Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieses Buch enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Undercover Mission Alfred Bekker: Verschwörung der Killer Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende Alfred Bekker: Der finale Absturz Alfred Bekker: Bilder eines Mordes Alfred Bekker: Kubinke und die Memoiren Alfred Bekker. Der Killer, dein Freund und Helfer Alfred Bekker: Der Mann in Kobaltblau Alfred Bekker: Die schlesische Zeitmaschine Alfred Bekker: Hinter Schloss und Riegel Alfred Bekker: Nur fürs Protokoll Alfred Bekker: Der Tote aus dem Nichts Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Killer von Altona Peter Haberl /Chris Heller: Kommissar Jörgensen und das Geschäft mit dem Tod Peter Haberl/Chris Heller: Kommissar Jörgensen jagt ein Phantom Ein Mord, der auf einer Webcam zu sehen ist und auf einem anderen Kontinent geschieht. Was hat der mit einem Verbrechen in New York zu tun? Ermittler Jesse Trevellian und sein Team gehen auf Mörderjagd... Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1127
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
15 Thriller Krimikoffer Februar 2024
Copyright
Undercover Mission
Copyright
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
Die Angst verfolgt dich bis ans Ende
Copyright
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
Der finale Absturz
Bilder eines Mordes
Copyright
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
Kubinke und die Memoiren
DER KILLER, DEIN FREUND UND HELFER
Der Mann in Kobaltblau
Die schlesische Zeitmaschine
Hinter Schloss und Riegel
Nur fürs Protokoll
Der Tote aus dem Nichts
Kommissar Jörgensen und der Killer von Altona
Kommissar Jörgensen und das Geschäft mit dem Tod
Kommissar Jörgensen jagt ein Phantom
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Undercover Mission
Alfred Bekker: Verschwörung der Killer
Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende
Alfred Bekker: Der finale Absturz
Alfred Bekker: Bilder eines Mordes
Alfred Bekker: Kubinke und die Memoiren
Alfred Bekker. Der Killer, dein Freund und Helfer
Alfred Bekker: Der Mann in Kobaltblau
Alfred Bekker: Die schlesische Zeitmaschine
Alfred Bekker: Hinter Schloss und Riegel
Alfred Bekker: Nur fürs Protokoll
Alfred Bekker: Der Tote aus dem Nichts
Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Killer von Altona
Peter Haberl /Chris Heller: Kommissar Jörgensen und das Geschäft mit dem Tod
Peter Haberl/Chris Heller: Kommissar Jörgensen jagt ein Phantom
Ein Mord, der auf einer Webcam zu sehen ist und auf einem anderen Kontinent geschieht. Was hat der mit einem Verbrechen in New York zu tun? Ermittler Jesse Trevellian und sein Team gehen auf Mörderjagd...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Facebook:
https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Thriller von Alfred Bekker
Ein Ermittler wird in eine Drogengang eingeschleust. Als ultimativen Loyalitätstest fordert man von ihm etwas Ungeheuerliches: Er muss seinen Partner erschießen...ALFRED BEKKER ist ein Schriftsteller, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
"FBI! Special Agent Milo Tucker! Keiner rührt sich! Ihr seid festgenommen!" Milo Tucker hatte die SIG in der Rechten und hielt mit links seine ID-Card hoch. Ich spuckte mein Kaugummi aus, ließ dabei den Motor der getunten Harley aufheulen. Meine SIG trug ich unter der schwarzen Lederjacke mit der Aufschrift "Devvilish Demons". Mit zwei V. Das war angeblich cool. Ich warf einen Blick zu den anderen Bikern.
Meinen Gang-Brüdern. Sie rührten sich nicht. Warteten darauf, dass ich etwas tat. Das Gas der Harley drehte ich voll auf. Das Vorderrad stieg in die Höhe. Ich fuhr auf den einsamen G-man namens Milo Tucker zu, bremste. Das Hinterrad brach aus, ich zog eine dunkle Spur über den Asphalt, bevor die Maschine zum Stillstand kam.
"Ich sag's nicht noch mal!", rief Milo.
Ich verzog das Gesicht. "Schätze, du sagst nie wieder was, G-man!" Ich riss die SIG unter der Lederjacke hervor und drückte ab. Getroffen flog Milo Tucker zu Boden und blieb reglos liegen.
Ich stieg von der Harley, ging auf den am Boden liegenden Milo zu. Jetzt erst wagten sich auch die anderen "Devvilish Demons" etwas näher heran. Die Motoren ihrer Maschinen heulten auf.
Augenblicke später bildeten sie eine Art Halbkreis um den auf dem Asphalt liegenden Special Agent des FBI. Er lag auf der Seite. Ein Arm verdeckte sein Gesicht. War auch besser so. Eine ziemlich große Blutlache hatte sich gebildet.
"Scheiße, bei so einem Anblick verliert man ja sogar noch den Spaß am Koks", knurrte einer der Biker. Ein großer, hagerer Kerl mit breiten Schultern, dessen Helm einem Totenschädel nachempfunden war.
In der Gang war er nur unter dem Namen Skull-Face bekannt.
Er verzog das Gesicht, fingerte aus einer der zahllosen Taschen seiner nietenbesetzten Lederjacke ein Briefchen mit Schnee, riss es auf und schüttete den Inhalt auf den Handrücken. Genau so, dass sich zwei kleine, fast gleich große Häufchen bildeten.
Er sog eines dieser Häufchen ins linke Nasenloch ein. Der Rest war wohl für das andere bestimmt.
Aber irgendetwas schien Skull-Face in der Nase zu jucken.
Er musste niesen und das wertvolle weiße Pulver verflog in alle Winde.
"Fuck!"
Ein Schwall von wüsten Flüchen kam über Skull-Faces aufgesprungene, dünne Lippen.
Ich kniete nieder, beugte mich über Milo, durchsuchte seine Taschen und nahm seine Brieftasche an mich. "Ihr Wichser seid vielleicht mit einem Kopfkissen voller Koks geboren, aber ich komme aus kleinen Verhältnissen", knurrte ich Skull-Face entgegen, als der mich ziemlich erstaunt anstarrte. "Auch hundert Dollar lasse ich nicht auf der Straße liegen!"
"Ist ja schon gut Mann!" Skull-Face machte eine beschwichtigende Handbewegung. "Immer cool bleiben Mann!"
"Jesse ist verdammt cool", meldete sich einer der anderen Biker mit bewunderndem Unterton zu Wort. "Wer einen G-man einfach so umnietet, der muss cool sein."
Ich erhob mich wieder, hielt Milos Ausweis hoch.
"Dieser Kerl war wirklich ein G-man", stellte ich fest.
Skull-Face rülpste ungeniert. "So eine Scheiß ID-Card macht dir Lonny Davis in der 42. Straße ab fünf Riesen aufwärts. Je nachdem, was für eine Qualität du brauchst", meinte er abfällig.
Ich warf ihm Milos Ausweis zu.
Er fing ihn auf.
"Der hier ist echt, Bruder! Da kannst du Gift drauf nehmen!"
Er sah ihn sich an, warf ihn verächtlich auf den Asphalt.
"Scheiße, sag bloß, du bist ein Experte, was diese Ausweise angeht!"
Ich verzog das Gesicht.
"Die Dinger hat man mir oft genug unter die Nase gehalten", murmelte ich.
"Ich bin dafür, dass wir jetzt hier aufräumen und uns dann aus dem Staub machen", meldete sich einer mit breitem Gesicht, schwarzem Vollbart und beginnender Stirnglatze zu Wort. Sein Haar hing ihm dafür auf der hinteren Seite des Kopfes umso tiefer hinunter. Beinahe bis zum Gürtel reichte der Zopf, zu dem er sie geflochten hatte. In der Gang hieß er "Lunie", abgeleitet von "lunatic" - "bekloppt".
Die anderen stimmten Lunie jedenfalls zu.
"Unser cooler Freund Jesse könnte uns alle ganz schön in Schwierigkeiten bringen", sagte Skull-Face düster. "Ich hasse solche Hosenscheißer, die meinen, sich mit so etwas in den Vordergrund spielen zu müssen. Am Ende müssen wir alle das ausbaden."
"Keine Sorge, Skull-Face", erwiderte ich.
Er verdrehte die Augen.
"So ein zermatschtes G-man-Hirn kann uns ganz schön in Schwierigkeiten bringen, du Arsch! Ich habe sieben Jahre Rikers Island hinter mir und keine Lust auf eine Verlängerung!"
Ich zuckte lässig die Achseln, zog mir dabei die nietenbesetzten fingerlosen Lederhandschuhe zurecht. Die Nieten hätte ich einem Typen wie Skull-Face gerne ins Gesicht gehämmert, aber dazu war jetzt einfach nicht der passende Moment.
"Ich sagte: Keine Sorge", wiederholte ich mich und deutete auf Milo. "Ich sorge dafür, dass der Dreck hier weggeräumt wird. Ihr könnt euch ruhig schon verziehen. Wir sehen uns später, Amigos!"
Die Biker wechselten etwas irritierte Blicke.
"Du brauchst wirklich keine Hilfe, Jesse?", vergewisserte sich Lunie.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein."
"Aber..."
"Besser ihr wisst nicht, wo ich die morschen Knochen dieses G-man verschwinden lasse. Dann kann sich auch keiner von euch verplappern, wenn diese Brüder euch doch mal in die Mangel nehmen und irgendein District Attorney euch das Blaue vom Himmel verspricht, wenn ihr singt!"
Lunie schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein.
"Verziehen wir uns!", meinte er, setzte sich seinen Helm auf und startete seine Maschine. Die anderen folgten seinem Beispiel.
Nur Skull-Face zögerte noch.
Er bedachte mich mit einem schwer deutbaren Blick.
"Irgendetwas stimmt mit dir nicht, Jesse!"
"Ach, ja?"
"Ich habe es im Urin! Du bist nicht echt. Scheiße, ich kann nicht sagen, was es ist, aber irgendetwas stört mich an deiner Visage!"
Er gab mir keine Gelegenheit, ihm zu antworten. Mit seiner Harley legte er einen Blitzstart hin und brauste davon. Es dauerte nur Augenblicke und die ganze Gang hatte das ehemalige Firmengelände der in Konkurs gegangenen Papierfabrik "Sounders & Buchheim Quality Paper Ltd." verlassen.
Ich wartete einige Augenblicke, bis ich sicher war, dass sie wirklich weg waren.
Ich packte Milo an den Armen, zog seinen schlaffen Körper über den Boden in Richtung von einer der großen Lagerhallen. Das große Wellblechtor war dermaßen verrostet, dass wahrscheinlich die Kraft eines Bulldozers vonnöten gewesen wäre, um sie nur ein paar Zentimeter zur Seite zu schieben.
Aber gleich daneben befand sich eine Tür für den Personalzugang. Und die stand halb offen.
Ich zog Milo ins Innere der Halle.
Es roch erbärmlich dort.
Riesige Rollen mit vor sich hin schimmelndem Papier waren hier zu finden. In der Deckenverglasung fehlten einige Scheiben, sodass es munter hereinregnen konnte.
Ich legte Milo ab.
Sah ihm ins blutüberströmte Gesicht.
Tätschelte ihm die Wange und wischte mir die Hand an der Jeans ab.
"Die Show ist vorbei! Du kannst die Augen aufmachen!"
"Wenn ich die Augen aufmache, kriege ich dieses verfluchte Film-Blut hinein, Jesse!"
"Ist doch garantiert unschädlich! Selbst für die Schleimhäute!"
"Du musstest dich mit dem Zeug ja auch nicht einschmieren, Jesse!"
"Nun mach mal halblang, Milo!"
Ich reichte ihm ein Taschentuch. Er begann, sich das Film-Blut aus dem Gesicht zu reiben und grinste. "Hat gut geklappt, was?"
"Wir haben an der Nummer ja auch lange geübt, Milo!"
"Einen so überzeugenden Stunt soll uns erst einmal einer nachmachen!"
Schritte ließen mich aufhorchen.
Unsere FBI-Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina kamen hinter den gewaltigen, zum Teil mehr als mannshohen Papierrollen hervor.
Clive Caravaggio hob den Daumen.
"Alles in Ordnung, Jesse! Die Nummer hat perfekt geklappt."
Ich atmete tief durch, begann damit, die Platzpatronen meiner SIG gegen echte Munition auszutauschen. Denn wenn ich das nächste Mal mit den Devvilish Demons zusammentraf, konnte es gut sein, dass ich die Waffe für etwas anderes als eine Schauspieleinlage brauchte.
Orry Medina, unser indianischer FBI-Kollege, meldete sich zu Wort und nahm dabei sein Headset vom Kopf, über das er mit den anderen Kollegen in Verbindung stand, die sonst noch an diesem Einsatz beteiligt waren. "Glaub mir, Jesse, diese Devvilish Demons machen dich noch zu ihrem Boss! Wer so cool und ohne mit der Wimper zu zucken einen G-man umnietet, der ist doch wie geschaffen für so einen Job..."
Was die Bezahlung anging, konnte man da schon ins Grübeln kommen.
Schließlich war die Harley, auf der ich gesessen hatte, eine Leihgabe unserer Fahrbereitschaft, während die meisten der Devvilish Demons sogar mehrere dieser Feuerstühle ihr Eigen nannten. Alles finanziert aus den Gewinnen, die sie aus dem Handel mit Kokain und Crack zogen.
Ein Staatsdiener wie ich konnte von derartigen Reichtümern nur träumen.
Aber dafür befand ich mich auf der richtigen Seite jener Grenze zwischen Recht und Unrecht, von der die Devvilish Demons wohl gar nicht mehr wussten, dass sie überhaupt existierte.
Sie kontrollierten den Drogenhandel in einigen Straßenzügen der South Bronx. Das allein unterschied sie noch nicht von Dutzenden anderer Gangs, die ihr jeweiliges Gebiet als eine Art Königreich betrachteten.
Die Kollegen der DEA und der City Police kämpften so gut es ging gegen dieses Unwesen an.
Aber die meisten dieser Gang-Leute stellten nur die unterste Schicht im organisierten Verbrechen dar.
Handlanger für das Grobe, mehr waren sie meistens nicht.
Sie gingen das größte Risiko ein, gefasst zu werden, während die eigentlichen Hintermänner im Verborgenen blieben. An diese Hintermänner kam die Justiz oft nicht heran. Mir drehte sich jedes mal der Magen um, wenn ich mitbekam, dass solche Leute ihren Reichtum völlig unbehelligt auf Long Island oder den New Yorker Nobel-Clubs genossen. Ein Reichtum, der sich auf dem Elend der Crack-Süchtigen gründete, die wie lebende Leichen in den verfallenden Straßen der South Bronx dahinvegetierten. Ein Leben im Dreck, das ihnen nicht den Hauch einer Hoffnung ließ.
Aber die Weiße-Kragen-Bosse kümmerte das nicht.
Genauso wenig, wie es sie interessierte, dass ihre Laufburschen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden oder sogar die Todeszellen füllten.
Aber die Devvilish Demons unterschieden sich in ein paar Punkten von den anderen Gangs.
Es gab keine andere vergleichbare Gruppe, die sich derzeit im Dschungel der South Bronx mit ähnlicher Rücksichtslosigkeit durchsetzte.
Leichen pflasterten den Weg dieser Bike-vernarrten Killer.
Innerhalb von wenigen Monaten hatten sie die Ausdehnung ihres Gebietes verfünffacht.
Ihre Gegner hatten sich entweder unterworfen oder man konnte sie in den gerichtsmedizinischen Bulletins des Coroners nachlesen, was mit ihnen geschehen war.
Außerdem hatten wir Grund zu der Annahme, dass die Devvilish Demons eine sehr starke auswärtige Organisation in ihrem Rücken hatte. Ein Syndikat. Irgendjemand, der seinen Einfluss in der New Yorker Unterwelt ausdehnen wollte. Und das mit Methoden, die selbst für die Maßstäbe der Cosa Nostra oder des kolumbianischen Drogenkartells außerordentlich brutal waren.
Unseren Erkenntnissen nach gab es kaum Zweifel daran, dass eine Reihe von Morden unter puertoricanischen und schwarzen Drogendealern auf das Konto dieser Gang zu buchen war.
Das passte zu der Annahme, dass ein großer, mächtiger Unbekannter hinter ihren Aktivitäten stand, sie großzügig mit Drogen, Waffen und Geld versorgte.
Und mit Mordaufträgen.
Deshalb hatte sich das FBI Field Office New York zu dieser riskanten Operation entschlossen. Wir mussten die Hintermänner der Devvilish Demons stoppen.
Und das war auch das Risiko des verdeckten Einsatzes wert, den ich zurzeit gerade durchführte.
Milo erhob sich. "Was wirst du den Kerlen erzählen, wo du meine Leiche gelassen hast?", fragte mein Freund und Kollege.
"Die werden kein Wort von mir hören", erwiderte ich.
"Du willst also als obercooler Typ durchgehen, der ohne Kompromisse sein Ding durchzieht!"
Ich grinste.
"Das habe ich doch gerade unter Beweis gestellt, oder? Ich meine, wer einen G-man tötet, muss in den Augen dieser Kerle doch etwas auf dem Kasten haben!"
Clive Caravaggio meldete sich zu Wort. "Vielleicht schaffst du es ja jetzt, dass man dich in Kontakt mit den Hintermännern bringt!"
"Das muss ich sehr behutsam anstellen", sagte ich. "Sonst werden die Devvilish Demons misstrauisch."
Ein paar Tage später...
Das heruntergekommene Billard-Lokal hieß "The Devvils Club" und stellte so etwas wie das Stammlokal der Gang dar. Hier hing der Hauptteil der Gruppe tagsüber herum, wenn es nicht gerade irgendetwas zu tun gab.
Das Licht war gedämpft. Im Hintergrund lief gitarrenorientierte Rock-Musik. Düstere Riffs, jaulende Soli und der ausufernde Gebrauch von Crash-Becken und Bass-Drum kennzeichnete diesen Sound.
Ein paar Girls in knappem Leder-Outfit waren auch ständig in "The Devvils Club" anzutreffen. Das Geld in den Taschen der Gang-Mitglieder zog diese Schönen an wie das Licht die Motten.
Mein Mord an G-man Milo Tucker hatte mächtig Eindruck gemacht. Und selbst Skull-Face, der mich von Anfang an nicht besonders gemocht hatte, wagte es nicht, mir den Respekt zu versagen.
Ich hatte schließlich etwas getan, wozu ihm selbst bisher der Mumm gefehlt hatte.
Und daher hielt er sich wohl lieber zurück.
Von draußen war jetzt ein Brummlaut zu hören, der die Musik übertönte.
Ich wusste, was das bedeutete.
Dieser Brummlaut war so charakteristisch, dass ich ihn unter Hunderten verschiedener Motorengeräusche wiedererkannt hätte! John Delgado-Cruz alias "King Ghost" war mit seinem Trike vorgefahren, einem dreirädrigen Motorrad, das alles in den Schatten stellte, was sonst noch an großen Maschinen vor dem Eingang des Clubs abgestellt worden war.
Einen Augenblick später flog die Tür zur Seite.
Ein Mann in einem knöchellangen dunklen Ledermantel trat ein. Die Haare waren zu einem Zopf zusammengefasst. Der dunkle Knebelbart war millimetergenau ausrasiert. Dasselbe galt für die Koteletten, die in einer Breite von etwa einem Zentimeter bis auf die Wangenmitte stehen gelassen worden waren.
Das war John Delgado-Cruz, der unumschränkte Boss der Devvilish Demons. Von allen wurde er nur respektvoll "King Ghost" genannt.
King Ghost traf die Entscheidungen und es hätte niemand gewagt, ihm zu widersprechen. Er war jetzt 43 Jahre alt. In seinen jüngeren Jahren war durch eine ganze Latte von Straftaten aufgefallen. Inzwischen ließ sich King Ghost nicht mehr erwischen. Andere holten für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Er selbst ging so gut wie kein Risiko ein. Die Akte, die wir beim FBI über ihn führten, war ziemlich dick. Aber fast nichts davon war gerichtsverwertbar.
Außerdem war King Ghost der Mann, der die Verbindung zwischen der Gang und den höheren Befehlsebenen jener Organisation darstellte, von uns noch nicht einmal die Umrisse bekannt waren.
Die Gang-Mitglieder hörten damit auf, ihre Kös gegen die Billard-Kugeln zu stoßen, als King Ghost den Raum betrat.
Der Gang-Chef hob lässig die Hand.
Er ließ den Blick schweifen.
Er streckte seine mit fingerlosen Nietenhandschuhen bestückte Rechte aus, richtete den Zeigefinger genau auf mich.
"Jesse", murmelte er. Seine Stimme klang heiser, war kaum mehr als ein leises Wispern. "Ich muss mit dir sprechen. Unter vier Augen."
Er winkte mich zu sich.
Den anderen bedeutete er mit einer ausholenden Armbewegung, dass sie weiter Billard spielen sollten.
Ich folgte King Ghost. Wir verließen den Hauptsaal des Clubs.
Er führte mich in einen Nebenraum. In der Mitte befand sich ein Billard-Tisch mit silbernen Totenköpfen an den Ecken.
King Ghost warf mir ein Kö zu.
"Hast du Bock auf ein Spiel, Jesse?"
"Warum nicht?"
King Ghost setzte zu einem Stoß an. Die Kugeln flogen über den grünen Filz.
Er musterte mich einige Augenblicke lang. "Ich habe von deiner Heldentat gehört, Jesse. Du hast einen G-man erschossen."
"Ich hatte keine andere Wahl."
"Wieso?"
"Na, hätte ich vielleicht zulassen sollen, dass er uns hops nimmt?"
"Ein einzelner G-man?" King Ghost hob die Augenbrauen. Er deutete auf die Kugeln. "Du bist dran."
Ich führte meinen Stoß aus.
Sämtliche Alarmglocken schrillten in mir.
Ich fragte mich, was King Ghost von mir wollte. Der schneidende Unterton gefiel mir nicht.
"Dieser Agent Tucker war plötzlich da. Wir hatten eine Kokslieferung an ein paar Kleindealer verteilt. Du kennst doch sicher das Gelände dieser ehemaligen Papierfabrik. Scheiße, wie hieß die noch..."
"Hat er den Deal mitgekriegt?"
"Keine Ahnung. Die Sache war längst über die Bühne, wir wollten abdampfen. Skull-Face hat das Geld gezählt und da taucht dieser irre FBI-Cop plötzlich auf."
"Schon ungewöhnlich, dass sich einer dieser biederen Staatsdiener allein mit einer ganzen Meute anlegt."
Jetzt war mir klar, worauf mein Gegenüber hinaus wollte.
King Ghost hatte Zweifel an meiner Story. Und das, obwohl sie ihm doch von fast einem Dutzend Augenzeugen bestätigt worden war, von denen zumindest einer mich nicht leiden konnte. Skull-Face nämlich.
"Vielleicht war dieser Tucker ein besonders abgebrühter Hund. Außerdem bin ich mir sicher, dass er Verstärkung herbeigerufen hätte..."
"Aber dazu hast du ihm ja keine Gelegenheit mehr gelassen!" King Ghost klopfte mir auf die Schulter.
"So ist es."
"Was ist mit der Leiche?"
"Die findet in hundert Jahren keiner mehr!"
"Wäre auch besser für dich. Du weißt, dass man für Polizistenmord die Giftspritze kriegen kann."
"Weiß ich."
Plötzlich begann er in gedämpftem, fast vertraulichen Tonfall zu sprechen. "Da gibt's noch einen anderen Punkt, den ich gerne geklärt hätte."
"So?"
"Die Jungs erzählen merkwürdige Dinge über dich, Jesse!"
"Ach!"
"Du würdest kein Koks anrühren! Selbst die Eins-A-Qualität nicht, die wir von unseren Lieferanten bekommen!"
"Hey Mann, es reicht, wenn unsere Kunden am Ende nur Matsch in der Birne haben! Ich persönlich möchte einen klaren Kopf behalten. In jeder Situation."
King Ghost sah mich erstaunt an.
Er brach in schallendes Gelächter aus, schlug mir dabei grob auf die Schulter.
"Du bist cool, Mann!"
"Na, klar!"
Er warf seinen Kö auf den grünen Filz. Offenbar hatte King Ghost keine Lust mehr, das Spiel fortzusetzen. Für seine Launenhaftigkeit war der Gang-Boss auch unter den Devvilish Demons berüchtigt. "Hör zu, Jesse! Ich brauch ein paar coole, abgezockte Jungs für einen besonderen Job."
"Worum geht es?"
Er fuhr seinen Zeigefinger wie die Klinge eines Klappmessers aus und hielt ihn mir unter die Nase.
"Es geht um einen sehr wichtigen Mann, der bei einem entscheidenden Date etwas Begleitschutz benötigt!"
Bingo!, durchzuckte es mich. Endlich hielt mich King Ghost für würdig genug, um mich als Begleitschutz für die nächsthöhere Ebene der Organisation zu engagieren.
Ich lächelte.
"Claro, ich bin dabei!"
"Von einem coolen Jungen wie dir habe ich auch nichts anderes erwartet, Jesse! Im Übrigen ist kaum ein Risiko dabei. Wir müssen eben nur etwas die Augen offen halten..."
"Schon klar!"
Am nächsten Morgen saß ich im Besprechungszimmer von Mister Jonathan D. McKee, dem Chef des FBI Field Office New York im Rang eines Special Agent in Charge. Außer mir waren noch die Außendienst-Agenten Milo Tucker, Clive Caravaggio, Orry Medina und Fred LaRocca anwesend. Außerdem Max Carter, ein Innendienstler aus der Fahndungsabteilung.
Mister McKee zog die Augenbrauen zusammen.
"...und Sie haben keine Ahnung, um wen es sich bei dem Kerl handelt, den King Ghost mit seinen Devvilish Demons schützen soll?", fragte unser Chef.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Und die anderen Gang-Brüder scheinen auch ziemlich uninformiert zu sein. King Ghost handelt wohl nach der Devise, dass man Wissen am besten nicht teilen sollte. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt."
Mandy, die Sekretärin unseres Chefs kam herein und servierte ihren vorzüglichen Kaffee, der im gesamten Bundesgebäude seinesgleichen suchte.
Als sie mir den Becher mit dem dampfenden Gebräu hinstellte, musterte sie mich etwas verwundert.
Ich konnte es ihr nicht verdenken.
Schließlich trug ich die Lederkluft mit den Emblemen der Devvilish Demons.
"Ich muss sagen, Jesse, Sie waren auch schon einmal geschmackvoller gekleidet", hielt sie mir lächelnd vor.
Ich zuckte die Achseln.
"Vielleicht solltest du dir ein Beispiel an Orry nehmen", stichelte Milo.
Unser Kollege Orry Medina galt als bestangezogener G-man des Field Office. Meistens erschien er in Seidenkrawatte und Jackett zum Dienst.
Der Dressman unter den FBI-Agenten.
"Nichts gegen Orrys Stil, aber bei King Ghosts Rocker-Truppe würde ich da wohl ziemlich schnell auffallen", erwiderte ich.
Mandy wandte sich an Mister McKee. "District Attorney Lionel Robertson möchte Sie gern heute noch sprechen, Sir! In spätestens einer halben Stunde ruft er zurück."
Mister McKee seufzte.
"Danke, Mandy."
"Wenn Sie noch etwas wünschen, sagen Sie bitte Bescheid."
"Ja."
Mandy verließ den Raum.
Mister McKee verschränkte die Arme vor der Brust. "Mister Robertson will ein paar Ermittlungsergebnisse präsentiert bekommen. Leider werde ich ihm wohl noch nicht allzu viel vorlegen können." Robertson war noch nicht lange in seinem Amt, dachte aber jetzt schon an seine Wiederwahl. Jedenfalls war der allgemeine Tenor, dass Robertson sich gerne auf Kosten anderer profilierte. In erster Linie hatten darunter natürlich seine eigenen Mitarbeiter zu leiden. Aber Mister McKee gehörte inzwischen auch zu den Opfern dieser Charaktereigenschaft.
"Die Frage ist, wie wir jetzt vorgehen", brachte es der Chef schließlich auf den Punkt.
Die Meisten im Raum machten einen ziemlich ratlosen Eindruck.
"Egal, was wir tun, wir werden kaum schnell genug unseren Job erledigen können, um Mister Robertson zufrieden stellen zu können", war Agent Max Carters Kommentar.
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen im Büro unseres Chefs.
Ich meldete mich zu Wort. "Eigentlich gibt es da nur eine einzige Möglichkeit."
Mister McKee hob die Augenbrauen.
"Und die wäre?"
"Ich muss verkabelt werden, sodass ihr über Mikro und Kamera gewissermaßen aus der Entfernung dabei seid."
"Das ist verdammt gefährlich, Jesse", meinte Milo. "Wenn einer dieser Devvilish Demons ein Mikro bei dir bemerkt, machen sie mit dir genau das, was du ihnen mit mir nur vorgespielt hast. Im günstigsten Fall jedenfalls. Vielleicht sind diese Typen ja auch pervers veranlagt und haben vorher noch Freude daran, dich bei lebendigem Leib zu zerstückeln, so wie diesen kleinen Betreiber einer Crack-Küche vor zwei Monaten."
Dieser Fall war uns allen an die Nieren gegangen. Die Kollegen der City Police hatten uns die entsprechenden Unterlagen überlassen. Ich war froh, dass ich nicht am Tatort hatte sein müssen. Allein vom Anblick der Fotos konnte einem schon schlecht werden.
Sie zeigten einem, auf welche Weise King Ghost aufzuräumen pflegte, wenn er der Meinung war, dass jemand ihm im Weg stand.
Manchmal reichte auch einfacher Ungehorsam.
"Ich gehe das Risiko ein. Aber ihr müsst euch im Hintergrund halten, sonst könnte alles in einem Fiasko enden. Sobald ich etwas mehr weiß, lasse ich es euch wissen. Aber dann muss eventuell alles sehr schnell gehen..."
Ich hatte für die Zeit meines Undercover Einsatzes eine Wohnung in der Bronx. Die Tarnung musste schließlich perfekt sein. In meiner Jackentasche steckte ein Motorradführerschein, ausgestellt auf den Namen Jesse Rodriguez. Angeblich war ich in East Harlem geboren, hatte diverse Verurteilungen wegen Raub und Körperverletzung auf Rikers Island abgesessen und keine weiteren Angehörigen.
Mir war klar, dass King Ghost und seine Leute mich verdammt genau unter die Lupe genommen hatten, bevor ich einer der ihren werden konnte.
Aber wir hatten meine Legende so perfekt wie möglich gestaltet.
Fred LaRocca war dafür eigens ein paar Wochen in den Knast gegangen und war dort mit einem gewissen Roy Dorensky zusammengelegt worden.
Unter dem Namen Little Killer war Roy Mitglied der Devvilish Demons. Er war bei einer Schlägerei in einem Club an der Avenue A erwischt worden und saß ein paar Monate wegen Körperverletzung ab. Fred war angeblich ein Lebenslänglicher. Seine Aufgabe war es gewesen, Little Killer mit Stories über einen angeblichen Mitgefangenen namens Jesse Rodriguez zu füttern.
Beiläufig zwar aber doch so wirksam, dass er sich später daran erinnerte.
Little Killer hatte tatsächlich bestätigt, dass ich offenbar wirklich auf Rikers Island eingesessen hatte.
Für manche Leute war das eben wie eine Art Referenz.
Meine Wohnung lag in der 145. Straße im sechsten Stock eines Brownstone-Hauses, das mit Sicherheit schon einmal bessere Zeiten erlebt hatte. Die Fassade musste seit ewigen Zeiten schon nicht mehr gemacht worden sein. Der Laden im Erdgeschoss zahlte an die Devvilish Demons ebenso Schutzgeld wie die Snack-Bar auf der anderen Straßenseite.
Ich brauste mit meiner Harley hin.
Nichts gegen flotte Motorräder. Aber der Sportwagen, den mir die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York normalerweise zur Verfügung stellte, war mir eigentlich lieber.
Die Harley stellte vor dem Eingang ab.
Normalerweise hätte ich in dieser Gegend kaum gewagt, einen rostigen Chevy irgendwo abzustellen. Aber jeder hier wusste, dass man die Maschine eines Mitglieds der Devvilish Demons nicht ungestraft stehlen konnte. Wer so etwas tat, musste damit rechnen, sich in Plastik eingewickelt in irgendeiner Seitenstraße wiederzufinden.
Ich betrat das Haus, erreichte den Lift. Seit einer Woche funktionierte er wieder. Ich ließ mich in den sechsten Stock tragen, ging den Korridor entlang und blieb vor meiner Apartment-Tür stehen.
Auf dem Boden lag ein Papierschnipsel.
Ein winziger Fetzen aus USA Today, wie ich wusste, denn ich hatte diesen Schnipsel im Türrahmen festgeklemmt, als ich am Morgen gegangen war. Ein alter Trick. Auf diese Weise ließ sich feststellen, ob jemand die Tür geöffnet hatte.
Ich griff zur SIG.
Trat die Tür ein.
Mit beiden Händen hielt ich die Waffe, ließ den Lauf herumschwenken.
Ein großer, hagerer Kerl wirbelte herum. Er trug einen Helm, der einem Totenschädel nachempfunden war.
"Skull-Face!", stieß ich hervor.
Er wollte unter seine Jacke greifen. Ich wusste, dass er dort einen Magnum Colt vom Kaliber 45 trug. Eine Waffe von gewaltiger Durchschlagskraft.
Mitten in der Bewegung hielt Skull-Face inne, verzog das Gesicht zu einem verlegenen Grinsen.
"Hey, nichts für ungut, Alter!"
"Beweg dich nicht, oder du hast ein Loch in deinem komischen Helm!", erwiderte ich eisig.
Ich ließ den Blick schweifen.
Meine Ein-Zimmer-Wohnung war sparsam eingerichtet.
Skull-Face hatte alles auf den Kopf gestellt. Die Ledersessel waren aufgeschlitzt. Selbst die Kissen.
Offenbar hatte der Mann mit dem Totenkopf-Helm hier irgendetwas gesucht.
Ich trat näher.
Kickte mit dem Absatz die Tür zu. Richtig schließen konnte man sie jetzt allerdings wohl nicht mehr. Das Schloss war wohl endgültig hin.
Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe, zog ihm gleichzeitig mit der Linken den riesigen Magnum Colt unter der Jacke weg.
"Was ist das für eine Nummer, die hier abziehst, Skull-Face?", fragte ich.
"Dasselbe könnte ich dich fragen, Jesse!"
"Was willst du damit sagen?"
"Ich wusste immer, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt, Alter! Ich konnte nur nicht genau sagen, was das war..."
"Und jetzt bist du schlauer?"
Die Gedanken in meinem Hirn rasten. Hatte ich vielleicht irgendetwas in der Wohnung zurückgelassen, was mich verraten könnte? Ich konnte mir das eigentlich kaum vorstellen. Bei dieser Operation war ich wirklich mit äußerster Sorgfalt vorgegangen. Gerade, was meine Legende angeht. Mir war nur zu gut bewusst, dass der geringste Fehler mich in ein kühles Grab auf dem Grund des East River bringen konnte.
Mir fiel nichts ein.
Skull-Face ließ sein Bein hochschnellen. Ein gezielter Karate-Tritt kickte mir den Magnum Colt aus der Hand.
Er packte das Handgelenk meiner Rechten, in der ich die SIG hielt. Mit einem Ruck riss er meinen Waffenarm zur Seite, zog mich an sich heran und rammte mir sein Knie in den Magen. Ich schnappte nach Luft.
Sekundenbruchteile später traf mich eine rechts-links Kombination seiner Fäuste.
Skull-Face hatte einen Schlag wie ein Dampfhammer.
Ich taumelte durch den Raum, prallte gegen eine Kommode, rutschte zu Boden.
Mein Gegner hatte inzwischen den Magnum Colt vom Boden aufgehoben.
Mit beiden Händen umfasste er den Griff der Waffe.
Der Lauf zeigte in meine Richtung.
Skull-Face drückte ab.
Ich zuckte zur Seite.
Das gewaltige Projektil vom Kaliber 45 schlug in die Kommode ein, fetzte ein beinahe faustgroßes Loch in das preiswerte Kiefernholz. Ich griff nach einer der ungeöffneten Bierdosen, die auf dem Boden verstreut herumlagen. Skull-Face hatte sich wohl eine davon aus dem Six-Pack herausgeholt, den ich in der Wohnung gehabt hatte, und den Rest der Büchsen einfach durch die Gegend rollen lassen.
Ich schleuderte die Bierdose meinem Gegner entgegen.
Ein gezielter Wurf.
Eine Dose Budweiser war die einzige Waffe, die mir im Augenblick zur Verfügung stand.
Ehe Skull-Face seinen Magnum-Colt noch einmal abdrücken konnte, traf ihn die Dose mit voller Wucht an der Nase.
Er taumelte zurück.
Blut schoss hervor.
Zweifellos war Skull-Face benommen. Ein ungezielter Schuss löste sich aus dem Magnum-Colt.
Ich hechtete zu meiner SIG, rollte mich auf dem Boden herum, bekam sie endlich zu fassen und riss sie hoch.
Skull-Face stöhnte zur gleichen Zeit laut auf, brüllte förmlich. Es hörte sich wie eine Mischung aus einem monströsem Kampfruf und einem Wutgeheul an.
Er lehnte gegen die Wand, wischte sich das Blut mit dem Ärmel seiner Jacke ab und zielte wieder mit dem Colt auf mich.
Aber ehe er abdrücken konnte, war ich bereits bei ihm. Mit einem Karate-Tritt kickte ich ihm die Waffe aus der Hand. Er schrie auf.
Der Revolver fiel zu Boden.
Skull-Face blickte ungläubig in den Lauf meiner SIG.
Er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Ich trat näher an ihn heran. Er sah mich an. Sein Gesicht war zu einer Maske der Wut geworden. Immer noch rann das Blut in Strömen aus seiner Nase. Ich nahm an, dass sie gebrochen war.
"Du Bastard!", zischte Skull-Face zwischen den Zähnen hindurch.
"Du hast Glück gehabt!", erwiderte ich.
"So?"
"Ja, ich habe heute meinen netten Tag. Deshalb lebst du noch."
"Was hindert dich daran, mich jetzt noch umzunieten. Na los, worauf wartest du? Bring es schon hinter dich!"
Ich schüttelte den Kopf.
"Wenn es sich vermeiden lässt, töte ich keinen Gang-Bruder!"
"Pah!", machte Skull-Face. Verachtung spiegelte sich in seinen Zügen. "Du bist kein Gang-Bruder! Nicht für mich!"
Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe.
Er wagte es nicht, auch nur etwas heftiger zu atmen. Ich durchsuchte ihn mit der Linken, holte ein Springmesser hervor und ein paar Briefchen mit Koks. Die nahm ich an mich. "Das Zeug nehme ich als Schadensersatz für die Verwüstung, die du hier angestellt hast, du Scheißkerl. Und jetzt verschwinde. Und lass dich nie wieder dabei erwischen, meine Möbel aufzuschlitzen, wenn du alt werden willst!"
Er taumelte aus der Wohnung heraus.
Eigentlich hätte er in den Knast gehört. Er hatte versucht, mich umzubringen. Schon das reichte für einige Jahre auf Rikers Island. Liebend gern hätte ich ihm die Handschellen angelegt. Aber Skull-Face war nur ein kleiner Fisch. Und meine Aufgabe war es, nicht Laufburschen wie ihn festzusetzen, sondern an die großen Haie heranzukommen.
Ich war einfach zu dicht davor, um diesen Erfolg jetzt gefährden zu wollen.
Du hast jetzt allerdings einen gnadenlosen Feind!, warnte mich eine Stimme aus dem Hinterkopf. Skull-Face wird dir an die Gurgel gehen, sobald er die Gelegenheit dazu hat!
Ich informierte Mister McKee per Handy über die Auseinandersetzung mit Skull-Face.
"Hat dieser Kerl irgendetwas gegen Sie in der Hand, Jesse?", fragte der Chef. "Bitte denken Sie nach!"
"Nein, das glaube ich nicht. In der Wohnung kann er nichts gefunden haben, was mich hätte enttarnen können."
"Aber Sie sagten, dass er offensichtlich einen Verdacht gegen Sie hatte!"
"In erster Linie kann er mich wohl schlicht und ergreifend nicht leiden und sucht jetzt verzweifelt nach irgendetwas, was mich in Misskredit bringen könnte."
"Eine Fehleinschätzung in dieser Frage könnte Ihnen das Leben kosten, Jesse."
Ich war mir dieser Tatsache durchaus bewusst. Die ganze Operation stand auf dem Spiel. Aber ich wollte diese Sache zu Ende bringen. Zu lange waren wir den Hintermännern der Devvilish Demons schon auf den Fersen. Ziemlich erfolglos bislang. Und wenn wir jetzt keinen Erfolg hatten, würde es ziemlich lange dauern, bis wir das nächste Mal die Chance erhielten, einen Einblick in jene geheimnisvolle Organisation zu gewinnen, die so geschickt aus dem Verborgenen heraus operierte.
Wenn ich verbrannt war, dauerte es erst einmal Wochen oder gar Monate, bis ein neuer Undercover-Agent in die Reihen der Gang eingeschleust war. Dieser Zeitraum war eher höher anzusetzen. Die Demons würden vermutlich in diesem Fall besondere Vorsicht walten lassen.
"Ich bin dafür, alles nach Plan laufen zu lassen, Mister McKee."
"In diesem Fall möchte ich das ungern anordnen, Jesse. Sie tragen das Risiko und halten Ihren Hals hin."
"Und ich sage, dass wir das Ding durchziehen. Sir, was auch immer dieser Skull-Face vermuten mag, für einen FBI-Agenten dürfte er mich zuletzt halten."
"Sind Sie sicher?"
"Ich schätze, er hofft insgeheim, mich als Maulwurf der Konkurrenz entlarven zu können, um auf diese Weise bei King Ghost Punkte zu machen. Skull-Face will mich ausbooten, aber dieses Vorhaben ist erst mal gescheitert."
Ich hörte Mister McKees Seufzen durch den Handy-Lautsprecher.
"Sie sind wild entschlossen, was?"
"Das schätzen Sie richtig ein, Chef."
"Seien Sie vorsichtig. Wir werden so weit wie möglich in Ihrer Nähe sein, ohne Ihre Tarnung in Gefahr zu bringen."
"Okay. Ich verlasse mich auf Sie."
Mir war vollkommen klar, dass ein Tanz auf der Rasierklinge vor mir lag.
Einen Tag später bekam ich einen Anruf von King Ghost. Er meldete sich nicht mit seinem Namen, sondern sagte nur, wann und wo er mich brauchte. Ich sollte nicht ohne Schießeisen antanzen und um 22 Uhr bei unserem üblichen Treffpunkt eintreffen, dem "Devvils Club".
Ich war pünktlich.
Die meisten anderen, die an dieser Aktion teilnehmen sollten, waren bereits eingetroffen. Auch Skull-Face gehörte dazu. Seine Nase war bandagiert. Er machte einen knurrigen Eindruck, wich meinem Blick aus. Ich fragte mich, was er den anderen Gang-Mitgliedern wohl über unser letztes Zusammentreffen erzählt hatte.
King Ghost traf als letzter ein.
Wie üblich fuhr er sein aufgemotztes Trike.
Er stieg von der Maschine und musterte uns einen nach dem anderen.
Etwa ein Dutzend Mann nahmen an dieser Sache teil.
Hier und da sah ich abgesägte Shot Guns oder eine Uzi.
"Unser Job findet im Yachthafen von Laurence Harbour, New Jersey statt!", erklärte der Anführer der Devvilish Demons. "Unsere Aufgabe ist sehr einfach: Wir sollen dafür sorgen, dass zwei Männer sich ungestört treffen können. Davon hängt ab, wie unsere Geschäfte in Zukunft laufen. Also gebt euch Mühe, es ist euer eigener Vorteil!"
Geraune entstand.
"Was ist das für ein Typ, der uns engagiert hat?", fragte ich. "Ist das der Kerl, der dafür sorgt, dass wir immer genügend Koks haben?"
King Ghost lächelte kühl.
Er trat auf mich zu, musterte mich.
"Scheiße, Mann, du fragst zuviel, Jesse. Das musst du dir noch abgewöhnen, wenn du es zu was bringen willst!" Dann fiel ihm Skull-Faces bandagierte Nase auf. Er grinste. "Was ist denn mit dir passiert?"
"Kleiner Unfall!", knurrte Skull-Face zwischen den Zähnen hindurch.
"Hauptsache, deine Maschine hat nichts abgekriegt, Alter!"
"Die ist in Ordnung."
King Ghost klopfte gegen Skull-Faces Schädel-Helm. "Ich habe dir ja immer gesagt, dass so ein Scheiß-Ding nicht den Sicherheitsnormen entspricht!"
"Wollen wir lange herumquatschen oder unseren Job machen?"
Offenbar wollte Skull-Face vor den anderen Gang-Mitgliedern nicht eingestehen, dass ich ihn vermöbelt hatte. Sein Verhalten bestärkte mich allerdings auch in der Ansicht, dass er nichts Konkretes gegen mich in der Hand hatte.
Skull-Face hatte einfach im Nebel herumgestochert, als er in meine Wohnung eingebrochen war und sie gründlich auf den Kopf gestellt hatte.
Und vielleicht hatte er auch einfach nur gehofft, mir meine Koks-Portion abnehmen zu können, die ich wie alle Mitglieder der Devvilish Demons regelmäßig erhielt. Eine Art Bezahlung in Naturalien war das. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass Skull-Face dieses Koks größtenteils selbst verbrauchte, anstatt es zu verkaufen.
Skull-Face warf mir einen vernichtenden Blick zu.
Gut, das Blicke nicht töten können, dachte ich.
King Ghost hatte diesen Blick ebenfalls registriert.
Was Skull-Faces Nase anging, reimte sich der Anführer der Devvilish Demons wahrscheinlich einiges zusammen.
In unseren FBI-Dateien gab es unter anderem auch ein psychologisches Gutachten über den Gang-Anführer. Es war im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung irgendeiner Körperverletzung erstellt worden, die King Ghost in seinen jüngeren Jahren begangen hatte. In dem Gutachten wurde unter anderem herausgearbeitet, dass er offenbar sadistisch veranlagt war. Seine Spezialität war es, andere gegeneinander aufzuhetzen, bis sie sich bis aufs Blut an den Kragen gingen. Während seiner Haftzeit war das des Öfteren vorgekommen. Einmal hatte er einen blutigen Tumult im Speisesaal auf diese Weise ausgelöst. Schließlich hatte die Anstaltsleitung für eine Einzelunterbringung gesorgt.
Mir kam plötzlich der Gedanke, ob King Ghost möglicherweise Skull-Face gegen mich aufgehetzt hatte.
Vielleicht, um mich auf seine perverse Art zu testen, in wieweit ich für toughere Jobs geeignet war.
Oder einfach zum puren Vergnügen.
Just for Fun.
Wir stiegen auf die Maschinen, brausten los.
Etwa achtzig Kilometer lagen zwischen der South Bronx und Laurence Harbour. Einmal quer durch Manhattan, durch den Lincoln-Tunnel unter dem Hudson River her ans New Jersey-Ufer. Anschließend weiter südwärts, vorbei an Staten Island an die New Jersey-Küste.
Laurence Harbour war eine kleine mondäne Ortschaft. Die Nähe zum Big Apple machte sie zu einem attraktiven Wohngebiet, ähnlich wie Staten Island. Der Yachthafen lag etwas abseits und war einer der Größten in der Gegend.
Das Hafengelände war mit zweieinhalb Meter hohem Maschendrahtzaun abgesperrt und normalerweise nur zugänglich, wenn man mit einer Chipkarte seine Zugangsberechtigung nachweisen konnte.
In dieser Nacht war das anders.
Das Tor stand weit offen. Zwei Männer im dunklen Anzug, mit MPi über der Schulter und Funk-Head-Set empfingen uns, winkten uns durch. Wie klassische Nachtwächter sahen die Beiden nicht aus. Offenbar handelte es sich um Bodyguards jener mysteriösen Person, die wir schützen sollten.
Hinter uns wurde das Tor geschlossen.
Meine FBI-Kollegen waren mir natürlich auf den Fersen.
Aber sie mussten sich in einen gebührenden Abstand halten.
Auf das Gelände des Yachthafens konnten meine Kollegen wohl kaum vordringen.
Das Risiko war einfach zu groß.
Am Hemdkragen trug ich ein winziges Mikro. Unter den zahlreichen Nieten und Aufnähern meiner Lederjacke befand sich gut getarnt außerdem eine Mini-Videokamera, deren Objektiv etwa Daumenagelgröße hatte. Die Kamera arbeitete mit einem sogenannten Restlichtverstärker, der auch in Nachtsichtgeräten eingesetzt wurde. So waren Aufnahmen bei Dunkelheit im Freien kein Problem. Allenfalls bei einem völlig abgedunkelten Innenraum blieb der Monitor am Ende schwarz.
Der Yachthafen war zwar nachts nicht ganz so üppig beleuchtet, wie ich das aus den Straßenschluchten Manhattans gewohnt war, aber es war ausreichend.
Die Videoaufnahmen, die mit der Kamera an meiner Jacke entstanden, wurden direkt an meine Kollegen gefunkt.
Ein als Lieferwagen getarntes Spezialeinsatzfahrzeug unserer Fahrbereitschaft befand sich in dem "Begleit-Tross", der mir folgte. Von dort aus konnte das Geschehen quasi live auf dem Monitor verfolgt werden.
Wir knatterten mit unseren Maschinen den breiten Weg entlang, der quer über das Hafengelände führte. Vorbei an mehreren Bootshäusern und einigen auf großen Trailern aufgebockten Yachten.
Bootsstege ragten weit hinaus ins Meer.
Die gut vertäuten Yachten drängelten sich dort. Der Großteil der Liegeplätze war belegt.
Ein wellenbrechender Damm schützte den Hafen vor den Gewalten des Atlantiks. Er grenzte das Hafenbecken bis auf einen etwa zehn Meter breiten Ausgang zum offenen Meer ab.
Zwei dunkle, überlange Mercedeslimousinen befanden sich auf dem Vorplatz.
Ein paar Bodyguards in dunklen Anzügen wirkten ziemlich hektisch.
Zu den Devvilish Demons bildeten sie einen eigenartigen Kontrast.
Wir bremsten die Maschinen.
King Ghost stieg von seinem Trike herunter, als einer der Schwarzgekleideten ihn zu sich rief.
Der Anführer der Devvilish Demons trat an eine der beiden Limousinen heran. Die getönte Seitenscheibe hinten links wurde heruntergelassen.
Ich hatte mich günstig postiert, sodass ich hinein sehen konnte.
Das Licht der Laternen fiel in das hagere Gesicht eines Mannes in den Fünfzigern. Hervorspringende Wangenknochen, schwarzer, exakt rasierter Knebelbart und mit Gel zurückgekämmte Haare kennzeichneten ihn.
Ich konnte nicht verstehen, was King Ghost mit dem Bärtigen besprach.
Während die Zwei miteinander redeten, zermarterte ich mir das Hirn darüber, ob ich dieses Gesicht schon einmal in einer unserer Fahndungsdateien gesehen hatte. Ich konnte mich nicht erinnern.
King Ghost kehrte zurück, wandte sich an uns.
"Hier läuft gleich eine Riesenyacht ein. Wer an Bord ist, braucht euch nicht zu interessieren. Ihr müsst nur wissen, dass es jemand ist, der für Mister Taylor da drüben sehr wichtig ist. Ihr sollt seine Gäste etwas beeindrucken..."
King Ghost grinste.
"Hat dieser Mister Taylor so wenig Gorillas zur Verfügung, dass er auf uns angewiesen ist?", fragte ich.
Der Anführer der Devvilish Demons verzog das Gesicht. "Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du zu viel fragst, Jesse!"
"Ich möchte eigentlich nur wissen, wie weit wir den Typen von der Yacht trauen können."
"Überhaupt nicht. Haltet die Augen offen. Falls ihr etwas Ungewöhnliches bemerkt, ballert sofort los. Es ist nämlich noch gar nicht lange her, da wollte der Yachtbesitzer Mister Taylor umbringen..."
Ich kannte keinen großen Gangster mit dem Namen Taylor.
Entweder dieser Mann war ein Licht der zweiten Reihe oder er hatte es bisher geschafft, sich aus dem Focus der Justiz erfolgreich herauszuhalten.
Einer der Gorillas öffnete jetzt die Tür.
Taylor stieg aus, zupfte sich sein Lederjackett zurecht.
Eine Rolex blitzte im Mondlicht.
Er bedachte die Phalanx der Devvilish Demons mit einem abschätzigen Blick.
In der Ferne tauchte jetzt eine Yacht auf. Ein gewaltiges Gefährt, offenbar hochseetauglich. Sie kam vom offenen Atlantik her und steuerte genau auf die Einfahrt des Yachthafens zu.
Bei der Hafeneinfahrt hatte Taylor einen seiner Bodyguards postiert. Die Hafeneinfahrt war gut beleuchtet, so konnte man den Kerl mit seinem Walkie-Talkie gut sehen.
Wir warteten ab.
Die Yacht näherte sich schnell der Hafeneinfahrt, passierte sie schließlich.
Der Motor brummte leise.
Gute zwanzig Meter war dieses Boot lang.
An der Kaimauer legte die Yacht an. Ein Mann sprang mit einem Tau in der Hand an Land und machte sie fest.
"Princess" stand da in roten Buchstaben auf weißem Grund.
Ein Fallreep wurde herabgelassen.
Etwa ein Dutzend Bodyguards stürmten an Land. Sie wirkten wie Angehörige einer Elite-Truppe. Sturmhauben verdeckten die Gesichter. Splitterwesten schützten den Oberkörper. Die Bewaffnung bestand aus MPis und automatischen Pistolen.
Die SIG Sauer P226 erkannte ich bei einigen der Männer.
Diese Waffe war die Standardbewaffnung des FBI und der City Police. Offenbar hatten sich die Vorzüge dieses Sechzehn-Schüssers inzwischen auch anderswo herumgesprochen.
"Waffen raus!", befahl King Ghost an uns gewandt.
Die Devvilish Demons zogen ihre Pistolen, Pumpguns und abgesägten Schrotgewehre hervor. MPis waren auf dieser Seite weniger häufig anzutreffen.
Ich hielt die SIG mit beiden Händen, den Lauf allerdings nach unten gesenkt.
"Was die Feuerkraft angeht, sind die uns überlegen!", knurrte King Ghost. "Aber ich finde, wir haben das coolere Outfit!"
Einige seiner Männer lachten.
Wahrscheinlich um ihre Anspannung zu überdecken.
Ein Mann im braunen Kaschmir-Jackett schritt über das Fallreep. Ich schätzte ihn auf Ende fünfzig. Das Jackett saß ziemlich eng. Ich vermutete, dass er unter seiner Kleidung eine kugelsichere Weste trug. Zwei der maskierten Bodyguards schirmten ihn ab.
Taylor versuchte lässig zu wirken.
Mit zwei seiner in schwarze Anzüge gekleideten Leibwächter ging er auf seinen Gesprächspartner zu.
Der Mann im Kaschmir-Jackett zeigte ein Raubtierlächeln.
Die Beiden gaben sich die Hand.
Ich bedauerte es, kein Richtmikro dabei zu haben. Die Entfernung zwischen mir und den beiden Bossen war einfach zu groß, als dass ich hoffen konnte, irgendetwas von ihrem Gespräch mir später auf Band anhören zu können.
Und unauffällig etwas näher an das Geschehen heranzukommen war in dieser Situation vollkommen unmöglich.
Die Devvilish Demons hatten die Anweisung, sofort zu feuern, wenn irgendjemand eine falsche Bewegung machte. Ich ging davon aus, dass die maskierten Waffenträger auf der anderen Seite ähnliche Befehle hatten. Der geringste Funke reichte aus, um dieses Pulverfass in die Luft gehen zu lassen.
Die beiden Männer sprachen miteinander.
Der Endfünfziger im Kaschmir-Jackett lachte laut auf.
Schnipste mit den Fingern.
Einer der Maskierten lief herbei, reichte Taylor einen braunen Umschlag.
Taylor riss den Umschlag auf, holte ein handgroßes, mit einem weißen Pulver gefülltes Cellophanpäckchen hervor.
Eine Probeportion Kokain offenbar.
Taylor riss das Cellophan mit den Zähnen auf, schüttete sich eine Prise auf den Handrücken.
Er kam nicht mehr dazu, sich das Pulver in die Nase zu ziehen.
Ein Geschoss zischte durch die Luft, riss ein Loch in die Außenwandung der "Princess" hinein.
Das Geräusch des Abschusses folgte Sekundenbruchteile später und ging im Krach der gewaltigen Detonation unter, mit der die Yacht buchstäblich auseinander flog.
Jemand musste einen Granatwerfer oder eine Bazooka benutzt haben.
Schreie gellten durch die Nacht.
Brennende Trümmerteile flogen hoch in den Nachthimmel empor. Einige der maskierten Leibwächter hatten Feuer gefangen, liefen wie brennende Fackeln daher. Die MPis der Maskierten knatterten los.
Natürlich dachten die Gorillas des Kaschmir-Trägers, dass Taylors Leute für diesen Anschlag verantwortlich waren.
Taylors Leibwächter feuerten ebenfalls.
Auf beiden Seiten sanken die Bewaffneten nacheinander getroffen zu Boden.
Über das Mikro an meinem Hemdkragen wandte ich mich an meine Kollegen.
"Ihr müsst eingreifen! Sofort!"
Ich war nicht einmal sicher, ob irgendjemand meine Worte hören konnte. Die Explosionsgeräusche überdeckten alles andere.
Es wurde wild hin und hergeschossen.
Eine zweite Granate folgte.
Sie schlug in Taylors Limousine ein, ließ sie ebenso auseinander fliegen wie die Yacht.
Ich warf mich zu Boden. Gerade weit genug von meiner Harley entfernt, um nicht von der Maschine begraben zu werden, die von der Wucht der Druckwelle umgerissen wurde.
Es war verdammt heiß. Ich schützte das Gesicht mit den Händen so gut es ging.
Kurz zuvor sah ich noch wie King Ghost mitsamt seinem Trike in die Luft geschleudert wurde. Er hatte sich zu nah an der explodierenden Limousine befunden.
"Scheiße, was machen wir jetzt!", schrie der "verrückte" Lunie.
Skull-Face ballerte wild mit einer Automatik herum, bis das Magazin leergeschossen war.
Und das, obwohl kaum noch einer der maskierten Mobster kampffähig war, die den fremden Boss im Kaschmirjackett begleitet hatten.
Sie hatten sich einfach zu nahe an der explodierenden Yacht befunden.
Die mörderische Detonation hatte die meisten von ihnen buchstäblich zerfetzt.
Es bot sich ein Bild des Grauens.
Hier und vermischten sich furchtbare Schreie mit den Geräuschen weiterer Detonationen, die dadurch verursacht wurden, dass sich die Flammen zu den Tanks der Limousinen vorfraßen.
Der unbekannte Killer, der dieses Treffen der Bosse im Visier seiner Bazooka gehabt hatte, dachte allerdings gar nicht daran, aufzuhören.
Er wollte offenbar sämtliche Teilnehmer dieses Treffens in einer Flammenhölle verbrennen lassen.
Er feuerte noch einmal.
Das Geschoss schrammte über den Boden, erfasste eine der auf dem Boden liegenden Harleys. Der Tank explodierte. Eine Flammenspur zog sich über den Asphalt.
Ich schnellte hoch, rappelte mich auf. Ich hob meine Harley auf, startete sie und schwang mich in den Sattel.
Das Hinterrad brach aus, als ich losbrauste.
Überall waren Leichen zu sehen. Zum Teil furchtbar zugerichtet.
Die einzigen Überlebenden waren offenbar Angehörige der Devvilish Demons, was einfach wohl daran lag, dass sie weit genug vom Explosionsherd entfernt gewesen waren, als die Hölle losbrach.
Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, aus welcher Richtung der Bazooka-Beschuss gekommen war.
Und ich war entschlossen, den unbekannten Killer, der dieses Blutbad zu verantworten hatte, nicht ungestraft davonkommen zu lassen.
Dabei spielte es nicht die geringste Rolle, dass es sich um ein Blutbad unter Gangstern handelte.
Mord blieb Mord. Ganz gleich, wer das Opfer war. Und es gab dafür keine Rechtfertigung. Jedenfalls nicht in meinen Augen. Deshalb war ich zum FBI gegangen.
Ich brauste über die Asphaltfläche am Hafen, vorbei an der Slipanlage.
Ein Geschoss zischte dicht an mir vorbei, fuhr in eine der Yachten, die etwa fünfzig Meter weiter vertäut waren.
Auf eine Länge von einem Dutzend Metern wurde der ganze Steg mit in die Luft geschleudert. Die einzelnen Hölzer, aus denen er gefertigt worden war, wurden wie Keulen durch die Luft gewirbelt.
Der Killer ist auf mich aufmerksam geworden, ging es mir durch den Kopf.
Ich raste an einem der Bootshäuser vorbei.
Sekundenbruchteile nachdem ich es hinter mir gelassen hatte schlug auch dort eine Granate ein. Die Holzwände platzten einfach auseinander. Ein Flammenpilz schoss hoch empor.
Ich spürte die mörderische Hitze in meinem Rücken. Die Druckwelle schob meine Maschine von hinten und machte es schwierig, sie unter Kontrolle zu halten.
Das Hinterrad brach aus.
Die Maschine kam zu Boden.
Schleifte seitlich über den Asphalt.
Ich sprang gerade noch rechtzeitig ab, landete auf der angrenzenden Rasenfläche und rollte mich ab.
Einen Augenaufschlag später hatte ich meine SIG in der Faust, lief in geduckter Haltung vorwärts, während mehrere Schüsse dicht über mich hinwegzischten.
Keine hundert Meter bis zum Ende des Geländes hatte ich noch vor mir. Dort zog sich der zwei Meter fünfzig hohe Drahtzaun dahin.
Davor befanden sich mehrere Yachten, die an Land aufgebockt waren. Manche wurden gerade lackiert oder es waren andere Reparaturen durchzuführen.
Ein besonders großes Boot befand sich auf einem Trailer.
Das Boot war eine Segelyacht. Die beiden Masten hatte man abgenommen und längs über das Boot gelegt. Wahrscheinlich brauchte man die Zugmaschine eines Trucks, um dieses Boot mit dem Trailer hinter sich herziehen zu können.
Oben an Deck nahm ich eine Bewegung wahr.
Dort hatten sich die Killer verschanzt.
Ich sah zwei Köpfe.
Aber nur für Sekundenbruchteile.
Ich feuerte die SIG ab. Immer wieder zog ich den Stecher meiner Dienstpistole durch.
Die beiden Killer zogen die Köpfe ein.
Ich arbeitete mich bis zu einem Motorboot vor, dessen Außenhaut eigentlich blau war. Es lag an Land. Jetzt war etwa ein Viertel der Oberfläche rot.
Ich verschanzte mich dahinter und sah einen der Kerle über die Reling der Yacht auf den Trailer steigen. "Seamaid" stand am Heck in verschnörkelten Lettern. Die entsprechenden Schablonen hatte jemand auf dem Boden verstreut zurückgelassen.
Einer der beiden Killer stieg aus dem Boot aus, kletterte die Leiter hinunter, die hinab führte.
Der andere tauchte jetzt blitzschnell hervor.
Er hatte eine gewaltige Waffe im Anschlag.
Das, was ich vermutet hatte.
Eine Bazooka.
Offenbar war er in den letzten Momenten damit beschäftigt gewesen, sie nachzuladen.
Er hielt das Rohr in meine Richtung, feuerte.
Die Ladung schoss mit einer grellweißen Lichterscheinung aus dem Rohr der Bazooka heraus.
Ich sprang auf, machte eine Hechtrolle, während das Boot, hinter dem ich mich gerade noch verschanzt hatte, sich in ein flammendes Inferno verwandelte.
Hart kam ich auf dem Boden auf, wirbelte herum und riss den Lauf meiner SIG empor. Ich schoss.
Aber ich war zu langsam für den Bazooka-Mann.
Er war bereits wieder hinter seiner Deckung verschwunden.
Dafür war der zweite Killer da.
Tauchte jetzt aus seiner Deckung am Bug der "Seamaid" hervor, ballerte mit einer Automatik in meine Richtung.
Haarscharf gingen die Kugeln man mir vorbei.
Ich feuerte zurück.
Er zuckte zusammen, als ihn ein Treffer am Oberkörper erwischte, seine Kleidung aufriss und das Kevlar darunter sichtbar machte.
Diese Killer hatten sich offenbar für sämtliche Eventualitäten vorbereitet.
Der Kerl stöhnte auf, riss noch einmal seine Waffe hoch und schoss in meine Richtung.
Er ließ mir keine andere Wahl. Mit einem gezielten Schuss auf seinen Kopf verhinderte ich, dass er mich tötete.
Getroffen sank er zu Boden, rührte sich nicht mehr.
Ich schnellte hoch, rannte geduckt in Richtung der "Seamaid".
Der Bazooka-Typ tauchte aus seiner Deckung hervor, diesmal allerdings mit einer Automatik, die er im Beidhandanschlag hielt. Entweder er hatte sein Riesenrohr nicht schnell genug nachladen können oder er hatte endlich eingesehen, wie sinnlos es war, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.
Die Pistole hatte ein Laserzielerfassungsgerät aufgesetzt. Der rote Strahl tanzte durch die Luft. Ich warf mich zur Seite. Die erste Kugel zischte nur haarscharf an mir vorbei.
Ich riss die SIG hoch, feuerte sofort zurück.
Ein Ruck ging durch seinen Körper.
Er erstarrte mitten in der Bewegung, fiel getroffen über die Reling.
Regungslos blieb er auf dem Boden liegen.
Ich rappelte mich auf und näherte mich ihm. Als ich ihn erreicht hatte, drehte ich ihn an der Schulter herum, durchsuchte seine Taschen. Ich fand ein Handy, steckte es ein, als ich hinter mir Schritte vernahm. Ich wandte den Kopf zur Seite und sah aus den Augenwinkel heraus...
...Skull-Face!
Er blickte auf den Toten.
Wollte etwas sagen.
Aber in diesem Moment knatterte ein Hubschrauber des FBI über den Hafen. Eine Megafonstimme ertönte, wies alle auf dem Gelände befindlichen Personen an, sich ruhig zu verhalten und die Waffen niederzulegen.
"Das war's dann wohl", sagte ich.
Meine Kollegen würden mich ebenso vorläufig festnehmen wie alle anderen, die dieses Massaker überlebt hatten.
Die Kollegen stürmten bereits das Hafengebiet. An mehreren Stellen wurde der Zaun durchgeschnitten. Das von innen verschlossene Tor öffneten sie mit einer kleinen Sprengladung. Der dazugehörige Knall wirkte gegenüber dem, was meine Ohren in den letzten Minuten hatten mitmachen müssen, schon beinahe verhalten.
Skull-Face schüttelte den Kopf.
"Jetzt erklär mir mal, wie diese Bastarde hier so schnell aufgetaucht sind?", rief er.
"Kann ich dir auch nicht sagen."
"Scheiße, das muss doch seinen Grund haben!"
"Klar, aber es ist kaum noch einer am Leben, der uns darüber Auskunft geben könnte, Skull-Face! Und jetzt gerate nicht in Panik! Wahrscheinlich werden sie uns höchstens für illegalen Waffenbesitz drankriegen. Der Stoff, der wahrscheinlich in der Yacht lagerte ist ja jetzt wohl nicht mehr nachzuweisen..."
Skull-Face verengte die Augen. "Du siehst mir das ein bisschen zu locker, Jesse!"
"Ich mache das Beste draus! Wirf deine Waffe weg. Dann werden sie es später schwer haben, dir zu beweisen, dass sie dir gehört!"
Skull-Face stieß einen unterdrückten Knurrlaut hervor.
Er riss seine Pistole heraus und...
...richtete den Lauf auf mich.
"Ich habe gedacht, du wärst eine Laus, die die Konkurrenz uns in den Pelz gesetzt hat. King Ghost hatte übrigens auch den Verdacht und mich angewiesen, dir mal auf den Zahn zu fühlen."
"Immerhin hat der King mich mit hier her genommen!", erwiderte ich.
Er trat näher auf mich zu. Etwa ein Meter fünfzig stand er jetzt von mir entfernt.
Einen Gang-Bruder nach dem anderen nahmen meine Kollegen jetzt fest.
Ein Notarztwagen fuhr auf das Gelände.
Draußen auf See patrouillierte ein Schnellboot der Coast Guard.
Die Situation war vollkommen unter Kontrolle.
Beinahe...
Skull-Face funkelte mich wütend an. "Alles hätte ich bei dir für möglich gehalten, du Ratte! Aber nicht, dass du ein Cop bist!"
Ich sah auf den Lauf der Pistole, die auf meinen Bauch zeigte. Meine eigene Waffe hielt ich noch in der Rechten.
Es war allerdings zweifelhaft, ob ich sie schnell genug hochreißen konnte, um meinen Gegner rechtzeitig auszuschalten.
"Ich bin kein Cop!", sagte ich.
"Du versuchst so zu reden wie wir, aber mir ist gleich aufgefallen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Ich konnte es nicht richtig einordnen. Aber gerade, als du dich über den toten Scheißkerl gebeugt hast, der mit den Granaten herumballerte.... Du hast ihm das Handy abgenommen. Und da war's mir klar." Er lachte rau. "Ein Cop, der Beweise sichert... Scheiße, ich hab's doch gewusst!"
"Waffe fallen lassen!", rief einer unserer Kollegen.
Es war Orry Medina.
Fred LaRocca befand sich auch in der Nähe.
Ich ließ meine SIG zu Boden fallen.
"Du leidest unter Paranoia, Skull-Face", sagte ich.
Ein Ruck ging durch seinen Körper. Jeder Muskel, jede Sehne schienen in diesem Augenblick unter Spannung zu stehen.
In seinem Hirn arbeitete es.
Ich hob die Hände.
"Mach keinen Mist", sagte ich. "Du hast keine Chance!"
Er zögerte, warf dann ebenfalls die Waffe weg.
Augenblicke später klickten die Handschellen. Sowohl bei ihm als auch bei mir. Ein ungewohntes Gefühl für mich. Orry betete uns die Rechte vor.
"Die ganze Aktion endete leider in einem furchtbaren Blutbad", resümierte Mister McKee, als wir am nächsten Morgen in seinem Büro saßen. Er ging etwas unruhig auf und ab, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit. Schließlich blieb er stehen und sah mich an. "Sie können natürlich nichts dafür, Jesse. Da war offenbar jemand noch dichter an Taylor und seinem mysteriösen Geschäftspartner dran als wir."
"Jemand, der offenbar verhindern wollte, dass die beiden sich einigen", stellte Milo fest, der in dem mit Elektronik nur so vollgestopften Lieferwagen gesessen hatte, in den die Bilder meiner Knopfkamera übertragen worden waren.
Mister McKee nickte. "Eine Kopie des aufgezeichneten Videomaterials werden wir Experten für Lippenlesen in die Hände geben. Möglicherweise lassen sich die Aufnahmen wenigstens teilweise auf diese Weise auswerten." Er gab das Wort an Max Carter von der Fahndungsabteilung. "Aber Sie haben bereits auch so schon einiges aus dem Material herausgeholt, wie Sie mir gesagt haben, Max!"
Agent Max Carter bestätigte das. "Zunächst einmal wissen wir einiges über diesen Taylor. Entsprechende Dossiers stelle ich allen hier anwesenden G-men noch zusammen. Ernesto Taylor war der Laufbursche eines Mannes, von dem jeder von Ihnen schon mal gehört haben dürfte: Raymond Zapata."
"Der Exilkubaner?", fragte Clive Caravaggio.
"Genau der", nickte Stone. Zapata galt als graue Eminenz eines Drogensyndikats mit exzellenten Beziehungen in alle Welt.
"Und konntet ihr den Kerl im Kaschmirjackett auch identifizieren?", hakte ich nach.
"Georges Almali, 57 Jahre, geboren in Beirut, hat neben der libanesischen auch die französische und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Er galt als eine wichtige Größe in einem arabisch geprägten Drogenkartell, das vor allem im Mittelmeerraum aktiv ist."
"Das sieht ja nach einer transkontinentalen Gangster-Verbrüderung aus!", stellte Milo fest.
Max Carter war derselben Auffassung.
"Ja, etwas in der Art müssen wir uns da wohl vorstellen. Allerdings hatte Almali auch immer sehr gute Kontakte zu Landsleuten in New York."
"Ist ein Zusammenhang mit islamistischen Terrorgruppen denkbar? Viele dieser Gruppierungen haben ja traditionell den Libanon als Ausbildungs- und Ruheraum."
Max schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, das erscheint mir ausgeschlossen. Almali ist libanesischer Christ wie im übrigen die meisten Köpfe dieses mediterranen Drogenkartells. Möglicherweise wissen wir etwas mehr über das, was Taylor und Almali miteinander zu besprechen hatten, wenn die Lippenleser ihren Job gemacht haben. Aber ich habe mir das Videomaterial mehrfach intensiv angesehen. Leider ist die Kameraperspektive nicht immer günstig. Manchmal sieht man nur Rücken und Hinterkopf."
Mister McKee hob die Augenbrauen. "Ich reime mir das bislang so zusammen: Taylor arbeitet für Zapata. Vielleicht wollte dieser Almali ihm ein besseres Angebot machen und Zapata hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Einen unbotmäßigen Untergebenen bestraft und einen potentiellen Konkurrenten ausgeschaltet, der vielleicht plante, groß in New York einzusteigen."
"Auf jeden Fall müssen wir Zapata unter die Lupe nehmen", meinte ich. "Wo steckt der überhaupt?"
"Er besitzt eine Villa in Paterson, New Jersey, eine Traumetage an der 5th Avenue und diverse andere Immobilien über die ganze Welt verstreut", berichtete Max Carter.
"Scheint eine Abneigung gegen Hotels zu haben", grinste Milo. "Na ja, wenn man es sich leisten kann!"
Max verzog das Gesicht. "Zapata hat durch seine Drogen-Connections so viel Geld gemacht, dass er wahrscheinlich kurz davor steht, sich aus dem illegalen Teil seiner Geschäfte zurückziehen zu können."
"Was ist mit den beiden Killern, die für das Massaker in Laurence Harbour verantwortlich sind?", erkundigte ich mich.
"Konnten bisher nicht identifiziert werden", berichtete Max. "Sie trugen keine Papiere oder irgendetwas anderes bei sich, was eine Aussage darüber erlaubt hätte, wer sie sind. Einer von beiden hat ziemlich große Füße. Schuhgröße 47. Er brauchte Schuh-Sonderanfertigungen. Wir klappern telefonisch heute aller in Frage kommenden Hersteller ab. Aber das ist wie die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Schließlich muss der Kerl diese Schuhe ja nicht unbedingt in New York erworben haben!"
"Und das Handy?", hakte ich nach.
"Ein Handy mit Prepaid-Karte. Man kann nicht feststellen, wer der Besitzer ist. Das machen diese Leute doch heute alle so. Aber ich habe eine Liste der angenommenen und selbstgewählten Gespräche. Leider gehören die meisten Nummern wiederum zu Prepaid-Geräten."
"Scheint ja eine ziemlich vorsichtige Bande zu sein", war Milos Kommentar.
"Profis!", verbesserte Max. "Das ist die passende Bezeichnung dafür. Allerdings gibt es eine Ausnahme. Kurz vor dem Massaker im Yachthafen von Laurence Harbour wurde einer der beiden Kerle offenbar angerufen. Von einem gewöhnlichen Hausanschluss aus." Max blickte auf einen Zettel, den er vorbereitet hatte. "Doretta Tomlin, Haus Nr. 413 in der 72.Straße. Ein sogenanntes unbeschriebenes Blatt. Ich habe ihren Namen bereits durch NYSIS gejagt..."
NYSIS war ein Datenverbundsystem, dass uns mit den Rechnern sämtlicher anderer Polizeibehörden verband.
"Der Anruf dauerte nur Sekunden", berichtete Max Carter weiter.
"Sieht fast so aus, als hätte dieser angebliche Profi vergessen, sein Handy auszuschalten, als er auf der Lauer lag", meinte ich.
"Vielleicht wartete er auf den Anruf von jemand ganz anderem und hat vorher die Dummheit begangen, die Nummer seines Prepaid-Handys einer Freundin zu geben", vermutete Milo. Er grinste. "Manchmal suchen Frauen ja in den ungünstigsten Momenten das Gespräch..."
"Du musst es ja wissen, Milo", stichelte ich.
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.
Mister McKee nippte an dem Kaffeebecher, den er mit der Linken hielt und anschließend auf seinem Schreibtisch abstellte. Irgendwo zwischen die zahlreichen Telefone, die dort verkabelt waren.
Anschließend wandte er sich an Clive Caravaggio.
"Clive, ich möchte, dass Sie die Fahndung nach Zapata organisieren. Ich möchte wissen, wo er ist und was er tut. Aber er darf davon nichts merken. Eine Abhörgenehmigung für alle Telefonanschlüsse dieses Mannes wird leicht zu bekommen sein."
Clive nickte langsam.
"In Ordnung, Sir."
"Wie man es auch dreht und wendet, Raymond Zapata hängt in der Geschichte irgendwie mit drin. Auch wenn wir noch nicht genau sagen können, welche Rolle er dabei einnimmt." Unser Chef machte eine kurze Pause und wandte sich an mich.
"Wie schätzen Sie Ihre Lage bei den Devvilish Demons ein, Jesse?"
"Skull-Face, einer der wenigen Überlebenden des Laurence Harbour-Massakers, hält mich für einen Cop. Warum auch immer."
"Was glauben Sie, wie er darauf kommt?"
Ich zuckte die Achseln.
"Er hat gesehen, wie ich das Handy des toten Killers an mich genommen habe. Ich wollte unbedingt verhindern, dass einer der anderen Gang-Brüder das Ding an sich nimmt!" Ich hob die Hände. "War vielleicht ein Fehler."
"Ihre Rolle als Angehöriger dieser Gang dürfte damit beendet sein, Jesse."
"Die werden jetzt einen neuen Boss brauchen, Sir. King Ghost ist schließlich ums Leben gekommen."
"Sag bloß, du machst dir Hoffnungen auf den Job!", stichelte Milo.
"Warum nicht? Ich habe einen G-man getötet und das finden die Demons obercool."
"Komm schon, fang nicht an, auch schon hier so zu reden, als wärst du einer von denen!"
Ich wandte mich an Mister McKee. "Wenn Zapata hinter Taylor und den Devvilish Demons steckte, wird er kaum ein so großes Gebiet in der Bronx einfach anderen überlassen. Er braucht die Demons und so könnte ich in seine Organisation eindringen..."
"Kommt nicht in Frage, Jesse", entschied Mister McKee klar und deutlich. "Ihr Mut in allen Ehren, das Risiko ist einfach zu groß!"
"Dieser Skull-Face hatte garantiert eine nicht lizenzierte Waffe und dafür sitzt der doch erst mal 'ne Weile. Lange genug jedenfalls."
"Jesse, Sie wissen so gut wie ich, dass Gerüchte auch durch Gefängnismauern dringen. Außerdem werden Ihre Gangbrüder sich fragen, wieso dieser Skull-Face ein Verfahren bekommt, während Sie schnell wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Nein, nein, dieser Aktion kann ich nicht zustimmen. Stattdessen möchte ich, dass Sie sich um diese Doretta Tomlin kümmern. Auch wenn sie lediglich in privatem Kontakt zu einem der Killer gestanden haben sollte, könnten wir durch sie wertvolle Hinweise erhalten..."
Milo klopfte mir auf die Schulter.
"Nimm's nicht so schwer. Aber das wilde Rockerleben hat erst mal ein Ende für dich. Jetzt kommt die tägliche Routine..."
"Ich kann's kaum erwarten."
Wir suchten Doretta Tomlins Wohnung in der 72. Straße auf.
Haus Nummer 413 war ein Brownstone-Bau mit insgesamt zwölf Geschossen. Im Erdgeschoss befanden sich kleine Geschäfte, ein Frisörsalon und indisches Restaurant. Vom ersten bis zum 6. Stock hatten vorwiegend Firmen von kleinerer bis mittlerer Größe Büroräume angemietet. Oberhalb dieses Bereichs waren Apartments und Wohnungen zu finden.
Milo klingelte zweimal an Doretta Tomlins Wohnungstür, ehe sie uns endlich öffnete.
Eine junge Frau mit dunkel gelockten, bis über die Schultern reichenden Haaren öffnete uns. Sie trug ein enganliegendes T-Shirt und Jeans, was ihre kurvenreiche Figur perfekt zur Geltung brachte.
Zunächst öffnete sie nur die Tür, ließ die Vorhängekette noch an Ort und Stelle und musterte uns durch den Spalt misstrauisch.
"Miss Doretta Tomlin?", fragte ich.
Sie hob die Augenbrauen. "Ja?"
"FBI. Ich bin Special Agent Jesse Trevellian und dies ist mein Kollege Milo Tucker", erklärte ich, deutete kurz in Milos Richtung und reichte ihr meine ID-Card entgegen.
Sie zog die Augenbrauen zusammen, zögerte.
"Na, los nehmen Sie schon und werfen Sie einen Blick auf das Ding", forderte ich sie auf.
Sie nahm die ID-Card mit zwei Fingern, warf einen nach wie vor ziemlich ungläubigen Blick darauf. "Was wollen Sie von mir?", fragte sie.
"Ihnen ein paar Fragen stellen, Miss Tomlin. Aber das würde ich ungern vom Flur aus tun."
Sie atmete tief durch. Ihre vollen Brüste drängten sich dabei gegen den dünnen Stoff ihres T-Shirts.
"Okay", sagte sie.
Sie nahm die Kette weg. Wir traten ein. Sie gab mir die ID-Card zurück.
Ihr Apartment war klein und sehr sparsam eingerichtet. Ein paar Möbel, die aussahen, als wären sie vom Trödler zusammengesucht, standen in dem Hauptraum des kleinen Apartments. Allerdings wirkte diese Einrichtung trotz allem geschmackvoll. Es gab eine Sitzecke mit Couch und zwei Ledersesseln.
Außerdem gab es ein breites Doppelbett, das augenscheinlich nicht gemacht worden war.
"Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?", fragte sie.
"Nein, wir möchten lieber gleich zur Sache kommen", erklärte ich, griff dabei in die Innentasche meiner Jacke und holte zwei Fotos hervor, die die Gesichter der beiden Killer zeigten, die ich im Yachthafen von Laurence Harbour hatte erschießen müssen.
Ich legte die Bilder auf den niedrigen Wohnzimmertisch.
"Kennen Sie einen dieser beiden Männer?"
Sie schluckte, versuchte sichtlich sich nichts anmerken zu lassen. Aber trotz aller Bemühungen konnte sie nicht verhindern, dass ihr Gesicht von einem Augenblick zum anderen fast vollständig die Farbe verlor.
"Warum fragen Sie mich das, Mister..."