21 Entdeckungen - Claus Petersen - E-Book

21 Entdeckungen E-Book

Claus Petersen

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für eine andere Kirche und Theologie

Indem er sich ausschließlich jenen 21 Worten des Neuen Testaments zuwendet, die aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich auf Jesus von Nazaret zurückgehen, legt Claus Petersen ein völlig neues und dabei hochaktuelles Bild der ureigenen Botschaft Jesu frei. Zentral für diese Botschaft ist die Rede vom Reich Gottes. Dieses liegt für Jesus nicht fern im Himmel. Es ist vielmehr schon da und wartet darauf, von den Menschen ergriffen zu werden. Wer dies tut, dem ist es möglich, „richtig“ zu leben, und das System der Entfremdung und Gewalt durch die Einübung einer neuen Lebenshaltung zu überwinden. Dies – und dies allein – war das Anliegen Jesu - und es ist heute nicht minder aktuell als vor 2.000 Jahren.

  • Die Wiederentdeckung der Grundbotschaft des Christentums
  • Die Reich Gottes-Botschaft als Provokation für die Gegenwart
  • Für die Leser von Franz Alt, Richard Rohr, Emmanuel Carrère

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 252

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Claus Petersen

21 Entdeckungen

Was Jesus

wirklich

lehrte

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2020 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlaghintergrund: © diamant24 – fotolia.com

ISBN 978-3-641-25952-5V001

www.gtvh.de

Inhalt

I. Warum dieses Buch?

Eine persönliche Einleitung

II. Anders, richtig, weltverbunden leben

Die Botschaft Jesu von der Teilhabe am Reich Gottes hier und jetzt

1. Die Jesusüberlieferung im Neuen Testament

2. Die 21 Jesusworte

2.1 Genug – ein Inbegriff des Reiches Gottes

Die Seligpreisung derer, die nicht mehr besitzen, als sie wirklich brauchen

(Matthäus 5,3 / Lukas 6,20b)

2.2 Die Tragik des Zuviel

Kamel und Nadelöhr

(Markus 10,25)

2.3 Die Kinder: unsere Lehrmeister

Der Zuspruch des Reiches Gottes an die Kinder

(Markus 10,14b–15)

2.4 Hier und jetzt, nicht irgendwann

Die Einladung zum großen Festmahl

(Lukas 14,16–21a)

2.5 Mit dem Alten ist es unvereinbar

Neuer Stoff, neuer Wein

(Markus 2,21–22a)

2.6 »Unser Leben sei ein Fest!«

Jesu Ablehnung des Fastens

(Markus 2,19a)

2.7 Revolutionäre Freude

Die Entdeckung des Schatzes und ihre Folgen

(Matthäus 13,44)

2.8 Kurs halten, die Orientierung nicht verlieren

»Seine Hand an den Pflug legen und zurückblicken …«

(Lukas 9,62)

2.9 Institutionen sind für den Menschen da, nicht umgekehrt

Vom Sabbat

(Markus 2,27)

2.10 Epochenwechsel!

»Von da an bricht sich das Reich Gottes Bahn«

(Matthäus 11,12f. / Lukas 16,16)

2.11 Nur wer in ihm lebt, nimmt es wahr

»Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch«

(Lukas 17,20b–21)

2.12 »Gleichheit ist Glück«

Die Arbeiter im Weinberg und ihre Entlohnung

(Matthäus 20,1–14)

2.13 Im Miteinander und Füreinander erfüllt sich unser Menschsein

Dienen, nicht herrschen

(Markus 10,43b–44)

2.14 Die Revolution, die Befreiung schlechthin

Vom Austreiben der Dämonen

(Matthäus 12,28 / Lukas 11,20)

2.15 Nichts weniger als eine Weltenwende!

Der Satanssturz

(Lukas 10,18)

2.16 Teufelskreise können durchbrochen werden

Vom Hinhalten der anderen Wange

(Matthäus 5,39b / Lukas 6,29a)

2.17 Reich Gottes: eine Wunderwelt

Von der von selbst fruchtbringenden Erde

(Markus 4,26–28)

2.18 Reich Gottes: von kleinsten Anfängen zur Wohnstatt des Himmels

Vom Senfkorn

(Markus 4,30–32)

2.19 Reich Gottes: alles verwandelnd

Vom Sauerteig

(Matthäus 13,33 / Lukas 13,21)

2.20 Reich Gottes: überwältigendes Wachsen und Gedeihen, trotz allem

Vom Schicksal der Aussaat

(Markus 4,3–8)

2.21 Jetzt geht es um uns

»… du aber mach das Reich Gottes bekannt«

(Matthäus 8,22 / Lukas 9,60)

3. Die Jesusworte im Zusammenhang

III. Klarstellungen

Worum es wirklich geht – auch heute

1. Das Neue Testament – Schatztruhe der Jesusüberlieferung

2. Jesus von Nazaret – Botschafter des Reiches Gottes hier und jetzt

3. Reich Gottes – und nicht das Reich der Dämonen

IV. Sich für das Neue öffnen

Ein persönliches Schlusswort

I. Warum dieses Buch?

Eine persönliche Einleitung

»Papa, ist das alles Welt?« Als kleiner Junge, so erzählten mir meine Eltern, hätte ich meinem Vater auf einer Radtour einmal diese Frage gestellt. Wir waren aus dem eher gleichförmig-flachen Ostfriesland nach Nürnberg gezogen, und mein Vater unternahm mit mir immer wieder kleine Ausflüge in die Fränkische Schweiz. Ich saß in einem am Lenker befestigten Kindersitz vor ihm und genoss wahrscheinlich wie er die abwechslungsreiche Landschaft. »Ist das alles Welt?« – für ein Kind in diesem Alter sicher eine ungewöhnliche Frage. Das wird auch der Grund dafür gewesen sein, weshalb meine Eltern diese Szene nicht vergessen haben. Mir kommt es heute so vor, als habe sich damals schon das große Thema meines Lebens angekündigt: die Botschaft Jesu vom Reich Gottes.

Meine Eltern lebten bewusst in der christlichen Tradition und nahmen ihren Glauben sehr ernst. Der Besuch der Gottesdienste, die Mitarbeit in einer evangelischen Freikirche (Baptisten), die Pflege religiöser Riten waren bei uns zu Hause selbstverständlich. Nachdem ich vor der Gemeinde mein persönliches Glaubensbekenntnis abgelegt hatte, wurde ich im Alter von erst zehn Jahren – in jener Freikirche ein ungewöhnlich früher Zeitpunkt – getauft. Neben dem schulischen besuchte ich den gemeindeinternen Religionsunterricht. Der Kernsatz des christlichen Glaubens, der alles auf den Punkt bringe, so lernte ich dort, stehe im Johannesevangelium Kapitel 3, Vers 16: »Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.« Die Namen der Bücher des Alten und Neuen Testaments kann ich heute noch in hohem Tempo aufsagen.

Mein schon früh erwachtes oder gewecktes Interesse an Bibel und Christentum wurde von meinen Eltern nach Kräften unterstützt und gefördert. Leidenschaftlich vertiefte ich mich schon in jungen Jahren in eine unter dem Titel »6000 Jahre und ein Buch« erschienene Darstellung der Entstehungsgeschichte der Bibel. Mich faszinierte die Entdeckung alter Handschriften, die uns in die Lage versetzen, dem ursprünglichen Wortlaut der biblischen Texte möglichst nahezukommen. Diese liegen uns ja nicht im Original, sondern nur in Form von vielfach voneinander abweichenden Abschriften vor. Auch wenn ich einmal als Prediger in einer freikirchlichen Gemeinde tätig sein wollte, wozu der Besuch des Predigerseminars ausgereicht hätte, stand für mich meines geschichtlich-wissenschaftlichen Interesses wegen fest, an einer Universität Theologie zu studieren. Um die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erlangen, ging ich auf ein humanistisches Gymnasium. In der Oberstufe hatte ich die Gelegenheit, an einem Hebräisch-Wahlkurs teilzunehmen, und legte noch vor dem Abitur an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen das Hebraicum ab.

Bei der Lektüre des griechischen Neuen Testaments war ich schon bald auf den Begriff »Reich Gottes« aufmerksam geworden, auf Griechisch in Umschrift: »hä basilëia tou theou«, was – wörtlich übersetzt – »das Reich/die Königsherrschaft des Gottes« heißt. Als uns erklärt wurde, dass im Griechischen der zweite Fall zwischen dem Artikel und dem Begriff, den er näher bestimmt, eingefügt wird, fiel mir auf, dass das Neue Testament hier offensichtlich von dieser grammatikalischen Regel abwich. Als ich meinen Lehrer darauf ansprach und ihn fragte, ob es denn nicht richtig »hä tou theou basilëia« heißen müsse, erklärte er mir, dass das neutestamentliche Griechisch nicht mehr in allem den Regeln des klassischen Griechisch folge und manches vereinfacht worden sei. So bin ich damals schon auf den Begriff »Reich Gottes« gestoßen, der später für mich eine so große Bedeutung gewinnen sollte.

So wie es mich schon als Kind fasziniert hatte, wie die Entdeckung alter Bibelhandschriften eine immer noch präzisere Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts der biblischen Schriften ermöglichte, so erfuhr ich in meinem Studium, wie diese Texte selbst entstanden sind, aus welchen Traditionen sie gebildet und dass sie schon sehr früh auch bearbeitet und verändert wurden. Meiner ersten Predigt, die ich bereits während meines Studiums in jener Freikirche gehalten habe, lag das Reich-Gottes-Gleichnis vom Schatz im Acker (Matthäus 13,44) zugrunde.

Natürlich erfuhren wir im Studium auch, dass Jesus das Reich Gottes verkündigt hat, dass dies das Thema seiner Botschaft gewesen ist. Damit aber, so wurde mir durch die genauere Analyse der betreffenden Bibeltexte immer deutlicher, meinte er nicht etwa den Himmel oder das Jenseits, auch keine zukünftige oder im Anbruch befindliche andere Welt, sondern er bezog diesen Begriff auf die Welt, in der wir jetzt gerade leben. »Reich Gottes« war für Jesus nicht etwas, das noch aussteht, auf das es noch zu warten gilt, sondern etwas, an dem wir hier und jetzt teilhaben können und teilhaben sollen. Genau dies scheint der Kern seiner Botschaft gewesen zu sein. Wo aber ist davon heute die Rede?

Schon bald wurde mir klar, dass dieser ganz und gar neue Stoff, dieser völlig neue Wein, womit Jesus einmal seine Reich-Gottes-Botschaft vergleicht, sehr schnell wieder in Vergessenheit geraten ist. Und diese »Reich-Gottes-Vergessenheit«, wie ein leider schon verstorbener guter Bekannter diesen das reale Christentum geradezu kennzeichnenden Tatbestand genannt hat1, begann nicht erst im 4. Jahrhundert, als das Christentum immer mehr begünstigt und schließlich zur Staatsreligion erklärt wurde. Sie setzte auch nicht etwa wenige Jahrhunderte früher ein, nachdem die Schriften des Neuen Testaments abgefasst und zusammengestellt worden waren. Bereits im Neuen Testament selbst spielt die Botschaft Jesu von Nazaret so gut wie keine Rolle mehr. Stattdessen ist er selbst zur Botschaft gemacht worden, seine Person, sein Geschick, vor allem sein als Erlösungsgeschehen gedeutetes Leiden und Sterben am Kreuz. Das sogenannte apostolische Glaubensbekenntnis – »sogenannt«, weil es keineswegs, wie schon früh behauptet, von den Aposteln, also von den Jüngern Jesu, formuliert worden ist, sondern aus dem 5. Jahrhundert n.Chr. stammt – ist dafür das beste Beispiel: Weder das Reich Gottes noch überhaupt die Botschaft Jesu werden dort auch nur mit einer einzigen Silbe erwähnt.

Sicher: Jene Flamme, die Jesus damals mit seiner Lebensbotschaft entzündet hat, ist noch nicht ganz erloschen, die Glut glimmt noch. Aber kann es sein und darf es dabei bleiben, dass das jesuanische Evangelium vom Reich Gottes in den Kirchen, im Christentum, in unserer Welt so gar keine Rolle mehr spielt? Und dies, obgleich in den letzten beiden Jahrhunderten wissenschaftliche Methoden entwickelt worden sind, mit deren Hilfe es möglich ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit authentischen, »echten« Jesusworte aus den Überlieferungen des Neuen Testaments gleichsam wieder herauszuschälen? Im nächsten Kapitel werde ich darauf ausführlich eingehen.

Mich jedenfalls hat das, was damals mit Jesus in die Welt gekommen ist, nicht mehr losgelassen. Es ist zu meinem Lebensthema geworden. Immer wieder habe ich versucht, in Aufsätzen und Büchern, Referaten und Rundfunkbeiträgen auf die ursprüngliche und eigentliche Botschaft Jesu hinzuweisen. Meine Impulse sind nicht ohne Resonanz geblieben. So führte mein im Jahr 2000 in die Rubrik »Baustelle Jesus« der Zeitschrift Publik-Forum eingebrachter Aufsatz: »Wie Jesus an das Reich Gottes glauben« zur Gründung der »Ökumenischen Initiative Reich Gottes – jetzt!«, die bis heute besteht. Unser Positionspapier beginnt mit dem programmatischen Satz: »Wir wünschen uns eine Reform der Kirchen auf der Basis der Reich-Gottes-Botschaft des Jesus von Nazaret.«2

Von Anfang an hat diese Initiative versucht, der von ihr intendierten Reform ein Gesicht zu geben. Zunächst gestalteten wir unter dem Motto »Heaven on Earth – der andere Gottesdienst« in den Jahren 2003 bis 2005 eine Reihe von Feiern des Reiches Gottes in einer evangelischen Kirche oder Kapelle in Nürnberg. Erstmals am 16. Januar 2009 lud dann nicht mehr die Initiative, sondern die Evangelisch-Lutherische Kirche in Nürnberg selbst zu einem »Reich-Gottes-Gottesdienst« in die Nürnberger Sebalduskirche ein. Durch dieses Projekt sollten »Gestaltungsweisen für Gottesdienste, die den Reich-Gottes-Gedanken ins Zentrum stellen, erprobt« werden. In der Regel dreimal im Jahr kamen Menschen seitdem an einem Freitagabend zu einer solchen Feier in einer Nürnberger Innenstadtkirche zusammen, in die immer eine Mahlfeier als zentrales Element integriert war. – Darüber hinaus bin ich einmal von einer evangelischen Kirchengemeinde außerhalb Nürnbergs dazu eingeladen worden, mit ihr eine »Feier unserer Weltverbundenheit« zu gestalten. Sie fand an einem Sonntagvormittag statt und endete mit einem als Mahlfeier gestalteten gemeinsamen Essen.

Aber all diese Funken, die in den zurückliegenden Jahren geschlagen wurden, haben noch kein Feuer entfacht. Der Windhauch ist nicht zu einem Sturm der Veränderung angeschwollen. Die Wiederentdeckung der Jesusbotschaft hat nicht zu einer »trefflichen, unüberwindlichen Reformation« geführt, wie der Reformator und Revolutionär Thomas Müntzer sie im 16. Jahrhundert gewünscht und erwartet hat und der er sich mit Haut und Haaren verschrieb.3 Und Müntzer ging es nicht nur um eine Erneuerung der Kirche, sondern um die Umwandlung der ganzen Gesellschaft.

Immer wieder habe ich natürlich auch in meiner Funktion als Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern – in diese war ich eingetreten, nachdem ich erkennen musste, dass ich in jener Freikirche meiner inzwischen gewonnenen Überzeugungen wegen keinen Platz mehr hatte – die Jesusbotschaft zum Thema gemacht. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass ich mich immer kritischer auch mit kirchlichen Traditionen auseinandersetzte. Ich sah mich schließlich nicht mehr in der Lage, das Abendmahl in der vorgegebenen Form zu feiern, die ja nicht etwa der Reich-Gottes-Botschaft Jesu Ausdruck verleiht, sondern ganz und gar von der paulinischen Sühnetheologie bestimmt ist. Meine tiefgreifenden Bedenken und die daraus meines Erachtens zu ziehenden Konsequenzen habe ich aber auch durch mehrere Publikationen offengelegt. Seitdem war es mir leider versagt, weiterhin als Gemeindepfarrer tätig zu sein. Bis zu meinem Ruhestand arbeitete ich in einem diakonischen Unternehmen in Nürnberg. Allerdings ermöglichte mir die Kirchenleitung, in den letzten knapp zehn Jahren meiner beruflichen Tätigkeit zusammen mit einem kleinen Team mehrmals im Jahr die bereits erwähnten Reich-Gottes-Gottesdienste zu gestalten. Sie orientierten sich bezüglich Liturgie und Inhalt ausschließlich an der jesuanischen Reich-Gottes-Botschaft.

Aber ich kann auch in meinem »Ruhestand« nicht aufhören, das, was ich meine erkannt zu haben und was mir so wichtig geworden ist in meinem Leben, weiterzusagen. So möchte ich Sie einladen, meine Wahrnehmungen und Überzeugungen kennenzulernen und vielleicht ja sogar mit mir zu teilen. Dabei werde ich anders vorgehen als bisher: Sie finden hier keine Abhandlung, die die wissenschaftliche Begründung für meine Sicht der Lehre Jesu in den Vordergrund stellt. Ich werde vielmehr erzählen, wie man der Jesusbotschaft wieder auf die Spur kommt, vor allem aber auch, was sie heute für uns Menschen, ja für die ganze Welt bedeuten kann. In Kursivschrift werde ich immer wieder einmal persönliche Erinnerungen einflechten. Ich möchte Sie auf eine Entdeckungsreise mitnehmen, die für mich immer noch nicht zu Ende ist. Die Freilegung des jesuanischen Evangeliums hat mich vieles ganz neu zu sehen und vor allem auch, wie ich meine, »richtig« zu leben gelehrt. Sie könnte uns helfen, von einem falschen, einem entfremdeten, einem verfälschten Leben zu einem Leben in seiner ganzen Fülle zu gelangen.

Am Horizont jenes neu entdeckten Landes zieht eine ganz andere Art von Religion herauf, die in der Jesusbotschaft schon aufscheint. Nicht eine von der Welt zu unterscheidende Gottheit steht in ihrem Zentrum, sondern die Göttlichkeit, die Heiligkeit der Welt selbst, in der wir leben und zu der wir gehören. Sie betrifft nicht nur das Innere, die Seele des Menschen, sondern diese ganz konkrete Wirklichkeit: Wir existieren nicht mehr abgetrennt von ihr, sondern spüren, dass sich unser ganzes Leben in ihr und mit ihr vollzieht. Um diese ganz neue Art von Religion also, um diese »Welt-Religion«, geht es in diesem Buch. Gestiftet wurde sie von Jesus durch seine Reich-Gottes-Botschaft.

1 Es handelt sich um den evangelischen Theologen Jochen Vollmer (1939–2014); Zitat: »Zu beklagen ist die Reich-Gottes-Vergessenheit des Apostolikums.« (Jochen Vollmer, Wir glauben an den Gott des Friedens. Bausteine zu einem Katechismus, Oekumenischer Informationsdienst Thema 17, Stuttgart 2010, S. 15; Hervorhebung im Original) »Apostolikum« ist ein anderer Name für das apostolische Glaubensbekenntnis.

2 Das Positionspapier und viele weitere Informationen zur »Ökumenischen Initiative Reich Gottes – jetzt!« sowie auch einige der in diesem Buch erwähnten Texte finden sich auf der Internetseite https://www.reich-gottes-jetzt.de.

3 Die Worte stammen aus einer aufrüttelnden Predigt, die Thomas Müntzer am 13. Juli 1524 auf dem Schloss zu Allstedt an seinen sächsischen Landesherrn gerichtet hat, der sogenannten Fürstenpredigt (vgl. Thomas Müntzer, Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe. Unter Mitarbeit von Paul Kirn herausgegeben von Günther Franz, Gütersloh 1968, S. 255, 16 und S. 255, 24f.).

II. Anders, richtig, weltverbunden leben

Die Botschaft Jesu von der Teilhabe am Reich Gottes hier und jetzt

21 Kapitel umfasst der Hauptteil dieses Buches. Jedes ist einem der 21 Worte des Neuen Testaments gewidmet, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich auf Jesus von Nazaret zurückgehen. Es sind Worte und Geschichten von großer Leuchtkraft. Jedes Kapitel stellt die befreiende, ja revolutionäre Bedeutung jedes einzelnen dieser Jesusworte für unseren ganz konkreten Alltag und für die Welt heraus, in der wir jetzt leben. Dabei wird immer klarer werden, dass sie alle in einem tiefen inneren Zusammenhang stehen: Jesus war von der Gewissheit durchdrungen, dass es möglich ist, hier und jetzt am Reich Gottes teilzuhaben. Was das heißt und wie das geschehen kann, davon handeln seine Worte und darum geht es in diesem Buch.

Wie aber bin ich zu diesen Aussagen über die Jesusbotschaft gelangt? Ist es denn möglich und überhaupt sinnvoll, die ursprüngliche Jesusbotschaft heute noch zu ermitteln? Diesen Fragen ist das nächste Kapitel gewidmet, bevor dann die einzelnen Jesusworte selbst im Zentrum stehen.