann das erste Mal, oder irre ich mich?"

Ich fragte kühl zurück: "Halten Sie mich für so verkommen?"

"Ja." Er war sich seiner Sache sehr sicher und schien nicht den geringsten Zweifel daran zu haben, dass ich genau der richtige Mann für ihn war.

"Tut mir leid", sagte ich. "Ich schätze, Sie müssen sich jemand anderen suchen, um die Schweinerei auszuführen, die Sie durchziehen wollen." Seine blassblauen Augen musterten mich kühl. Er dachte nicht im Traum daran, mich von der Angel zu lassen. So einfach nicht.

"Sie sind ziemlich abgebrannt, nicht wahr?", stellte er fest. "Finanziell meine ich."

"Um das Frühstück hier zu bezahlen reicht es gerade noch!", gab ich gallig zurück. Ich fragte mich, woher er soviel über mich wusste. Er war wirklich gut informiert, das musste der Neid ihm lassen. Er griff in die Innentasche seines dunkelblauen Jacketts und nahm einen offenbar vorbereiteten Umschlag hervor. Dann schob er ihn mir über den Tisch.

"Bitte, nehmen Sie es."

"Was ist das?", fragte ich.

"Das sind fünftausend Mark."

Die Sache wurde immer verrückter.

"Wofür?", fragte ich. "Glauben Sie, Sie können sich für fünftausend Mark einen Killer kaufen? Ich glaube, bei Ihnen tickt es nicht richtig!"

"Das bekommen Sie dafür, dass Sie sich etwas durch den Kopf gehen lassen."

"Wäre das erste Mal, dass mich jemand fürs Denken bezahlt!"

"Dann strengen Sie sich mal schön an und stellen Sie sich eine halbe Million vor."

"D-Mark oder Lire?"

"Schweizer Franken."

Ich brauchte eine Sekunde, um das zu verdauen. Dann fragte ich: "Und dafür soll ich einen Mann umbringen?"

"Einen, der es verdient hat."

"Fragt sich nur, ob er das auch so sieht."

"Wer?"

"Der Mann."

Der Graue erhob sich. "Überlegen Sie es sich einfach. Ich werde wieder Kontakt mit Ihnen aufnehmen."

Er wollte gehen.

Ich rief: "Warten Sie!"

Er blieb stehen, kam zwei Schritte zurück. "Was ist noch?"

"Es ist eine wirklich große Sache, nicht wahr?"

"Das wissen Sie selber. Bei dem Preis."

"Warum nehmen Sie keinen Profi?"

"Ich will Sie!"

"Und warum keinen aus der Szene? Einen Erfahrenen. Wenn ich Sie wäre, würde ich das tun. Das Risiko ist doch viel geringer. Ich meine, ich bin sozusagen Anfänger. Ich könnte es verbocken."

"Das glaube ich nicht."

"Eine Antwort auf meine Frage ist das aber trotzdem nicht."

"Gewöhnen Sie sich die Fragerei ab. Hat man Ihnen das bei der Legion nicht beigebracht?"

Damit drehte er sich um und war weg. Ich stand ebenfalls auf und ging zum Fenster. In der Hand hielt ich noch den Umschlag mit den fünftausend Mäusen. Draußen sah ich den Kerl indessen in ein Taxi steigen.

Ich muss mir ins Ohr kneifen, dachte ich. Ich kniff. Aber geträumt hatte ich nicht.

1

Später, in Tinas Wohnung, saß ich eine ganze Weile einfach da und dachte über diesen grauen Mann mit der dicken Brille nach. Aber so sehr ich meine Gehirnzellen auch anstrengte, es war ziemlich aussichtslos, dass ich darauf kam, wer er war. Ein Gangsterboss? Der Abgesandte eines Bosses? Der Abgesandte eines Abgesandten?

Nein, dachte ich. Die Sache war größer. Vorausgesetzt, er hatte es wirklich ernst gemeint, was er da von einer halben Million Franken gesagt hatte. Aber er schien es ernst zu meinen. Ich fühlte unwillkürlich an die Brust, wo ich den verdammten Umschlag mit den fünftausend Mäusen trug. Meine Gedanken bewegten sich im Kreis. Und im Zentrum dieses verfluchten Kreises war die halbe Million. Hier wollte nicht irgendein mittelschwerer Drogenbaron die Konkurrenz beseitigen. Also kam der Graue wahrscheinlich auch aus einem ganz anderen Milieu. Ich hatte es schon von Anfang an vermutet.

Instinktiv, sozusagen. Der Graue hatte etwas sehr Korrektes.

Etwas Beamtenhaftes, sozusagen. Und vielleicht war er das ja auch. Ein Beamter. Ein Geheimdienstler, der jemanden brauchte, der ihm die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holte.

Und warum ich? Die Frage hämmerte mindestens zum fünfhundertsten Mal in meinem Schädel. Warum ich und nicht ein ausgekochter Spitzenprofi? Der Graue musste noch Gesichtspunkte in seiner Rechnung haben, die ich nicht kannte.

Ich fühlte wieder den Umschlag.

Die fünftausend Mäuse verpflichten dich zu nichts, dachte ich. Also nimm sie und brauch' sie auf. Nachgedacht hast du ja. Damit ist dein Teil des Jobs erledigt. Dachte ich.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Sache so einfach gewesen wäre, aber natürlich wusste ich, dass dem nicht so war. Es hing ganz davon ab, mit wem ich es da zu tun hatte.

Vielleicht würden sie mir ebenfalls einen Todesengel vorbeischicken, wenn meine Antwort endgültig negativ ausfiel. Das konnte niemand ausschließen. Und die andere Sache waren die fünfhunderttausend Franken. Das war schon was. Damit konnte man neu anfangen. Andererseits musste derjenige, der diesen Job machte, das sicher auch. Aber ich hätte nichts dagegen gehabt. Nichts gegen die halbe Million und nichts gegen das Neu-Anfangen. Wäre mir auch ziemlich egal gewesen wo. Australien oder Südamerika, es hätte alles keine Rolle gespielt.

Später, als Tina nach Hause kam, saß ich noch immer ziemlich gedankenverloren da.

"Was ist denn mit dir los?", fragte Tina.

"Nichts."

"Ach komm schon, irgendetwas ist los. Das sehe ich dir doch an."

Wir waren immerhin schon lange genug zusammen, um uns gegenseitig solche Dinge an den Nasenspitzen ablesen zu können. Tina war Anfang zwanzig und ziemlich hübsch, wie ich fand. Ihre schulterlangen Haare hatte sie immer irgendwie zusammengesteckt, das gab ihr etwas Praktisches, Patentes.

Und genau so war sie auch. Sie wusste immer, was zu tun war.

Ihre Augen waren grün-grau.

Ein Paar Augen, das mir etwas bedeutete.

"So geht das nicht weiter mit dir", meinte sie. "Du hängst den ganzen Tag nur 'rum."

Ich atmete erst einmal tief durch und sagte gar nichts.

Meine Gedanken waren noch immer meilenweit entfernt. Ich überlegte, was ich mit dem Angebot machen sollte, das der graue Mann mir gemacht hatte. Eine halbe Million... Mir ging das einfach nicht aus dem Kopf. Jeder Mensch hat seinen Preis, ich bin überzeugt davon. Und vielleicht war das meiner. Ich dachte an die Abfindung, die ich vom französischen Staat für meine Dienste in der Legion bekommen hatte. Fast verbraucht. Irgendwie hatte ich nie eine besonders glückliche Hand gehabt, was Geld anging. Wie lange es wohl dauern würde, eine halbe Million Franken durchzubringen? Aber das war schon eine Summe, die selbst mich eine Weile über Wasser halten würde. Vermutlich sogar mehr als das.

"Was hältst du von etwas ganz Bürgerlichem?", meinte Tina.

"Häh?", machte ich. Ich schaute sie an, sie schaute zurück.

Ihre grauen Augen musterten mich. "Wovon sprichst du?", fragte ich.

"Von Arbeit. Einem Job. Ich meine damit allerdings nicht diese zwielichtigen Angelegenheiten, die du Geschäfte nennst."

"Lassen wir das Thema", winkte ich ab.

"Lassen wir das Thema", machte sie mich nach. "Das sagst du jedes Mal." Sie verschränkte die Arme unter ihrer Brust.

"Nächsten Monat wird die Miete steigen."

Ich hob die Augenbrauen.

"Davon hast du mir ja noch gar nichts erzählt."

"Na, dann erzähle ich es dir eben jetzt." Sie seufzte. "Ich erzähle es dir deshalb, weil ich finde, dass du langsam auch etwas beitragen könntest. Wir wohnen hier schließlich zusammen. Und soviel verdiene ich auch nicht, dass ich damit Bäume ausreißen könnte."

"Na gut", sagte ich. "Wie viel brauchst du?"

"So war das nicht gemeint."

Es war schon ziemlich lange her, dass sie mich um Geld gefragt hatte. Sie hasste so etwas, das wusste ich. Also war es wirklich dringend.

"Okay", sagte ich. "Tausend?"

"Hör mal..."

"Zweitausend?"

Ich langte in die Jackettinnentasche, holte zwei Scheine aus dem Umschlag und legte sie auf den Tisch. "Es ist in Ordnung", meinte ich dazu. "Das Geld steht dir zu." Sie starrte auf die beiden Tausender, als hätte sie noch nie so einen Schein gesehen. Dann schaute sie mich auf dieselbe Weise an.

"Woher hast du das?", fragte sie.

"Ist doch gleichgültig, oder?"

"Ich will's aber wissen."

"Frage ich dich vielleicht, woher dein Geld kommt?"

"Das ist kein Geheimnis."

"Ich frage dich aber nicht. Also frag' du mich auch nicht!"

Das war vielleicht ein bisschen schroff. Schroffer, als ich beabsichtigt hatte. Aber was hätte ich tun sollen? Ihr sagen, dass es sich um die Anzahlung für einen Mordauftrag handelte? Dann wäre es mit ziemlicher Sicherheit aus zwischen uns gewesen. Dafür hätte sie kein Verständnis gehabt.

Sollte sie also ruhig denken, dass ich irgendeine kleine Gaunerei durchgezogen hatte. Das war besser als die Wahrheit.

Sie nahm schließlich das Geld und steckte es weg. Dann lächelte sie ein wenig verlegen, aber auf ihre ganz besondere, unnachahmliche Weise. Vermutlich war es dieses Lächeln, wofür ich sie liebte. Ich erwiderte es.

2

Drei Tage später traf ich den grauen Mann mit der dicken Brille wieder. Es war morgens, so gegen neun, als er vor der Tür stand. Tina war schon weg. Zum Glück. Sie arbeitete in einem Cafe mit Konditorei und hatte heute Frühschicht. Ich sah wohl ziemlich verschlafen aus, als ich dem Grauen öffnete. Er lächelte flüchtig.

"Ich hatte schon befürchtet, es wären die Zeugen Jehovas", meinte ich flapsig.

Er fand das offenbar nicht sehr witzig.

"Haben Sie sich die Sache überlegt?", fragte er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen.

Ich nickte knapp.

"Ja."

"Und?"

"Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich noch nicht genug über die Sache weiß.

"Natürlich nicht." Er machte eine unbestimmte Geste. "Kann ich hereinkommen?"

"Sicher."

Wir gingen den schmalen Flur entlang ins Wohnzimmer. Er setzte sich in einen der viel zu klobigen Sessel.

"Sie werden einen Vorschuss bekommen", erklärte er, so als hätte ich schon zugesagt. Er schien ein guter Menschenkenner zu sein. Jedenfalls wusste er, dass ich angebissen hatte und an seiner Angel hing. Ich hatte seinen Köder gefressen und es hatte wahrscheinlich wenig Sinn, das weiter leugnen zu wollen. Ich beschloss, es zu akzeptieren. Als Tatsache.

"Wie viel?", fragte ich.

"Hunderttausend. Richten Sie sich ein Schweizer Bankkonto ein. Wir überweisen dann."

"Ich will zweihunderttausend."

Der Graue verzog ein wenig den dünnlippigen, blutleer wirkenden Mund.

"Zum Handeln besteht keinerlei Spielraum. Merken Sie sich das." Er hob die Hände. "Ich finde mein Angebot außerdem sehr großzügig."

"Also gut", sagte ich. Eigentlich sollte man bei großzügigen Angeboten ja immer besonders misstrauisch sein. Ich war es leider nicht. Aber wahrscheinlich hätte es auch nichts genutzt, wenn ich es gewesen wäre.

"Wer sagt Ihnen eigentlich, dass ich nicht die hunderttausend nehme und damit verschwinde - ohne dafür etwas zu leisten?"

"Das werden Sie nicht tun. Ich würde es Ihnen jedenfalls nicht empfehlen. Glauben Sie mir, wir würden Sie überall aufstöbern. Sie wären nirgends vor uns sicher. Also vergessen Sie diesen Gedanken besser ganz schnell."

Ich hatte das Gefühl, dass er recht hatte.

"Es war auch nur eine Frage", meinte ich.

Er nickte und schien mir sogar verständnisvoll.

"Ich weiß."

Ich atmete tief durch. "Um wen geht es?"

"Um einen Russen."

"Davon gibt es 150 Millionen. Etwas genauer hätte ich es schon ganz gerne."

"Natürlich." Der Graue beugte sich vor. "Es handelt sich um einen Nuklear-Wissenschaftler. Eine große Nummer der ehemaligen Sowjetunion, die jetzt die Chance sieht, sich eine goldene Nase zu verdienen."

"Ich habe von solchen Dingen gehört. Aber mehr als Gerüchte dringen ja kaum an die Öffentlichkeit."

"Gehen Sie mal auf einen wissenschaftlichen Kongress, sagen wir für Raketentechniker oder Atomphysiker. Da geht es zu wie in einem Kontakthof."

"Und dieser Mann ist so wichtig?"

"Ja."

"In welchem Land will er denn zukünftig Geld sein Geld verdienen?"

"Spielt für Sie keine Rolle. Jedenfalls werden Sie und ich besser schlafen können, wenn er dort nie ankommt."

"Verstehe..."

Es gab sicher genug potentielle Interessenten, die sich aus der Konkursmasse des roten Riesenreichs das eine oder andere Filetstück herauskaufen wollten. Angefangen vom nahen Osten über den Maghreb bis nach Südamerika.

"Was Sie tun werden, wird in unser aller Interesse sein", erklärte der Graue, als müsste er bei mir irgendwelche Skrupel beseitigen. Er selbst schien davon ohnehin nicht geplagt zu werden, so eiskalt, wie er sich mir präsentierte.

"Jetzt begreife ich den hohen Preis, den Sie zahlen", erwiderte ich.

Sein Gesicht blieb unbewegt.

"So?"

"Der, der diesen Job erledigt, wird anschließend von irgendeinem Geheimdienst über den ganzen Globus gejagt."

"Nicht, wenn es keine Verbindung zwischen denen gibt, die an der Sache beteiligt sind. Sie sind ein unbeschriebenes Blatt. Sie haben eine Chance."

Langsam glaubte ich, in Umrissen zu begreifen, was für ein Spiel hier gespielt wurde. Andererseits - mit einer halben Million in der Tasche konnte man eine ganze Weile lang toter Mann spielen und irgendwo untertauchen, bis die Luft rein war.

Doch das war eine Sache, die genau geplant sein wollte.

Er hob ein wenig seine dünnen Augenbrauen und sagte dann: "Ich hatte Sie schon mal gefragt, ob Sie eine Waffe haben."

"Ich habe keine."

"Dann werde ich Ihnen eine besorgen."

"Gut."

Ich hatte mich entschieden, die Sache durchzuziehen. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, wenn ich abgelehnt hätte. Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung...

"Haben Sie ein Foto von dem Kerl?", fragte ich.

"Bekommen Sie alles."

"Wann?"

"Zusammen mit der Waffe."

Der Graue erhob sich.

Ich fragte mich erneut, mit wem ich es eigentlich zu tun hatte, wer hinter dem Mann mit den Flaschengläsern auf der Nase stand. Da kamen viele in Frage. Der israelische Geheimdienst Mossad vielleicht, sofern es ein arabisches Land war, in das es den Russen zog. Aber soweit ich darüber Bescheid wusste, machten der Mossad seine Liquidationen selbst.

Und die CIA?

Es gab sicher eine Reihe interessierter Parteien, die den Transfer eines russischen Atom-Cracks um jeden Preis zu verhindern beabsichtigten. Und wenn ich das Land gewusst hätte, in dessen Dienste dieser Mann treten wollte, dann wäre ich vermutlich um einiges schlauer gewesen.

Aber das wusste auch der Graue und deshalb verriet er mir kein Sterbenswörtchen.

Ich brachte ihn zur Tür.

"Es war nicht besonders geschickt von Ihnen, mich hier, in dieser Wohnung aufzusuchen", tadelte ich ihn.

Er hob die Augenbrauen und sah mich durch seine Flaschenglasbrille an.

"Warum nicht?"

"Ich möchte Tina nicht in die Sache hineinziehen."

"Warum sollte das passieren?"

"Spielen Sie nicht den Dummen. Das wissen Sie so gut wie ich."

"Halten Sie mich für einen Idioten? Dann verstehe ich nicht, weshalb Sie für mich arbeiten wollen!"

"Jedenfalls möchte ich nicht, dass es noch einmal vorkommt", erklärte ich bestimmt.

"Keine Sorge, wir haben uns heute zum letzten Mal gesehen", eröffnete er mir.

"Und wie geht die Sache jetzt weiter?"

"Richten Sie innerhalb der nächsten vierzehn Tage in Zürich ein Konto ein. Ich werde Sie dann anrufen."

"Und die Waffe?"

"Werden Sie bekommen."

Er verließ die Wohnung. Ich lief zum Fenster und wartete darauf, ihn unten auf der Straße irgendwo auftauchen zu sehen. Fast wollte ich schon aufgeben, da sah ich ihn doch noch. Er blickte sich mehrfach um. Ein Taxi kam heran, hielt und er stieg ein. Ich merkte mir die Nummer - sowohl die Autonummer, als auch die Rufnummer des Taxiunternehmens, die übergroß auf den Seitentüren stand.

Ich ging zum Telefon und rief an.

Die Firma hieß Rentdorff. Anschließend die Adresse herauszufinden war kein Problem und so stieg ich wenig später in meinen angerosteten Volvo, um dieser Taxi-Firma einen kleinen Besuch abzustatten.

Ich kam schließlich auf einen schlichten Asphalthof, auf dem ich meinen Wagen abstellte. Eines der Taxis stand mit geöffneter Motorhaube da. Ich sah die untere Hälfte eines Rückens und zwei Beine. Der Rest beugte sich über den Motor und schien ziemlich intensiv beschäftigt zu sein. Ich trat etwas näher.

"Ich suche die Firma Rentdorff", eröffnete ich.

"Gehen Sie ins Haus", knurrte es unter der Motorhaube hervor. Ich zuckte die Achseln und ging an ihm und seinem Taxi vorbei.

Das Haus war ein grauer, schmuckloser Bau, dessen Außenputz an mehreren Stellen Risse hatte. Die Tür stand halb offen.

Ich klopfte an.

"Ja, was ist denn?"

Es war eine energische, befehlsgewohnte Frauenstimme, die mich da anbellte. Der Drachen der Kompanie oder etwas in der der Art.

Mit zwei Schritten war ich in einer Art Büro und stand einer ziemlich drallen Mitvierzigerin gegenüber, die auf einem rollbaren Drehstuhl saß und zu mir herumwirbelte.

"Wer sind Sie?", fragte sie, nahm dann einen Funkspruch entgegen und musterte mich dabei ziemlich kritisch.

Ich wartete, bis sie fertig war.

Schließlich sollte die Nummer, die ich hier abziehen wollte, die größtmögliche Wirkung erzielen.

Ich zog meine Polizeimarke aus der Tasche und hielt sie ihr unter die Nase. Vor ein paar Wochen hatte ich sie beim Trödler gekauft. Es war wohl das Beutestück irgendeines Autonomen.

Jedenfalls war sie echt.

Und immer dann, wenn man irgend etwas wissen wollte, hatte dieses Blechstück die tolle Eigenschaft, den Leuten den Mund zu öffnen.

"Kriminalpolizei", sagte ich also mit der größten Portion Selbstbewusstsein, die ich auf die Schnelle zusammenkratzen konnte und sah dem drallen Drachen dabei direkt in die wässrig-blauen und alles in allem ziemlich kritischen Augen.

Die Mitvierzigerin lehnte sich etwas zurück. Es dauerte fast zwei volle Sekunden, ehe sich in ihrem Gesicht etwas veränderte.

Aber als es dann doch noch geschah, wusste ich, dass ich schon halb gewonnen hatte.

Ich ließ sie ruhig einen zweiten und dritten Blick auf die Marke werfen. "Schauen Sie nur ausführlich hin", meinte ich. "Ich verstehe, dass Sie vorsichtig sind, aber die Marke ist echt!"

Insgeheim betete ich dafür, dass sie mich nicht auch noch nach meinem Dienstausweis mit Passbild fragte. So etwas hätte ich jetzt nämlich nicht aus dem Ärmel schütteln können. Die Skepsis war noch nicht aus ihrem Gesicht gewichen, da entschied ich, dass Angriff jetzt die beste Verteidigung war. "Ich habe ein paar Fragen an Sie. Es geht um einen Mann, den einer Ihrer Wagen vor gut einer Stunde befördert hat."

Sie schien die Pille zu schlucken, die ich ihr untergejubelt hatte.

"Welcher Wagen?", fragte sie.

"Ich habe das Kennzeichen aufgeschrieben."

Ich gab ihr einen Zettel.

"Und was wollen Sie über den Fahrgast wissen?"

"Wo er hingefahren ist."

Sie zögerte.

Mit einer Hand war sie schon an ihrem Funkgerät, vermutlich um den Fahrer zu rufen. Aber dann hielt sie inne.

"Wie sah der Mann aus?"

"Graue Haare und eine sehr dicke Brille. Mitte fünfzig, würde ich sagen."

"Und Sie sind wirklich von der Polizei?"

Vielleicht wäre meine Polizisten-Nummer überzeugender gewesen, wenn ich mich vorher rasiert hätte. Ich spielte den Genervten und machte erst einmal große Geste.

"Glauben Sie, ich habe ewig Zeit? Der Kerl ist längst über alle Berge, ehe Sie begriffen haben, was hier gespielt wird!"

"Ach, ja?"

"Also gut!", grunzte ich und zog meinen letzten Trumpf aus dem Ärmel. Meinen allerletzten. Ich nannte ihr ein Polizeirevier, bei dem sie anrufen sollte. "Fragen Sie nach Borowski", sagte ich ihr. "Das bin nämlich ich."

Sie dachte nach.

Es war ein simpler Trick. Borowski existierte wirklich. Er war Streifenpolizist und hatte vor ein paar Wochen einen Unfall aufgenommen, in den ich verwickelt gewesen war. Ich hatte mir einfach seinen Namen und sein Revier gemerkt. Und wenn der dicke Drachen jetzt tatsächlich auf Nummer Sicher gehen wollte und dort anrief, dann konnte ich mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie gesagt bekam, Borowski sei nicht zu sprechen, weil er unterwegs sei, was den Drachen wiederum denken lassen würde, dass meine Märchen-Story der Wahrheit entsprach. Aber sie nahm den Hörer nicht ab, sondern rief statt dessen ihren Fahrer. Und eine Minute später wusste ich, dass der graue Mann mit den Flaschengläsern vor dem Hotel Maritim ausgestiegen war.

"Besten Dank", zischte ich dem Drachen zu.

"Was hat er denn verbrochen, der Kerl, dem Sie hinterherjagen?"

"Unterliegt alles dem Datenschutz", gab ich ihr zurück. "Angenommen, Sie wären in einen Mordfall verwickelt, dann wollten Sie doch auch nicht, dass das überall herumerzählt wird, oder?"

"Mord?"

Es war das erste Mal, dass ich so etwas wie Erstaunen in dem aufgeschwemmten Gesicht der Mitvierzigerin sah.

3

Eine Minute später saß ich wieder hinter dem Steuer des Volvo und dachte: Volltreffer! Wenn der Graue sich vor dem Hotel Maritim hatte absetzen lassen, dann wohnte er vielleicht dort. Und das hieß, dass ich eine reelle Chance hatte, mehr über ihn zu erfahren. Ich fuhr also zum Maritim, parkte den Wagen irgendwo in der Umgebung und beobachtete dann eine Weile den Eingang. Leute kamen und gingen. Meistens Herren ohne Begleitung. Geschäftsreisende. Eine Gruppe von Japanern war auch dabei. Das Personal hatte seine liebe Not mit ihnen, weil unter den Japanern niemand zu sein schien, der etwas anderes, als seine Muttersprache so beherrschte, dass es für eine Verständigung ausreichte.

Aber von dem Grauen sah ich keine Spur.

Vielleicht war er auch schon längst wieder unterwegs. Auch war es möglich, dass er hier nur in ein anderes Taxi oder die U-Bahn umgestiegen war, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Ich wagte mich schließlich ins Foyer. An der Rezeption stand ein schwitzender Portier, ziemlich dick und mit dunklem Schnauzbart. Er durfte auf keinen Fall zu heftig Luft holen, wenn er vermeiden wollte, dass ihm die Knöpfe von der viel zu engen Jacke sprangen.

Ich sah mich um. Aus einem Zeitungsständer nahm ich mir ein Hoteljournal, das hier gratis verteilt wurde und einen in drei Sprachen auf die Sehenswürdigkeiten der Umgebung aufmerksam machte. Im Notfall konnte ich so tun, als würde ich darin lesen. Notfall, das war, wenn der graue Mann mir hier plötzlich über den Weg laufen sollte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie er reagieren würde, aber es war sicher besser, wenn er nichts davon erfuhr, dass ich ihm nachspionierte. Ich wandte mich an den Portier und zog noch einmal meine Polizistennummer ab. Es klappte hervorragend.

"Ich möchte Sie bitten, keinerlei Aufsehen zu erregen", raunte ich ihm zu und steckte die Marke schnell wieder weg.

Er nickte. "In Ordnung", meinte er. Er machte ganz auf seriös. Um so besser. Ich gab ihm eine Kurzbeschreibung des grauen Mannes. "Hat sich bei Ihnen jemand einquartiert, der so aussieht?"

"Ein Foto haben Sie nicht zufällig?", fragte er.

"Nein, tut mir leid. Aber so dicke Brillengläser sind wirklich selten."

Er hob bedauernd die Hände.

"Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da weiterhelfen kann", meinte er.

"Der Mann hat sich vor diesem Hotel mit einem Taxi absetzen lassen."

"Wann?"

"Vor einer guten Stunde."

"Ich mache seit heute Morgen hier Dienst. Und in dieser Zeit hat sich hier niemand einquartiert, auf den Ihre Beschreibung zutrifft, Herr Kommissar."

Herr Kommissar! Meine Güte, dachte ich. Wie schnell, man doch befördert werden konnte, wenn man es richtig anstellte.

Ich machte eine strenge Miene.

"Sie würden doch sicher nicht unsere Ermittlungen behindern, oder?"

"Nein, sicher nicht."

"Das würde ich Ihnen auch nicht geraten haben. Strafvereitlung nennt man so etwas. Schon mal davon gehört?"

"Also, hören Sie, ich sage Ihnen die Wahrheit."

"Hier geht es um eine große Sache, wenn Sie die vermasseln, dann bekommen Sie Ärger." Ich machte eine bedeutungsvolle Pause und deutete dann mit der Linken zum Lift. "Sehen Sie die Frau da vorne?"

"Die..."

"Ja, die mit kurzen Rock. Die ist auch von uns."

"Hätte ich nicht gedacht!"

Er schien sehr beeindruckt und schwitzte jetzt noch mehr.

Ich hatte Mitleid mit ihm.

"Also gut", murmelte ich und wandte mich um. Und traf es mich wie ein Fausthieb in die Magengrube. Ich sah den Grauen aus einem der Flure kommen.

Er war nicht allein. Neben ihm ging ein hochgewachsener Mann mit schütterem blonden Haar. Er war vielleicht Mitte vierzig und recht hager.

Ich ließ augenblicklich das Hoteljournal hochschnellen.

Sie kamen näher und gingen an mir vorbei in Richtung Ausgang, wo sie einen Augenblick stehenblieben und ein paar erregte Worte miteinander wechselten. Ich sah nur, wie ihre Münder sich öffneten und wieder schlossen und wandte mich wieder an den Portier.

"Sehen Sie sich den Grauhaarigen am Ausgang mal an, mein Guter!"

Er sah ziemlich belämmert aus und beugte sich dann zu mir herüber. "Das ist kein Gast", versicherte er mir.

Ich verzog das Gesicht.

"Ach, nein?"

"Wirklich nicht! Glauben Sie mir, ich habe einen Blick für Gesichter."

"Und das Gesicht hätten Sie behalten?"

"Mit Sicherheit."

"Und der Mann daneben?"

"Der wohnt hier."

Der Graue und sein Begleiter gingen jetzt hinaus ins Freie. "Wie heißt er?" fragte ich.

"Also..."

"Nun schauen Sie schon in Ihrem verdammten Gästebuch nach!"

Er schaute nach. Der Blonde nannte sich Bo Erikson und war Schwede. Und das Beste: Er hatte sogar die Nummer seines Reisepasses hinterlassen. Ich notierte sie mir.

"Wie lange bleibt er?"

"Darüber hat er nichts gesagt."

"Welche Zimmernummer hat er?"

"Vierunddreißig."

"Sagen Sie ihm nichts von mir."

"Natürlich nicht."

Ich bewegte mich jetzt auch auf den Ausgang zu. Mir war klar, dass ich vorsichtig sein musste. Ich ließ den Blick ein wenig schweifen und dann sah ich die beiden in einem schwarzen Mazda sitzen.

Sie schienen sich zu unterhalten.

Ein Königreich für eine Wanze!, dachte ich. Dann stieg der blonde Erikson aus und schlug die Tür hinter sich zu. Der Mazda brauste augenblicklich davon und fädelte sich auf ziemlich brutale Weise in den Verkehr ein. Irgendjemand hupte und ich schätzte die Anzahl der Vögel, die in dieser Sekunde gezeigt wurden, auf ein halbes Dutzend.

Ich konnte mir gerade noch die Wagennummer merken, sah aber auch das Emblem einer bekannten Leihwagenfirma und konnte mir daher ausrechnen, dass auch diese Spur nicht sonderlich weit führen würde.

Erikson kam indessen direkt auf mich zu.

Er kannte mich nicht. Jedenfalls nahm ich das an. Als er mich erreicht hatte, hob er kurz den Blick und musterte mich für eine volle Sekunde mit seinen leuchtend blauen Augen, bevor er an mir vorbeiging.

Ich sah mich nicht um und überlegte, welche Rolle der Schwede in dieser ganzen Sache spielte.

Was mochte hinter diesem ganzen Theater stecken?

Ich atmete tief durch.

Spielt das denn wirklich eine Rolle?

Eine unbequeme Frage, vor deren Beantwortung ich mich bisher ein bisschen gedrückt hatte.

Nein, es spielte keine Rolle. Nicht die geringste. Ich wollte die halbe Million und wenn der Kerl, den ich dafür erledigen sollte ein Schweinehund war, um so besser.

4

"Was würdest du davon halten, in Rio zu leben?"

"Häh?"

"Rio. Rio de Janeiro, Brasilien."

"Was spricht man denn da?"

"Portugiesisch."

"Kannst du Portugiesisch?"

Ich grinste.

"Muito bem."

Tina lachte. Ihre Zähne blitzten dabei. "Na, dann kann ja nichts passieren!"

Ich langte über den Tisch und nahm ihr Handgelenk. Sie war am Essen und hatte eine Gabel zwischen den Fingern. Ich sah ihr in die Augen.

"Was ist?"

"Ich meine es ernst", sagte ich.

"Wenn ich genug Geld hätte, dann... Warum nicht? Dann kann man überall leben, oder?"

Ich nickte.

"So sehe ich das auch."

"Ich wollte immer schon mal nach Afrika."

"So?"

"Zum Kilimandscharo. Muss toll sein." Sie zuckte mit den Schultern. "Leider ist das nötige Kleingeld nicht vorhanden."

"Nimm mal an, wir hätten genug."

"Ach, hör auf!"

"Warum? Stell's dir doch mal vor!"

Sie seufzte und lehnte sich zurück. Ich ließ ihr Handgelenk los. "Das ist doch bestimmt wieder irgend so eine Spinnerei von dir! Ich kann dir nur sagen, lass die Finger davon!"

Ich zuckte die Schultern.

"Ich glaube, du hast mich missverstanden."

"Nein, das glaube ich nicht."

Das ist einer der Nachteile einer längeren Beziehungskiste. Man kennt sich einfach zu gut.

"Ich muss nachher noch weg", sagte ich ihr.

"Wohin denn?"

"Weg."

"Du warst schon mal auskunftsfreudiger!"

"Ich sag's dir ja auch bloß."

5

Am späteren Nachmittag machte ich mich richtig fein.

Krawatte, Jackett, sogar eine leidlich gebügelte Hose. Und der Drei-Tage-Bart war auch ab. Ich wollte ungefähr so aussehen, wie die Typen, die im Maritim aus und ein gingen, Marke Handelsreisender mit aufdringlichem Rasierwasser. Mit letzterem konnte ich zwar nicht dienen, aber in dem Hotel hing schon soviel davon in der Luft, dass das auch gar nicht nötig war. Natürlich wurde Tina neugierig.

"Wie kommt es, dass du dich so in Schale schmeißt?"

"Ich muss jemanden beobachten", sagte ich. Und damit log ich noch nicht einmal. "Eine Art Detektiv-Job."

"Und dafür gibt's Geld?"

"Ja."

"Und du findest nicht, dass das alles ziemlich weit hergeholt klingt?"

"Nein, so ist es nun mal. Du kannst es glauben oder nicht."

"Warum nimmst du mich nicht mit?"

"Nein. Das geht nicht."

"Entweder die Sache ist nicht so sauber, wie du mir weiszumachen versuchst, oder..."

"Oder was?"

"Oder die Person, die beobachten sollst ist weiblich und hat sich zu dieser Beobachtung vorher mit dir verabredet."

"Ha, ha!"

"Ich finde das nicht witzig."

"Wie wär's, wenn du mir einfach ein bisschen mehr vertrauen würdest?"

Sie hob die Augenbrauen.

6

Ich hing eine ganze Weile in der Eingangshalle des Maritim herum und wartete darauf, Erikson zu begegnen. Ich war zwar bereits entschlossen, die Sache durchzuziehen, wollte aber das Risiko abschätzen können. Und ich wollte zumindest in Umrissen wissen, mit wem ich es zu tun hatte. Andererseits bei einer halben Million wurde meine Risikoempfindlichkeit natürlich um einiges gedämpft.

Ich musste eine ganze Weile auf Erikson warten. Leider war inzwischen ein neuer Portier an der Rezeption, sonst hätte ich ihn gefragt, ob der Mann von Nummer vierunddreißig zur Zeit in seinem Zimmer war. Wenn nicht, dann hätte mich dort mal ein bisschen umschauen können. Aber meine Polizeimasche wollte ich nicht noch einmal abziehen. Am Ende fiel die Sache auf und dann war ich der Gelackmeierte.

Und einfach so bei Nummer vierunddreißig vorbeischauen?

Auf gut Glück sozusagen? Aber das konnte in die Hose gehen.

Schließlich kam Erikson doch noch. Sein Jackett wirkte ziemlich zerknittert - und zwar auf eine Art und Weise, die nicht klar erkennen ließ, ob es modische Absicht oder Nachlässigkeit war. Er ging in Richtung Hotelbar an mir vorbei, ohne mich überhaupt zu bemerken. Ich folgte ihm und sah ihn wenig später vor einem Drink sitzen. Er wirkte ziemlich nachdenklich. Was hätte ich dafür gegeben, jetzt zu wissen, was hinter seiner hohen, sonnengebräunten Stirn vor sich ging? Ich drückte mich irgendwo in die Ecke, um ihn besser beobachten zu können und dabei nicht allzusehr aufzufallen.

Vielleicht traf Erikson sich ja mit jemanden. Jedenfalls, wenn ich Glück hatte. Aber ich hatte keins.

Ein dickbäuchiger Rothaariger quatschte Erikson mehrmals an. Der Schwede reagierte erst nicht, ließ sich dann aber schließlich doch auf einen Small Talk ein.

Der Dicke erzählte eine Menge über sich. Er war Vertreter für Dessous-Mode, tingelte von Kaufhaus zu Kaufhaus und hatte sich jetzt ein Ferienhaus an der Ostsee gekauft. Und seine Tochter würde in drei Monaten Abitur machen und dann studieren. Beides sei ziemlich teuer, die Tochter und das Ferienhaus.

Der Schwede sagte nicht viel dazu. Das Wenige, was er über die Lippen brachte, war jedenfalls kein bisschen Akzentbeladen. Schließlich machte der Dicke den Vorschlag, dass sie beide zusammen noch ein wenig herumziehen könnten.

"Ich bin öfter hier", meinte er. "Ich kenne mich hier aus, glauben Sie mir. Auch was das Nachtleben angeht und so." Er grinste dreckig. "Ich weiß, wo was los ist."

Anfangs zögerte der Schwede. Dann leerte er seinen Drink und nickte. "Gut", meinte er. "Warum eigentlich nicht?" Erikson lächelte müde. "Ein bisschen Abwechselung könnte ich vertragen!"

"Nicht wahr?", meinte der Dicke. "So was braucht man einfach ab und zu!"

"Schon möglich."

Der Dicke strich sich über seine roten Haare, die ziemlich kurzgeschoren waren und sich wie die Stoppeln eines abgeernteten Kornfeldes in die Höhe reckten. "Ich muss nur vorher mal für kleine Jungs", meinte er.

Erikson nickte nur. Und der Dicke verschwand für ein paar Minuten. Ich verschwendete indessen ein paar Gedanken auf die Frage, ob dies wirklich eine zufällige Begegnung war oder ein geschickt inszenierter konspirativer Treff. In dem Milieu, in das meinen Fuß gesetzt hatte, musste man in dieser Hinsicht schließlich mit allem rechnen. Trotzdem entschied ich mich für die erste Möglichkeit.

"Nehmen wir meinen Wagen oder Ihren?", fragte der Dicke, als er zurückkam.

Der Schwede grinste.

"Wenn wir überhaupt einen nehmen, dann Ihren!"

"Wieso?"

"Ich habe keinen hier."

"Ach so."

Sie verließen die Bar und ich folgte ihnen so unauffällig wie möglich, um mich zu vergewissern, dass sie das Hotel auch wirklich verließen. Dann machte ich mich auf den Weg zu Zimmer Nummer vierunddreißig. Einer der Hotelangestellten war so freundlich, mir den Weg zu zeigen. Vermutlich hätte ich mich sonst auch erst einmal verlaufen. Der Kerl schöpfte überhaupt keinen Verdacht. Nicht den Geringsten. Wahrscheinlich war es bei ihm wie bei den meisten Leuten: Sie können einfach nicht glauben, dass ein Gauner sich rasiert und einen Schlips trägt. So stand ich schließlich vor Nummer vierunddreißig und musste nur noch ein paar Augenblicke abwarten, bis ich allein auf dem Flur war.

In der Tür steckte ein ganz gewöhnliches Schloss. Also keine Schwierigkeit für mich. Ich hatte extra ein Stück Draht für diesen Teil des Dramas mitgebracht. Ein paar Sekunden brauchte ich, dann hatte ich es geschafft. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir, während ich mit einem flüchtigen Blick die Lage sondierte. Es war ein ganz gewöhnliches Hotelzimmer. Nichts besonderes. Ein Einzelzimmer. Und es schien von einem Mann bewohnt zu sein, der penibel darauf achtete, dass alles an seinem Ort stand.

Auf dem Nachttisch befand sich ein kleiner elektronischer Wecker mit Leuchtanzeige. Daneben eine Zeitschrift. Ich sah mir den Wecker genau an. Made in Hongkong. Soweit man sehen konnte, schien es wirklich nur ein Wecker zu sein.

Die Nachttischschublade war leer.

Ich ging zum Kleiderschrank, öffnete ihn, sah ein paar Jacketts, eine Hose, ein Hemd und unten drunter einen Koffer. Ich schaute mir die Jacketts an. Sie hatten keinerlei Etiketten, waren aber von offensichtlich guter Stoffqualität. Schurwolle oder Kaschmir oder etwas anderes in der Preisklasse. Es sah ganz so aus, als legte Erikson keinen Wert darauf, dass irgend jemand die Herkunft dieser Kleidungsstücke zurückverfolgen konnte - wer auch immer das sein mochte. Ich durchsuchte die Jacketttaschen und die Taschen der Hosen. Es war nichts darin, außer einer Packung Tempo-Taschentücher. Danach nahm ich mir den Koffer vor und bemühte mich, dabei nicht die Unterwäsche in Unordnung zu bringen, die der Schwede so sorgfältig gefaltet hatte. Für sie galt dasselbe, wie für seine restlichen Sachen. Gute Qualität und keinerlei Etiketten. Ich ließ den Blick noch einmal sorgfältig durch das ganze Zimmer kreisen. Aber es schien, als sollte heute nicht mein Tag sein. Hier war nichts zu finden. Kein Krümel. Nicht einmal im Aschenbecher war etwas. Dann blieb mein Blick noch einmal bei der Zeitschrift auf dem Nachttisch hängen.

Ich ging hin, nahm das Blatt an mich und blätterte etwas darin herum. Ich weiß auch nicht genau, warum ich das eigentlich machte. Vielleicht Instinkt oder etwas in der Art. Jedenfalls war dieses bunte Blatt das einzige in diesem Raum, das sozusagen eine persönliche Note hatte.

Es war ein Magazin über Segelyachten.

Immerhin, dachte ich. Jetzt weiß ich, dass Erikson möglicherweise Segler ist. Oder es werden will und sich dafür interessiert. Viel war das auch nicht.

Und dann sah ich die Nummer, die mit einem Filzstift dahingekritzelt war. Vermutlich eine Telefonnummer. Und vermutlich eine Ausländische. Ich notierte sie mir auf die Hand, weil ich nur einen altersschwachen Kugelschreiber, aber kein Papier bei mir hatte. Dann machte ich, dass ich endlich aus dem Zimmer herauskam. Es gelang mir auch, ohne irgend jemanden auf mich aufmerksam zu machen.

Vielleicht sollte ich Hoteldieb werden!, dachte ich dabei.

War das nicht eine Alternative zu dem, worauf ich im Begriff war, mich einzulassen?

Aber als Mörder hatte ich einfach den besseren Tarif.

7

Wir lagen zusammen in Tinas ausgeleiertem Bett. Sie hatte den Kopf auf meine Schulter gelegt und schnurrte vor sich hin. Meine Hand glitt durch das dichte Haar. Sie würde Mühe haben, es zu kämen. Ich hatte es ihr ziemlich gründlich zerzaust.

"Wie wär's, wenn du dir nächste Woche ein paar Tage frei nimmst", meinte ich.

"Hm."

Sie schwebte wohl noch auf Wolke sieben oder acht. Sex beeindruckte sie immer ziemlich nachhaltig. Aber die Sache, die ich mit ihr besprechen wollte, war wichtig. Und allzu lange vor mir herschieben konnte ich sie auch nicht mehr.

Ich fragte: "Hast du überhaupt gehört, was ich gesagt habe?"

"Hm."

"Ich mache nächste Woche 'ne kleine Reise."

Jetzt wurde sie wacher. "Wohin?"

"Zürich, Switzerland. Ich dachte mir, du hast vielleicht Lust, mitzukommen. Ein paar schöne Tage in einer schönen Stadt. Mal was anderes, als deine Scheißkonditorei."

"Gut, ich frage mal meinen Chef."

"Mach das."

Der einzige Urlaub, den wir bis jetzt zusammen gemacht hatten, war ein Billig-Trip in der Nachsaison an die Costa Brava gewesen. Sie hob den Kopf und sah mich an. Und dann wurde sie plötzlich misstrauisch.

"Was willst du in Zürich?"

"Wieso?"

"Nicht wieso! Du fährst doch nicht einfach so nach Zürich."

"Ich will ein Konto einrichten."

"Wo du die Millionen lassen kannst, von denen du immer träumst, was?"

"Ja, genau."

"Spinner!"

"Weißt du was, du kümmerst dich darum, dass du Urlaub kriegst - und ich mich um den Rest. Klar?"

Sie lachte.

"Aye,aye, Sir!"

8

Ich rief die Nummer, die sich Erikson notiert hatte, zweimal an. Das erste Mal noch am Abend. Aber es nahm niemand ab. Das nächste Mal am nächsten Morgen und diesmal mit mehr Glück.

"Firma Kreuzpaintner, Wien", sagte eine Stimme in schauerlichem Wiener Schmäh Marke Arnold Schwarzenegger.

"Ja, guten Tag", sagte ich. "Ich wollte fragen, ob noch Plätze frei sind."

"Verzeihung?" Er sprach es so aus, dass es wie Verzeeääihung klang.

"Na Sitzplätze. Für die Busreise nach Rimini."

"Wir sind ein Import/Export-Kontor, kein Reisebüro", kam es jetzt etwas hochdeutscher, dafür aber auch schon merklich unfreundlicher durch die Leitung. "Ich glaube, Sie sind falsch verbunden."

"Nein. Mir hat jemand Ihre Nummer gegeben. Und Kreuzpaintner stimmt auch."

"Ein seltener Name ist das ja auch nicht gerade!"

"Kann schon sein, aber..."

"Hören Sie, mein Herr." Er sagte Heeäär. "Es tut mit leid, ich kann Ihnen nicht helfen." Damit legte er auf. Und mir tat es auch leid. Schließlich hätte ich gerne noch ein bisschen mehr erfahren.

Wien, dachte ich. Warum nicht einen kleinen Abstecher nach Wien machen? Wien, Zürich... Lag ja fast aus dem Weg, oder?

Naja, fast.

9

In der nächsten Woche machten wir unseren Trip nach Zürich. Tina hatte tatsächlich die ganze Woche freibekommen, womit ich nicht im Traum gerechnet hatte. Aber so konnten wir uns ein bisschen Zeit lassen.

Wir fuhren per Intercity. Einmal quer durch durch Deutschland und dann in die Berge. Es ist eine schöne Art zu reisen. Mein Volvo hätte so eine Strecke wahrscheinlich auch gar nicht überlebt.

Wir stiegen in einem guten Hotel ab. Es war so gut, dass Tina ganz von den Socken war. Ich sagte ihr, sie solle ihr Erstaunen etwas weniger deutlich zeigen. Es fiel nämlich schon auf. Auf jeden Fall hatten wir ein paar schöne Tage.

Ich richtete mein Konto ein und Tina bohrte noch etwas deswegen herum. Hartnäckig war sie ja. Warum ich denn hier ein Konto haben wollte, wo ich doch gar keine Steuern zahlen würde, die ich hinterziehen könnte und so weiter. Sie war halt ziemlich neugierig. Einer ihrer ganz wenigen unangenehmen Seiten. Aber damit konnte ich leben.

"Was hältst du davon, wenn wir noch 'nen kleinen Abstecher nach Wien machen?", meinte ich.

"Wien?"

"Ja."

"Einen kleinen Abstecher nennst du das?"

"Wien ist ist doch toll."

"Sicher."

"Stell dir vor: Wir fahren mit dem Vieracker durch die Stadt und..."

"Meinetwegen."

"Also einverstanden?"

"Ja. Ich frage mich nur, ob das alles nicht zu teuer wird."

Ich lächelte. "Ist es dein Geld?"

"Nein."

"Dann lass es mich doch verplempern, wie ich es will."

"Na, gut."

"Wenn's alle ist, können wir uns ja immer noch an die Bahnhofsmission wenden."

"Ach, hör auf!" Sie lachte.

"Ich weiß gar nicht was du hast! Ich habe das schon einmal gemacht!"

"Ja, du."

Es war nur ein paar Minuten später, da las ich in der Zeitung eine Meldung. Keine Schlagzeile, sondern eine kleinen Kurzmeldungen auf der letzten Seite.

Der russische Wissenschaftler Prof. Dr. Jurij Sergejewitsch Snegow ist gestern in Bern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Ein Personenwagen erfasste den 52jährigen in einer unübersichtlichen Nebenstraße. Der Fahrer ist flüchtig. Nach ihm wird gefahndet. Snegow, der in der ehemaligen Sowjetunion an der Entwicklung von Trägersystemen für Nuklearsprengköpfe gearbeitet hatte, hielt sich zu einem Privatbesuch in der Schweiz auf.

10

Auf der ganzen Fahrt nach Wien ging mir der verdammte Russe nicht aus dem Kopf. War dieser Snegow wirklich an einem Unfall gestorben? Es sah so aus. Es konnte aber auch etwas ganz anderes dahinterstecken. Schließlich war es ja auch möglich, dass die Leute, in deren Auftrag der graue Mann mich angeworben hatte, noch eine ganze Reihe weiterer Geheimnisträger der ehemaligen UdSSR auf ihrer Todesliste hatten, um zu verhindern, dass Libyen, der Iran oder wer auch immer eine Art Ex-Sowjet Brain Trust zusammenstellten. Die Gelegenheit war ja schließlich auch ziemlich einmalig. Preise wie im Ausverkauf auf dem Grabbeltisch.

Später, als wir in Wien waren, versuchte ich, etwas über diesen Snegow in anderen Zeitungen zu finden. Tina war schon ganz kribbelig, weil ich einen Stapel Papier am Bahnhof kaufte und dann mit ins Hotel nahm.

"Was willst du damit?"

"Lesen."

"Steht doch überall dasselbe drin!"

"Manchmal nicht."

Am Abend gingen wir aus. Ins Burgtheater. Tina wollte unbedingt dorthin. Irgendein schwieriges Stück wurde da gespielt, deshalb gab es auch noch mehr als genug freie Plätze. Ich sah auf mein Programm. Glückliche Tage von Beckett. Eine Frau sitzt in einem Sandhaufen und redet und redet und redet, während ihr Mann sich irgendwo auf der Bühne herumflezt und ab und zu mal eine knappe Erwiderung hervorgrunzt. Hinterher gingen wir noch essen.

Als wir ins Hotel zurückkamen, war Tina ziemlich müde und fiel wie ein Stein ins Bett.

Ich blätterte noch die Zeitungen durch. Eine nach der anderen durchforstete ich nach dem Namen Snegow. Ich fand ihn nicht. Nur im Kurier stand eine kleine Meldung, aber ohne Namensnennung. Es war einfach nur von einem russischen Wissenschaftler die Rede.

Schlauer war ich jetzt auch nicht.

Ich sah zu Tina hinüber.

Sie schlief schon richtig tief und fest. Eigentlich war ich müde, aber ich hatte das Gefühl, jetzt unmöglich schlafen zu können. Da war einfach zu viel, was sich mir im Kopf herumdrehte.

Ich stand auf, öffnete die Hebetür und trat auf den kleinen Balkon hinaus, der zu unserem Zimmer gehörte. Es war eine laue Nacht. Eine der ersten lauen Nächte dieses Jahres.

Unser Zimmer war im siebten oder achten Stock. Ich sah hinab auf das Gewimmel. Von der Straße kam ein beständiges Rauschen, fast wie bei einer Meeresbrandung. Mein Blick glitt über die Lichtergalaxie der Stadt und ich dachte an alles Mögliche. Es herrschte ein großes Durcheinander in meinem Kopf. Ich dachte an den grauen Mann, an das Bankkonto in Zürich, auf das in nächster Zeit hunderttausend eingezahlt würden, ich dachte eine Sekunde lang an Erikson und an die Firma Kreuzpaintner, derentwegen ich in Wien war.

Und ich dachte an Tina.

Was wurde mit ihr, wenn ich den Job erledigt hatte?

Ich hatte noch noch nicht genügend darüber nachgedacht, wurde mir klar.

Was sollte ich ihr dann sagen?