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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Die Flotte der Qriid (Alfred Bekker) Kopfgeld - Die Wormhole Affäre (Ann Murdoch) Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit (Jo Zybell) Time-Travellers (Margret Schwekendiek) Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen und das dunkle Zeitalter hat begonnen. In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf … Mit Mühe gelingt es Professor David Mulroney, mit seinem Flugzeug von Berlin ins Rheinland zu gelangen. Auch hier hat der Kometeneinschlag die Entwicklung der Menschheit zurückgeworfen. Wie und wo soll er Hilfe finden, um endlich Tim Lennox aufzuspüren? Die Rivalität zwischen Coellen und Dysdoor könnte sich als nützlich erweisen. Doch dann erfährt der Professor, dass Lennox in Amerika ist.
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Seitenzahl: 645
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4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1007
Copyright
Die Flotte der Qriid
Die Wormhole-Affäre - Band 5 Kopfgeldjagd
Erstes Kapitel: Prestige
Zweites Kapitel: Keine Ruhe an Bord
Drittes Kapitel: Sympathie sieht anders aus
Viertes Kapitel: Mutanten sind anders
Fünftes Kapitel: Kontrollverlust
Sechstes Kapitel: Die Stille vor dem Tod
Glossar Schwarze Division
Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit
Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Die Flotte der Qriid (Alfred Bekker)
Kopfgeld - Die Wormhole Affäre (Ann Murdoch)
Lennox und der Wettlauf gegen die Zeit (Jo Zybell)
Time-Travellers (Margret Schwekendiek)
Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen und das dunkle Zeitalter hat begonnen.
In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …
Mit Mühe gelingt es Professor David Mulroney, mit seinem Flugzeug von Berlin ins Rheinland zu gelangen. Auch hier hat der Kometeneinschlag die Entwicklung der Menschheit zurückgeworfen. Wie und wo soll er Hilfe finden, um endlich Tim Lennox aufzuspüren? Die Rivalität zwischen Coellen und Dysdoor könnte sich als nützlich erweisen. Doch dann erfährt der Professor, dass Lennox in Amerika ist.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 118 Taschenbuchseiten.
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
in chronologischer Reihenfolge
Einzelfolgen:
Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)
Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz
Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland
Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis
Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen
Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen
Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg
Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd
Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden
Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden
Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten
Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten
Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern
Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns
Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius
Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid
Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid
Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger
Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen
Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti
Commander Reilly 21: Prophet der Verräter
Commander Reilly 22: Einsamer Commander
Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)
Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)
Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)
Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)
Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde
Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp
Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium
Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg
Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten
Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet
Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer
Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash
Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast
Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha
Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch
Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance
Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten
Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen
Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt
Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion
Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf
Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung
Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung
Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes
Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff
Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter
Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne
Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos
Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer
Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich
Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe
Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter
Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen
Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy
Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix
Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt
Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne
Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle
Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)
Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer
Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)
Sammelbände:
Sammelband 1: Captain und Commander
Sammelband 2: Raumgefechte
Sammelband 3: Ferne Galaxis
Sammelband 4: Kosmischer Feind
Sammelband 5: Der Etnord-Krieg
Sammelband 6: Götter und Gegner
Sammelband 7: Schlächter des Alls
Sammelband 8: Verlorene Götter
Sammelband 9: Galaktischer Ruf
Sonderausgaben:
Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und
Chronik der Sternenkrieger #1-4)
Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)
Druckausgabe (auch als E-Book):
Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)
Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit ist die Grundlage jener Demut, die jedem Wissenschaftler eigen sollte. Die Erkenntnis, dass die eigene Existenz eine Endliche ist, erweist sich als die Triebfeder all jener Fragen, die wesentlich für den Prozess der Gewinnung von Erkenntnis sind.
(Aus den Schriften von Bruder Bartholomäus; Datenblock VI, verfasst um 2206)
Die PLUTO L-2 landete etwa fünfzig Meter von der Position des Wracks der BERESANTO entfernt. Der Koloss des Prospektorenschiffs wurde von der aufgehenden Sonne beschienen. Im Gegensatz zu dem sandfeinen, schwarzen Oberflächenmaterial reflektierte das Metall das Licht und so wirkte die BERESANTO fast leuchtend.
„Sehen wir uns um!“, befahl Van Doren. Er wandte sich an den Piloten. „Mister Riktor, ich denken Sie ahnen schon, dass Sie uns nicht begleiten werden.“
„Ja, Sir.“
„Lassen Sie eine permanente Kom-Verbindung zur PLUTO geschaltet. Falls die Qriid wieder auftauchen sollten, werden wir diesen Planeten sehr schnell verlassen müssen.“
„Aye, aye, Captain“, bestätigte Bran Riktor. „Soll ich die L-1 im Startbereitschaftsmodus halten?“
„Eine gute Idee. Tun Sie das.“
Van Doren legte einen Raumanzug an. Dupont dasselbe. Er war allerdings bereits fast fertig damit und überprüfte jetzt die Anzeigen der Sauerstoffpatronen. Am Gürtel trug er einen Nadler. Außerdem war er mit einem Modul ausgerüstet, mit dessen Hilfe es möglich war, in das Rechnersystem der BERESANTO einzudringen. Dieses Modul verfügte über sehr starke Energiezellen, die ausreichten, um zumindest für wenige Minuten den Rechner mit Strom zu versorgen, sodass man vielleicht die Logbuchdaten selbst dann herunterladen konnte, wenn sich die die Energieversorgung des Schiffes nicht mehr reaktivieren ließ.
Zuerst sahen sich die Marines draußen um. Als die Meldung kam, dass alles in Ordnung sei, folgten Van Doren und Dupont.
Sergeant Kovac nahm schwenkte den Scanner seines Ortungsgerätes.
„Wenn da noch ein Mensch an Bord wäre, müsste das jetzt eigentlich zu orten sein!“, sagte er. „Schließlich ist das ein Prospektorenschiff und keine militärische Spezialeinheit für Spionagezwecke, die über besondere Abschirmungen verfügt!“
„Wir müssen die Mannschaftsschleuse finden!“, sagte Van Doren.
Kovac deutete nach links. „Wir müssen dorthin!“, bestimmte er.
„Sergeant!“ schrillte die Stimme einer Frau über den Helmfunk.
„Was gibt es, Corporal Lyon?“, fragte Sergeant Kovac. Corporal Erica Lyon war seine Stellvertreterin. Sie war etwa zwanzig Meter entfernt auf einem Hügel in Stellung gegangen.
Van Doren und Kovac drehten sich zu ihr um.
Nach und nach folgten auch die anderen ihrem Beispiel.
„Sehen Sie sich das an!“, forderte Erica Lyon.
Der schwarze Pulversand, aus dem der Untergrund bestand, war aufgewirbelt worden. Die Partikel schwebten einem schwarmartigen Verbund durcheinander, der immer größere Mengen an kleinsten Teilchen vom Boden anzusaugen schien.
„Wie ist das möglich?“, murmelte Van Doren.
Es gab keine Atmosphäre, keine Turbulenzen, keine messbareren Magnetfelder.
„Ich würde sagen, das ist ein Effekt, der mit der Antischwerkraft verwandt ist, die wir in unseren Aggregaten verwenden“, sagte Zhao Dupont. Er richtete sein Modul auf diese Erscheinung, während Erica Lyon den aufgeschnallten Antigrav-Pak ihres Kampfananzugs aktivierte und sich schwebend ein Stück von dem Teilchen-Schwarm entfernte.
Sie landete neben Sergeant Kovac.
„Alles in Ordnung, Corporal?“, fragte dieser.
„Ja, Sir. Ich war nur etwas…“
„Irritiert?“
„Das trifft es ziemlich gut.“
„Überprüfen Sie unbedingt das Innere Ihres Anzugs, wenn Sie zurück in der L-2 sind“, forderte Lieutenant Dupont. Der Leitende Ingenieur, in dem sich chinesische, französische und karibische Vorfahren mischten, deutete mit der freien Hand auf die wirbelnden Teilchen. „Viele dieser Partikel sind so klein, dass ihre Größe im Nanobereich anzusiedeln ist. Die könnten in Ihren Anzug eingedrungen sein.“
„Halte ich für unmöglich“, erwiderte Erica Lyon. „Durch die Panzerung kommt nichts durch!“
„Meinen Messungen nach wäre das aber möglich, Corporal. Ich kann keinerlei toxische Relevanz dieses schwarzen Sandes – einen besseren Namen finde ich nicht dafür – erkennen. Aber wir sollten alle sehr vorsichtig sein…“ Dupont aktivierte nun seinerseits das Antigrav-Pak auf seinem Rücken. Er schwebte zehn Meter in die Höhe und dann in Richtung des durcheinander wirbelnden Schwarms. Dann richtete er sein Modul noch einmal auf den Schwarm.
„Sieht aus wie winzige Moskitos“, stellte Gordon Kovac fest. „Allerdings kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass sie in der Lage sind, die Panzeranzüge zu durchdringen. Schließlich können wir sie als schwarze Punkte erkennen, die sich gegen das Sonnenlicht abheben.“
„Sie variieren ihre Größe“, stellte Dupont fest. „Manchmal klumpen sie sich zu größeren Einheiten zusammen, zerfallen aber kurz darauf wieder. Das Ganze geschieht nach bestimmten Mustern, aber fragen Sie mich nicht, welchen Gesetzmäßigkeiten diese Vorgänge folgen. Ich bin schließlich Ingenieur – und nicht Chemiker oder Physiker!“
„Was lässt sich über dieses antigrav-ähnliche Kraftfeld sagen?“, fragte Van Doren.
Dupont war in diesem Punkt nicht zu einer konkreten Aussage bereit. „Die Daten müssten einer näheren Analyse zugeführt werden. Ich übertrage sie zur L-2, sodass sie gleich an die PLUTO weitergegeben werden können.“
Van Doren deutete auf den Schwarm der immer stärker anwuchs.
„Sehen Sie ein Gefährdungspotential für uns, Mister Dupont?“
„Von der Tatsache abgesehen, dass diese Partikel fast überall hin vordringen können einmal abgesehen – nein. Aber es wäre durchaus möglich, dass eine starke Verunreinigung durch dieses eigenartige Material zu einem Schaden in den Triebwerken führt.“
Etwa fünf Minuten tanzte der Partikelschwarm noch in einer Höhe von etwa zehn Metern herum, zog sich teilweise sehr stark in die Länge und bildete unterschiedliche Formen aus.
Das Ansaugen von Material – Van Doren fiel einfach kein passenderer Begriff ein, obwohl ihm bewusst war, wie absurd der Begriff ansaugen in einer atmosphärelosen Umgebung war – hörte auf. Der Materialstrom vom Boden versiegte und kehrte sich schließlich um.
Die Teilchen sanken nach und nach zu Boden, ähnlich wie es bei Teilchen in einer Suspension der Fall war.
Was ist da nur für eine Kraft?, ging es Van Doren durch den Kopf. Sie ist zweifellos der Schlüssel zu allem…
Über Kommunikator stellte Commander Van Doren eine Verbindung zur Brücke der PLUTO her.
Das Gesicht des Ersten Offiziers erschien auf dem Minibildschirm.
„Hier Fernand.“
„Leiteten Sie sämtliche Daten sofort an die STERNENKRIEGER weiter, I.O.“
„Aye, aye, Sir.“
„Ich möchte, dass sich Bruder Padraig die Aufzeichnungen ansieht.“
„Wird erledigt, Captain. Von den Qriid ist übrigens nirgends etwas zu sehen.“
„Na wenigstens eine gute Nachricht“, murmelte der Captain der PLUTO.
Das Außenteam von Commander Van Doren erreichte die Eingangsschleuse für die Mannschaft. Darüber hinaus gab es auch noch eine Schleuse zum Beladen, aber die allein mit dem Energiespeicher von Duponts Modul in Betrieb zu nehmen, schien kaum möglich zu sein.
Dupont legte sein Modul an die Außenhülle der BERESANTO an.
Dann gab er einen Energiestoß ab, durch den das interne Rechnersystem aktiviert werden sollte.
„Die Schleuse lässt sich öffnen“, kündigte der Leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER an. „Allerdings nur per Handbetrieb. Die Energie des Moduls reicht nicht aus, um das Schott zu bewegen.“
Wenig später schoben drei Marines das Schott zur Seite. Kovacs, Lyon und ein weiterer Marine namens Blackmith traten in die Schleuse.
Das Schott wurde wieder geschlossen. Erst als sich Kovac aus dem Inneren der BERESANTO über Funk meldete und bestätigte, dass alle in Ordnung sei, folgte der Rest der Gruppe.
Als sich das Innenschott der Mannschaftsschleuse vor Commander Van Doren öffnete, bot sich ihm ein sehr seltsamer Anblick.
Der Korridor, der sich vor den Mitgliedern des Außenteams erstreckte war von einer mindestens zwei Zentimeter dicken Schicht aus dem schwarzen Nano-Sand bedeckt.
„So viel zu der Frage, wohin dieser Nano-Staub überall vorzudringen vermag“, sagte Dupont.
Die fluoreszierenden Streifen an den Wänden, die für den Fall eines totalen Energieausfalls für eine Notbeleuchtung sorgen sollten, spendeten nur noch wenig Licht. Manche leuchteten so gut wie gar nicht mehr.
Aber die Helmlampen de Außenteams sowie die noch voller Leuchtkraft steckenden Fluoreszenz-Streifen an den Raumanzügen sorgten dafür, dass die Mitglieder des Außenteams sich problemlos orientieren konnten.
Dupont machte das Angebot, sich als Erstes um die Inbetriebnahme der Energieversorgung und damit auch der Beleuchtung zu kümmern, was möglicherweise vom nächsten Rechnerterminal aus möglich war.
Aber Van Doren lehnte das ab.
„Dazu haben wir keine Zeit“, sagte er. „Wir wissen nicht, wie lange wir gefahrlos hier bleiben können. Schließlich wird dieser Nano-Staub auch in unser Shuttle eindringen…“
Über Funk verständigte Van Doren den Piloten Bran Riktor, um ihn zu warnen.
„Achten Sie auf die Anzeigen der Innensensoren und natürlich darauf, ob irgendetwas Ungewöhnliches angezeigt wird. Wir wissen, dass diese Nano-Partikel offenbar nahezu jedes Material zu durchdringen vermögen…“
„Ich habe ja die Vergleichsdaten auf dem Bordrechner“, antwortete Bran Riktor. „Die Parameter des antigrav-ähnlichen Kraftfeldes, das offenbar die Partikel bewegte, habe ich in die Ortung eingespeist und festgestellt, dass es ganz in der Nähe ein ähnliches Kraftfeld zu geben scheint…“
„Wo?“
„Dort, wo die Olvanorer-Station ist.“
„Das ist interessant…“
„Interessant ist vor allem der zeitliche Zusammenhang.“
„Wie meinen Sie das?“
„Das Kraftfeld bei der Station tauchte in dem Moment auf, als jenes verschwand, in das Corporal Lyon beinahe hineingeraten wäre! Das habe ich anhand der automatischen Orter-Aufzeichnungen noch einmal überprüft! Bis auf die tausendstel Sekunde exakt – genauer lässt sich das anhand unseres Ortungssystems leider nicht feststellen. Aber es sieht alles danach aus, als gäbe es keinerlei zeitliche Überlappung.“
„Das klingt ja fast so, als hätte das Kraftfeld seine Existenz hier aufgegeben und im selben Moment woanders fortgeführt!“, stellte Van Doren fest.
„Das haben Sie gesagt, Captain“, sagte Bran Riktor.
Zhao Dupont mischte sich ein, der das Gespräch über seinen Helmfunk verfolgen konnte. „Theoretisch ist das möglich“, erklärte er. „Sogenannte Quanten-Teleportation.“
„Langsam frage ich mich, womit wir es hier eigentlich zu tun haben“, murmelte Van Doren.
„Mit einem Planeten, dessen Energiebalance insgesamt gesehen völlig unausgewogen ist“, stellte Dupont fest. „Null Grad Oberflächentemperatur, keine Atmosphäre, keine chemische Aktivität an der Oberfläche, diese seltsamen Bewegungen von Schwärmen aus Sandkörnern von Nano-Größe… Schwarzsandwelt hat einen Zustand erreicht, der sehr stark vom Naturzustand des Universums abweicht.“
„Mag sein“, meinte Van Doren. „Aber könnte man das nicht auch über uns sagen?“
„Wie bitte?“
„Über jedes Lebewesen, ja selbst über jede komplexere organische chemische Verbindung?“
„Vielleicht sollten wir ein anders Mal darüber philosophieren, Captain.“
„Auf jeden Fall möchte ich, dass die Schutzanzüge geschlossen bleiben“, befahl Van Doren. Er blickte auf die Anzeigen seines in den Kommunikator integrierten Ortungssystems. Die Temperatur an Bord hatte sich mit etwa null Grad dem Oberflächenniveau des Planeten angepasst und der Sauerstoffgehalt der Luft war eigentlich ausreichend – trotz der Tatsache, dass die Lebenserhaltungssysteme der BERRESANTO schon eine ganze Weile nicht mehr in Betrieb waren.
Das kann eigentlich nur bedeuten, dass die Besatzung bereits ziemlich bald nach der Havarie oder wie immer man das, was hier geschehen ist auch bezeichnen mag, nicht mehr an Bord war!, schloss Van Doren. Andernfalls wäre der Sauerstoffanteil geringer und der CO2-Anteil durch die ausgeatmete Luft deutlich höher.
Sergeant Kovac war der erste, der die Brücke erreichte. Die anderen folgten. Nirgends im Schiff waren sie auf ein Besatzungsmitglied gestoßen. Die Kabinen waren leer und wirkten, als wären sie sehr plötzlich verlassen worden. Teilweise lagen noch Gebrauchsgegenstände und Kleidung herum, so als wären sie gerade abgelegt worden. Allerdings war alles mit einer zum Teil auch dünnen Schicht aus schwarzem Nano-Staub bedeckt, der tatsächlich in jeden Winkel des Schiffes vorgedrungen zu sein schien.
Auf der Brücke bot sich ein ähnliches Bild.
Ein Handheld-Modul, mit dessen Hilfe sich der Captain in den Bordrechner einloggen konnte, lag auf einer kleinen Ablagefläche neben dem Kommandantensitz – von Staub bedeckt. Auffallend war, dass auf den Sesseln größere Staubhaufen zu finden waren. Aber schon kleinste Erschütterungen und Bewegungen in der Luft, wie sie etwa durch die Bewegungen der Außenteammitglieder entstanden, sorgten dafür, dass von diesen Haufen Teile herunter brachen und sich in Staubwolken auflösten, deren einzelne Partikel dann langsam zu Boden sanken.
Allerdings ohne, dass dabei ein Kraftfeld anmessbar gewesen wäre, wie Dupont sofort feststellte.
„Sehen Sie, ob Sie noch irgendwelche Daten aus dem Rechner retten können“, forderte Van Doren. „Konzentrieren Sie sich auf Logbuchdaten und ähnliches Material.“
„Ja, Sir“, bestätigte Dupont.
Dupont legte sein Modul an eine der Konsolen an und nach mehreren Versuchen gelang es ihm tatsächlich, einen Notbetrieb herzustellen und zumindest ein Teilsystem des Bordrechners in Betrieb zu nehmen.
„Ein Zugriff auf die Energieversorgung der BERESANTO ist leider unmöglich“, stellte der Leitende Ingenieur der PLUTO fest. „Da scheinen zu große Schäden vorzuliegen. Einige Displays und Kontrollleuchten an der von Dupont benutzten Konsole leuchteten auf. Es handelte sich um jene Konsole, die eigentlich dem Ersten Offizier vorbehalten war.
Sein Name war in den Datenprotokollen eingegeben.
Manchmal stand er dort als Wang Liedong, in anderen Fällen als Liedong Wang. Das schien offenbar davon abzuhängen, ob es sich um eine automatische Eingabe handelte oder diese vom Ersten Offizier der BERESANTO selbst vorgenommen worden war.
Über diesen Konsolenzugang steuerte Dupont dann das Hauptsystem an.
Allerdings ließ sich davon nur noch einzelne Komponenten anwählen. Und auch die dort enthaltenen Dateien und Programme waren fehlerhaft und teilweise in einem verstümmelten Zustand.
„Laden Sie einfach herunter, wovon sie glauben, dass uns das irgendeinen Aufschluss bringen könnte“, forderte Steven Van Doren.
„Wie Sie meinen. Mir scheint, dass teilweise sogar die chemische Basis der Speicher zerstört wurde“, äußerte Dupont eine Vermutung.
„Könnte dieser Nano-Staub dafür verantwortlich sein?“
„Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, denn das Zeug ist tatsächlich überall eingedrungen und hat ganz sicher die Förderanlagen komplett lahm gelegt, bevor es zu einem Systemversagen des Bordrechners kam. Dagegen spricht allerdings die chemische Reaktionsträgheit dieses Staubes. Ich könnte mir vorstellen, dass er vielleicht beim Auftreffen auf die Speichermedien wie ein Katalysator gewirkt hat, der irgendwelche Reaktionen auslöste, ohne selbst an ihnen teilzunehmen. Denn andernfalls müsste dieser Staub sich ja in eine andere Substanz umgewandelt haben!“
Dupont fand einige Dateien, die möglicherweise relevant waren. Darunter auch Logbücher und persönliche Aufzeichnungen des Captains, eines gewissen Prosper Xaver Smith.
Allerdings schlugen alle Versuche, diese Dateien über einen der mitgeführten Handheld-Rechner anzusteuern oder die Daten zumindest sichtbar zu machen, fehl.
„Ich sagte ja, dass das Material sehr stark beschädigt ist“, lautete Zhao Duponts Kommentar dazu.
„Schicken Sie es gleich an die PLUTO und die STERNENKRIEGER weiter, damit es analysiert und gegebenenfalls auch restauriert werden kann“, befahl Van Doren.
Dupont schlug vor, dafür das Shuttle PLUTO L-1 als Relais zu benutzen. Die STERNENKRIEGER lag ohnehin außerhalb der Reichweite eines gewöhnlichen Kommunikators oder des Moduls, das Dupont benutzte. Aber auch der Transfer der Daten zum Mutterschiff war sicher über die stabilere Relais-Verbindung mit Hilfe der stärkeren Sendeleistung der L-1.
„Bei schadhaftem Material können schon kleinste Übertragungsfehler, wie sie bei Kom-Verbindungen minderer Qualität einfach unvermeidlich sind, zu katastrophalen Resultaten führen“, meinte Dupont.
Wenig später meldete sich Bran Riktor von der PLUTO L-1 aus. „Die Übertragung ist leider fehlgeschlagen. Es gibt Übertragungsstörungen, deren Ursache ich bislang noch nicht ermitteln konnte. Aber der Kontakt zum Mutterschiff ist ebenfalls Minutenweise unterbrochen.“
„Dann speichern wir die Daten auf unseren eigenen Speichermedien“, entschied Van Doren. „Wir füllen die Speicher sämtlicher mobilen Geräte soweit es vertretbar ist.“
„In Ordnung, Captain“, bestätigte Dupont. „Ich hoffe, dass wir am Ende nicht nur Müll geladen haben.“
„Wird sich herausstellen“, murmelte Commander Van Doren.
Während Dupont für die Datensicherung sorgte, sah sich Van Doren zusammen mit Sergeant Kovac und Corporal Lyon etwas in den Räumen der Mannschaft um. Name und Dienstgrad standen jeweils an der Tür. Im Gegensatz zum Space Army Corps war auf der BERESANTO Platz genug, zum jedem eine Einzelkabine bieten zu können. Bei den Mannschaftsgraden waren die zwar so eng, dass man eher von einer Wohntoilette als einer richtigen Kabine sprechen konnte, aber sie gehörte dem Betreffenden auf jeden Fall allein.
Ist vielleicht auch besser so, dachte Commander Van Doren, als er das Refugium des Funk- und Kommunikationsoffiziers Pär Hellström betrat. An der Wand befand sich ein Board zum Dartwerfen, das mit einem Fotoausdruck beklebt war. Dem Rangabzeichen nach handelte es sich um ein Abbild des Captains. In dessen rechtem Auge und genau in der Mitte zwischen den Augen steckte jeweils einer von einer dünnen Schicht Nano-Staub bedeckter Pfeil. Besonders beliebt scheint dieser Captain Prosper Xavier Smith ja bei seinen Leuten nicht gewesen sein!, überlegte Van Doren. Trotzdem wüsste ich jetzt gerne, wo er steckt!
Eine halbe Stunde später meldete sich Bran Riktor vom Shuttle PLUTO L-1 aus.
Der Verbindung war schlecht.
Ein ständiges Rauschen störte im Hintergrund.
Riktor machte Staubaufwirbelungen dafür verantwortlich, die er an verschiedenen Stellen in der Umgebung geortet hatte. „Der Staub wird teilweise bis in Höhen von mehreren Kilometern getragen“, berichtete er.
„Falls die Kraft, die dafür verantwortlich ist, ähnlich unserem Antigrav wirkt, ist das auch kein Wunder“, erwiderte an Deyk leicht genervt über die Nebengeräusche und die Tatsache, dass Riktor immer wieder vom Minibildschirm seines Kommunikators verschwand und einem abstrakten Gemälde aus schwirrenden Punkten Platz machte. Einem Gewirr, das auf gewisse Weise an die Nandostaubschwärme dieses Planeten erinnerte. „Wenn es sonst nichts Wichtiges gibt, dann…“
„Sir, der eigentliche Grund, weshalb ich Sie kontaktiere ist die Tatsache, dass ich soeben für ein paar Sekunden Funkkontakt mit der Olvanorer-Station gehabt habe.“
„Und das sagen Sie erst jetzt?“
„Es ist kein Audio-Stream zu Stande gekommen. Nur eine kurze, verwackelte Videosequenz.“
„Versuchen Sie, den Kontakt zu reaktivieren, Riktor.“
„Ja, Sir.“
Der Funkkontakt zum Mutterschiff fiel innerhalb der nächsten halben Stunde völlig aus. Es bildeten sich große Staubwolken, die offenbar mit diesem Ereignis in Zusammenhang standen, ohne dass es dafür schon eine schlüssige Erklärung geben hätte.
Riktor ortete mehrere Kraftfelder, die ständig ihren Ort veränderten. Nur eins – das mit dem höchsten energetischen Level – blieb stationär und zwar exakt dort, wo sich die Olvanorer-Station von Schwarzsandwelt befand.
Van Dorens Kommunikator wurde mehrfach angesteuert, ohne dass es zu einer Kommunikation kam. Den anderen Mitgliedern des Außenteams ging es ähnlich.
Der Captain der PLUTO kehrte zusammen mit Kovac und Lyon auf die Brücke zurück, wo Lieutenant Dupont inzwischen damit fertig war, dem Bordrechner Datenmaterial zu entnehmen. „Ich glaube, der Rest ist nur noch Schrott“, meinte er. „Und ich fürchte, selbst bei dem Material, das ich jetzt gesammelt habe, wird sich vieles nicht mehr rekonstruieren lassen.“
„Im Moment sind wir ja schon für jeden kleinsten Hinweis dankbar“, sagte Van Doren.
Bevor er anordnen konnte, das Schiff zu verlassen, wurden sämtliche Kommunikatoren des Außenteams gleichzeitig angesteuert. Unbekannter Teilnehmer ohne gültige Codierung war da auf den Displays zu lesen.
Dann erschien das Gesicht von Bruder Marius. Im Hintergrund war wieder der geheimnisvolle Bruder Bartholomäus zu sehen, bei dem Bruder Padraig von der STERNENKRIEGER überzeugt war, dass er nicht mehr lebte.
Van Doren hatte sich nicht die Mühe gemacht zu überprüfen, ob die Angaben, die Bruder Padraig dazu in der Videokonferenz gemacht hatte, der Wahrheit entsprachen. Aber es gab auch keinen Grund, an Padraigs Angaben zu zweifeln. Zu dumm, dass die Geschichte der Olvanorer immer nur ein Randthema in der Ausbildung an der Ganymed-Akademie war!, ging es Van Doren durch den Kopf. Angesichts der großen Verdienste, die sich dieser Orden durch seine Forschungsreisen in die Tiefen des Alls erworben hat eigentlich unverständlich…
„Hier spricht Bruder Marius vom Orden der Olvanorer.“
„Und hier spricht Van Doren, Captain der Pluto. Wir hatten bereits einmal das Vergnügen. Die Verbindung ist nicht besonders gut…“
„Auf Schwarzsandwelt ist man leider immer wieder von periodisch auftretenden Schwierigkeiten mit dem Funk betroffen“, sagte Bruder Marius.
Wie schon beim ersten Gespräch mit dem für das Braden-System zuständigen Prior der Olvanorer-Stationen im Braden-System, wandte sich Bruder Marius kurz zu dem im Hintergrund bleibenden weißhaarigen Mönch zu.
Wieder konnte man den Eindruck gewinnen, dass Bruder Marius den Rat des anderen suchte oder auf irgendeine Weise mit ihm in Kontakt trat. Und wenn es nur durch Blicke geschah, die Zustimmung oder Ablehnung signalisierten.
Es war bekannt, wie genau Olvanorer selbst die kleinsten körpersprachlichen oder mimischen Signale zu registrieren vermochten.
Eigentlich müssten Bruder Padraig diese Bilder umgehend zur STERNENKRIEGER überspielt werden, damit er sich selbst ein Bild darüber machen kann, ob er vielleicht einer Täuschung erlegen ist oder es sich tatsächlich um den wiederauferstandenen Bruder Bartholomäus handelt!, ging es Steven Van Doren durch den Kopf.
„Wir haben weder vom Orbit aus noch während des Anfluges zu unserem jetzigen Landeplatz aus auf Ihrer hiesigen Station kein Energieniveau anmessen können, das ausreicht, um selbst einer kleinen Besatzung das Überleben zu sichern“, sagte Van Doren.
„Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht allzu sehr auf konventionelle Messverfahren verlassen. Zumindest nicht, solange Sie sich im Einflussbereich von Schwarzsandwelt befinden. Leider haben Sie sich nicht an unseren guten Rat gehalten, sondern den Planeten trotzdem betreten.“
„Bruder Marius, ich möchte jetzt keine Ausflüchte oder irgendwelches lauwarmes Gerede hören, sondern klare Antworten: Was ist mit der BERESANTO geschehen? Es völlig unmöglich, dass Sie davon von Ihrer Station aus nichts bemerkt haben. Und was ist mit den Qriid? Wie können Sie glauben, dass deren Aktivitäten für Sie keine Gefahr darstellen?“
Van Doren konnte seinen Ärger kaum verbergen.
Die Gesichter der beiden Olvanorer hingegen blieben vollkommen unbewegt.
„Das sind sehr viele Fragen auf einmal“, stellte Bruder Marius fest. „Und die Antworten sind nicht so einfach, wie Sie sich das in Ihrer beschränkten Logik vielleicht vorstellen.“
Was für eine unolvanorische Arroganz, dachte Van Doren. Laut sagte er: „Eine ganze Schiffsbesatzung ist spurlos verschwunden, das werde ich nicht auf sich beruhen lassen. Und auch wenn wir uns hier außerhalb der Zone befinden, in der die Gerichtsbarkeit der Humanen Welten greift, so gibt es doch seit ein paar Jahren die Bundesgesetze für den Fernen Weltraum, die festlegen, dass…“
„Vielleicht waren wir anfangs etwas schroff zu Ihnen“, wurde Van Doren nun von dem Weißhaarigen unterbrochen. „Es hatte gute Gründe, dass wir euch den Zutritt zu diesem Planeten verwehren wollten, aber da ihr nun schon einmal hier seid, haben sich die zum Teil erübrigt.“
„Und was schlagen Sie vor, wie wir jetzt weiter vorgehen?“, fragte Van Doren.
„Vielleicht ist es das Beste, Sie kommen zu uns auf die Station“, sagte Bruder Bartholomäus. „Von Ihrem jetzigen Standort sind das etwa fünfzig Kilometer. Die dürften Sie mit Ihrem Shuttle innerhalb weniger Minuten hinter sich bringen können.“
Im nächsten Moment brach die Verbindung ab.
„Was halten Sie davon, Captain?“, fragte Sergeant Gordon Kovac.
Commander Steven Van Doren zuckte mit den Schultern und dachte erst im nächsten Moment daran, dass sein Gegenüber das wegen des kloobigen Raumanzugs kaum wahrnehmen konnte.
„Wenn ich das wüsste“, murmelte er. Er stellte eine Verbindung zu Riktor her. Nach zwei Fehlversuchen, bei denen der Kontakt gleich wieder abbrach, klappte das auch. „Riktor, machen Sie das Shuttle starklar. Wir sind so schnell wie möglich bei Ihnen.“
Commander Reilly hatte einige Offiziere der STERNENKRIEGER im Konferenzraum versammelt. Waffenoffizier Lieutenant Chip Barus führte derweil das Kommando auf der Brücke.
Anwesend waren Soldo, Bruder Padraig, Dr. Miles Rollins sowie Sergeant Saul Darren, der Kommandant der an Bord der STERNENKRIEGER stationierten Einheit von Marineinfanteristen. Da der Leichte Kreuzer bald das Orbit von Meerwelt erreichen würde, war es sinnlos, den Marines-Kommandanten in die weiteren Planungen mit einzubeziehen. Gleichgültig, wie man weiter vorging, würden seine Soldaten dabei eine wichtige Rolle spielen.
„Der Funkkontakt zur PLUTO ist im Augenblick sehr schlecht, was Lieutenant Commander Fernand mit einem verstärkten Auftreten von Nano-Stürmen begründet.“ Reilly zuckte mit den Schultern. „Der Begriff stammt von Fernand, nicht von mir. Er trifft meines Erachtens auch nicht ganz, was da vor sich geht.“
„Ich habe zwar bereits damit begonnen, die vorliegenden Daten zu analysieren“, sagte Bruder Padraig. „Aber ich fürchte so leicht werden wir da nicht weiterkommen.“
„Warum nicht?“, fragte Reilly. „Die STERNENKRIEGER verfügt schließlich über sämtliche Features, die zur Erforschung derartiger Phänomene notwendig sind. Zumindest müsste man herausfinden können, ob es sich dabei um die Ursache der BERESANTO-Havarie handeln könnte.“
„Diese Frage kann ich schon jetzt mit Ja beantworten“, erklärte Padraig ohne Umschweife.
Reilly war überrascht, über die plötzliche Klarheit, mit der der Olvanorer geantwortet hatte. Aber ihm geht es um einen anderen Punkt. Diese Kraftfelder hält er gar nicht für so wesentlich.
„Sie wollten noch etwas sagen, Bruder Padraig?“
Der Mönch sah Reilly überrascht an.
Ja, ich kann meine Spiegelneuronen ebenfalls benutzen – wenn vielleicht auch nicht so virtuos wie euresgleichen!, dachte Commander Reilly.
Bruder Padraig lächelte mild. „Es geht mir um das Auftauchen Bruder Bartholomäus. Ich habe sämtliches Informationsmaterial gesichtet, das in unseren Datenspeichern enthalten ist. Aber es gibt da einige Punkte, die ich so nicht herausfinden kann.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ein Teil der Schriften von Bruder Bartholomäus unterliegt der Geheimhaltung. Ich hätte Zugang zu dem Material, aber ob man das Wagnis eingeht, es mir per Sandström-Komleitung auf die STERNENKRIEGER zu überspielen, wage ich zu bezweifeln. Ich müsste mit dem Kloster Saint Arran deswegen Kontakt aufnehmen. Ich denke, dass ich den Ehrwürdigen Abt zu einer Zusammenarbeit bewegen kann. Schließlich dürfte es auch in Saint Arran von großem Interesse sein, was mit den Stationen im Braden-System geschehen ist…“
Reilly nickte leicht.
„Gut, nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie das für nötig halten. Und erfragen Sie bitte auch, ob es vielleicht noch einiges gibt, was der Orden bisher nicht über den Server der Brüderschule öffentlich zugänglich gemacht hat.“
„Ja, Sir, das werde ich.“
„Gut.“
„Ich hoffe nur, dass ich darauf auch eine Antwort bekomme. Aber das müssen wir abwarten. Allerdings muss ich eine Sandström-Verbindung mit höchster Verschlüsselungsstufe bekommen. Ansonsten wird man kaum bereit sein, über die angesprochenen Dinge mit mir zu sprechen.“
Lieutenant Commander Soldo mischte sich ein.
„Immer diese Geheimniskrämerei bei den Kuttenträgern“, meinte er.
„Es gibt gute Gründe dafür, nicht alles zu offenbaren“, gab Bruder Padraig gelassen zurück.
Später saß Bruder Padraig vor dem Rechner-Terminal im Captain’s Room, den Commander Reilly ihm für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte. Die Anwesenheit des Captains auf der Brücke war jetzt ohnehin unerlässlich. Schließlich würde die STERNENKRIEGER in Kürze in den Orbit von Meerwelt einschwenken.
Er stellte eine Verbindung zum Kloster Saint Arran her.
Der Ehrwürdige Abt persönlich sprach schließlich mit ihm.
Abt Bassam war ein Mann mit ruhigen, dunklen Augen und einem alterslos wirkenden Gesicht.
In aller Gelassenheit hörte er sich an, was Bruder Padraig ihm vorzutragen hatte.
„Was du berichtet hast, war sehr aufschlussreich, Bruder Padraig“, erklärte Abt Bassam, nachdem Bruder Padraig geendet hatte. „Aber es widerspricht allem, was uns an Daten vorliegt. Wir haben regelmäßig Kontakt zu Bruder Marius gehabt.“
„Gab es ausführliche Berichte über die Forschungsaktivitäten?“
„Nein, das ist auch nicht üblich, wie du sehr wohl weißt, Bruder. Wir sind nicht auf kurzfristige Erfolge aus, sondern suchen die langfristig gültige Erkenntnis.“
„Dessen bin ich mir bewusst, Ehrwürdiger Abt.“
„Und Bruder Marius war dieser Maxime ganz besonders verpflichtet.“
„Worum ging es bei den Forschungen, die unter Bruder Bartholomäus begonnen wurden?“, fragte Bruder Padraig. „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass allein die Erforschung der zugegebenermaßen bizarren Natur einiger Braden-Planeten ein so großes Aufgebot an forschenden Brüdern rechtfertigt.“
„Du hast recht“, sagte Abt Bassam. „Darum ging es zwar auch – aber nicht in erster Linie.“
„Worum dann? Wir müssen es wissen, wenn wir das Schicksal einer Schiffsbesatzung und unserer Brüder aufklären wollen.“
Der Ehrwürdige Abt zögerte.
Aber dann sah er die Notwendigkeit ein, das Geheimnis zu offenbaren. „Der Begriff GeheimeGestalt dürfte dir als bereits fortgeschrittenem Bruder ja wohl ein Begriff sein.“
„Natürlich“, murmelte Bruder Padraig. „Darum ging es also… Jetzt macht manches Sinn.“
„Ich werde dir die Datensätze überspielen, die du verlangt hast. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, Bruder Padraig.“
„Das weiß ich, Ehrwürdiger Abt.“
„Du wirst diese Daten sorgfältig hüten und vernichten, sobald sie nicht mehr gebraucht werden.“
„Ja.“
„Es wird sich vielleicht nicht vermeiden lassen, dass auch Außenstehenden ein paar Dinge über unseren Orden enthüllt werden, die so eigentlich nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht sind. Das nehme ich in Kauf. Vielleicht werde ich mich dafür eines Tages verantworten müssen, aber es scheint mir tatsächlich keine andere Möglichkeit zu bestehen, als dieses Risiko einzugehen. So sei es also…“
„Ich danke dir, Ehrwürdiger Abt.“
„Ich danke dir, dass du die Interessen unseres Ordens so aufmerksam verfolgst, Bruder Padraig. Und jetzt möchte ich dich meinerseits um etwas bitten.“
„Gewiss, Ehrwürdiger Abt.“
„Übersende mir die Aufzeichnung der Kommunikatorbilder, die es von Bruder Bartholomäus gibt.“
„Das tue ich gerne.“
„So kann ich die Aufnahmen einer eingehenden Prüfung unterziehen. Ich will deren Ausgang nicht vorwegnehmen, Bruder Padraig, aber ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass Ihr irgendeiner Form von Manipulation erlegen seid. Jedenfalls sind die Vorstellungen unseres Ordens von der Wiederauferstehung deutlich transzendenterer Natur…“
„Wer könnte ein Interesse daran haben, die Legende eines wiedererstandenen Olvanorers in die Welt zu setzen?“
„Wen gibt es noch, der überhaupt ein Interesse am Braden-System gezeigt hätte?“
Der Gedanke war plötzlich da und Bruder Padraig hatte ihn bereits ausgesprochen, noch ehe er auch nur einen einzigen Augenblick lang über die Konsequenzen nachgedacht hatte.
„Die Qriid…“
Während Bruder Padraig die Datenfiles auf dem Rechnerterminal des Captains empfing und mit einem speziellen Code verschlüsselte, um sie nicht etwa allgemein zugänglich zu machen, gingen seine Gedanken zurück in die Vergangenheit.
Zurück zu dem von zwei Sonnen erhellten Himmel von Sirius III. Sirius A – ein Hauptreihenstern von zweieinhalbfacher Sonnenmasse – und der weiße Zwerg Sirius B umkreisten einen gemeinsamen Gravitationsschwerpunkt und hielten einen mittleren Abstand von 20 Astronomischen Einheiten.
Einmal in 50 Jahren kreisten die beiden Sonnen umeinander und da die Bahn von Sirius III zwischen den beiden Sternen hindurchführte, gab es Perioden von jeweils bis zu zehn Jahren, in denen es auf Sirius III keine Nacht gab.
Das Kloster Saint Arran lag an der Innenseite des dreißig Kilometer hohen Arran-Kraters. Bis auf 100 Meter über Normal null war dieser Krater mit Wasser gefüllt, das durch unterirdische Reservoire gespeist wurde. Die Mauern des Klosters waren so in den Fels hineinplatziert, dass sie kaum wie künstliche Gebilde wirkten, sondern eine Einheit mit der Natur zu bilden schienen, wie es bei manchen Bergklöstern Tibets der Fall war. Verwachsen mit dem Stein, in den unbekannte Erbauer sie hineingehauen hatten.
Das Kloster Saint Arran war nämlich keineswegs von Menschenhand erbaut worden.
Diese Mauern waren vielmehr die Hinterlassenschaft einer wahrscheinlich weitgehend humanoiden Art, die man Alt-Sirianer nannte. Dieser Begriff diente der Unterscheidung zu den Neu-Sirianern oder einfach Sirianern, wie sich die menschlichen Siedler des Sirius-Systems selbst bezeichneten.
Auf den Plateaus um Saint Arran hatte sich eine kleine Stadt gebildet. Die Abgeschiedenheit früherer Zeiten gab es heute nicht mehr für die Ordenszentrale der Olvanorer. Auf der anderen Seite des Kratersees lag die Brüderschule, aus deren Campus sich ebenfalls im Laufe der Zeit eine Stadt gebildet hatte.
Sirius City.
Die Brüderschule hatte wie ein Kristallisationspunkt gewirkt und war heute das kulturelle Zentrum des Planeten und besaß darüber hinaus den bedeutendsten Raumhafen.
Aber das war nicht immer so gewesen…
2080 kamen die ersten Siedler in das nur acht Lichtjahre von der Erde entfernte Sirius-System. Zwanzig Jahre brauchten sie für diese Reise und für lange Zeit waren sie faktisch auf sich allein gestellt.
Vor der Erfindung des Sandström-Funks brauchte jeder Funkspruch zur Erde brauchte acht Jahre – und dann musste man noch mal acht Jahre auf die Antwort warten.
Faktisch bedeutete dies, dass der Kontakt zwischen Erde und den Sirianern ebenso abriss, wie es zuvor schon mit den Wega-Kolonisten geschehen war, die die 26 Lichtjahre bis zum Wega-System im Kälteschlaf zurückgelegt hatten und dort eine Kolonie errichteten.
Unter den ersten Kolonisten war ein gewisser Saint Arran.
Seine tief-religiösen Eltern hatten es offenbar besonders gut mit ihm gemeint und ihm den Vornamen „Saint“ – „Heiliger“ gegeben. Für die sehr engen Vorstellungen der reformiert evangelikal-islamischen Bewegung, der seine Eltern angehört hatten, hatte der junge Saint allerdings wenig übrig gehabt. Das Interesse an spirituellen Fragen jedoch hatte ihn von Anfang an umgetrieben.
Als Saint Arran mit den Kolonistenschiffen auf Sirius III landete, war er bereits 50 Jahre und hatte ein Leben als gescheiterter Wunderheiler und Wahrsager hinter sich.
Die erste Stadt auf dem dritten Planeten des Doppelsterns wurde gegründet. Man nannte Sie einfach Sirius Town, was nicht viel Fantasie verriet. Aber die Siedler hatten wichtigeres zu tun, als sich darum zu bemühen, fantasievolle Namen für eine kleine Siedlung zu erfinden, die von allen sowieso nur erst das Dorf und später die Stadt genannt wurde.
Solange es sich um das einzige Dorf beziehungsweise die einzige Stadt handelte, war es vollkommen gleichgültig, wie sie hieß.
Erst die zweite Stadt auf Sirius bekam einen richtigen Namen. Sie hieß Aschere, nach dem babylonischen Namen des Sirius… Später folgte Dog Star, was darauf anspielte, dass man den Sirius früher auch als Hundsstern bezeichnet hatte.
Saint Arran blieb unter den Siedlern ein Einzelgänger.
Die Oberfläche des Planeten wies gewaltige Krater auf, von denen die meisten mit Wasser gefüllt waren und kleine Binnenmeere bildeten.
Einen richtigen Ozean gab es auf Sirius III hingegen nicht.
Das Sirius-Jahr dauerte insgesamt fast vierzig Erdjahre und da die Bahn stark elliptisch verlief gab es starke klimatische Schwankungen, deren Spannbreite die Siedler noch gar nicht zu überschauen vermochten, als sie sich ihr neues Domizil erwählten. Arktische Vereisung bis zum nördlichen und südlichen Wendekreis bildete ein Extrem – jahrelanges Wüstenklima vor allem während der Hellphasen, in denen sich Sirius III zwischen Sirius A und B befand, waren das andere Extrem.
Aber die Vegetation hatte sich an diese Schwankungen hervorragend angepasst. Darüber hinaus bildete der Fischreichtum der Kraterseen eine wichtige Nahrungsreserve. Die Arten, die darin vorkamen, hatten sich vollkommen unabhängig voneinander entwickelt. Allenfalls unterirdische Wasserreservoire bildeten eine Verbindung. Immerhin war der Schaden, den die Menschen durch das Aussetzen irdischer Nutzfische und den Betrieb ihrer hydroponischen Anlagen verursachten, immer nur auf ein bestimmtes Areal begrenzt.
Über sein Erweckungserlebnis sprach Saint Arran später nie.
Angeblich bewahrte der Olvanorer-Orden eine Schrift auf, in der er sie ausführlich schilderte, aber die Echtheit dieses Dokuments war selbst unter Olvanorern umstritten. Ja, es war tatsächlich ein Dokument, denn Saint Arran hing damals noch der Auffassung an, dass der Gebrauch von Computern den menschlichen Geist zu faul und behäbig werden lasse. Später sollte er seine Meinung dazu ändern, sodass er dann sogar die Auffassung vertrat, der Computer sei das von Gott geschenkte Instrument zum erkennen des Universums in seiner geheimen Gestalt…
Letzteres glaubte Saint Arran während seiner Offenbarung in der Wildnis, wo er sich vorwiegend vom Verzehr von schuppigen Flügelschlangen ernährte, zum ersten Mal für einen flüchtigen Moment erkannt zu haben.
Die geheime Gestalt des Universums.
Das, wonach letztlich jeder Olvanorer später suchen sollte. Dabei war die geheime Gestalt nichts anderes als die immanente, göttliche Ordnung der Dinge. Ein Muster, das alles ordnete und in seinen übergeordneten, sinnvollen Zusammenhang einfügte. Abt Mato Arewo, der Gründer des Olvanorer-Ordens sollte sie später mit einem Kraftfeld vergleichen, dass in der Lage war, die tote Materie zu bewegen. Ein Kraftfeld, das aus sich selbst heraus existierte, alles durchdrang und von menschlicher Erkenntnis nur teilweise erfassbar war.
Die Leute von Sirius Town und Aschere sagten über den Sonderling, dass vermutlich der zu häufige Genuss von Flügelschlangenfleisch dazu geführt hatte, dass er dermaßen wirres Zeug redete, anstatt sich am Aufbau der Kolonie zu beteiligen. Schließlich wusste man, dass das Blut der sirianischen Flügelschlange halluzinogene wirksame Stoffe enthielt, unter deren Einfluss man leicht geraten konnte, wenn man das Tier nicht vor der Zubereitung gut ausbluten ließ und das Fleisch sorgfältig reinigte.
Man sah in Saint Arran bestenfalls einen harmlosen Spinner und schlimmstenfalls einen Wirrkopf, der jeden der ihm zuhörte mit seinen Ideen von der Arbeit abhielt.
Jahrelang zog Saint Arran auf dem Rücken eines gezähmten Sirius-Yaks durch die Wildnis und suchte nach Erleuchtung und innerem Frieden. Insbesondere aber suchte er nach einer Möglichkeit, erneut Gottes Geheimer Gestalt des Universums ansichtig zu werden.
Und wenn es nur für einen Moment war…
Nach jahrelanger Wanderschaft gelangte er in jenen Krater, der später seinen Namen tragen sollte. Dreißigtausend Meter hoch war dessen Rand – größer noch als der Olympus Mons auf dem Mars. Die Atmosphäre auf Sirius III war dichter und sauerstoffreicher als auf der Erde. So tat man gut daran, sich in den Ebenen nicht ohne Atemmasken aufzuhalten, um die als Taucherkrankheit bekannten Symptome zu vermeiden, die erhöhter Sauerstoffanteil unter erhöhtem Druck nach sich ziehen kannte. Vor allem galt das, wenn man sich länger in den Ebenen aufhalten wollte. Sämtliche Siedlungen der Menschen lagen daher an den Gebirgshängen der Krater, die ein Zeugnis von der bewegten Vergangenheit dieses Planeten ablegten. Sie stammten nämlich sehr wahrscheinlich nur zu einem geringen Anteil von Vulkanausbrüchen, sondern waren mehrheitlich durch kosmische Kollisionen verursacht.
Zehn- bis fünfzehntausend Meter stellte sich für die Siedler als eine angenehme Wohnhöhe heraus. Auf der Erde hätte ein Mensch dort nicht mehr atmen können, aber auf Sirius III war das etwas anders. Dort begann die ohne Hilfsmittel besiedelbare Zone erst bei 2000 Metern über normal Null.
Aber selbst auf dieser Welt war eine Höhe von dreißigtausend Metern zu überwinden auch mit technischen Hilfsmitteln eine Leistung, die einen Menschen bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit führte.
Die Benutzung eines Antigravgeräts lehnte Saint Arran ab.
Später sagte man, dass dies aus theologisch-philosophischen Überzeugungen heraus geschah und er die Erkenntnis der Geheimen Gestalt in der direkten auch körperlichen Konfrontation mit den Mächten der Natur gesucht habe. Böswillige Zeitgenossen meinten jedoch, dass er sich ein Antigravaggregat schlicht und ergreifend nicht habe leisten können, denn gerade in Anfangsjahren der Sirius-Kolonie verlangte man dafür horrende Preise. Schließlich gab es keine Fabriken, die jederzeit Nachschub an technischen Geräten dieser Qualität herstellen konnten. Die entstanden erst Jahre später. Und Siedlerschiffe, die Nachschub an technischem Gerät brachten, kamen nur sehr selten. Sie brauchten schließlich Jahrzehnte, bis sie den Sirius erreichten und viele Schiffe gingen auf dem Weg dahin verloren. Niemand hörte je wieder etwas von ihnen.
Saint Arran überstieg den Kraterrand mit einem Atemgerät als einzigem Hilfsmittel. Es saugte Atemluft aus der Umgebung an und verdichtete sie, sodass man sie mit Hilfe einer Maske einatmen konnte. In einer Höhe in der auf Sirius III die Troposphäre in die Stratosphäre überging, war es unmöglich, ohne dieses Hilfsmittel zu überleben.
Saint Arran machte sich auf der Innenseite des Kraters an den Abstieg. Es gab so gut wie keinen Luftaustausch zwischen dem Innenbereich des Kraters und den außerhalb davon gelegenen Gebieten. Die Atmosphäre hatte im Innenbereich eine im Vergleich zum Rest des Planeten deutlich unterschiedliche Zusammensetzung. Irgendwann stieß er auf das burgähnliche Gemäuer, das die Alt-Sirianer hinterlassen hatten.
Es erschien ihm wie ein Sinnbild der Harmonie.
Eine Ausdrucksform der Geheimen Gestalt.
Jahrzehnte später spürte ihn ein Wissenschaftler in dem Gemäuer auf, das Saint Arran zu seinem Wohnsitz gemacht hatte. Der Name des Wissenschaftlers war Professor Dr. Mato Arewo. Er war mit einem der späteren Kolonisten-Konvois zum Sirius gekommen und hatte sich den Hinterlassenschaften der Alt-Sirianer gewidmet. Inzwischen wusste man mehr über die Geschichte dieses Volkes. Die Alt-Sirianer hatten niemals eine Raumfahrt entwickelt, die über den Einsatz von Satelliten in der Umlaufbahn ihrer eigenen Welt hinausging. Das atomare Zeitalter ihrer kulturellen Entwicklung überlebten sie nicht. Mehr als zwanzigtausend Jahre war es her, dass sie sich in einem furchtbaren Massenvernichtungskrieg von der Oberfläche ihrer Heimatwelt tilgten. Nur wenige Hinterlassenschaften waren von ihnen geblieben. Die gewaltigen Atomexplosionen, die sich damals ereignet hatten, waren für einen Kollaps so gut wie sämtlicher Rechner- und Speichersysteme verantwortlich, sodass fast keine schriftlichen Zeugnisse über dieses Volk existierte.
Mato Arewo arbeitete jahrelang in den Mauern des späteren Klosters. Unter seinen Assistenten war unter anderem ein junger Doktorand namens Bartolo Aragones, der sich später den Namen Bruder Bartholomäus geben sollte.
Je länger Arewo sich jedoch in den uralten Mauern aufhielt, desto weniger war er an der Vergangenheit der Alt-Sirianer interessiert. Dafür faszinierten ihn umso mehr die Ideen jenes Mannes, der dort in der Einsamkeit auf der Suche nach der Wahrheit gewesen war…
Aus den verschlossenen Dokumenten des Abtes Mato Arewo; undatiert:
Ich war einst jemand, der versuchte das Wissen zu vermehren. Heute bin ich jemand, dem es um die Erkenntnis geht – und das ist ein großer Unterschied. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mir schon damals, in der Zeit, als ich zum Mal Saint Arran begegnete, ein Orden vorschwebte, der sich der Wissenschaft widmen sollte. Und einer friedlichen Wissenschaft, der es darum geht zu verstehen und Gott in allen Dingen zu erkennen – und nicht darum, Werkzeuge und Waffen zu erschaffen, die letztlich nur dem Zweck dienen, eine Machtbasis zu errichten. Eine Wissenschaft, die nicht urteilt, sondern ansieht und versucht, das Wesen aller Dinge zu begreifen.
Das, was Saint Arran die Geheime Gestalt der Dinge genannt hat.
Je mehr ich im Rahmen meiner Forschungen über die Alt-Sirianer herausfand, desto klarer wurde mir, welch warnendes Beispiel sie uns Menschen sein sollten. Im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert stand die Menschheit bereits mehrfach an der Schwelle eines kollektiven Selbstmordes. Aber man hatte in der Zwischenzeit nicht wirklich etwas daraus gelernt. In diesen Jahren erschienen der Menschheit das Universum groß und die Zahl der besiedelbaren Welten unendlich groß. Aber es war letztlich doch nur eine Frage der Zeit, wann sie erkennen würde, dass sie in Wahrheit im galaktischen Hinterhof siedelte und dass die meisten Planeten unserer Galaxis, die es wert waren, in Besitz genommen zu werden, längst besiedelt waren.
In jenen Jahren hatten die Menschen – ich spreche jetzt von ihnen, als hätte ich nie dazugehört, aber in Wahrheit habe ich die Einstellung, die ich hier anprangere, selbst zutiefst geteilt! – den naiven Glauben, dass sie vielleicht die einzigen intelligenten Lebensformen im Universum sein könnten und dass all die Planeten da draußen nur darauf warteten, von ihnen in Besitz genommen zu werden.
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb man sich auf Sirius III so lange kaum für das Erbe der Alt-Sirianer interessierte.
Das erste Zusammentreffen mit einer extraterrestrischen Intelligenz erfolgte erst viel später. Und die Ontiden waren nun wirklich schon äußerlich dazu prädestiniert, sämtlichen menschlichen Urängste vor dem Fremden zu reaktivieren. Ein Schock, von dem man hätte wissen müssen, dass er irgendwann die Menschheit ereilen würde.
Aber ein Schock, von dem sie sich einigermaßen erholt hat, wie mir scheint – auch wenn ich stets ein sehr kritischer Begleiter der Humanen Politik gewesen bin.
Saint Arran mag vielen wie ein Narr erschienen sein. Doch das hat er mit einer Reihe anderer wahrhaftiger Propheten gemein. Ich kann nur sagen, dass wir – Bartolo, die anderen und ich - von ihm lernten. In der Einsamkeit jenes Kraters, der später seinen Namen tragen sollte, hatte er erstaunliche Fähigkeiten erlangt und er gab die Kenntnis darüber gerne an uns weiter.
Aber nicht jeder war gleichermaßen dafür geeignet, diese Dinge zu praktizieren, die ich hier nicht näher erläutern brauche, denn jeder meiner Brüder weiß darüber mindestens ebenso Bescheid, wie ich selbst.
Manche Mitglieder des Forschungsteams verließen den Krater, andere hörten sich deren Berichte darüber an und suchten uns gerade deswegen auf.
Wir bildeten nach und nach eine Gemeinschaft, die sich den gleichen Zielen verpflichtet fühlte. Das war die Keimzelle des Olvanorer-Ordens, obwohl dieser Name nicht einmal in unserer Fantasie existierte – geschweige denn ein Kloster sowie eine Brüderschule mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, die Experimente nun einmal verlangten.
„Wer hätte gedacht, dass aus unserer Gemeinschaft dereinst eine Vereinigung werden würde, die Raumschiffe bis in die entlegensten Ecken des bekannten Universums zu schicken vermag?“, äußerte Bruder Darenius später.
Manchen kam es später so vor, als wäre da etwas aus dem Nichts entstanden. Aber das ist nicht wahr. Als ich den Orden der Olvanorer gründete, lagen Jahrzehnte der Vorarbeit hinter uns. Ja, im Grunde muss man das ganze zweiundzwanzigste Jahrhundert zu dieser Spanne rechnen, denn sie beginnt nicht erst mit dem Tag meiner eigenen Erleuchtung, sondern mit jenem Augenblick, da Saint Arran die Kraterwand überwand.
Als Saint im Alter von 115 Jahren starb, umfasste unsere Gemeinschaft bereits fast hundert Brüder und der Bau der Alt-Sirianer war nach den Erfordernissen von Forschern umgebaut und erweitert worden. Insbesondere betrifft das natürlich die Installation von Rechnersystemen, die in ihrer Leistungsfähigkeit einzigartig sind. Mitbrüder haben sie entwickelt und sich in der Abgeschiedenheit des Kraters ihren Studien gewidmet.
Ein Orden ohne Namen waren wir.
Ein Kloster ohne Abt.
Aber nach der Erfindung des Sandström-Antriebs und der ersten Begegnung mit den Ontiden änderte sich die Lage fundamental. Neben der Erforschung des Inneren Raums rückte nun der Äußere Raum näher denn je für uns. So ist die Gründung des Olvanorer-Ordens mit seiner Flotte von Forschungsschiffen nur der letzte Schritt einer folgerichtigen Entwicklung.
Nun, da ich wohl bald die Augen für immer schließen werde, gebe ich euch, meinen Mitbrüdern, das Vermächtnis aus, weiter die Erkenntnis der Geheimen Gestalt anzustreben und eure Mitbrüder sorgfältig auszuwählen. Wendet dabei die Kriterien an, die wir dafür entwickelt haben und die sich als zuverlässig erwiesen haben. Es sind Kriterien des Geistes, denn der Geist ist die Quelle von allem. Im Anfang war das Wort. Der Logos. Die Information. Die Abweichung von der Erstarrung der absoluten Kälte und der totalen Entropie. In dieser Information zeigt sich die Geheime Gestalt, aber es bedarf des geschulten Geistes, um sie zu erkennen. Wie Sehende unter Blinden werdet ihr sein und die Gedanken anderer Geschöpfe – seien sie nun Menschen oder Andere – mögen euch bisweilen wie ein offenes Buch erscheinen. Geht den Weg des Friedens, des Verständnisses und der Kooperation auch dann, wenn euch der Rest des belebten Universums weismachen will, dass dies ein Irrweg sei, der in die Selbstaufgabe und in den Untergang führt. Das Gegenteil ist der Fall. Pontifex nannten die Römer ihren obersten Priester – den Brückenbauer. So seid auch ihr Brückenbauer – sowohl in die Welt des Geistes als auch zwischen sich unversöhnlich gegenüberstehenden Gruppen von Geschöpfen, von denen jede Seite auf der Seite der Wahrheit und des Guten zu stehen vermeint.
Im Arran-Krater war zeitweilig die Heimat einer Entität, die Saint Arran als Ausdruck der Geheimen Gestalt ansah. Auch mit dem nötigen geistigen Training, über das ich zweifellos verfüge, ist es schwer, diese Entität als ein Lebewesen aufzufassen, obwohl sie zweifellos intelligent ist oder Zeichen dessen trägt, was wir als Intelligenz bezeichnen.
Bartolo Aragones, der sich schließlich Bruder Bartholomäus nannte, nachdem wir die Ordensgründung offiziell vollzogen hatten, widmete sich besonders diesem Phänomen.
Man kann es vielleicht am ehesten mit einem Kraftfeld vergleichen, dass die umgebende Materie in eine Form seiner Wahl zwingt, sie verändert, sie daran hindert chemische Reaktionen einzugehen oder sich zu verflüchtigen, obwohl dies die Gesetze der Natur eigentlich nahe legen würden.
Ich scheue mich, den Begriff, Leben dafür zu verenden.
Aber sowohl Bruder Bartholomäus als auch Saint Arran hatten hier eine sehr eindeutige Meinung.
„Vielleicht müssen wir einfach unseren Begriff dessen, was Leben ist, erweitern“, sagte Bruder Bartholomäus einmal, als wir von den Zinnen des Klosters Saint Arran auf den Kratersee hinabblickten, von dem gashaltige Nebel aus den Tiefen des Kraters aufstiegen. Immer dann, wenn das geschah, wurde die Geheime Gestalt der Entität auch für denjenigen sichtbar, der noch kein intensives geistiges Olvanorer-Training hinter sich hatte oder erst am Anfang jenes Weges der Meditation und inneren Versenkung stand, der das innere Auge öffnete. Das Kraftfeld wirkte sich unmittelbar auf die Formen der Nebelschleier aus.
„Eine Erweiterung des Lebensbegriffs?“, fragte ich. Wir hatten das Thema oft genug diskutiert und letztlich war uns beiden klar, dass es noch eine langen Prozesses der allmählichen Annäherung bedurfte, ehe wir in dieser Frage auf einen Nenner kommen würden. „Wird der Begriff dann nicht beliebig?“
„Wenn man annimmt, das Leben nicht unbedingt aus Zellen bestehen muss? Das Vernunft vielleicht nicht einmal etwas mit Bewusstsein eines selbst zu tun hat? Es läuft immer wieder auf denselben Punkt hinaus.“
„Logos.“
„Die Information.“
„Das Wort.“
„Verschiedene Worte für dasselbe oder unterschiedliche Aspekte ein- und desselben.“
„Und was unterscheidet einen menschlichen Geist dann von einem Computerprogramm oder…“
„…einer Ansammlung von sehr charakteristischen Quantenzuständen, wie wir sie dort unten auf dem See beobachten können?“ Bruder Bartholomäus zuckte mit den Schultern. „Vielleicht gar nichts, Ehrwürdiger Abt. Vielleicht gar nichts…“
Wir berieten lange und viel über das Phänomen, das wir die Entität nannten. Wir hätten auch eine andere Bezeichnung wählen können. Das Kraftfeld zum Beispiel oder die Information.
„Wer sagt denn, dass der Logos des Lebendigen unbedingt in Aminosäuren gespeichert sein muss?“, stellte mir Bruder Bartholomäus eine rhetorische Frage. „Bleibt nicht auch ein Text immer derselbe Text, gleichgültig auf welchem Speichermedium man ihn festhält – sei es nun ein Kristall, ein Magnetspeicher oder eine antike Steinplatte.“
„Diesem Argument kann ich noch nicht einmal widersprechen“, erwiderte ich. „So sollten wir weiter frei von Vorurteil und vorgefasster Meinung das erforschen, was sich als die Geheime Gestalt entpuppen könnte.“
„Da kann ich nur zustimmen, Ehrwürdiger Abt.“
„Mag uns die Offenbarung, die uns erwartet, nicht vor Entsetzen erstarren lassen…“
Es gab nicht viel, was sich definitiv über die Entität feststellen ließ. Aber in einem Punkt waren sich alle, die sich mit dem Thema beschäftigten, nach einer gewissen Zeit einig: Die Entität war in der Lage zu teleportieren. Das Phänomen der Quantenfernwirkung und der Quantenteleportation war noch lange nicht wirklich von der Wissenschaft verstanden worden. Erste Hoffnungen, daraus einen Transmitter entwickeln zu können oder wenn das vielleicht zu hoch gegriffen war, wenigstens ein System der überlichtschnellen Informationsübertragung in Null-Zeit, hatten sich nicht erfüllt. Und seit der Sandström-Funk entwickelt worden war, der durch Signalübertragung über den sogenannten interdimensionalen Zwischenraum funktionierte, ging die Forschung ohnehin in eine ganz andere Richtung. Das war vielleicht einer der Gründe dafür, dass man der Teleportation der Entität zu Grunde liegenden Phänomenen nicht mehr die frühere Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Ähnliches gilt ja auch für die Erforschung des sogenannten X-Raums, die praktisch eingestellt wurde, als man mit dem Sandström-Antrieb eine verhältnismäßig sichere Möglichkeit fand, interstellare Distanzen zu überwinden.
Die Entität teleportierte vornehmlich innerhalb des Kraters. Wir entwickelten Messverfahren, um sie auch dann wahrnehmen zu können, wenn sie sich nicht sofort durch die Manipulation ihrer Umgebung offenbarte.
Einige wenige von uns entwickelten die Fähigkeit, auf rein geistiger Ebene ihre charakteristischen Muster zu erkennen. Wir lernten dabei auf kleinste Veränderungen in der Umgebung zu achten.
Besonders tat sich dabei Bruder Bartholomäus hervor, für den sie von Anfang an eine Priorität seiner Suche nach Erkenntnis dargestellt hatte.
Aus den Schriften von Bruder Bartholomäus; Datenblock II, undatiert und verschlüsselt:
Bruder Mato Arewo, unser ehrwürdiger Abt und Gründer des Ordens der Olvanorer, ist von uns gegangen. Sein Leben war gewiss reich und erfüllt und er starb in dem Bewusstsein, dass sein Vermächtnis weiter besteht.
Der Olvanorer-Orden wird ohne seinen Gründungsabt weiterbestehen. Wir sind auf dem Weg eine mächtige Organisation von Forschern zu werden, die ihr Leben der friedlichen Suche nach Erkenntnis gewidmet haben. Von den Zinnen des Klosters Saint Arran aus kann man das Entstehen der Brüderschule beobachten, die zum geistigen Zentrum der gesamten Menschheit werden wird. Niemand zweifelt daran.
Aber die Entität ist verschwunden.
Sie teleportierte immer häufiger an einen Ort, der uns nicht zugänglich war und von dem wir schließlich ahnten, dass er nicht auf unserem Planeten lag.
Die Überbrückung von Lichtjahren spielte für die Entität keine Rolle.
Die Zeit ebenfalls nicht. Zumindest nicht in unserem Sinne des Wortes.
Saint Arran behauptete, mit der Entität direkt kommuniziert zu haben. „Ein Gespräch von Mann zu Mann“, pflegte er scherzhaft dazu zu sagen, wobei ihm natürlich wie jedem anderen bewusst war, wie wenig die Entität mit einem Mann, einem Menschen oder überhaupt einem Lebewesen im klassischen Sinn des Wortes zu tun hatte.
Ich war auf dem Weg dahin, einen kommunikativen Zugang zu diesem Kraftfeld zu bekommen.
Aber zuvor verschwand die Entität.
Vielleicht störte sie die zunehmende Besiedlung von Sirius III. Die meisten bewohnbaren Zonen an den Kraterhängen waren inzwischen besiedelt und nach der massenhaften Verbreitung des Sandström-Antriebs setzte eine geradezu explosionsartige Kolonisierungswelle ein. Eine Raumkugel mit einem Radius von ungefähr fünfzig Lichtjahren mit dem Sol-System als Mittelpunkt – das beanspruchte die Menschheit für sich und erklärte all das, was innerhalb dieses Bereichs lag kurzerhand zu ihrem Eigentum. Die Humanen Welten wurden gegründet. Ein Staat, der anfangs nur in der Fantasie existierte und in Wahrheit zunächst nichts weiter war als ein zusammenfassender Begriff für alle von Menschen besiedelten Welten.
Aber vielleicht das typisch für menschliche Natur.
Ansprüche stellen, ohne Rücksicht darauf, ob man auch die Mittel besitzt, sie zu erfüllen.
Einige unserer Brüder waren sehr erregt, denn sie glaubten, den verstorbenen Saint Arran gesehen zu haben. Darunter auch ein junger Novize, der sich kurze Zeit später unter dem Namen Bruder Marius unserer Gemeinschaft anschloss. Es gibt verschiedene Theorien über diese Erscheinungen, aber es ist wohl ausgeschlossen, dass es sich nur um einfache Halluzinationen handelt, denn obgleich Bruder Marius den lebenden Saint Arran niemals kennen lernte, vermochte er seine Erscheinung so eindringlich und anschaulich zu schildern, dass niemand auch nur den geringsten Zweifel an den Worten unseres zukünftigen Bruders hegte.
Vielleicht war es ein Zeichen der Entität. Obgleich ich selbst in dieser Frage immer ein Skeptiker gewesen bin, hingen immer mehr gerade auch der jüngeren Brüder der Theorie an, dass diese Totenerscheinung ein Zeichen der Entität wäre. Ein Zeichen, das nur richtig gedeutet werden müsste. Theoretisch zumindest war es möglich, dass die Entität für Erscheinungen und Sinnestäuschungen aller Art verantwortlich sein konnte.
Später fand sich am Ufer des Kratersees ein Muster aus Muscheln und Steinen.
Ich befragte alle Olvanorer-Brüder und auch deren Frauen und deren Kinder, ob sie für dieses Kunstwerk verantwortlich seien. Aber sie verneinten.
Bruder Marius erfasste intuitiv, dass es sich um eine Hinterlassenschaft der Entität handelte.
Die Analyse dieses Bildes ergab, dass es sich um eine Sternkonstellation handelte.
Die Entität hatte gewissermaßen ihre kosmische Adresse hinterlassen. Es handelte sich um ein System ungefähr 45 Lichtjahre von Sirius entfernt. In den Sternenkatalogen der Humanen Welten wurde es unter der Bezeichnung Braden geführt. Ein Hauptreihenstern mit mehreren Planeten. Wir rüsteten ein Forschungsschiff mit dem schönen Namen ERKENNTNIS aus, um das Braden-System zu erforschen und ich konnte nur hoffen, den Tag noch zu erleben, da das Rätsel der Entität gelöst würde. Aber allzu viel Hoffnung machte ich mir nicht.
Mir war bei der bisherigen Arbeit an diesem Thema klar geworden, wie unterschiedlich die Basis war, auf der wir kommunizierten – wir und die Entität. Mag sein, dass ein besonders begabter Mensch wie Saint Arran für Augenblicke einen direkten Zugang fand. Aber ich fürchte, selbst die besonders trainierten Spiegelneuronen eines Olvanorer-Meisters reichen dazu kaum aus. Oder nur nach einer langen Phase der geistigen Durchdringung.
Ob dazu ein einziges menschliches Leben ausreicht, sei dahingestellt.
Wir werden es sehen.
Schließlich sind wir Wissenschaftler und das bedeutet auch, dass man geduldig auf Resultate zu warten hat und sie nicht durch Spekulationen ersetzt.
Wir suchen in erster Linie nach Erkenntnis.
Nicht nach Trost.
Das sollte niemand von uns – wo auch immer er im Universum sich befindet und unter welch widrigen Umständen er auch seiner Forschermission erfüllen mag – vergessen.
Niemals.
Aus den verschlüsselten Datensätzen von Bruder Marius:
Meerwelt, 4.10.2210
Ein Jahr ist es nun schon beinahe her, da Bruder Bartholomäus von uns ging. Aber es ist ein wunderbares Gesetz des Universums, dass keine Information verloren geht – nicht einmal hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs, wie die theoretischen Physiker seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts errechnet haben.
Die alten Religionen haben diese Wahrheit früh erkannt – durch die Mittel des Geistes und der Intuition. Ihre Erkenntnisse erweisen sich als richtig.
In diesem Sinn ist es vielleicht falsch von einem Verlust zu sprechen. Denn so wie ein Betrachter glaubt, dass ein Raumschiff, das den Ereignishorizont eines Black Hole überschreitet, verdampft und damit unwiederbringlich vernichtet wird, so muss aus der Perspektive dessen, der sich an Bord dieses Raumschiffs befindet nicht stimmen. Vernichtung und Erhaltung, Leben und Tod, Anfang und Ende – das alles ist eine Sache der Perspektive.
8.10.2210
Unser Expeditionsschiff ERKENNTNIS kehrte für ein paar Wochen zum Sirius zurück und brachte dringend benötigten Nachschub mit, der uns helfen wird, die geplante Station auf dem Nachbarplaneten Schwarzsandwelt zu errichten.
Eine äußerst seltsamer, von Anomalien nur wimmelnder Materiebrocken, für nichts zu gelten scheint, was man in den Lernprogrammen des Datennetzes für Chemie oder Physik lernen kann.
Selbst die Downloadkurse der Brüderschule – allen vergleichbaren Angebot im Bereich der Humanen Welten zweifellos überlegen – werden wohl noch einmal einer eingehenden Überarbeitung unterzogen werden müssen.
20.10.2210
Wir wissen jetzt, dass es zwei Entitäten im Braden-System gibt, die sich nach Belieben in Nullzeit von einem Planeten zum anderen zu bewegen vermögen und zweifellos auch untereinander in Kontakt stehen.
Entität A muss sich schon sehr langer Zeit vorzugsweise auf Schwarzsandwelt aufhalten.
Zumindest wäre das eine einleuchtende Erklärung für die Anomalien, die dort vorzufinden sind. Der ganze Planet ist nach und nach von Entität A offenbar umgeformt worden.
Anders kann man das, was hier geschehen ist nicht bezeichnen.
Wir schätzen, dass Entität A bereits seit mindestens hunderttausend Jahren die Schwarzsandwelt als den Kernbereich ihrer Aktivitäten ansieht. Ursprünglich war der Planet ein steiniger Planet, ähnlich wie der Mars. Nur ist der Anteil schwerer Elemente sehr viel höher und sehr wahrscheinlich benutzt Entität a den natürlichen Uran-Reaktor im Zentrum des Planeten als Energiequelle.
Für die nächste Million Jahre dürfte dieses Energiereservoir vollkommen ausreichen.
Entität B unterscheidet sich eindeutig von der Struktur des Kraftfeldes her von Entität A. Bei B handelt es sich zweifelsfrei um das Objekt, das zuvor seinen bevorzugten Aufenthaltsort auf Sirius III hatte. Wir haben deutliche Anzeichen dafür, dass B uns wiedererkannt hat. Wir stehen dicht davor, eine Möglichkeit zu finden, Kontakt aufzunehmen.
27.10.2210
Das Transportschiff vom Sirius brachte die Komponenten des neuen Großcomputers für die Untersee-Station auf Meerwelt. Diese Rechnerkomponenten sind für eine Entschlüsselung des Kommunikationscodes unerlässlich. So sehr wir Olvanorer grundsätzlich auch auf die geistige Erfassung eines Problems Wert legen – es gibt bestimmte Grenzen, die der menschliche Geist nur schwer zu überschreiten vermag.
Wir arbeiten jedoch daran, sie zu erweitern.
Inzwischen denken wir, dass der Ortswechsel von Entität B vom Sirius nach Braden auf ein Signal von Entität A hin erfolgte. Wir analysieren derzeit noch einmal alles, was es in diesem Zusammenhang an Aufzeichnungen gibt.
Wenn die Entitäten untereinander kommunikationsfähig sind, warum sollte es dann nicht auch uns gelingen?
Schließlich gab es ja mit Saint Arran bereits einen Menschen, der dies auf eine sehr ursprüngliche Weise getan hat.
Ob wir seinem Erbe gerecht werden, wird sich zeigen.
01.12.2210
Es gibt einen Weg, um mit der Entität auf eine ähnlich direkte Weise in Kontakt zu treten, wie es einst Saint Arran gelang.
Ich ersuche den amtierenden Ehrwürdigen Abt, meinem Plan zuzustimmen, auch wenn ich weiß, dass er viele Dinge anders beurteilen wird.
Derek Bailor saß am Feuer der Krakenwesen. Ein Bottich wurde ihm gereicht, in dem sich eine streng riechende gelbe Flüssigkeit befand. Es war nicht das erste Mal, dass Commander Bailor sie trank. Immerhin schien es sich bei der Basis dieser Flüssigkeit um Süßwasser zu handeln, was sie immerhin genießbar machte.
„Du – wissen willst, was drin?“, fragte der Große Bunte.
Bei dem Bottich handelte es sich um die harte Hülse irgendeiner Meeresfrucht, die von den Meerwelt-Kraken aus der Tiefe geholt wurde.
Aber darauf wollte der Große Bunte wohl nicht hinaus…
„Ich will es nicht wissen“, sagte Bailor.
Seitdem er wusste, was die Meerwelt-Kraken mit den festen Ausscheidungen der Riesenschildkröte alles anfingen, auf deren Rücken sie ihr Lager errichtet hatten, wollte er eigentlich überhaupt keine weiteren Details wissen. Hauptsache, es gab Süßwasser. Das war zu Anfang sein größtes Problem gewesen, denn die Meerwelt-Kraken selbst waren darauf wohl nicht unbedingt angewiesen.
Es gab kleinere Süßwasserreservoire auf dem Rücken der Riesenschildkröte. Es handelte sich um undichte Hohlräume, in die nach einem Regen Wasser eingedrungen war. Gab es zu viele davon, ging eine Schildkröte wahrscheinlich unter. Aber der eine oder andere Hundert-Liter-Trank war in der Panzeroberfläche des Kolosses verschwunden.
„Warum nicht wissen wollen?“, fragte der Große Bunte.
„Ich will einfach nicht“, antwortete Bailor.
Immerhin klappt jetzt die Verständigung einigermaßen, dachte Bailor.
Die Scheu der Meerwelt-Kraken vor dem Kommunikator war gewichen. Sie brachten inzwischen auch die Laute aus dem Lautsprecher mit dem menschlichen Gast in Verbindung, der unter ihnen weilte.
Derek Bailor wandte sich an den Grünen, der dem Space Army Corps Offizier nach wie vor den Eindruck machte, die größte Autorität unter den Meerwelt-Kraken zu verkörpern.
„Ich möchte gerne mehr über meine Rettung erfahren“, sagte Bailor.
Offenbar war der Translator aber noch nicht in der Lage, Bailors Worte auch passend umzusetzen. Jedenfalls schienen die Kraken nicht zu begreifen, was er meinte.
„Was ist damit gemeint?“, fragte der Grüne ratlos. „Nicht klar, was gesagt wurde.“
Die Syntax der Kraken war bisweilen etwas eigenartig. Zumindest so, wie das Translatorsystem sie übersetzte. Es musste mit den Besonderheiten dieser sehr einfachen Sprache zu tun haben. „Sturm kommt?“