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Dieses Buch enthält folgende Romane: Kunterbunt verliebt (Anna Martach) Zu stolz, um zu verzeihen (Alfred Bekker) Schüsse im Hochwald (Alfred Bekker/W.A.Hary) Sie kennen sich schon ihr ganzes Leben lang und jeder weiß, dass sie irgendwann heiraten werden. Doch Anne kommen Zweifel, ob es wirklich so sein sollte, und sie bittet Rainer um eine Trennung, um sich ihrer Gefühle zu ihm sicher zu werden. Diese sind durch einen jungen Burschen aus der Stadt gehörig durcheinandergebracht worden. Rainer respektiert Annes Wunsch und wendet sich einem anderen Mädchen zu.
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Seitenzahl: 316
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Kunterbunt verliebt
Zu stolz, um zu verzeihen
SCHÜSSE IM HOCHWALD
Dieses Buch enthält folgende Romane:
Kunterbunt verliebt (Anna Martach)
Zu stolz, um zu verzeihen (Alfred Bekker)
Schüsse im Hochwald (Alfred Bekker/W.A.Hary)
Sie kennen sich schon ihr ganzes Leben lang und jeder weiß, dass sie irgendwann heiraten werden. Doch Anne kommen Zweifel, ob es wirklich so sein sollte, und sie bittet Rainer um eine Trennung, um sich ihrer Gefühle zu ihm sicher zu werden. Diese sind durch einen jungen Burschen aus der Stadt gehörig durcheinandergebracht worden. Rainer respektiert Annes Wunsch und wendet sich einem anderen Mädchen zu.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 99 Taschenbuchseiten.
Sie kennen sich schon ihr ganzes Leben lang und jeder weiß, dass sie irgendwann heiraten werden. Doch Anne kommen Zweifel, ob es wirklich so sein sollte, und sie bittet Rainer um eine Trennung, um sich ihrer Gefühle zu ihm sicher zu werden. Diese sind durch einen jungen Burschen aus der Stadt gehörig durcheinandergebracht worden. Rainer respektiert Annes Wunsch und wendet sich einem anderen Mädchen zu.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Das hübsche Mädchen trat zornig gegen den Reifen des Autos, dann schimpfte es laut und lief schließlich verärgert um das Auto herum, bevor es noch einmal gegen den Reifen trat.
Sie sah ausgesprochen reizend aus: Kastanienbraune Locken umrahmten ein schmales Gesicht, in dem leuchtend blaue Augen jetzt wütend blitzten, und die Wangen waren vor Erregung leicht gerötet. Die Kleidung allerdings schien nicht so ganz in diese ländliche Idylle zu passen, in der die junge Frau sich gerade aufhielt.
Ein schreiend buntes T-Shirt mit glitzernden Pailletten bedeckte kaum den Oberkörper, eine hautenge Lederhose betonte die schlanke Figur, ließ aber keinen Platz für Vermutungen, jede Rundung war gut zu sehen.
In den Ohren hingen regelrechte Satellitenempfänger, die fast bis auf die Schultern reichten, und die Hände waren an sechs Fingern mit Ringen geschmückt. Sie schaute aus wie ein Paradiesvogel, ganz besonders hier, wo sich in der Nähe ganz sicher keine Disco befand, in der sie mit ihrer Aufmachung Eindruck schinden konnte.
»Du blöde Kiste! Warum musst ausgerechnet jetzt einen Platten kriegen?« Kerstin Krenz stemmte die Hände in die Hüften und seufzte abgrundtief, dann stampfte sie zornig mit den hochhackigen Schuhen auf den Boden. Warum war sie auch auf die dumme Idee gekommen, hier heraus in die Landschaft zu fahren? Ach, das alles lag ja nur daran, dass sie die Trennung von Schorsch noch immer nicht überwunden hatte. Und dabei war das doch schon ein halbes Jahr her.
Aber Kerstin konnte es nur schwer verwinden, dass ein Mannsbild es gewagt hatte, ihr den Laufpass zu geben. Sonst hatte sie das stets getan, mit den Männerherzen gespielt, ohne daran zu denken, dass sie diese auch brach. Zum ersten mal hatte sie die Erfahrung gemacht, dass es weh tun konnte, wenn eine Freundschaft zerbrach.
Aber eigentlich war das doch jetzt egal, sollte der Schorsch doch dahin gehen, wo der Pfeffer wuchs. Sie wollte einfach wieder jemanden finden, der mit ihr lachte und scherzte, sie busselte und mit dem sie sich necken konnte.
Aber zuerst wollte sie, dass ihr Auto wieder funktionierte, Wenn sie mir wüsste, wie.
Warum gab es hier eigentlich niemanden, der ihr half? Kein Mensch zu sehen, so als ob sie doch tatsächlich allein auf der Welt wäre.
Oder doch nicht?
Auf der schmalen Landstraße näherte sich ein Auto. Kerstin rannte dem Wagen entgegen, heftig winkend und rufend, wobei sie aufpassen musste, mit ihren Schuhen nicht umzuknicken und sich womöglich noch zu verletzen. Der Fahrer bremste, sonst wäre sie ihm wohl auch direkt ins Auto gelaufen. Ein Bursche stieg aus, bei dem der Kerstin fast die Augen aus dem Kopf fielen. Wo hatte sich denn dieses fesche Mannsbild bisher versteckt gehalten? Na, darum konnte sie sich gleich kümmern, wichtiger war, dass der ihr mit dem Auto half.
Rainer Moosburger, der fesche Bursche, war etwas unwillig. Er war eh schon spät dran, um zu einer Verabredung mit seiner Anne zu kommen. Anne und er würden im Spätherbst heiraten. So hatten es ihrer beider Eltern beschlossen, als der Bub und das Dirndl selbst noch Kinder gewesen waren. Und bisher hatte keiner von ihnen etwas dagegen gehabt. Der Bub und das Madl waren fast wie Geschwister aufgewachsen, jeder kannte den anderen, es gab auch keine Geheimnisse oder Eskapaden. Ideale Voraussetzungen für eine Ehe. Dazu kam, dass durch die Heirat endlich auch die beiden Höfe zusammengelegt wurden, und das konnte massive wirtschaftliche Vorteile bringen. Alles in allem eine klare Sache. Da Rainer seine Anne auch sehr lieb hatte, war es für ihn eine Ehrensache, zu einer Verabredung auch nicht zu spät zu kommen. Er hatte in der Stadt zu tun gehabt und freute sich jetzt darauf, wieder ein vernünftiges Madl vor die Augen zu bekommen, net diese überdrehten Schnepfen, die nur an sich selbst dachten.
Außerdem hatte Anne für heute einen Apfelkuchen versprochen, und Rainer war ganz wild darauf. Außerdem wollte das junge Paar später einen Film ansehen. Deshalb hatte der Bursche es ausgesprochen eilig. Diese Verzögerung passte ihm gar nicht.
Doch er hielt an. Das hätte er auch getan, wenn sie sich nicht praktisch auf den Wagen geworfen hätte. Hier draußen auf dem Land war Hilfsbereitschaft nicht nur ein leeres Wort.
Aber gut gewachsen war das Madl. Rainer warf ihr verstohlen einen anerkennenden Blick zu. Wenn das Madl sich jetzt auch noch anständig anziehen würde nicht diese unpraktischen, neu modischen Fummel und hochhackigen Schuhe, dann konnte sie richtig fesch ausschauen.
Jedenfalls stieg der Bursche aus und wurde gleich mit einem Wortschwall überfallen.
»Schauen S’ doch bittschön nach meinem Auto. Der Reifen ist ganz einfach kaputtgegangen. Und ich weiß nun wirklich net, was ich da tun soll. Ausgerechnet hier, wo kein Mensch lang kommt. Ich bin ja so froh, dass Sie heroben lang gefahren sind.« Diese Worte wurden fast ohne Punkt und Komma hervorgestoßen und von einem koketten Augenaufschlag begleitet.
»Ja, ja, ist schon recht«, meinte Rainer beruhigend. »Also einen Platten haben Sie? Ist ja nix Schlimmes. Das bring ich Ihnen in Ordnung, dann können S’ weiterfahren.« Er öffnete den Kofferraum des Autos und begann den Kopf zu schütteln.
»Ja, haben S’ denn eigentlich so gar nix dabei, was man so braucht?«, fragte er verwirrt.
Kerstin schaute ihm über die Schulter und schüttelte verwundert den Kopf. »Ja, was tät’ ich denn brauchen?«
»Einen anderen Reifen zum Beispiel, Werkzeug, einen Wagenheber. Das sind doch die Sachen, die jeder im Kofferraum hat.«
Das Madl blickte ihn mit großen Augen an. »Sie meinen, diese sperrigen, schmutzigen Dinger? Aber die nehmen doch nur unnötig Platz weg. Schauen S‘ ich bin im Urlaub gewesen, und da hab ich all das weggetan. Schließlich muss man doch eine Menge mitnehmen. Wer braucht denn schon so was wie Metallstangen und so ein Dingsda, an dem man sich nur die Fingernägel abbricht?«
Der Bursche seufzte, doch als er Kerstin noch einmal anschaute, verrauchte sein Zorn. Sie war einfach reizend, so wie sie ausschaute. Und wenn sie keine Ahnung davon hatte, wie ein Reifenwechsel funktionierte, na gut, da war sie bestimmt net die Einzige.
»Sie hätten das jetzt aber gebraucht«, brummte der Bursche gutmütig. »Na, woll’n mal schaun, ob ich Ihnen anders helfen kann. Ich fürcht’ allerdings, das schaut bös aus. Werkzeug und Wagenheber hätt’ ich wohl dabei. Aber ganz sicher keinen Reifen in dieser Art.«
Während seiner Worte hatte der Rainer den eigenen Kofferraum geöffnet.
»Na, schauen S’, da haben S’ doch auch ein Rad«, erklärte Kerstin entzückt. »Dann drehen S’ das doch drauf, bittschön.«
Rainer lachte auf. Dieses Madl war einfach köstlich in seiner Naivität. »Schauen S’, das geht net«, erklärte er also geduldig. »Das sind ganz verschiedene Größen, da tät’ das Auto so fahren, als wenn S’ Schuhe mit verschieden hohen Absätzen laufen täten.«
»Oh, das geht also gar net?«
Rainer schüttelte den Kopf. »Nein, das geht net. Aber wenn S’ mögen, dann nehm’ ich Sie mit in den Ort, von da aus können S’ dann eine Werkstatt anrufen, die bringt das dann in Ordnung.«
»Das ist schrecklich nett von Ihnen. Was tät’ ich jetzt nur ohne Sie?«
Der Bursche hatte eine leicht ironische Bemerkung auf der Zunge, doch er sagte nichts. Dieses Madl verwirrte ihn, es war so ganz anders als all die, welche er kannte. Und völlig anders als seine Anne, die ganz sicher kein Mannsbild gebraucht hätte, um einen Reifen zu wechseln. Die Anne wusste sich wirklich fast immer zu helfen.
Kerstin verschloss das Auto und stieg zu Rainer in den Wagen, dann rümpfte sie leicht die Nase. Der grinste.
»Machen S’ sich nix draus, wie’s hier riecht. Ich arbeite auch im Stall, und da kann’s schon mal so riechen.«
»Im Stall? Und was tun S’ da?«, fragte die Kerstin neugierig.
»Ja, haben S’ denn noch nie einen Bauernhof gesehen?«, wollte er jetzt verwirrt wissen.
»Nein.«
»Na, wenn’s denn so ist das können wir dann sicher noch einrichten. Mein Name ist übrigens Rainer Moosburger.« Er streckte ihr die Hand entgegen, die das Madl vorsichtig ergriff.
»Und ich bin die Kerstin Krenz. Außerdem bin ich Ihnen dankbar für Ihre Hilfe.«
»Ach, net der Rede wert. Wir fahren jetzt zu meiner Freundin, da kriegen S’ erst mal eine ordentliche Brotzeit, wenn S’ mögen. Und dann können S’ auch telefonieren.«
»Ihre Freundin?« Die Enttäuschung im Gesicht des Madls war nicht zu übersehen, doch dem Rainer entging das völlig.
»Die Anne ist ein lieber Kerl, die hilft auch weiter.«
Schon vor dem schönen alten Fachwerkhaus der Familie Huber konnte man riechen, dass sich ein wunderbarer Kuchen im Rohr befand. Der verlockende Duft drang auch zu den beiden jungen Leuten, die jetzt aus dem Auto stiegen.
»Schön hat es Ihre Freundin hier«, bemerkte Kerstin Krenz.
»Ja, aber bei uns heroben schaut’s fast genauso aus.«
Die Kerstin stöckelte auf ihren hohen Absätzen über den Boden, der mit Kopfsteinpflaster belegt war.
»Passen S’ auf, hier ist’s etwas uneben. Hier draußen haben wir net so feine Straßen und Plätze wie in der Stadt.«
Die Anne Huber kam aus dem Haus gelaufen, und sofort wurden die Unterschiede zwischen beiden Madln ganz deutlich. Kerstin war wirklich ein typischer Stadtmensch, modische Kleidung, eine aufwendige Frisur, Haut und Nägel geschminkt, in dieser Gegend eigentlich etwas unpassend wirkend.
Anne hingegen war die Schönheit vom Lande. Leuchtend blondes Haar trug sie in einem praktischen Pferdeschwanz. Ihre Jeans und ein einfacher Pullover, auf dem sich einige Spuren von Mehl befanden, zeigten an, dass sie keinen großen Wert darauf legte, wie eine Modepuppe auszusehen, und ihre frische gesunde Gesichtsfarbe machte den Gebrauch von Schminke überflüssig.
»Grüß Gott«, rief sie höflich. »Ich hab’ net mal gewusst, dass der Rainer einen Besuch mitbringt, sonst hätt’ ich was Besseres anzubieten als Apfelkuchen und Milchkaffee. Hallo, ich bin die Anne Huber.«
Die junge Städterin blickte das Madl an wie eine Erscheinung. Gab’s das wirklich noch? Ein Madl, das ausschaute wie ja, wie aus dem Mittelalter? Völlig natürlich, fröhlich und so ganz anders.
»Das ist die Kerstin«, stellte der Rainer jetzt vor. »Sie hat mit dem Auto eine Panne und müsst’ den Sepp anrufen, dass der hilft. Du hast doch nix dagegen?«
»Oh, das tut mir leid«, erklärte Anne voller Mitgefühl. »Natürlich können S’ hier das Telefon benutzen. Und dann gibt’s Kuchen. Oder mögen S’ lieber eine handfeste Brotzeit?«
Kerstin wollte gar nicht so genau wissen, was Anne unter einer handfesten Brotzeit verstand, dies Madl schaute net aus, als müsst’ es sich um seine Figur Sorgen machen, die langte bestimmt kräftig zu. Sie ließ sich das Telefon zeigen und stand dann gleich vor der für sie schier unüberwindbaren Aufgabe, dem Mannsbild am anderen Ende klarzumachen, welche Art von Reifen ihr Wagen brauchte. Hilfesuchend schaute sie auf den Rainer, der das Madl dann aber beruhigend anlächelte.
»Das haben wir gleich«, versprach er und klärte das Problem.
Zwei Stunden später war Kerstin wieder auf dem Weg in die Stadt, und Anne saß mit Rainer auf einer Bank vor dem Haus. Für den Film war es eh schon zu spät geworden.
»Da hast aber ganz ordentliche Stielaugen gemacht«, bemerkte das Madl spöttisch.
»Ich? Da hast aber doch wohl schief geschaut. Ich bitt’ dich, Anne, die ist aus der Stadt und hat keinen Schimmer, wie’s hier zugeht. Die weiß ja net einmal, was man im Stall tut. Und wahrscheinlich kauft s’ Milch aus der Tüten, ohne zu wissen, dass die erst aus der Kuh gemolken werden muss.«
Anne lachte leise auf. »Kannst es ihr ja beibringen.«
Der Bursche wirkte irgendwie unglücklich. Kannte die Anne ihn wirklich so gut, dass sie gleich bemerkte, wenn er einem anderen Madl auch nur nachschaute? Aber da war doch nun wirklich nix dabei.
»Du, ich wollt sowieso mal mit dir reden«, sagte Anne jetzt ganz ernst.
»Wieso, gibt’s was Wichtiges?« Er schaute sie fragend an, und tief in ihren wunderschönen blauen Augen sah er Sorge und auch ein klein bissel Angst. Spontan griff er nach ihrer Hand, um sie zu trösten.
»Was ist denn? Hast Sorgen? Dann komm, mir kannst doch alles sagen.«
»Das ist gar nicht so einfach«, seufzte Anne. »Wir zwei kennen uns schon unser ganzes Leben, und nie haben wir dran gedacht, dass es mal anders sein könnte, als dass wir demnächst heiraten und bis ans Ende unserer Tage beisammen sind. Aber nun ist da plötzlich was anders geworden. Weißt, ich hab’ da einen Burschen kennengelernt...«
Betroffen sah Rainer sie an. Was erzählte sein Madl ihm da grad? »Wie soll ich das verstehen?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Lass mich einfach ausreden, ja? Ist eh schon schwierig.«
Er nickte stumm.
»Also, ich hab’ den Stefan kennengelernt, durch einen Zufall, so wie du jetzt die Kerstin. Und weißt, da beginn ich mich zu fragen, ob das so richtig ist, dass wir zwei, ich mein, wir haben’s nie in Frage gestellt, dass wir mal heiraten, weil unsere Eltern das so beschlossen hatten. Aber ist das auch richtig? Wir haben doch nie wen anders kennengelernt, um festzustellen...«
»Ich glaub’, ich versteh’, was du meinst«, murmelte Rainer. »Du willst mir jetzt also sagen, dass du dich für wen anders entschieden hast?«
»Ach, Gott, was heißt schon entschieden, da übertreibst du wohl ein bissel. Ich will doch nur sagen, dass wir vielleicht auch mal...«
»Da magst gar net so unrecht haben«, stellte Rainer zur Überraschung des Madls fest. »Weißt, wir zwei haben nie wen anders angeschaut. Und jetzt na, ich geb’s zu, ich hab’ heut’ zum ersten mal bei einem Madl gedacht, wie aufregend die doch sein kann.«
Ahne lachte hellauf. »Das hab’ ich doch gleich bemerkt.«
»Aber, dass ich die Kerstin wieder seh’, ist doch net wirklich wahrscheinlich«, erklärte er jetzt ziemlich unglücklich. »Und wennst mich nimmer haben willst...«
Anne schüttelte den Kopf. »Also wirklich, ihr Mannsbilder seid manchmal nur deppert. Du Dummkopf, die Adresse hast doch, die hat sie doch hier gelassen. Und wennst sie anrufst und fragst, wie’s ihr geht und ob mit dem Wagen wieder alles in Ordnung ist, wirst schon sehen, ob sie vielleicht Lust hat, dich wieder zu treffen.«
In Rainers Augen leuchtete es auf, auch wenn Anne gar net verstehen konnte, was nun an dem Madl so besonders sein sollte. Aber Mannsbilder schauten wahrscheinlich mit anderen Augen.
»Und du?«, fragte der Bursche jetzt. »Was ist das für einer, der dein Herz so in Unruhe bringt? Kenn’ ich ihn? Ist’s einer hier aus dem Dorf? Welchen Stefan könntest denn da meinen?«
»Nein, sicher kennst ihn net. Er, er ist ebenfalls aus der Stadt, und ich hab’ ihn kennengelernt, als ich den Kursus gemacht hab’ für den Computer.«
»Ach, so einer ist das also?«
»Was meinst denn mit so einer?«
»Na, so einer eben. Einer, der mit der Technik herumspielt, alles besser weiß und andre Leut’ wie dumm dastehen lässt. Das muss aber schon ein besonderes Exemplar sein, wenn er ausgerechnet dich hat beeindrucken können.«
»Ach geh, jetzt hör aber auf. Das kannst so net sagen. Und außerdem kennst ihn ja auch net.«
»Na, du wirst ihn mir doch vorstellen?«
Das Madl nickte ernsthaft. »Du, Rainer, selbst wenn es nix geben sollt zwischen uns, so wirst doch immer mein bester Freund bleiben. Und ich leg Wert auf deine Meinung. Das versprech’ ich dir.«
»Und du bleibst auch immer meine beste Freundin. Jetzt seh’ ich wirklich nur noch ein Problem.«
Das Madl hob den Kopf und blickte den Burschen betrübt an.
»Ja, wie sagen wir’s unseren Eltern?«
»Das kommt ja gar net in Frage«, donnerte der Huber Rudi und schlug mit Wucht auf den Tisch, dass die Teller und das Besteck nur so tanzten. Eine dicke Zornesfalte erschien auf der Stirn, und die Augenbrauen zogen sich drohend zusammen.
»Mit solchen Hirngespinsten brauchst gar nimmer anzutanzen. Ich werd’ das net zulassen, dass du so plötzlich auf die narrische Idee kommst, den Rainer fortzuschicken, nur um dich mit einem Mannsbild einzulassen, das hier keiner kennt. Außerdem, was ist das schon, einer aus der Stadt. Niemals!«
Der Huber war ein kräftig gebauter Mann mit ungewöhnlich großen Händen, welche die Spuren langjähriger harter Arbeit zeigten. Doch er war zufrieden mit seinem Leben. Er war bisher auch fest davon überzeugt gewesen, dass sein Lebenswerk nach der Hochzeit seines einzigen Kindes, seiner Tochter Anne, in gute Hände übergehen würde, in die Hände von Rainer Moosburger eben.
Doch jetzt schien die Welt über ihm zusammenzustürzen.
Anne hatte grad versucht ihm klarzumachen, dass Rainer und sie sich zunächst einmal trennen würden, in aller Freundschaft und vielleicht ja auch gar net für lange. Doch natürlich kam das in seinen Augen einem Weltuntergang gleich.
»Ihr zwei seid ja wohl verrückt geworden. Seit Jahren steht fest, dass ihr heiraten werdet, da könnt ihr jetzt net einfach hergehen und sagen, wir tun das net.«
»Ach, Papa, versteh’ das doch bitte«, begann das Madl, aber der Huber ließ keinen Einwand gelten.
»Da gibt’s nix zu verstehen. Das einzige, was ich versteh’, ist, dass ihr wohl beide durchgedreht seid.«
»Papa«, rief die Anne jetzt empört, doch der Huber war gerade so richtig in Fahrt gekommen.
»Was hat euch zwei denn auf den depperten Einfall gebracht? Ihr habt Figuren aus der Stadt kennengelernt, die nix haben und nix können. Die wissen doch net einmal Sommer und Winter zu unterscheiden, wennst ihnen das net sagst.«
»Du bist ungerecht«, warf das Madl dem Vater vor. »Mutter, so sag doch auch mal was«, forderte Anne dann. »Was wär’ denn wohl gewesen, wenn wer versucht hätte, euch die Heirat zu verbieten?«
»Gar nix wär' gewesen, weil, das hätt’ keiner gewagt«, donnerte Rudi dazwischen. Die Mutter, Sophia, lächelte ihrem Mann zu. »Da hast schon recht, Rudi. Aber wir zwei haben uns geliebt, und da könnt’ keiner dazwischen stehen. Schau, mein Madl, du kennst diesen Burschen aus der Stadt doch kaum. Und schon willst eine lebenslange Verlobung aufgeben?«
»Ja, Himmel, wie soll ich ihn denn kennenlernen, wenn ihr alle einen Aufstand macht? Es ist mein Leben und das vom Rainer. Habt ihr das eigentlich vergessen? Ihr habt alles geplant, aber keiner von euch hat dran gedacht, dass wir plötzlich entdecken könnten, dass es im Leben noch was andres gibt als eure Pläne.« Die Anne hatte sich jetzt ebenso in Rage geredet wie ihr Vater, beide waren sich sehr ähnlich, auch wenn sie das beide vehement bestritten hätten.
»Mumpitz!«, brüllte der Huber dazwischen. »Du wirst den Rainer heiraten und damit basta!«
»Weil du’s sagst?«, fragte Anne spitz. »Du kannst soviel brüllen, wie du magst. Du tätst nix daran ändern, dass der Rainer und ich beschlossen haben, uns eine Bedenkzeit zu nehmen und festzustellen, ob net doch was andres zu uns passen tät’. Und außerdem frag’ ich mich grad, ob du wirklich an den Rainer und mich denkst oder nur an die Zusammenlegung der Höfe und den Vorteil, den du daraus ziehen kannst.«
Der Huber kratzte sich am Kopf. Er liebte seine Tochter sehr und wollte nur das Beste für das Madl. Aber er war auch davon überzeugt, dass er allein wusste, was das war. Der Widerstand des Madls verstörte ihn regelrecht. Sie war mit ihren vierundzwanzig Jahren doch noch so jung. Wie wollte sie da wissen, was richtig war? Aber ihren Dickkopf, den musste sie wohl von ihm haben.
Der Rudi wusste, dass Anne nicht so einfach aufgeben würde; wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie genauso stur wie er selbst. Aber er konnte doch nicht einfach nachgeben?
Der Huber Rudi hatte noch nie in seinem Leben einfach nachgegeben, es sei denn, seine Sophia hatte ihn darum gebeten. Aber die hatte ja auch immer einen passenden Vorschlag gehabt, was statt dessen zu tun war.
Er hörte jetzt also erst einmal auf zu poltern und blickte seine geliebte Frau etwas hilflos an. Sophia kannte ihren Mann und natürlich auch ihre Tochter. Es war nicht das erste Mal, dass die beiden Dickköpfe aneinandergerieten. Und weil sie eine kluge Frau war, fand sie auch in diesem Fall einen Ausweg.
»Dann machen wir’s doch ganz anders«, sagte sie und stellte eine Brotzeit auf den Tisch, wobei sie ihre Blicke liebevoll zwischen Ehemann und Tochter schweifen ließ. »Die Anne hat natürlich recht, wenn sie sagt, dass es ihr Leben ist. Und der Rainer scheint ja wohl der gleichen Meinung zu sein. Dann lasst’s uns so halten, dass die zwei erst mal mit den Städtern heimkommen. Sie sollen sich kennenlernen, die jungen Leut’. Und du, Rudi, wirst net gleich wieder poltern, wenn die Anne den Burschen herbringt. Wenn’s denn wirklich so sein sollt, dass die zwei ihr Herz verloren haben, dann werden wir wohl damit einverstanden sein müssen. Aber erst einmal wollen wir schaun. Es gefällt mir net, wenn ihr jetzt gleich Hals über Kopf die Verlobung auflösen tät. Schaut euch um, aber seid’s vernünftig.«
Das Madl schaute die Mutter dankbar an, obwohl ihr nicht entgangen war, dass auch die ihre Vorbehalte hatte. Aber der Stefan war so ein fescher Bursche, freundlich, nett und sympathisch, der würde das Herz der Mutter sicher im Sturm erobern wie ihr eigenes.
Der Huber brummte noch herum, sah aber ein, dass seine Frau wohl recht hatte.
»Ich werd’ mir deinen Stefan sehr genau anschauen«, versprach er fast drohend, aber Anne lächelte. Dann gab sie ihrem Vater einen Kuss.
»Wirst schon sehen, Papa, du wirst ihn mögen. Und der Rainer und ich bleiben ja Freunde, wir sind ja fast wie Bruder und Schwester. Da ist’s ja net ausgeschlossen, dass wir die Höfe auch zusammenlegen, nix hindert uns daran.«
»Mir wär’s lieber, ihr tätet was anderes zusammenlegen«, knurrte der Rudi, wurde unter dem Blick seiner Tochter aber doch weich. »Na, schau’n wir mal. Ich bin ja mal gespannt, was der Moosburger dazu sagt. Der wird wohl auch net grad erfreut sein.«
Da hatte der Huber schon recht gehabt mit seiner Prophezeiung. Der Moosburger Hannes explodierte förmlich, als Rainer mit seiner Geschichte herausrückte. Lautstark erklärte er, dass eine solche Verrücktheit nie in Frage käme, und er könnte die Wankelmütigkeit der jungen Leute von heute gar nicht verstehen. Außerdem würde der Bursche die Anne ins Unglück stürzen, und er sollte sich schämen, das Madl so zu entehren. Auch der Rainer kannte seinen Vater und wusste genau, dass er erst dann wieder vernünftig mit ihm würde reden können, wenn die erste Aufregung abgeklungen war. Also ließ er ihn erst einmal poltern.
Die Mutter, eine stille, freundliche Frau, der Sophia, mit der sie verwandt war, nicht unähnlich, schwieg ebenfalls zunächst. Doch sie sah größere Probleme in diesem Fall. Wenn der Rainer sich in ein Madl aus der Stadt verguckt hatte, wie würde das dann hier auf dem Hof weitergehen? Da sich der Huber wie auch der Moosburger auf die Schweinezucht spezialisiert hatten, war es doch wichtig, dass auch die Frau mit anpacken konnte. Und da war sich Magda gar nicht so sicher, ob das gut gehen würde. Doch sie beschloss, sich das Madl erst einmal anzuschauen und dann erst ein Urteil zu fällen.
Nach einiger Zeit beruhigte sich auch der Hannes wieder, und der Bursche konnte endlich vernünftig mit dem Vater reden. Auch hier kam man zu einer ähnlichen Übereinkunft wie beim Huber, was aber nicht hieß, dass die beiden Mannsbilder glücklich mit der Entscheidung ihrer Kinder waren.
Die zwei alten Herren trafen sich denn auch abends beim Ochsenwirt, und bei manch einer Maß wurde weiter darüber geschimpft, das die jungen Leut’ gar keinen Respekt vor den Entscheidungen der Eltern hatten.
Mit in das Gespräch mischte sich dann auch der Herr Pfarrer. Er war ebenfalls nicht erfreut, als er hörte, was Anne und Rainer beschlossen hatten. Die beiden galten im Ort als Traumpaar, das vom Tage ihrer Geburt an, schicksalhaft zusammengehört hatte. Dass sie sich jetzt trennen wollten, gab dem Priester Anlass zur Sorge.
Und weil sich in einem so kleinen Ort kein Geheimnis bewahren ließ, gab es am nächsten Tag kein anderes Gesprächsthema.
Anne hatte schon gehöriges Herzklopfen, als Stefan zum ersten mal einen Besuch bei ihren Eltern machen sollte. Der Vater saß im Wohnzimmer und hatte sich hinter seiner landwirtschaftlichen Zeitung verschanzt. Sophia stand in der Küche und beaufsichtigte den Kaffee, der geruhsam durch das Filter lief. Und die Arme rannte hin und her und überprüfte wohl zum zehnten Mal, ob auf dem Tisch auch nichts vergessen worden war.
Draußen war es ein wunderschöner Sommertag. Die Luft war mild und nicht zu warm, die Sonne besaß schon eine Menge Kraft, doch die Temperaturen waren angenehm, und das Laub des nahen Waldes leuchtete in frischen Farben.
Endlich fuhr der Wagen auf den Hof, ein Bursche stieg aus und kam mit einem riesigen Blumenstrauß und einer Flasche Hochprozentigem genau auf das Haus zu. Anne hatte dafür gesorgt, dass der Stefan schon mal einen guten Eindruck machen konnte, indem sie ihm verraten hatte, was der Vater gerne trank.
Der junge Mann schien völlig ruhig, obwohl ihm doch klar sein musste, dass der Huber ihn jetzt bestimmt einem Verhör unterziehen würde. Aber der Bursche war von sich selbst überzeugt, schließlich hatte er einen guten modernen Beruf, in dem er gut verdiente, er mochte die Anne sehr, und fressen täte ihn der Huber sicher auch nicht gleich.
Aber dann saßen alle gemeinsam am Kaffeetisch, und es wollte kein rechtes Gespräch zustande kommen. Der Huber warf immer wieder prüfende Blicke auf den Burschen, schwieg aber verbissen. Sophia seufzte, und Anne hatte schließlich genug von diesem Theater. Sie spürte, dass auch Stefan sich zunehmend unwohl fühlte, und unwillkürlich schämte sie sich für ihren Vater, der seine Abneigung gar nicht deutlicher zeigen konnte.
Doch dann hielt sie inne, noch bevor sie ein Wort gesagt hatte. Wieso schämte sie sich für ihren Vater? Sollte Stefan doch auch etwas tun oder sagen.Wenn er etwas für sie empfand, dann konnte auch er den ersten Schritt machen. Schließlich war er net ganz unschuldig mit daran, dass die Pläne des alten Herrn so empfindlich gestört worden waren. Und sie hatte immerhin auch schon den ersten Streit mit dem Vater ausgefochten.
Aber Anne wurde von dieser Frage abgelenkt. Rein »zufällig« kam der Rainer vorbei, der natürlich schon den Wagen des anderen Burschen auf dem Hof hatte stehen sehen. Der Huber strahlte plötzlich über sein ganzes Gesicht.
»Grüß Gott, Bub. Magst einen Kaffee mit uns trinken? Das ist der Stefan, du hast sicher schon von ihm gehört.«
Diese lieblose Vorstellung war mehr als unhöflich, und Stefan verschluckte sich prompt an seinem Kuchen. Aber die beiden Burschen saßen dann nebeneinander, und man konnte sehen, dass sie kaum unterschiedlicher sein konnten.
Stefan war von schlanker Gestalt, leuchtend blondes Haar trug er in einer modischen Frisur, seine gepflegten Hände hatten sicherlich noch niemals etwas Schwereres gehalten als einen Kugelschreiber, und in seinem Benehmen unterschied er sich doch sehr stark vom Rainer. Der war hier praktisch ebenso zuhause wie daheim und kannte demnach auch keine Scheu.
Mit gutem Appetit griff er zu und ließ sich den Kuchen schmecken. Seine grobe Cordhose deutete jedoch an, dass er nicht nur zu einem Höflichkeitsbesuch aufgetaucht war.
»Ich hab’ gedacht«, erklärte er mit vollem Mund, »wenn ihr Besuch habt, dann komm’ ich halt herüber und helf’ ein bissel im Stall, damit die Anne sich um den Stefan kümmern kann.«
Der wirkte jetzt verblüfft. »Ja, gehst du denn auch in den Stall?«
Das Madl lachte hellauf, »freilich, auf einem Hof wie dem unseren hat jeder seinen Teil Arbeit. Und mir macht’s Spaß. Das ist ganz lieb von dir, dass du helfen willst, Rainer. Aber ich komm schon mit. Magst am End auch ein bissel mit anpacken, Stefan?«
Im Gesicht des Burschen zeigte sich für einen Moment Entsetzen. »Ich, ich weiß net, ob ich das kann«, meinte er zögernd.
»Na, eine Mistgabel wird ein junger Bursch wie Sie ja wohl noch halten können«, bemerkte der Huber trocken.
»Lasst den Stefan mal in Ruhe«, wandte Sophia begütigend ein. »Ihr müsst den Burschen net gleich verschrecken. Kommen S’, Stefan, erzählen S’ mir von der Arbeit. Lassen S’ die beiden ruhig die Arbeit tun, die wissen, eh wie’s geht und können das viel schneller erledigen, als wenn noch jemand da rumwuselt.«
Unversehens sah sich der Bursche mit den Eltern alleine gelassen. Doch in seiner Arbeit kannte er sich aus, und Sophia, die keine Ahnung von Computern oder Wirtschaftswissenschaften hatte, stellte ihm Fragen, wie er sie noch nie hatte beantworten müssen.
Anne zog sich schnell um und folgte dem Rainer in den Stall.
Der war längst fleißig bei der Arbeit und riss Bündel von Stroh auseinander, um sie in den Boxen zu verteilen. Er lächelte das Madl an.
»Bist sicher, dass du dich net ganz und gar verguckt hast, als der dir über den Weg gelaufen ist?«, fragte er spöttisch.
»Das musst du grad sagen. Dein Madl kann doch einen Ochsen net von einer Kuh unterscheiden. Wenn ich mir vorstell‘, dass die auf ihren hohen Haxen die Schweine füttern tät’...«
Die beiden hielten inne in ihrer gutmütigen Neckerei und brachen in Gelächter aus.
»Aber du magst diesen Burschen wirklich, ja?«, erkundigte sich der Rainer dann. »Ich hab’ gesehen, wie du ihn anschaust.«
Anne nickte. »Weißt, es ist so ganz anders als mit den Burschen hier. Mit dem kann man auch mal über andere Themen reden als das Wetter von morgen oder die Krankheiten beim Vieh.«
»Ach, interessierst dich jetzt für Weltpolitik und Computerviren? Willst am End gar selbst Programmierer werden? Dann kannst Rinder und Schweine mit Chips ausstatten, damit sie auf eine gemeinsame Latrine gehen, das erspart dir das Misten.«
»Ach, geh, sei net eklig. Du weißt genau, was ich mein. Der Horizont vom Stefan ist net so begrenzt.«
»Ach, und das hast bei mir hier vermisst?« Plötzlich lag etwas Bitterkeit in der Stimme des Burschen. Das Madl bemerkte es mit Erstaunen.
»Nein, bei dir niemals«, beeilte sie sich zu versichern. »Du hast auch viele Interessen, und bei dir hab‘ ich so was nie vermisst. Aber ich dacht’, wir wären uns einig, dass wir zwei uns wie Geschwister fühlen? Also erzähl mir doch lieber mal, wann du die Kerstin bei deinen Eltern vorstellen willst. Vielleicht tät’ ich dann kommen und auch einen Liebesdienst vollbringen, so wie du jetzt hier.«
Rainer dachte bei sich, dass er für die Anne nie so recht wie für eine Schwester empfunden hatte. Ganz im Gegenteil. Er liebte das Madl von Herzen, und er konnte sich nix Schöneres vorstellen, als sie endlich zu seiner Frau zu machen. Aber grad deswegen lag ihm auch ihr Glück am Herzen. Und wenn sie erst einmal probieren wollte, ob ein anderer Bursche besser zu ihr passte, dann wollte er das zulassen. Vielleicht wäre sie sonst den Rest ihres Lebens unglücklich, weil sie glaubte, sie könnte etwas verpasst haben. Doch er hatte durchaus nicht vor, sein Madl kampflos aufzugeben. Deshalb hatte er sich darauf eingelassen, sich ab und zu mit Kerstin zu treffen. Sollte Anne doch ruhig ein bissel eifersüchtig werden.
Jetzt aber nahm er ihren gutmütigen Spott erst einmal hin. Er war sicher, dass Anne früher oder später erkennen würde, dass dieser Bursche, dieser Stefan, absolut nicht zu ihr passte.
»Weißt«, sagte er nun nachdenklich und stützte sich auf den Stiel eines Besens. »Eigentlich könnten wir vier ja auch mal was gemeinsam unternehmen. Ich mein, wir zwei beide sind ja auch immer noch Freunde. Und so können wir unsere neuen Partner auch mit den anderen leichter bekannt machen. Außerdem macht’s viel mehr Spaß zusammen.«
Anne runzelte ein wenig die Stirn, doch dann lachte sie auf. »Ja mei, warum eigentlich net? Aber ich seh’ schon jetzt die Tratschweiber sich die Mäuler zerreißen.«
Rainer lachte ebenfalls. »Das kann uns doch egal sein. Lass sie doch tratschen. Und wenn’s uns dann auch noch dumme Fragen stellen, geben wir halt die passenden Antworten.«
»Meinst wirklich?« Anne freundete sich immer mehr mit diesem Gedanken an.
»Freilich. Und dann sind auch die Kerstin und der Stefan net allein, das macht’s leichter für alle.«
»Na ja, dann tun wir’s halt. Magst schon nächste Woche zum Schützenball?«
»Ja. Und ich freu’ mich schon drauf, die Gesichter zu sehen von den Schützenbrüdern, die erwartet hatten, dass ich den König geb’ im nächsten Jahr und du die Königin.«
Jetzt wirkte Anne verblüfft und auch ein bissel unglücklich. Das Schützenfest mit dem großen Ball war immer ein ganz besonderes Ereignis: Es wär’ ja zu schön gewesen, mit dem Rainer zusammen das Königspaar zu geben, davon könnt' man ein Leben lang zehren. Und nun hatte der Bursche das einfach so abgesagt? Ohne sie zu fragen, ob sie nicht doch noch Lust dazu hätte?
»Ach, davon wusst’ ich ja noch gar nix. Wann wollst mir das denn eigentlich sagen?«
»Das hätte eine Überraschung sein sollen, aber nun mag ich nimmer. Ich glaub’ auch net, dass die Kerstin große Freude daran haben tät’. Und die könnt’ ich als Königin net so einfach einführen, sie ist ja net von hier.«
Anne lachte auf. »Das kann ich mir auch net vorstellen, dass sie in ihren hohen Schuhen durch das Dorf stakst, womöglich mit einem schreiend bunten Kleid. Und wenn’s dann den Walzer tanzen soll...«
Diese Vorstellung war für den Burschen zu viel. Er schüttelte den Kopf. »Ich hab’ ja auch gesagt, ich mag nimmer.«
Eine halbe Stunde später waren die beiden fertig und gingen ins Haus zurück. Sophia hatte, mittlerweile den Kaffeetisch abgedeckt, und zu Annes Verwunderung unterhielt sich der Vater mit dem Stefan. Oder vielmehr, der Stefan redete, und der Huber versuchte ein Wort von dem zu verstehen, was der Bursche da von sich gab.
»Wenn S’ die Gewinn und Verlustrechnung gleich vom Buchhaltungsprogramm machen, dann geht das einfach mit den Bilanzen. Sie drucken am Ende des Wirtschaftsjahres einfach eine Taste, und die Bilanz ist fertig.«
Der Huber-Bauer schüttelte den Kopf. »Wissen S’, Stefan, ich hab’ mein Lebtag lang noch keine solche Rechnung aufgestellt. Ich hab’ hier meine Unterlagen, was ich ausgegeben und eingenommen hab’, was ich an Steuern zu zahlen hab’, und was dann noch übrig bleibt. Wir sind net reich, aber wir haben unser Auskommen. Wenn die Anne da jetzt so einen neumodischen Kram benutzen will, kann sie das tun. Aber ich find’ Ihr Chinesisch nicht sehr verständlich.«
Stefan lachte auf, und er wirkte ungeheuer sympathisch und gar nicht beleidigt, weil seine Erklärungen nicht angekommen waren. Er nahm Anne jetzt kurz in den Arm, rümpfte ein bissel die Nase und gab ihr dann einen Kuss auf die Stirn.
»Dein Vater ist ein toller Typ. Er hat so völlig andere Ansichten, aber wir haben uns trotzdem gut verstanden. Ich mag ihn.«
Die Anne sah aus den Augenwinkeln, dass der Huber kurz sein Gesicht verzog. Offensichtlich war er mit dem Stefan nicht so ganz einer Meinung. Doch er hatte ihn wenigstens so weit akzeptiert, dass er mit ihm sprach und sich bemühte, ihn zu verstehen. Auch wenn das bestimmt nicht einfach war.
»Der Rainer hat vorgeschlagen, dass wir doch gemeinsam was unternehmen könnten. Das wär’ bestimmt auch schön für dich und die Kerstin.«
Der junge Mann verzog das Gesicht. Er hatte sich eigentlich nicht vorgestellt, hier gleich vom ganzen Ort vereinnahmt zu werden. Er wusste aber auch, dass man sich hier bemühte, ihm die Sache nicht so schwer zu machen. Er war nun einmal der Eindringling, der sich ausgerechnet in ein Madl verguckt hatte, das eigentlich schon vergeben war. Der Rainer war sehr entgegenkommend und freundlich, eigentlich lief doch alles bestens. Allerdings war es nicht ganz einfach, mit den Leuten hier zurecht zu kommen. Da konnte er ruhig von seiner Arbeit in der Stadt erzählen, irgendwie redeten sie doch aneinander vorbei.
Nur die Anne war anders. Und vielleicht war es gut, wenn Rainer und Kerstin sich anschlossen, da bestand Hoffnung, dass es nicht langweilig werden würde.
»Wenn’s dir Spaß macht, dann soll’s wohl was werden«, stimmte er also zu.
Der Huber runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Wenn die Anne und der Rainer auseinander gehen wollten, warum hockten sie dann wieder zusammen? Er wurde nicht recht schlau aus der Situation, doch er nahm sich vor, die jungen Leute im Auge zu behalten.
Das ganze Dorf war auf den Beinen, das Schützenfest hatte hier schon mehr als zweihundert Jahre Tradition, und fast alle Männer waren Mitglieder in der historischen St.Andreas-Bruderschaft. Besucher aus den umliegenden Ortschaften standen am Straßenrand und bejubelten die Schützen in ihren historischen Uniformen, die in verschiedenen Abteilungen durch den Ort marschierten. Die musikalische Begleitung nahmen verschiedene Kapellen vor, und so bewegte sich ein endlos langer Festzug von der feierlichen Proklamation des diesjährigen Königs an der Kirche bis zur Dorfhalle.
Am dritten Tag des Schützenfestes würde dann der König für das nächste Jahr geschossen. Jeder Schützenbruder war verpflichtet, mindestens drei Schuss auf den hölzernen Adler abzugeben. Meist waren sich die Burschen und Mannsbilder jedoch schon vorher einig. Es war nicht ganz billig, König zu sein für ein Jahr, daher mochten diese Absprachen schon einen Sinn haben. Niemand hatte etwas davon, sich auf Jahre hinaus zu verschulden, nur weil es ausgerechnet ihn getroffen hatte mit dem Königsein. Aber solche Fragen und Probleme traten heute in den Hintergrund.
Der König und seine Königin führten den langen Umzug an, dahinter folgte der Hofstaat. Am Straßenrand stand Anne mit Stefan und Kerstin. Die beiden Städter kannten ein Fest in dieser Form nicht. Kerstin hatte an diesem Tag sogar darauf verzichtet, sich übertrieben auffällig anzuziehen. Nur ihre Haare passten nicht so recht hierher. In die schönen braunen Locken hatte sie rote Strähnen gefärbt und das ganze mit einigen merkwürdigen Stäbchen zu einer nur scheinbar unordentlichen Frisur aufgetürmt. Anne hatte den Kopf geschüttelt, musste dann aber doch zugeben, dass das Madl diese verrückte Frisur tragen konnte.
Jetzt war der Umzug vorbei, und alle Leute strömten zur Halle, wo jetzt der große Ball stattfinden sollte, der sich bis in die Nacht hineinziehen würde.
Rainer wartete schon ungeduldig auf die drei. Fesch sah der Bursche aus in seiner Uniform. Weiße Hosen und ein schwarzes Jackett mit farbigen Aufschlägen und einer breiten Schärpe in Rot und Gold trug er, dazu eine Schirmmütze, ebenfalls in Schwarz mit einer rot-goldenen Kordel.
Der Bursche zog die Kerstin in seine Arme und wirbelte sie übermütig herum.
»Und gleich wird getanzt, bis unsere Füß’ um Gnade bitten«, verkündete er gut gelaunt.
Stefan wirkte etwas unglücklich. »Ich kann net tanzen«, erklärte er, aber die anderen drei lachten nur.
»Dann wirst’s hier schon lernen. Bange machen gilt nicht. Und außerdem interessiert es niemanden, ob du deine Füß’ jetzt in der richtigen Reihenfolge setzen tätst.«
Der Abend wurde wirklich lang, und nachdem der Stefan einige Maß Bier getrunken hatte, vergaß er ganz, dass er gar nicht tanzen konnte. Übermütig wirbelte er Anne herum, die begeistert mit tat.
Rainer und Anne hatten die beiden Neuen in die Dorfgemeinschaft eingeführt, und so gab es keine Fremdheit, sie gehörten einfach dazu.
Am dritten Tag war dann das traditionelle Schießen, für Zuschauer eine langwierige Angelegenheit, die mit einer reichlichen Menge von Alkohol kurzweiliger gestaltet wurde. Nach mehr als drei Stunden wackelte der hölzerne Vogel dann aber zum ersten mal. Augenblicklich verzogen sich diejenigen, die ganz bestimmt nicht König werden wollten. Der Rainer machte aus Spaß doch mit, doch auch er wollte sich nach seinen nächsten drei Schüssen zurückziehen.
Zu spät.
Beim zweiten Schuss fiel der Rest des Holzstückes zu Boden, und sofort brach ein enormer Jubelsturm los.
Anne hatte das Schießen nicht verfolgt. Sie war mit dem Stefan spazieren gegangen, erst später wollten sie sich mit den beiden anderen, wieder treffen. Doch da hörten die zwei eine Stimme, die heftig und laut Annes Namen rief.
»Anne?, Anne, du musst sofort kommen, ganz schnell, der Rainer braucht dich.«
»Ist was passiert?«, fragte das Madl erschreckt. »Hat er sich am End gar mit dem Gewehr in den Fuß geschossen?«
»Viel schlimmer«, grinste der Anderl, den man ihnen hinterher geschickt hatte.