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Dieser Band enthält folgende Romane Die schöne Erbin (Alfred Bekker) Das blonde Gift vom Wirtshaus (Alfred Bekker) Annas schicksalhafte Begegnung (Robert Gruber) Glückslawine unter hohen Gipfeln (Robert Gruber) Peter Krönacher hat sich Hals über Kopf in die bildhübsche Marianne Sendlinger verliebt, die seit einiger Zeit in der GOLDENEN GAMS arbeitet. Aber das junge Dirndl lässt nichts anbrennen. Ganz zum Leidwesen von Peter Krönacher, der die Marianne lieber heute als morgen vor den Altar geführt hätte...
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Seitenzahl: 292
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4 Dramatische Bergromane Januar 2025
Copyright
Die schöne Erbin
Das blonde Gift vom Wirtshaus
Annas schicksalhafte Begegnung: Bergroman
Glückslawine unter hohen Gipfeln: Bergroman
Dieser Band enthält folgende Romane
Die schöne Erbin (Alfred Bekker)
Das blonde Gift vom Wirtshaus (Alfred Bekker)
Annas schicksalhafte Begegnung (Robert Gruber)
Glückslawine unter hohen Gipfeln (Robert Gruber)
Peter Krönacher hat sich Hals über Kopf in die bildhübsche Marianne Sendlinger verliebt, die seit einiger Zeit in der GOLDENEN GAMS arbeitet. Aber das junge Dirndl lässt nichts anbrennen. Ganz zum Leidwesen von Peter Krönacher, der die Marianne lieber heute als morgen vor den Altar geführt hätte...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Der Umfang dieses Buchs entspricht 90 Taschenbuchseiten.
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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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"Mei, da kommt ja eine ganze Gruppe von Bergtouristen!", stieß Maria Hinzberg, die bereits etwas in die Jahre gekommene Wirtin des HINZBERGER HOFS aus. Sie stand am Fenster und blickte hinaus, direkt auf das imposante Panorama der schneebedeckten Berggipfel.
Ihre junge Gehilfin Claudia trat hinzu und warf ebenfalls einen Blick hinaus.
Das junge Madl machte eilig seine Frisur zurecht.
Maria Hinzberg bemerkte dies mit einem Lächeln - und das, obwohl ihr im Moment eigentlich gar nicht zum Lächeln zu Mute war. Mit Schrecken dachte sie daran, dass all die hungrigen Bergtouristen versorgt werden wollten, die auf den HINZBERGER HOF zusteuerten.
"Das wird der Rieder-Markus mit seiner Gruppe sein", sagte Maria. "Kein anderer Bergführer in der Gegend hat so viel Zulauf wie der Markus..." Und während sie dies sagte, blickte die Wirtin auf das junge, fesche Madl an ihrer Seite. Mit sanftem Tonfall fügte sie dann hinzu: "...und wie's scheint, gilt das net allein für Bergtouristen..."
Claudias himmelblaue Augen sahen verträumt in Richtung der Ankömmlinge. Jetzt rissen die Worte der Wirtin sie aus ihren Gedanken. "Geh, Tante Maria, was red'st denn da!" stieß sie hervor.
"Vielleicht kannst deinen Eltern etwas vormachen, Claudia - mir aber net!", erwiderte die Wirtin wohlwollend. "Meinst, ich hätte net bemerkt, wie du den Rieder-Markus angesehen hast?"
"Ja, ist er denn net auch ein fescher Bursche, der junge Rieder?", fragte Claudia zurück.
Die Wirtin nickte. "Freilich ist er das! Und wenn ich selbst das passende Alter hätte..." Maria Hinzberg seufzte.
"Der Markus erinnert mich immer an meinen verstorbenen Franzl." Einen Augenblick lang wirkte die Wirtin etwas in sich gekehrt.
Ihre Gedanken schienen zurück in die Vergangenheit zu wandern. Dann ging ein Ruck durch Maria Hinzberg. Sie atmete tief durch. "Mei, wie soll ich das nur schaffen!" Nicht, dass die Wirtin etwas dagegen hatte, wenn der HINZBERGER HOF gut frequentiert wurde, aber gerade heute hatte sie Claudia den Rest des Tages frei gegeben.
Und das Madl hatte sich den freien Abend mehr als redlich verdient. Schon seit Wochen war sie kaum noch aus der Gaststätte herausgekommen. Im Moment war Hochsaison und Vertretungen waren schwer zu bekommen.
Außerdem spürte Maria Hinzberg in letzter Zeit mehr als deutlich, dass sie nicht mehr ganz so leistungsfähig war wie in früheren Jahren. Wenn sie den HINZBERGER HOF auch immer noch gerne und voller Elan führte, so ermüdete sie doch schneller und hatte eher das Gefühl, dass die Dinge ihr über den Kopf wuchsen.
"Keine Sorge", sagte Claudia. "Ich bleibe hier - und zusammen werden wir ja wohl mit den Bergtouristen fertig werden!"
"Ist das dein Ernst, Madl?"
"Ja, freilich." Über Claudias Gesicht glitt ein Lächeln.
"Oder glaubst vielleicht, dass ich dich im Stich lassen tät, wenn's eng wird?"
Maria war sehr erleichtert, hatte aber auch schlechtes Gewissen ihrer Nichte gegenüber.
"Mei, du hast bei mir schon so viel Extra-Stunden gemacht, dass..."
"Ist schon gut, Tante Maria. Ich hätte heute Abend sowieso nix besonderes vor..." Sie sah in Richtung der Bergtouristen-Gruppe, die sich in der Zwischenzeit ein ganzes Stück genähert hatte.
Ihr Blick suchte den Rieder-Markus.
Und tatsächlich!
Sie fand ihn ganz am Anfang der Gruppe. Auf diese Entfernung war er bereits deutlich zu erkennen.
Keine Viertelstunde mehr und sie sind hier!, ging es dem Madl durch den Kopf. Ihr Herz klopfte wie wild.
"Ohne dich wüsst ich gar net, was ich machen sollte", bekannte indessen die Wirtin. "Ich glaub, hier würd' buchstäblich alles drunter und drüber gehen!"
Das war keineswegs übertrieben.
Selbst die Buchhaltung hatte Claudia zuletzt schon übernommen und endlich Ordnung in die Finanzen des HINZBERGER HOFS gebracht. Das war auch dringend nötig gewesen, denn das Rechnen war nicht unbedingt die Stärke der Wirtin.
"Gelernt ist halt gelernt", meinte die Claudia etwas geistesabwesend. Schließlich war sie mit ihren Gedanken bei dem feschen Markus.
"Ja", gestand Maria zu, "es hat sich schon gelohnt, dass dein Vater dich auf die Hotelfachschule geschickt hat! Mir ist das leider nie vergönnt gewesen - und so habe ich mir alles selbst beibringen müssen. Vor allem nach dem Tod vom Franzl war das net einfach..."
"Geh, Tante Maria, jetzt lass uns net davon zu reden anfangen", sagte Claudia. "Lass uns lieber alles zurechtmachen, bis die Bergtouristen hier sind. Du weißt ja... Dann muss immer alles auf einmal passieren - und wer vorher stundenlang im Schweiße seines Angesichts auf einen Gipfel hinaufgekraxelt ist, der wird auch net mehr so ganz die rechte Geduld aufbringen!"
Claudia wandte sich in Richtung Küche herum.
Aber Maria Hinzberg hielt ihre Nichte beim Arm.
"Warte einen Moment", forderte sie.
Claudia blieb stehen und blickte ihre Tante etwas verwundert an. "Tante Maria, die Zeit rennt uns davon! Du hast selbst immer gesagt, dass..."
"Hör mir einen Augenblick zu!", schnitt ihr die Hinzbergerin etwas schroffer das Wort ab, als sie es eigentlch beabsichtigt hatte. Ihr Gesicht wurde ernst und Claudia begriff sogleich, dass Tante Maria ihr etwas wirklich wichtiges zu sagen hatte. "Niemand lebt ewig", sagte die Wirtin dann. "Das ist eine Binsenweisheit und mir wird es da net anders ergehen, als allen anderen."
"Tante Maria, bist net doch noch etwas zu jung, um dir derart trübe Gedanken zu machen?"
"Es sind keine trüben Gedanken", korrigierte die Wirtin.
"Jetzt net mehr. Denn zum Herrn Jesus gehen müssen wir alle mal - aber es hat mir lange keine Ruhe gelassen, dass mein Haus net bestellt war. Und das habe ich letzte Woche geändert. Du weißt, als ich einen Nachmittag in die Stadt, zum Notar war..."
"Ja, ich erinnere mich", nickte Claudia.
"Ich habe an jenem Nachmittag meine letzten Angelegenheiten geregelt. Du weißt, dass dem Franzl und mir leider keine Kinder vergönnt waren. Also möchte ich, dass du den HINZBERGER HOF dereinst weiterführst."
"Ich?", fragte Claudia etwas überrascht. Sie hatte nie darüber nachgedacht.
Sie war froh gewesen, nach dem Ende der Hotelfachschule, gleich eine gute Anstellung gefunden zu haben. Und das noch in der Nähe des elterlichen Hofs - und nicht irgendwo in der Stadt. Denn in den Jahren, in denen sie das Hotelfach gelernt hatte, hatte sie auch festgestellt, wie wichtig ihr die vertraute Umgebung der Bergwelt war.
"Ja , du!", bekräftigte Maria Hinzberg. "Ich weiß, dass das Wirtshaus, das der Franzl und ich so viele Jahre lang durch gute und weniger gute Zeiten geführt haben, bei dir in den besten Händen wäre."
Das Madl atmete tief durch.
"Mei, ich weiß wirklich net, was ich dazu sagen soll", bekannte Claudia.
"Sag bloß net, dass du das Erbe ausschlagen würdest! Dann wüsst' ich nämlich net, was ich tun soll." Die Wirtin machte eine kurze Pause, ehe sie dann fortfuhr: "Es wäre nämlich auch der größte Wunsch vom Franzl gewesen, dass es für den HINZBERGER HOF eine Zukunft gibt. Du würdest den HOF doch weiterführen, gell?"
Claudia nickte.
"Natürlich!", versprach sie. "Aber eigentlich gehe ich davon aus, dass wir noch viele Jahre zusammen den HINZBERGER HOF betreiben..."
Die Wirtin lächelte mild.
"Wenn ich eine Tochter gehabt hätte - dann hätte sie so sein sollen wie du, Claudia!", meinte sie dann mit belegter Stimme.
Wenig später traf die Touristengruppe ein und machten sich an den rustikalen Holztischen der zünftig eingerichteten Gastwirtschaft breit. Sie waren guter Laune, wenn auch von der anstrengenden Bergtour etwas erschöpft.
"Grüß dich, Claudia!", sagte der junge Bergführer Markus Rieder freundlich an das Madl gewandt.
"Servus, Markus", flüsterte sie.
"Ich denk, die Leut werden recht hungrig sein!", vermutete der Bergführer. "Und ich bin's auch..."
Ihrer beider Blicke begegneten sich.
Claudia wurde es dabei ganz warm ums Herz. Wie er mich ansieht!, dachte Claudia. Sympathisch waren sie sich immer schon gewesen. Und Claudia hoffte nun, dass Markus vielleicht sogar mehr als nur Sympathie empfand.
Bis über beide Ohren hast dich verliebt!, sagte eine Stimme in ihrem Inneren. Net einmal einen einzigen klaren Gedanken kannst noch fassen, wenn diese Augen dich so ansehen!
Der Markus sah an Claudia hinunter und meinte dann anerkennend. "Gut steht dir das neue Dirndl!"
"Mei, dass du das bemerkt hast!"
"Das ist mir sofort aufgefallen."
Einer der Touristen rief jetzt ungeduldig nach der Bedienung.
Es fiel Claudia schwer, sich von Markus loszureißen. Aber spätestens der zweite, noch ungeduldigere Ruf holte sie aus der Traumwelt ihrer Verliebtheit in die Wirklichkeit zurück.
"Ich komm ja schon!", rief das Madl an den Gast gewandt zurück. Dann sah sie Markus an. "Tut mir leid, aber du siehst ja, was hier los ist!"
"Freilich..."
Claudia hatte bereits einen Schritt gemacht, da hielt Markus sie am Arm. "Warte einen Moment noch!", forderte er.
"Ich möchte dich noch etwas fragen..."
"Später!", antwortete Claudia und schenkte dem jungen Mann ein bezauberndes Lächeln.
In den nächsten anderthalb Stunden kam Claudia kaum zum Durchatmen. Die Bergtouristen hatten einen wahren Bärenhunger und plünderten die Vorräte des HINZBERGER HOFS regelrecht aus.
Immer wieder bestellten sie aufs Neue und die Bierkrüge fanden auf den rustikalen Tischen kaum noch Platz.
Die Laune unter den Gästen war gut. Und die meisten von ihnen schienen selbst die Anstrengungen der Bergtour nach kurzer Zeit vergessen zu haben. Jedenfalls konnte man ihnen keinerlei Müdigkeit anmerken.
Nach und nach verließen sie dann das Lokal. Vor dem Haus hatten sie ihre Wagen geparkt. Von hier aus fuhren sie dann hinab in das noch einige Kilometer weiter unten im Tal gelegene Dorf Bergeich. Dort hatten die meisten von ihnen Fremdenzimmer gemietet.
Im HINZBERGER HOF selbst gab es nur einige wenige zu vermietende Zimmer. Und die verfügten nicht gerade über den größten Komfort.
Aber wer bei Maria Hinzberg übernachtete, der tat dies ohnehin nicht deshalb, weil er den Sercvice eines Vier Sterne Hotels erwartete, sondern um der traumhaften Landschaft willen. Morgens wurde man von den Strahlen der Sonne geweckt, die hinter den imposanten Berggipfeln hervorschauten. Das Schauspiel der Sonnenauf- und untergänge war einzigartig und mit nichts anderem zu vergleichen. Ein Farbenspiel der Natur, dass einen selbst dann beeindrucken konnte, wenn man in der Gegend aufgewachsen war und diesen Anblick jeden Tag hatte genießen können.
Schließlich befanden sich nur noch wenige Gäste in der Gastwirtschaft.
"Ich glaube, jetzt komme ich wohl allein zurecht", meinte Maria Hinzberg an ihre Nichte gewandt. "Aber der Abend ist jetzt ohnehin so gut wie vorbei..."
Das Madl zuckte die Achseln.
"Ja mei, das ist net so schlimm", erwiderte Claudia leichthin. "Ich hatte ohnehin nix Wichtiges vor..."
Die Wirtin seufzte hörbar.
"Ich wüsste wirklich net, was ich ohne dich tun sollte...
wenn man dich braucht, ist immer auf dich Verlass." Sie musterte das Madl einige Augenblicke lang und fügte dann noch hinzu: "Ich glaub schon, dass du eine gute Wirtin abgeben würdest!"
"Geh, Tante Maria!"
"Lass nur! Ich denke, dass ich in dem Punkt Recht habe! Bis morgen, Claudia!"
Claudia nickte. "Bis morgen, Tante Maria."
Während sich das Madl in Richtung Tür wandte, blickte sie noch einmal kurz durch den Schankraum. Vom Rieder-Markus hatte sie schon eine ganze Weile nichts mehr gesehen. Aber schließlich konnte sie auch nicht von ihm erwarten, dass er bis in den späten Abend hinein im Wirtshaus saß, nur um auf sie zu warten.
Der junge Mann hatte sie etwas fragen wollen, erinnerte sich Claudia. Seitdem hatte das Madl die ganze Zeit darüber nachgegrübelt, worum es da wohl gehen mochte.
Sicher nur irgendeine Belanglosigkeit, überlegte Claudia.
Und du machst dir jetzt Hoffnungen darauf, dass es sich um etwas wirklich Wichtiges handelt...
Andererseits waren da die Komplimnte, die er ihr gemacht hatte.
Alles nur Süßholzraspelei! Mach dir keine übertriebenen Hoffnungen!, hörte Claudia die skeptische Stimme in ihrem Inneren.
Sie trat hinaus ins Freie.
Die letzten Sonnenstrahlen schienen gerade noch über die Berggipfel hinweg. Das Farbenspiel, das dabei entstand, nahm sie für einige Momente gefangen. Die ansonsten schneeweißen Berghänge schimmerten jetzt in den verschiedensten Rottönen.
Nur für einige Augenblicke würde dieses einzigartige Schauspiel zu sehen sein.
Einige wenige Fahrzeuge standen noch auf dem kleinen Vorplatz, der dem HINZBERGER HOF als Parkmöglichkeit diente.
Darunter auch ein Geländewagen, den Claudia nur zu gut kannte.
Es war der Wagen des Rieders.
Markus lehnte gegen den Wagen und blickte auf die Berge hinaus. Ganz versunken war er und genoss den Anblick dieses gewaltigen Panoramas.
Mei, so ist er doch noch hier!, ging es Claudia durch den Kopf. Doch net etwa meinetwegen?
Ihr Herz machte einen Satz.
Sie trat an den jungen Mann heran.
Obwohl ihre Schritte kaum einen Laut auf dem Boden verursachten, bemerkte er sie und drehte sich zu ihr um.
"Na, ist der schlimmste Ansturm vorbei?", erkundigte sich Markus lächelnd.
Claudia nickte.
"Mei, manchmal ist es halt besonders schlimm. Dann fällt so viel Arbeit zur selben Zeit an, dass es fast unmöglich ist, alles zu bewältigen..."
Markus zuckte die Achseln. "Die Gäste, die ich den HINZBERGER HOF habe verlassen sehen, machten mir allerdings dennoch allesamt einen recht zufriedenen Eindruck."
"Man tut eben, was man kann." Claudia strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Frisur herausgestohlen hatte. Ein leichter Wind wehte jetzt kühl von den Berggipfeln herab. Von der Sonne war nun nichts weiter, als ein schwaches Schimmern zu sehen.
Markus sah das Madl an.
Ihrer beider Blicke verschmolzen für einen kurzen Moment miteinander.
"Du wolltest mich etwas fragen", begann schließlich Claudia zögernd. "Aber leider hab ich dich net so recht zu Wort kommen lassen. Ich hoffe, du nimmst mir das jetzt net übel..."
Markus lächelte.
Und ehe Claudia so richtig begriffen hatte, was geschah, nahm er sanft ihre Hand.
"Wie könnte ich dir irgend etwas übel nehmen, Claudia?"
Eine leichte Röte überzog Claudias Gesicht. "Na, wenn du etwas länger drüber nachdenkst, würde dir da bestimmt auch noch etwas einfallen", erwiderte sie dann schnell und etwas verlegen.
Noch immer hielt er ihre Hand und sie zog sie nicht weg.
"Mei, was ich dich eigentlich fragen wollt... in der nächsten Woche, da ist doch beim Kornhuber Dorftanz."
"Ja, freilich!"
"Vielleicht hättest du Lust, mit mir zusammen dorthin zu gehen!"
Claudia nickte heftig. "Gerne", flüsterte sie. Ihre Freude war unbeschreiblich. Sie war ganz erfüllt von einem unbändigen Glücksgefühl und glaubte fast, jeden Moment schier zerspringen zu müssen.
"Gut", nickte Markus Rieder. "Ich freue mich schon sehr."
"Ich mich auch", flüsterte Claudia.
Dann sahen sie sich einige Augenblicke lang schweigend an.
Schließlich sagte Claudia: "Es ist schon sehr spät."
Markus nickte. "Ja, ich muss morgen auch wieder in aller Herrgottsfrühe 'raus..."
"Gute Nacht, Markus", sagte das Madl dann nach einer kurzen Pause. Dann drückte sie dem jungen Bergführer blitzschnell einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich von ihm entfernte.
Sie ging zu ihrem Wagen, winkte ihm noch einmal zu, während der junge Bursche noch etwas verdutzt dastand.
Claudia wunderte sich selbst über den Mut, den sie gehabt hatte. Aber sie dachte sich: Wenn er mich nun gar net leiden könnte, dann hätte er mich ja wohl kaum gebeten, mit ihm zum Dorftanz zu gehen!
Sie stieg in den Wagen, einen schon ziemlich angejahrten Zweitürer. Sie versuchte, den Motor zu starten, aber außer ein paar kläglichen Lauten war nichts zu hören.
Sie versuchte es erneut.
Dann ging gar nichts mehr.
Claudia stieg aus.
Markus war unterdessen hinzugetreten. "Mei, will der Wagen net wie du willst?", erkundigte er sich.
"Wie du siehst!", nickte das Madl. Claudia wohnte auf dem heimatlichen Sennreicher-Hof. Sie hatte dort ihr altes Zimmer wieder bezogen, nachdem sie die Hotelfachschule beendet hatte und in die Berge zurückgekehrt war. Aber bis zum Hof ihrer Eltern war es zu Fuß ziemlich weit. Ein Marsch von mindestens anderthalb Stunden hätte vor ihr gelegen - und das bei einsetzender Dunkelheit.
"Irgendwann hat es ja soweit kommen müssen", meinte Claudia seufzend. "Der Wagen ist auch net mehr das allerneueste Modell! Aber dass er mich gerade jetzt im Stich lassen muss..."
"Man soll die Hoffnung nie aufgeben", erwiderte Markus.
"Lass mich die Sache einmal anschauen."
"Nix dagegen. Aber ich fürchte, zaubern kannst auch du net!"
"Abwarten!", lächelte er. "Vielleicht ja doch..."
"Ha, ha!"
"Naja, ein ganz bisserl!"
Markus öffnete die Motorhaube, sah sich das Innenleben des altersschwachen Gefährts an und forderte Claudia dann auf, den Motor zu starten. Der Versuch endete ebenso kläglich wie zuvor.
Markus klappte die Motorhaube wieder zu.
Sein Gesichtsausdruck wirkte nicht gerade optimistisch.
Claudia lächelte kokett. "Na, was ist nun? Hat die Zauberkraft doch nix ausrichten können?"
"Mei, da hab ich wohl ein bisserl Schmarrn geredet. Der Anlasser ist hin. Da kann man im Moment nix machen..."
"Oh je!", seufzte Claudia. "Wahrscheinlich ist die Reparatur teurer als ein neuer Wagen!"
"Geh, Claudia! Ganz so schlimm wird schon net kommen, wenn man das Ersatzteil preisgünstig beschafft!"
Claudia zuckte die Achseln. "Ich versteh net viel davon!"
"Ich kann dir ja helfen! Du weißt ja, dass mein Bruder eine Reparaturwerkstatt hat." Der junge Bergführer deutete auf seinen Geländewagen. "Was meinst, soll ich dich jetzt net nach Hause bringen? Du wirst den ganzen Weg bis zu eurem Hof ja wohl net zu Fuß gehen wollen!"
Claudia lächelte. "Das Angebot nehme ich gerne an!", erklärte sie.
"Dann komm!"
Er nahm sie bei der Hand, und sie liefen zu dem Geländewagen hinüber.
Markus machte ihr die Tür auf.
Claudia raffte den langen Rock ihres Dirndel zusammen und setzte sich in den Wagen.
Für Claudias Geschmack ging die Fahrt viel zu schnell zu Ende. Der geländegängige Wagen des jungen Bergführers hatte mit den schmalen Straßen, die sich in Serpentinen hinauf zum Sennreicher Hof wanden, keinerlei Schwierigkeiten.
Der Mond stand als helles Oval am dunklen Nachthimmel. Die Straße war schlecht beleuchtet, aber Markus war in dieser Gegend aufgewachsen. Er kannte hier jeden Stein und jeden Strauch.
Schließlich tauchte der Sennreicher-Hof vor ihnen auf.
Das Haupthaus war beleuchtet. Die Nebengebäude und Heustadeln waren hingegen nur als dunkle Umrisse sichtbar.
Markus stoppte den Wagen.
"Nochmals vielen Dank", sagte Claudia.
Markus lächelte. "Ich freue mich schon auf den Dorftanz."
"Ich mich auch", flüsterte sie.
Dann stieg sie aus.
Markus setzte den Geländewagen zurück, drehte und fuhr davon. Claudia sah ihm nach, winkte ihm noch einmal.
Dann hörte sie Schritte.
Sie wandte sich um und blickte in das sorgenvolle Gesicht ihres Vaters. Peter Sennreicher war ein großgewachsener, hagerer Mann. Sein Haar war zwar schon ergraut, aber immer noch voll.
"Spät bist heut dran", stellte der Bauer fest. "Deine Mutter und ich - wir haben uns schon Sorgen gemacht!"
"Geh, Papa, jetzt übertreibst aber! So spät ist es doch noch gar net!"
"Hattest du heute Abend net frei?"
"Das ist wohl wahr", nickte das Madl. "Aber dann kam der Rieder Markus mit einer Gruppe Bergtouristen. Ja, sollte ich da die Tante Maria einfach allein lassen?"
Der Sennreicher deutete in Richtung des davonfahrenden Geländewagens. "Und wer war das, wenn ich mal fragen darf?"
Claudia lächelte versonnen. "Geh, Papa, sei net so neugierig!"
"Mei, es interessiert mich halt, wer meine Tochter am Abend nach Hause bringt! Das wird dir net anders gehen, wenn du einmal Kinder hast, die in dem Alter sind..."
Claudia atmete tief durch und erklärte dann: "Der Rieder-Markus war's!"
"Der Bergführer? Mei, ich weiß net..."
"Papa! Er hat mich doch nur nach Hause gefahren, nachdem mein Wagen nix mehr von sich gegeben hat!"
"Langsam könntest du dir aber schon ein paar ernsthaftere Gedanken machen...", fand der Bauer.
Claudia runzelte die Stirn. "Ernsthaftere Gedanken?", fragte sie skeptisch zurück. "Du sprichst doch net übers heiraten, oder?"
Der Sennreicher nickte bekräftigend. "Genau darüber red' ich", bekannte er. "Schließlich hast deine Ausbildung jetzt hinter dir - und ewig sollte man damit auch net warten!"
"Geh, Papa! Ich denke, damit hat es noch ein bisserl Zeit. Und was den Markus Rieder angeht..."
"Ja?", hakte der Sennreicher stirnrunzelnd nach.
"Ganz so weit ist es mit uns zweien nun wirklich noch net. Zum Dorftanz gehen wir demnächst zusammen. Aber das ist auch schon alles..."
Der Bauer strich sich mit einer nachdenklichen Geste das Haar zurück. "Ich weiß auch net, ob der Rieder nun ausgerechnet der Richtige wäre..."
Claudia sah ihren Vater überrascht an. "Meinst net, dass das in allererster Linie mal ich selbst beurteilen müsste?"
"Ja, freilich. Und der Markus ist auch sicher ein feiner Kerl. Ich kenne ihn ja schon, seit er ein kleiner Junge war."
Claudia hob die Augenbrauen.
"Dann versteh ich net, was du gegen ihn einzuwenden hättest!"
"Mei, du weißt doch, was für ein unstetes Leben so ein Bergführer führt!"
"Unstetes Leben?", echote das Madl. "Papa, das ist doch nun wirklich Schmarrn! Der Markus hat sein gutes Auskommen!" Der Sennreicher zuckte die Schultern. "Ich mache mir halt nur so meine Gedanken. Aber jetzt komm erst einmal ins Haus. Die Mama wird froh sein, dass dir nix passiert ist!"
Die Tage bis zum Dorftanz vergingen für Claudia Sennreicher wie im Flug, was natürlich vor allem auch daran lag, dass sie sehr viel zu tun hatte.
Ihr Vater mutmaßte schon, dass Maria Hinzberg ihre Nichte mehr oder weniger ausnutzen würde, aber derartige Vorwürfe wehrte Claudia immer vehement ab. Zunächst wollte sie es für sich behalten, aber dann berichtete sie ihren Eltern von der Absicht der Wirtin, ihr Anwesen einst der jungen Hotelfachschulabsolventin zu vererben.
Das ließ den Bauern etwas anders darüber denken.
Dann kam der Dorftanzabend.
Er fand beim Kornhuber statt, der ein Wirtshaus direkt im Dorf betrieb. Der Tanzsaal des Kornhubers hatte viel größere Ausmaße als der Schankraum des vergleichsweise kleinen HINZBERGER HOFS. In regelmäßigen Abständen ließ der Kornhuber Musikkapellen aufspielen und dann traf sich alles was Beine hatte unter seinem Dach.
Erfahrungsgemäß war dann im HINZBERGER HOF so gut wie überhaupt nichts los und so hatte Maria Hinzberg beschlossen, an diesem Abend ihren Schankraum nicht zu öffnen.
Die Wirtin sah das ganz ohne Bitterkeit.
"Warum soll net auch der Kornhuber seinen Schnitt machen?", meinte sie dazu Claudia gegenüber. "Schließlich läuft der HOF ja an allen anderen Tagen sehr gut. Und die gute Aussicht, direkt auf die Berge, werden wir allen anderen immer voraus haben!"
Und so fuhr Maria Hinzberg schon am Nachmittag zu einer Bekannten, die sie lange nicht besucht hatte, in der Stadt.
Erst am Vormittag des folgenden Tages wollte sie zurückkehren.
Am frühen Abend tauchte der Geländewagen des Rieder-Markus auf dem Sennreicher-Hof auf.
Als Claudia ihm entgegenlief, bemerkte sie, dass der junge Bergführer seinen besten Janker angezogen hatte. Fesch sah er damit aus, fand sie. Normalerweise bevorzugte Markus als Bergführer ja eher praktische Kleidung.
Aber so herausgeputzt gefiel Claudia der junge Mann natürlich mindestens ebenso gut.
Das Madl hatte sich allerdings auch fein zurecht gemacht.
Natürlich musste sie bei ihrer Arbeit im HINZBERGER HOF stets auf ein gepflegtes Äußeres achten. Aber an diesem Abend trug sie ein ganz besonders kostbares Dirndl.
Der Markus war einen Augenblick lang sprachlos.
"Mei...!", stieß er hervor.
"Gefall ich dir?"
"Das ist gar kein Ausdruck!"
"Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren!"
"Ja, freilich!", meinte Markus dann nach kurzer Pause.
Er half Claudia auf den Beifahrersitz des Geländewagens.
Mit dem langen Rock war das gar nicht so einfach.
Wenig später fuhren sie los.
Das Wirtshaus des Kornhubers lag mitten im Dorf, das ein Stück weiter im Tal gelegen war.
Als Markus Rieder zusammen mit der Sennreicher Claudia dort eintraf, herrschte schon reger Betrieb.
Die Musikkapelle spielte sich gerade ein und einige Paare drehten sich auf der Tanzfläche.
Darunter auch Andreas Sennreicher, Claudias älterer Bruder.
Er würde einst den Hof erben und die Landwirtschaft weiterführen. Schon jetzt hatte der Vater viele Aufgaben an ihn deligiert. Andreas war ein fescher Junggeselle, der in dem Ruf stand, nichts anbrennen zu lassen. Immer wieder sah man ihn mit einem anderen Madl zusammen, während sich seine Eltern nichts sehnlicher wünschten, als dass der Hallodri endlich heiratete.
Andreas winkte seiner Schwester kurz zu.
Aber für eine längere Unterhaltung war er viel zu beschäftigt. Schließlich hielt er Lisa, die Tochter des Kornhubers in den Armen.
Mei, die Eltern haben's schon net leicht mit uns, ging es Claudia durch den Kopf. Der Andreas kann sich net entscheiden und wird in den nächsten Jahren vermutlich auch net vor den Altar treten - geschweige denn dafür sorgen, dass es auch in der übernächsten Generation noch einen Hoferben gibt. Und ich?, setzte Claudia ihren Gedankengang fort. Ich trete am Ende noch mit einem Bergführer vor den Altar, der doch angeblich ein ach so 'unstetes Leben' führt.
Aber da mussten ihre Eltern durch, fand das Madl. Sie mussten akzeptieren, dass nicht alles nach ihrem Willen gehen konnte und ihre Kinder inzwischen erwachsen geworden waren.
Claudia bemerkte die Blicke der anderen Dirndln aus dem Dorf. Neidische Blicke, so glaubte Claudia.
Schließlich war der junge Bergführer an ihrer Seite auch bei den anderen Madln der Umgebung beliebt. Und so manche von ihnen träumte mit Sicherheit davon, sich jetzt mit ihm auf dem Tanzboden herumzudrehen.
Sollen sie nur grün werden vor Neid, ging es Claudia gutgelaunt durch den Kopf.
Den ganzen Abend über tanzten Markus und Claudia zusammen, bis sie schließlich ziemlich außer Atem waren.
Es war schon sehr spät, als Markus Rieder das Madl schließlich nach Hause brachte.
Ein paar Hühner gackerten, als der Geländewagen des jungen Bergführers auf den Hof fuhr. Das Motorengeräusch hatte sie aus dem Schlaf geholt.
Die beiden jungen Leute stiegen aus.
Markus nahm Claudias Hände und legte dann den Arm um ihre Schulter. Sie schmiegte sich an ihn.
"Mei, es war ein wunderbarer Abend!", stieß sie hervor.
"Ja, das fand ich auch", nickte Markus.
"Leider ist er wie im Flug vergangen..."
"Ich will net hoffen, das dies der letzte gemeinsame Abend war...", gab Markus seiner Hoffnung Ausdruck.
"Na, bestimmt net", flüsterte Claudia.
Sie sahen sich an. Ihre Blicke verschmolzen miteinander.
Claudia bemerkte, wie sich das Mondlicht in Markus Rieders Augen spiegelte. Ein wohliges Gefühl durchflutete sie. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so glücklich gewesen zu sein, wie in diesem Moment.
Einige Augenblicke lang geschah nichts. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Der Wind strich mit einem sanften Rauschen über die ausgedehnten Wiesen, die den Sennreicher Hof umgaben.
Dann fanden sich ihrer beider Lippen zu einem zärtlichen Kuss.
Markus strich Claudia sanft über das Haar.
"Ich werde morgen beim HINZBERGER HOF vorbeischauen", versprach der junge Mann dann.
"Ich werde ungeduldig darauf warten", versprach sie. Dann blickte sie kurz zum Haupthaus des Sennreicher-Hofs hinüber. Dort war ein Licht angegangen - genau dort, wo sich das Küchenfenster befand.
"Ich hoffe, du bekommst jetzt keinen Ärger!", sagte Markus.
Claudia schüttelte den Kopf. "Geh Markus! Ich bin zwar ein bisserl später als sonst - aber meine Eltern werden sich wohl daran gewöhnen müssen, dass ich net mehr das kleine Madl bin, dass sie auf die Hotelfachschule in die große Stadt geschickt haben! Ich kann sehr wohl auf mich aufpassen!"
"Wenn's ihnen ganz gleichgültig wäre, was du so treibst, wär's dir gewiss auch net recht, gell?"
Claudia lächelte. "Gute Nacht, Markus."
"Gute Nacht."
Als Claudia das Haus betrat, traf sie ihre Mutter in der Diele.
Josepha Sennreicher sah ihre Tochter mit sorgenvollem Gesicht an.
"Claudia!", stieß sie hervor. "Gut, dass du wieder da bist!"
"Geh, Mama! Das ist doch ein Schmarrn, dass du so lange aufbleibst, bis ich vom Dorftanz zurückkomme!", meinte Claudia.
Aber die Bäuerin schüttelte den Kopf. "Na, darum geht es net, Claudia." Ihr Gesicht wurde noch ernster. Die Bäuerin schien mit den Tränen zu kämpfen.
"Um Himmels willen, was ist denn los?", fragte Claudia.
"Komm erst einmal mit in die Küche", forderte sie ihre Tochter auf. Dabei rieb sie unruhig die Handflächen aneinander.
Claudia folgte der Bäuerin in die Küche. Da saß ihr Vater mit einem ebenso ernstem Gesicht wie die Mutter.
Die beiden wechselten einen kurzen Blick miteinander.
"Nun aber heraus mit der Sprache!", forderte das Madl.
"Was ist denn so schlimmes geschehen, dass ihr so herumdruckst!"
Die Bäuerin stieß ihren Mann an und dieser begann schließlich zu sprechen. "Mei, es geht halt um deine Tante..."
"Tante Maria?"
"Genau!", nickte der Bauer.
"So red' doch schon! Was ist mit ihr?"
"Heute am Abend kam ein Anruf. Die Maria ist heute Abend ja zu einer Bekannten in die Stadt gefahren..."
"Freilich! Das hat sie mir erzählt!"
"Auf dem Weg wurde sie in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt...."
Claudia schluckte und starrte ihren Vater fassungslos an.
Sie hatte ein Gefühl, als ob ihr die Luft zum Atmen genommen worden wäre.
"Ist Tante Maria...verletzt?", fragte das Madl dann zögernd und mit belegter Stimme.
"Maria ist tot", erklärte jetzt die Bäuerin statt ihres Mannes. "Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus..." Die letzten Worte der Bäuerin erstickten in einem Schluchzen. Sie barg das Gesicht in den Händen. Franzl Sennreicher legte indessen seinen Arm um die Schulter seiner Frau und versuchte, sie zu trösten.
Claudia ließ sich auf einem der Küchenstühle niedersinken.
Das darf net wahr sein!, durchzuckte es sie, dies muss ein schlechter Traum sein...
Tränen rannen Claudia über die Wangen.
Es war nur wenige Augenblicke her, da hatte sie sich wie im siebten Himmel gefühlt. Und nun der jähe Absturz.
Was soll ich nur tun ohne Tante Maria?, ging es ihr voller Verzweiflung durch den Kopf. Wie eine dunkle Woge schlugen die Gefühle der Trauer über ihr zusammen. Maria Hinzberg - ihre Tante Maria - war für sie von Jugend auf eine wichtige Bezugsperson gewesen. Dass sie nun nicht mehr unter den Lebenden sein sollte, konnte Claudia noch immer nicht so recht fassen.
"Es tut mir leid", sagte der Sennreicher-Bauer indessen mit heiser klingender Stimme. "Die Maria wurde mitten aus dem Leben gerissen... Wir können jetzt nix anderes tun, als für sie zu beten!"
Claudia blickte auf.
Ihre Augen waren tränenrot. "Warum gerade sie?", fragte sie mit fast erstickter Stimme. Sie wollte noch etwas hinzufügen, brachte dann aber kein einziges Wort mehr über die Lippen.
Die nächsten Tage und Wochen waren für Claudia nicht leicht.
Zunächst blieb der HINZBERGER HOF einige Tage lang geschlossen.
So lange, bis Maria Hinzberg auf dem kleinen Friedhof im Dorf neben ihrem Mann beigesetzt neben worden war. Das halbe Dorf kam zur Beerdigung, und erwies der allseits beliebten Wirtin die letzte Ehre.
Die Testamentseröffnung machte schließlich das amtlich, was die Wirtin ihrer Nichte zuvor bereits offenbart hatte.
Dass nämlich sie die Erbin des HINZBERGER HOFS war.
Einen Berg von Arbeit galt es in der nächsten Zeit abzutragen. Claudia stürzte sich regelrecht hinein. Sie hätte sich sehr gewünscht, noch länger mit ihrer Tante gemeinsam den HINZBERGER HOF betreiben zu können. Aber nun, da sie auf sich allein gestellt war, stellte sie sich der Herausforderung.
Zunächst stellte sie noch eine Aushilfe ein, denn es war nach Tante Marias Tod absolut undenkbar, dass sie den Gasthof allein betreiben konnte.
Für den Rieder-Markus hatte sie in den folgenden Wochen wenig Zeit. Dem jungen Bergführer ging es allerdings umgekehrt nicht anders. Auch er hatte alle Hände voll zu tun.
Eine Bergtour nach der anderen wollte organisiert und durchgeführt werden. Und Markus wusste natürlich ganz genau, dass er die besten Wochen des Jahres nutzen musste. Wenn erst die Herbststürme begannen, dann nahm die Kletterlust der Touristen ganz schnell ab.
Trotzdem kam Markus natürlich beinahe jeden Tag zum HINZBERGER HOF. Und ganz gleich, wie voll der Gasthof dann auch sein mochte - ein paar Minuten machte sie sich dann immer frei. Mochte da auch der eine oder andere Tourist vor sich hin fluchen, wenn er ausnahmsweise etwas länger auf seine Maß Bier warten musste.
"Mei, ich hoffe, es kommen auch mal wieder ruhigere Zeiten!", sagte sie bei einem der wenigen längeren Treffen, die sie sich gönnten.
Markus lächelte sie an.
"Sei doch froh, dass dein Gasthaus so richtig gut läuft..."
Claudia seufzte hörbar. "Ja, das schon, aber..." Sie zögerte und sprach zunächst nicht weiter.
"Aber was?", hakte Markus nach.
"Mei, es ist halt schon noch etwas ganz anderes, wenn man plötzlich für alles ganz allein verantwortlich ist."
Markus nickte. "Ja, das kann ich schon verstehen..."
Hand in Hand gingen sie ein Stück spazieren. Ein schmaler Weg begann unweit des HINZBERGER HOFS und führte ein Stück talwärts bis zu einem kleinen Waldstück.
Dort gingen sie auch diesmal hin.
Am Waldrand lagen drei große Findlinge, die vor vielen Jahrtausenden die Gletscher der Eiszeit hier zurückgelassen hatten. Diese Steine waren etwas besonderes. Die Oberfläche war vollkommen glatt, die Form oval.
"Unser Platz", sagte Markus, als sie an diesem Abend dort anlangten.
Claudia lächelte. "Ja", sagte sie leise. So empfand sie das inzwischen auch. Sie atmete tief durch und meinte dann: "Ich weiß gar net mehr, wo mir der Kopf steht. Jetzt merke ich erst, wie viel ich noch lernen muss."
"Du schaffst das schon", war Markus zuversichtlich. "Und so lange genug Leute in den HINZBERGER HOF kommen, kann doch eigentlich auch gar nix passieren!"
Claudia zuckte die Achseln. "Ich hoffe, du hast recht. Mei, das wäre eine rechte Katastrophe, wenn ich das Gasthaus in den Ruin bringen würd'... Tante Maria würde sich im Grab umdrehen."
"Geh, Claudia, nun red' keinen Schmarrn!"
"Das ist kein Schmarrn, Markus! So etwas kann im Handumdrehen passieren!"
"Aber net, wenn man seine Arbeit so gewissenhaft macht wie du!"
Claudia lächelte.
"Es ist nett, dass du mir Mut machen willst. Und ich glaube, das habe ich im Moment auch nötig!" Sie sah ihn einen Augenblick lang an, dann fuhr sie fort: "Mei, ich red' hier schon die ganze Zeit ohne Unterlass und du kommst gar net zu Wort! Du hast sicher auch deine Probleme, die dich beschäftigen..."
"Naja..."
"Nun sag schon", forderte Claudia. "Was geht dir im Moment so im Kopf herum?"
"Ich woaß net, ob das jetzt der rechte Moment ist, um damit anzufangen...."
"Nur immer raus damit, Markus!"
Markus trat nun an sie heran, nahm ihre Hände. "Claudia, du woaßt, dass ich dich sehr gern hab..."
"Ich dich doch auch, Markus!"
"Ich würde gerne mit dir zusammen vor den Altar treten, Claudia."
Claudia war völlig perplex. Damit hatte sie im Moment nun wirklich am allerwenigsten gerechnet. Sicher, sie mochte den Rieder-Markus. Richtig verliebt war sie in ihn. Aber ob man sich ein Leben lang an jemanden band, das wollte wohl überlegt sein.
Claudia war verwirrt.
Was sollte sie ihm sagen? Die eine Hälfte von ihr riet ihr vehement dazu, einfach laut und deutlich ja zu sagen. Aber da waren auch Zweifel. In der letzten Zeit waren ihre Gedanken von den Dingen gefangengenommen gewesen, die irgendwie mit der Führung des HINZBERGER HOFS zu tun hatten. Sie hatte einfach nicht die nötige Ruhe gefunden, um näher darüber nachzudenken, wie sie sich ihre persönliche Zukunft vorstellte.
'Aber der Markus ist doch ein Mannsbild, wie du es dir immer erträumt hast!',wandte die andere Stimme in ihrem Inneren ein. 'Warum zögerst du da noch? Bist vielleicht schon irgendwann einmal so heftig verliebt gewesen, wie im Moment? Was gibt es da noch zu bedenken?'
Doch bei Claudia gewann das Gefühl die Oberhand, dass sie nichts überstürzen wollte. Sie wollte ganz sicher sein, das Richtige zu tun.
Und dazu brauchte sie noch etwas mehr Zeit...
"Markus, hör mal...", begann sie. An Markus' skeptischen Blick sah sie schon, dass das kein guter Anfang gewesen war.
Aber es half alles nichts. Sie musste mit der Wahrheit heraus. Und wenn er sie wirklich liebte, dann würde er das auch akzeptieren und noch eine Weile auf sie warten. "Ich liebe dich von ganzem Herzen, aber ich brauche einfach noch ein bisserl mehr Zeit. Weißt, in den letzten Wochen hat sich derart viel in meinem Leben verändert, dass ich erst wieder etwas Tritt gefasst haben muss, bevor ich über so etwas wie eine Hochzeit nachdenken kann. Das verstehst doch, gell?"
Markus gab sich zwar alle Mühe - aber die Enttäuschung konnte er dennoch nicht verbergen. Sie stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Sein Lächeln wirkte verkrampft.
"Mei, sicher versteh ich das", murmelte er.
"Lass mir einfach ein bisserl Zeit."
"Ja, freilich lass' ich dir die!"
"Weißt, wenn wir zwei einmal vor den Altar treten und die Ringe aufstecken, dann soll's doch für immer sein, oder?"
"Geh, Claudia! Was red'st denn da! Natürlich soll's das!"
"Na siehst du! Was machen da ein paar Wochen..."
Markus nickte. "Du hast sicher recht", meinte er. Aber Claudia war sich nicht so recht im klaren darüber, ob er das wirklich so meinte.
An einem der nächsten Abende traf sich Markus Rieder mit dem Zellerer-Wiggerl beim Kornhuber. Den Wiggerl kannte Markus schon seit der Grundschule. Seit damals waren sie befreundet. Wiggerl hatte die Sägemühle seines Vaters übernommen, nachdem dieser sich zur Ruhe gesetzt hatte. Und vor kurzem war er auch im Hafen der Ehe gelandet.
"Wann wird es denn mit dir und der Sennreicher-Claudia etwas?", erkundigte sich der Wiggerl mit unverhohlener Neugier. "Nachdem man euch beim Dorftanz zusammen gesehen hat, kamen ja die wildesten Gerüchte auf..."
"Das ist es ja eben", meinte der junge Bergführer und hob dabei die Schultern.
Der Wiggerl sah seinen alten Schulfreund verwirrt an.
"Mei, jetzt kapier ich aber nix mehr!", bekannte er. "Was ist denn nun was?"
Markus ließ den Blick kurz schweifen. Die Wirtschaft des Kornhubers war an diesem Abend stark frequentiert.