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... Ich öffne meinen Kapuzensweater. Mein T-shirt ist abgewetzt, feucht und es klebt an mir, sodass er meine Piercings sehen kann. Er checkt meine Arme ab, sieht die Farbkleckse auf den Tätowierungen. Farbe, die sich wie eine Form auf die Farbe in meiner Haut gelegt hat. Das Licht der Lampe spiegelt sich in meinen Fingerringen, als ich meine Hand langsam hin zu meinem Schritt gleiten lasse – über meinen Brustkorb – meine Brustwarzen strecken sich durch den Stoff in seine Richtung. Ich ziehe es aus. Er genießt den Augenblick ... X
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Seitenzahl: 26
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Kolofon
360 Grad - Schnee
Aus dem Dänischen von Julia Pfeiffer
Originaltitel: 360 Grader - Sne
© 2013 Kristiane Hauer
Alle Rechte der Ebookausgabe: © SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711493045
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: Epub 3.0
SAGA Egmont www.saga-books.com
- a part of Egmont, www.egmont.com
Schnee
von Kristiane Hauer
Irgendetwas ist anders. Wie gewöhnlich wird sie von seinem Schnarchen wach. Dieses rasselnde Geräusch aus dem weichen Gaumen, das gegen den Rachen hämmert. Wie gewöhnlich hat er die Decke im Laufe der Nacht von sich gestoßen und liegt nun in T-Shirt und Unterhose da, der kalten Wand zugedreht. Sie liegt unter ihrer Doppeldecke, die sich in großen Falten um sie schoppt. Sie schiebt diese zur Seite und schwingt die Beine über die Bettkante. Die Zehen ziehen sich über dem kalten Boden zusammen. Jetzt kann sie genauso gut schon aufstehen, der Wecker läutet ohnehin in fünf Minuten. Ratternd saugt er die Luft ein. Und dann kann sie es hören, gleich hinter ihr, eine seltsam, ungewohnte Stille.
Er möchte nicht aufwachen. Er ist in dem Ausmaß bei Bewusstsein, als dass er gerade diesen Gedanken denken kann – oder besser – ihn fühlen kann, wie eine durchdringende Trägheit. Er will nicht aufwachen. Er möchte in diesem Schlaf bleiben, drinnen, in dieser Wärme, dieser Dunkelheit. Er will hier bleiben, hier, wo nichts und niemand ist, der etwas von ihm verlangt. Wo niemand ist, der mit ihm spricht. Keine Handlungen, keine Worte. Nur ein vollkommen leichter Körper, der schwebt, ohne eine feste Form zu haben. So fühlt es sich immer an, kurz bevor er aufwacht.
Irgendetwas stimmt auch mit dem Licht nicht. Ihr Gesicht im Spiegel. Die Zahnbürste, die zwischen den spröden Lippen hervorlugt, die Wangen grau und noch immer angeschwollen vom Schlaf. Ein anderes Morgenlicht als sonst – aber es ist ja auch schon wieder Februar. Sie zieht sich das Pyjama-Oberteil über den Kopf, das Wollunterhemd darunter. Beugt sich vor und schiebt die Gardine ein wenig zur Seite. Weiße Schneeflocken auf der Wiese, wirbelnde Flocken in der Luft. Schneemassen, die sich ihren Weg nach unten in den Garten bahnen und eine Stille mit sich bringen, die sich wie der Negativ-Abzug eines Geräusches anhören. Das war es dann wohl. In dem Moment durchdringt eiskalte Zugluft die Scheibe. Schnell lässt sie die Gardine wieder zufallen, stellt sich unter die Dusche und dreht das heiße Wasser ganz auf.
Er will nicht, aber er muss. Der hysterische Alarm des Weckers schlägt nun gegen das müde Trommelfell, eindringlich, befehlshaberisch. Zieht ihn auf. Dagegen ankämpfen nützt nichts, mögen die Lendenwirbel noch so ächzen, als er sich umdreht. Die übliche Steife, die seinen Rücken im Laufe der Nacht von Fleisch zu Holz verwandelt hat. Er beugt sich vor und schlägt mit der Handfläche auf den Alarmknopf. Stille, ungewohnte Stille. Kein Verkehr auf der Straße. Keine alltäglichen Hintergrundgeräusche von den Strommasten oder der Klimaanlage der Nachbarn. Und sie? Der leere Platz im Bett, die Matratze, die ein wenig eingesunken ist. Ist sie schon unterwegs?