5 Konflikte, die jedem Paar begegnen - John M. Gottman - E-Book
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5 Konflikte, die jedem Paar begegnen E-Book

John M Gottman

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Beschreibung

In jeder Partnerschaft finden neben kleineren auch größere Konflikte statt. Doch nur ein Drittel davon lassen sich tatsächlich dauerhaft lösen. Es ist daher sinnvoller, seine Energie und Zeit nicht damit zu vergeuden, bestimmte Probleme unbedingt lösen zu wollen, sondern mit ihnen konstruktiv umzugehen. Denn nur auf diese Weise lässt sich langfristig eine wirklich glückliche Beziehung führen – trotz der Konflikte. Die international erfolgreichen Paartherapeuten John und Julie Gottman haben im Laufe zahlreicher Studien die fünf typischsten Beziehungskonflikte herausgefiltert und zeigen in ihrem Buch, wie man sie entweder vermeidet oder lernt, auf Dauer mit ihnen umzugehen. Denn nur so kann man als Paar an ihnen wachsen.

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Das Buch

Ungelöste Konflikte stehen bei Paarproblemen an erster Stelle – aber fast niemand weiß, dass sie auch zu einer größeren Intimität, tieferen Verbindung und dauerhaften Partnerschaft führen können. Entscheidend ist dabei, wie wir mit Konflikten langfristig umgehen, denn das bestimmt die Zukunft unserer Beziehung.

In ihrem aktuellen Bestseller erklären die international anerkannten Beziehungsexperten John und Julie Gottman, was Paaren bei den fünf häufigsten Konflikten hilft: wie wir lernen, uns nicht mehr als Gewinner oder Verlierer zu betrachten, sondern die verbindenden Elemente unserer Beziehung im Streit zu erkennen und dadurch als Paar noch stärker wieder zueinander zu finden.

Die Autoren

Julie Schwartz Gottman, ist klinische Psychologin, Mitbegründerin und Leiterin des Gottman Instituts. Sie ist Mitinitiatorin der äußerst beliebten Wochenend-Workshops für Paare »The Art and Science of Love« und hat das nationale klinische Trainingsprogramm der Gottman-Paartherapie in den USA mitentwickelt. Sie ist Autorin und Co-Autorin und lebt mit ihrem Ehemann in Seattle.

John Mordechai Gottman ist US-amerikanischer Psychologe und emeritierter Professor für Psychologie an der University of Washington. Er wurde vor allem durch seine Arbeit über Ehestabilität und Beziehungsanalyse durch direkte Beobachtung bekannt.

aus dem Amerikanischen von Christa Broermann

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Fight Right: How Successful Couples Turn Conflict Into Connection

Published by arrangement with Harmony Books, New York City, USA.

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ISBN 978-3-8437-3014-3

© 2024 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Copyright © 2023 by Julie Schwartz Gottman, PhD, John Gottman, PhDAll rights reserved.

Published in the United States by Harmony Books, an imprint of Random House, a devision of Pinguin Random House LLC, New York.

harmonybooks.com

Redaktion: Dunja Reulein

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Inhalt

Über das Buch / Über die Autoren

Titel

Impressum

Einleitung: Worüber streiten wir eigentlich?

Erster Teil: Grundkurs Konflikte

Warum wir streiten

Warum wir streiten, wie wir streiten

Worüber wir streiten

Zweiter Teil: Die fünf Konflikte, die alle haben

Konflikt Nr. 1: Die Bombe

Konflikt Nr. 2: Die Flut

Konflikt Nr. 3: Die Untiefe

Konflikt Nr. 4:Die Pattsituation

Konflikt Nr. 5: Die Kluft

Schluss

Der gute Streit

Richtig streiten: Kurzanleitung

Dank

Anmerkungen

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

Orientierungsmarken

Cover

Inhalt

Textbeginn

In vielfacher Hinsicht waren sie ein ideales Paar. Sie war eine junge Anwältin (für Landnutzungsrecht), er war ebenfalls Anwalt (für Medienrecht). Beide stammten aus dem Mittleren Westen und waren später in Seattle gelandet. Sie waren fleißig und ehrgeizig und nutzten ihre Freizeit gerne für vielerlei neue Erfahrungen. Als sie sich kennenlernten, erkundeten sie jedes Wochenende neue Orte. Sie schwangen sich ins Auto und fuhren übers Wochenende hinauf nach Vancouver, schlenderten dort über die Bauernmärkte oder gingen noch spätabends irgendwo Sushi essen. Sie machten einen Campingausflug in die Berge und übernachteten dort. Oder sie kauften sich spontan an der Abendkasse Karten für ein Theaterstück. Sie hatten beide lange Arbeitszeiten, aber in der Freizeit ließen sie sich gerne von Lust und Laune leiten.

Es gab nur ein einziges kleines Problem: Sie wollte einen Welpen. Er nicht.

Ein Jahr später gab es bei ihnen tatsächlich einen Welpen, und er war zu einem großen, glücklichen, verspielten Hund herangewachsen. Aber die Ehe war am Ende. Die Scheidungspapiere waren schon unterschrieben. Beide zogen aus dem Haus aus, das sie bereits vor der Heirat gemeinsam gekauft hatten, aus dem Haus, in das sie am Hochzeitsabend heimgekehrt waren, wobei sie sich lachend das glitzernde Konfetti, mit dem ihre Gäste sie beworfen hatten, aus Haaren und Kleidern geschüttelt hatten. Sie teilten sämtliche Möbel, die Bücher, das Geschirr, die Töpfe und Pfannen auf. Den Hund nahm natürlich sie.

Wie konnte ein Welpe diese Ehe zum Scheitern bringen?

Der Konflikt begann ganz einfach: mit einer Meinungsverschiedenheit. Er fand, ein Hund bedeute eine Menge Verantwortung, zu viel Arbeit, zu viel Einschränkung. Man konnte einen Hund nicht lange allein zu Hause lassen – nicht einmal für einen Tag weggehen. Und ein Hund konnte teuer werden. Wollten sie ihr frei verfügbares Geld nicht in andere Dinge stecken? Hatten sie nicht davon gesprochen, dass sie reisen wollten?

Aber sein Job war mit häufigen Geschäftsreisen verbunden, sodass er viel unterwegs war und sie allein zu Hause ließ, von wo aus sie täglich viele Stunden arbeitete. Sie fühlte sich einsam, und wenn er über Nacht weg war, fürchtete sie sich. Sie waren am Ende doch nicht so viel gereist, wie sie das einmal vorgehabt hatten – warum sollten sie sich nicht einen Welpen zulegen, einen Kameraden, der ihr Gesellschaft leistete? Sie stellte sich vor, wie der Hund sie am Wochenende auf Wanderungen begleitete, im Auto mitfuhr und den Kopf aus dem Fenster streckte. Gerne malte sie sich aus, wie sie zu dritt unterwegs waren, ein Paar und sein Hund.

Sie kamen nicht weiter. Sie drehten sich immerzu mit den gleichen Argumenten im Kreis und kamen zu keinem Entschluss. Seine Bedenken wegen des zeitlichen Aufwands, der Kosten und der Verpflichtungen kamen ihr so übertrieben vor – wenn er es nur einmal probieren würde, käme er ganz bestimmt schnell zu der Einsicht, dass es gar nicht so viel Arbeit war! Folglich beschloss sie, einfach einen Welpen zu kaufen und ihn ihrem Mann zu schenken. Hätte er erst einmal so ein lebendiges, hinreißendes Fellknäuel auf dem Schoß, wie könnte er da noch widerstehen? Er würde seine Meinung ändern.

Er änderte sie nicht.

Der Konflikt eskalierte. Er war empört, weil sie ihn ignoriert und einfach gemacht hatte, was sie wollte. Sie war empört, weil er weiterhin auf stur schaltete, obwohl sie ihm gesagt hatte, wie wichtig der Hund für sie war. Für ihn war der Welpe im Haus eine ständige Erinnerung daran, dass seine Frau seine Gefühle vollständig übergangen und das missachtet hatte, was für ihn wichtig war. Sie empfand seine Ablehnung des Hundes wie eine Zurückweisung ihrer selbst und ihrer Bedürfnisse. Jede Kleinigkeit, die den Hund betraf, führte zu einem Krach. Wer ihn ausführen sollte. Die Tierarztrechnung. Dass man sein Futter auf die Einkaufsliste setzen musste. Noch schlimmer war, dass sie sich jetzt auch über andere Dinge stritten – mehr als jemals zuvor.

Ihr fiel allmählich auf, wie wenig er im Haus machte. Okay, in Ordnung, dachte sie, sie würde das meiste übernehmen, was mit dem Hund zusammenhing – schließlich war er ihre Idee gewesen. Aber er schob ihr auch die übrige Hausarbeit zu. Entweder war sie ihm gleichgültig oder er erwartete einfach, dass sie sie erledigte – würde das auch so sein, wenn sie ein Baby bekamen, fragte sie sich. Er seinerseits fand die Art und Weise, wie sie Dinge ansprach, ätzend. Sie bat ihn nie einfach nur um Hilfe, sondern sie sagte: »Ich schätze, dass heute Abend schon wieder ich das Geschirr spülen soll«, was eine Stichflamme von Ärger in ihm entfachte, sodass er fauchte: »Ja klar!« Dann fühlte er sich schlecht und machte später zum Ausgleich etwas mehr: Er ließ ein paar Maschinen Wäsche durchlaufen oder putzte das Bad – aber darüber verlor sie nie ein Wort.

Sie verbrachten immer weniger Zeit zusammen. Und als er sie eines Freitagnachmittags daran erinnerte, dass er am Wochenende einen Campingausflug mit einem alten Freund von der Highschool vorhatte, fühlte sie sich von Zorn und Trauer überwältigt.

»Ach, dann verschwindest du einfach«, sagte sie und war plötzlich den Tränen nahe, »und ich kann mit dem Hund, den du nie wolltest, zu Hause bleiben!«

Unversehens getroffen ging er hoch. »Was ist denn los mit dir?«, rief er. »Ich habe diesen Ausflug schon vor Monaten geplant! Er hat nichts mit dem dämlichen Hund zu tun!«

In diesem Streit steckte ordentlich Zündstoff, denn dicht unter der Oberfläche nährte eine Art unterirdisches Öl das Feuer: Beide hatten ein verborgenes Motiv.

Sein verborgenes Motiv: Er wollte Freiheit und Abenteuer.

Ihr verborgenes Motiv: Sie wollte eine Familie.

Aber diese tieferen Wahrheiten gestanden sie kaum sich selbst ein, geschweige denn dem anderen.

Sie zogen sich weiter und weiter voneinander zurück und gruben sich immer tiefer in ihre jeweiligen Schützengräben ein, aus denen sie dann Vorwürfe und Kritik aufeinander schleuderten wie Granaten. Eines Tages bekam sie eine schwere Erkältung und konnte den Hund nicht ausführen – das musste er übernehmen. Groll erfüllte ihn jedes Mal, wenn er irgendetwas Wichtiges unterbrechen musste, um den Hund an die Leine zu nehmen und loszugehen – so hatte er sich das nicht vorgestellt! Eines Tages zeigte der Welpe seinen Protest auf seine eigene Weise: Er machte sein großes Geschäft unter dem Schreibtisch, an dem der Ehemann arbeitete, wenn er zu Hause war.

Der Mann sagte, er würde den Hundehaufen nicht wegmachen.

Die Frau sagte, sie würde ihn auch nicht wegmachen.

Das kleine Häufchen Hundekot markierte eine Linie, die keiner von beiden überschreiten wollte – sie zu überschreiten bedeutete das Eingeständnis einer Niederlage, den Sieg der anderen Seite.

Als die beiden bei der Scheidung das Haus verkauften, ließen sie eine Reinigungsfirma kommen. Die Mitarbeiter arbeiteten sich von Zimmer zu Zimmer vor und beseitigten sämtliche Spuren des gemeinsamen Lebens des Paars – Fingerabdrücke, Gewürzreste, Staub und zurückgebliebene Papiere –, damit die künftigen Käufer, die es sich ansehen und sich vorstellen würden, dort zu leben, makellose Räume vorfanden. Dann kamen die Reinigungskräfte zu dem Schreibtisch.

Wissen Sie, was passiert, wenn Sie Hundekot lange Zeit eintrocknen lassen?

Er verwandelt sich in einen harten weißen Klumpen.

Ja, die Pointe dieser Geschichte ist … mumifizierter Hundekot. Tut uns leid! Aber wir erzählen Ihnen diese Geschichte, weil sie so universell ist: Jedes Paar hat irgendeine kleine Meinungsverschiedenheit, die nicht aus der Welt zu schaffen ist, sondern sich lawinenartig vergrößert und dann zu einer gewaltigen Blockade wird. Dabei sieht die Sache so trivial aus! Es ist ein Leichtes, diese Geschichte zu hören und dann zu denken: Was für ein schrecklicher Grund für das Scheitern einer guten Ehe – ein Welpe!

Na ja, in dem Streit ging es nicht wirklich um den Welpen. Und auch nicht um den Hundekot. Der Hund repräsentierte für beide eine wichtige Lebensphilosophie. Wenn sie sich darüber stritten, wer mit dem Hund Gassi gehen, die Tierarztrechnung bezahlen oder das Hundefutter kaufen musste, ging es ihnen eigentlich nicht um diese Dinge. Sie stritten sich über ihre Werte, ihre Träume, ihre Vision von dem, was sie sich von der Ehe und vom Leben erhofften. Sie stritten sich über ganz fundamentale Angelegenheiten, mit denen sie sich besser näher beschäftigt hätten und deren Ergründung vielleicht sogar ihre Ehe gerettet hätte. Aber so weit kamen sie nie. Sie fanden nie wirklich heraus, worüber sie eigentlich stritten oder wie sie gut miteinander darüber hätten reden können. Ihre Auseinandersetzungen wurden destruktiv, und irgendwann brach die starke Beziehung, die sie einmal gehabt hatten, auseinander.

All das ist schon lange her. Es fand statt, ehe John das Verhalten von Paaren zu erforschen begann. Er verstand erst viel später, wie tief der Konflikt zwischen den beiden reichte, als ihn seine Forschung mehr über Beziehungswissenschaft gelehrt hatte. Er konnte den beiden damals nicht helfen. Sie haben sich leider getrennt. Aber seit damals haben wir Tausenden von anderen Paaren geholfen, die ebenso festgefahren, ebenso blockiert, ebenso vollständig in der Disharmonie gelandet waren.

Beim Schreiben dieses Buchs haben wir viel an das Paar von damals gedacht. Wir wünschten, wir hätten damals schon gewusst, was wir heute wissen, nachdem wir auf 50 Jahre Forschung zurückblicken. Wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, würden wir dieses Buch für die beiden schreiben.

Wir müssen besser streiten lernen

Es war noch nie leicht, sich auf lange Sicht mit jemandem zusammenzutun und alle Höhen und Tiefen, die mit einer solchen Entscheidung einhergehen, mit Anmut und Würde zu meistern. Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit Paaren und können Ihnen versichern: Die Menschen haben in diesem Bereich schon immer Hilfe gesucht. Aber die letzten Jahre waren für viele Paare, die zu uns kommen, ganz besonders belastend. Denn Paare mussten mit einem enorm hohen Maß an Stress und Intensität fertigwerden.

Während der Covid-19-Pandemie waren viele Menschen über lange Zeiträume hinweg ans Haus gebunden, und selbst diejenigen, für die das nicht galt, waren von ihren normalen Aktivitäten, ihren Erholungsräumen und den sozialen Kontakten abgeschnitten, die sie vorher gestützt hatten. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwanden, als das Schlafzimmer zum Arbeitszimmer wurde. Wir haben lange untersucht, wie viel Stress Paare von der Arbeit mit nach Hause nehmen – jetzt war der Abstand so zusammengeschmolzen, dass es nichts mehr mitzunehmen gab. Es war alles gleichzeitig da und überlagerte sich im gleichen Raum. Die Paare rangen darum, ihre Finanzen, die Kinderbetreuung und ihr Arbeitspensum auf die Reihe zu bekommen. Viele gerieten aneinander, wenn es um die Handhabung der Sicherheitsempfehlungen in der Pandemie ging. War es nötig, dass zur eigenen »Blase« auch Familie und Freunde gehörten? Oder war es das Risiko nicht wert? Wenn ein Partner sich verzweifelt nach Gemeinschaft und Verbundenheit sehnte und der andere große Angst vor einem zu hohen Risiko bei Kontakten hatte, war das oft eine Steilvorlage für einen erbitterten und polarisierenden Konflikt.

Für viele wurde ihr Zuhause, das einst ein Zufluchtsort gewesen sein mochte, zum Schauplatz einer Art Feuerprobe, bei der jede Kleinigkeit ungeheures Gewicht bekam und jeder Haarriss sich zu einem schmerzhaften Spalt erweiterte.

Die Daten aus dieser Zeit werden noch ausgewertet, aber vorläufige Beobachtungen lassen vermuten, dass die Covid-19-Pandemie Paare ins Extrem trieb: Wer vor der Pandemie eine gute Beziehung hatte, kam weitgehend gut durch diese Phase. Aber Paare, die Probleme hatten, an denen sie arbeiteten – und seien wir realistisch, das sind sehr viele1 –, taten sich wesentlich schwerer. Verwerfungen in der Beziehung, die unter normalen Umständen leichter auszubügeln gewesen wären, wurden kritisch.

Vielleicht haben wir auch gar kein vollständiges Bild davon, wie sehr die Menschen zu kämpfen hatten. Wer auf diesem Gebiet forscht, führt oft Umfragen über die Zufriedenheit in der Ehe durch, aber diese können durchaus ein falsches Bild ergeben. Wenn Menschen ernsthafte Schwierigkeiten haben, legen sie auf, wenn jemand wegen einer Umfrage anruft. Sie möchten nicht darüber reden. Daher entgehen uns vielleicht Informationen über Paare in der Krise.

Für viele von uns waren die letzten paar Jahre eine Zeit des Aufruhrs und vieler Fragen. Die Menschen haben ihre Prioritäten auf den Prüfstand gestellt und neu bewertet und überlegt, wofür sie Zeit und Ressourcen aufwenden wollen. Paare fragen sich vielleicht: Haben wir immer noch die gleichen Ziele? Ist all die Reibung ein Zeichen dafür, dass wir eigentlich gar nicht füreinander geschaffen sind? Passen wir überhaupt zusammen?

Aber im Grunde ist es so, dass Paare schon immer solche Zeiten im »Dampfkochtopf« erlebt haben, Pandemie hin oder her. Zeiten, in denen es, aus welchen Gründen auch immer, besonders schwer wurde. In denen jede Kleinigkeit zu einem Streit führte. In denen sich diese Streitereien schrecklich anfühlten. In denen man Dinge sagte, die man hinterher bereute. In denen man wünschte, man könnte noch einmal von vorne anfangen.

Aber ganz gleich, in welcher Phase Sie und Ihr Partner oder Ihre Partnerin auch sein mögen, ob Sie in einer grässlichen oder in einer wunderbaren Phase stecken, ob Ihre Liebe noch jung ist oder schon Jahrzehnte währt – eines steht auf alle Fälle fest: Sie wollen in Ihrer Beziehung auf keinen Fall »Hundekot unter dem Schreibtisch« haben.

Keine Konflikte zu haben ist auch keine Lösung

Eines wollen wir gleich mal klarstellen: Wir werden Ihnen nicht beibringen, niemals zu streiten. Das klingt ja vielleicht schön – ein Leben ohne Auseinandersetzungen? Paradiesisch! Aber es ist wahrscheinlich nicht zu Ihrem Besten. Intimität erzeugt unvermeidlich Konflikte.

Nehmen wir ein anderes Paar, mit dem wir gearbeitet haben. Nach eigener Aussage stritten sich die beiden nie. Sie neigten dazu, zentrale Streitpunkte zu meiden – sie wollten keine Gefühle verletzen und sich nicht in eine harte Diskussion verstricken. Wozu sollte das gut sein, fragten sie sich, wenn solche Diskussionen anscheinend doch nie zu einer Lösung des Problems führten? Ihnen erschien es besser, einfach einen Bogen um schwierige Themen zu machen, die sie wahrscheinlich sowieso nicht lösen konnten, und den ganzen Stress und das Drama zu vermeiden.

Das hört sich vernünftig an. Aber als sie schließlich Seite an Seite auf der Couch in unserer Praxis saßen, sahen wir, dass sie emotional meilenweit voneinander entfernt waren. Ja, sie waren höflich miteinander umgegangen – in diesem Haushalt gab es keine erhobenen Stimmen. Niemand knallte Türen, keiner fauchte den anderen frustriert an, nirgendwo versteinerte ein Hundehäufchen unter einem Schreibtisch. Aber an irgendeinem Punkt hatten sich die beiden aus den Augen verloren.

Als sie zu uns kamen, gaben wir ihnen eine Aufgabe, die wir Paaren häufig geben: Jeder der beiden schaut sich an, was er oder sie über den anderen weiß. Dabei geht es um Fragen wie: Wer sind die besten Freunde oder Freundinnen Ihres Partners oder Ihrer Partnerin? Mit welchen Stressfaktoren muss sich Ihr Partner oder Ihre Partnerin gerade auseinandersetzen? Welche Lebensträume hat Ihr Partner oder Ihre Partnerin? Und andere mehr.

Als jeder still für sich seine Liste durchging, wurde sehr schnell klar: Beide konnten kaum eine dieser Fragen beantworten. Und bei einem moderierten Gespräch traten allmählich Spannungen und Groll zutage. An einer Stelle gestand der Mann, dass ihn etwas schon seit Monaten störte, ohne dass er es seiner Frau gegenüber angesprochen hatte: dass sie sich angewöhnt hatte, jeden Freitagabend nach der Arbeit mit einer Kollegin etwas trinken zu gehen, statt direkt nach Hause zu kommen. Das machte ihm zu schaffen, weil sie beide schon ewig nicht mehr zu einem Date ausgegangen waren … er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann das letzte Mal gewesen war.

Sie war schockiert: »Aber ich habe dich gefragt, ob es dir etwas ausmachen würde, und du hast Nein gesagt!«, meinte sie. »Warum hast du es mir nicht einfach gesagt?«

»Na ja«, sagte er. »Ich wollte keinen Streit.«

Konflikte sind ein normaler Teil einer jeden menschlichen Beziehung. Und sie sind ein notwendiger Teil jeder menschlichen Beziehung. Wir tendieren dazu, eine geringe Konfliktneigung mit Glück gleichzusetzen, aber das stimmt einfach nicht. Dass es keine Kontroversen gibt, ist kein Hinweis auf eine starke Beziehung – es kann sogar genau zum Gegenteil führen.

Laut einer Studie, die von einem Forschungsprojekt zur Scheidungsmediation durchgeführt wurde, erklärte die große Mehrheit der Paare, die sich scheiden ließen (80 Prozent), zu den Hauptgründen für ihre Trennung gehöre, dass sie sich auseinandergelebt und das Gefühl der Nähe verloren hätten.2 Und bei unserer eigenen Forschung kam heraus, dass Paare mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher »Konfliktstile« trotzdem eine glückliche, dauerhafte Beziehung leben können. Nicht, ob es in Ihrer Beziehung Konflikte gibt, entscheidet darüber, ob sie hält oder nicht, denn selbst die glücklichsten Paare streiten. Sondern es geht darum, wie Sie sich streiten.3

Konflikt bedeutet Verbindung. Mit seiner Hilfe finden wir heraus, wer wir sind, was wir wollen, wer unsere Partner sind, wohin sie sich gerade entwickeln und was sie wollen. Auf diesem Wege überbrücken wir die Unterschiede zwischen uns und finden die Ähnlichkeiten, die Verbindungspunkte heraus. Der Haken dabei ist, dass uns niemand beigebracht hat, wie man das richtig macht. Wir können in der Schule keinen »Grundkurs Streiten« belegen, ehe wir unsere ersten Beziehungen knüpfen. Wir machen uns blindlings auf den Weg. Was wir über Konflikte denken und wie wir mit ihnen umgehen, stammt aus unserer Kindheit, unserer Erziehung und Kultur und aus unseren früheren Beziehungen, und es prägt unsere Art zu streiten auf eine Art und Weise, der wir uns vielleicht nicht einmal bewusst sind. Ganz gleich, wie viele Beziehungen wir schon gehabt haben mögen oder wie viele Jahre wir mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen waren: Viele von uns bewegen sich dabei immer noch tastend vorwärts und versuchen unterwegs herauszufinden, wie es am besten geht – und wir begehen dabei eine Menge Fehler.

Wir fressen einen Groll viel zu lange in uns hinein, ehe wir ein Problem ansprechen.

Wir wählen einen harten Einstieg, gespickt mit Kritik.

Wir wissen nicht, wie wir uns selbst beruhigen können, und sind schnell überwältigt und von Gefühlen überflutet.

Wir werden defensiv.

Wir halten nicht inne und überlegen, worüber wir eigentlich streiten.

Wir bekommen Versuche unseres Partners, den Kurs zu korrigieren und uns in der Mitte zu treffen, entweder nicht mit oder weisen sie zurück.

Wir können uns nicht auf einen Kompromiss einlassen, ohne das Gefühl zu haben, wir hätten zu viel aufgegeben.

Wir entschuldigen uns vorschnell, weil wir einfach wollen, dass der Streit vorbei ist.

Und jetzt kommt ein riesiger Fehler: Wir ignorieren frühere Konflikte – oder »bedauerliche Vorfälle«, wie wir sie gerne nennen. Wir sprechen nicht über sie, nutzen sie nicht zur Heilung, lernen nicht aus ihnen, sondern übergehen sie einfach.

Das Ergebnis ist: Wir verletzen einander. Wir sind am Ende unserer Auseinandersetzungen verwundet und weiter von unserem Partner oder unserer Partnerin entfernt als zuvor. Oder wir vermeiden aus Angst vor Verletzungen Konflikte vollständig, und der Abstand zwischen uns wird noch größer.

Wir gehen vollkommen falsch mit Kontroversen um und brauchen dringend eine Intervention.

Menschen helfen, »richtig zu streiten« – Ergebnisse einer Wissenschaft

Wir haben die Liebe jetzt schon eine ganze Weile wissenschaftlich untersucht – 50 Jahre lang! John als Forscher, der ursprünglich einmal Mathematiker gewesen ist, und Julie als praktizierende klinische Psychotherapeutin. Wir haben uns ein Leben lang der Aufgabe gewidmet, Interventionen für Paare zu entwickeln, die einander lieben und gerne zusammenbleiben möchten, die aber brauchbares Handwerkszeug benötigen, um ihre Beziehung langfristig glücklich und auf dem rechten Gleis zu halten. Häufig ist nicht die Beziehung selbst das Problem, sondern die Tatsache, dass wir einfach nicht mit dem Rüstzeug ausgestattet wurden, das wir brauchen. Jede Beziehung ist anders, ein einzigartiges, unwiederholbares Projekt mit einer eigenen Chemie aus Liebe und Anziehungskraft, Konflikten und Verbundenheit, Persönlichkeit und Vergangenheit – Elementen, die sich mischen, kollidieren und etwas Neues hervorbringen. Unsere Beziehung ist nicht genauso wie Ihre oder die von irgendjemand anderem. Aber wir haben entdeckt, dass es dennoch universelle Interventionen gibt, die über das ganze Spektrum hinweg funktionieren. Und es liegt uns sehr am Herzen, sie der Welt bekannt zu machen. Wir alle brauchen sie.

Es ist schon 50 Jahre her, dass John gemeinsam mit seinem Forschungspartner Robert Levenson die ersten Studien über Paare durchführte, in denen er erstmals wissenschaftliche Methoden auf die Liebe anwandte. Es ist 30 Jahre her, dass wir (John und Julie) unsere gemeinsame Arbeit begannen und auf dem Campus der University of Washington in Seattle unser »Love Lab« (Liebeslabor) einrichteten, nachdem wir uns in Seattle kennengelernt und ineinander verliebt hatten. Wie alle Paare mussten auch wir unsere je eigene Konfliktkultur ausloten, als wir uns zusammentaten, heirateten und Eltern wurden. Wir mussten die Konflikte durcharbeiten, die schon verkehrt anfingen, diejenigen, die aus heiterem Himmel entstanden, und diejenigen, die wir immer wieder über dieselben Themen zu haben schienen. Und wir haben das auch durchgezogen – wir sind inzwischen ziemlich gut im Streiten! Wir fanden heraus, dass man durchaus freundlich und liebevoll streiten kann und so, dass am Ende Frieden herrscht. Aber wir hatten einen entscheidenden Vorteil: Wir hatten die Daten aus dem Love Lab.

Dort konnten wir inzwischen mehr als 3000 Paare unter die Lupe nehmen, und unser Forschungsziel bestand stets darin, so genau wie möglich zu ergründen, welche spezifischen Verhaltensweisen zu dauerhafter Liebe und anhaltendem Glück führen. Wir ließen Paare ein Wochenende in einem komfortablen Appartement im Stil einer Airbnb-Unterkunft verbringen, wo wir ihre Interaktionen auf Video aufnahmen und analysierten. Dann verfolgten wir ihren Weg über viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, um den Verlauf ihrer Beziehung zu beobachten und zu sehen, wie glücklich und zufrieden sie waren. Und weil es für die Gesundheit einer Beziehung so wichtig ist, haben wir uns auch auf Konflikte sowie darauf fokussiert, wie Partner vor, während und nach einem Streit interagieren. Bei einer Studie ließen wir Paare zu uns kommen, Platz nehmen und über einen Konflikt sprechen, den sie noch nicht gelöst hatten. Wir zeichneten ihre Interaktion auf, sodass wir die Bänder bis auf eine Hundertstelsekunde genau analysieren konnten. Wir codierten jede Geste, jeden Seufzer, jedes Lächeln, jede Pause; wir codierten die Körpersprache, den Stimmklang. Nichts war zu klein oder zu unbedeutend. Die Teilnehmenden waren auch an Biofeedback-Apparate angeschlossen, damit wir gleichzeitig ihre Atmung und ihren Herzschlag verfolgen konnten, also die physiologischen Marker, die uns so viel darüber verraten, wie und warum sich ein Streit so abspielt, wie er es tut.

Wir haben das mit heterosexuellen, schwulen und lesbischen Paaren gemacht, mit Paaren mit und ohne Kinder, reichen und armen Paaren, Paaren mit unterschiedlichem demografischem Hintergrund bezüglich Ethnie und Kultur. Nachdem wir dieses unglaublich tiefgründige und umfassende Bild der Interaktionen eines jeden Paars zu einem bestimmten Zeitpunkt gewonnen hatten, holten wir die Paare jedes Jahr wieder ins Love Lab und ließen sie das ganze Verfahren noch einmal durchlaufen. Wir fragten uns: Würden sie sich ändern? Würden sie zusammenbleiben? Würde ihre Verbindung eine glückliche sein? Und wenn es Konflikte gab, wollten wir unbedingt wissen: Warum brachen manche Paare aufgrund der Streitigkeiten miteinander? Und wie gelang es anderen, Frieden zu schließen? Also, was haben wir dabei herausgefunden?

Wir stellten fest, dass wir durch die Beobachtung und Codierung von Verhaltensweisen mit 90-prozentiger Treffsicherheit vorhersagen konnten, welche Paare trotz aller Höhen und Tiefen zusammenbleiben und im Wesentlichen mit ihrer Verbindung zufrieden sein würden4 (solche Paare nannten wir »die Meister der Liebe«) und welche sich scheiden lassen, sich trennen oder unglücklich zusammenbleiben würden (das waren die Beziehungen, die sich leider als »Katastrophe« erwiesen).

Wir fanden heraus, dass die ersten drei Minuten eines Streits eine Vorhersage ermöglichen, in welchem Zustand die Beziehung sechs Jahre später sein wird.5

Wir stellten fest, dass Paare bei Konflikten ein bestimmtes Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen aufrechterhalten mussten, um auf lange Sicht ineinander verliebt zu bleiben – und dass außerhalb von Konflikten die Zahl der positiven Signale sogar noch höher sein musste.6

Wir fanden heraus, dass Paare, die bei einer Auseinandersetzung die vier entscheidenden Verhaltensweisen an den Tag legten, die wir als »die vier apokalyptischen Reiter« bezeichnen, nämlich Kritik, Verachtung oder Geringschätzung, Mauern und Abwehr oder Rechtfertigung (criticism, contempt, stonewalling, defensiveness), dazu tendierten, sich durchschnittlich fünf Jahre nach der Eheschließung zu trennen.7

Aber wir haben auch festgestellt, dass »kein Streit« auch nicht die Lösung war. Denn es gab eine weitere Scheidungswelle einige Jahre nach dieser Fünfjahresgrenze. Diese Paare hatten es nicht mit den vier apokalyptischen Reitern zu tun. Vielmehr hatten sie gar nichts. Keine großen Konflikte, so viel war klar. Aber auch keinen Humor. Sie stellten einander keine Fragen. Hatten kein Interesse aneinander.

Wir fanden heraus, dass die Meister und Meisterinnen der Liebe keinen Bogen um Kontroversen machten. Aber sie hatten einen interaktiven Werkzeugkasten, der ihnen ermöglichte, einen Konflikt als ein gemeinsames Unterfangen anzugehen, nicht als Krieg. Und wenn jemand dabei verletzt wurde (was bei einem Streit auch den Besten passieren kann), wussten sie, wie sie das wieder in Ordnung bringen konnten.8

All dies fanden wir heraus – und noch eine Menge darüber hinaus. Und wir werden es Ihnen in diesem Buch darlegen. Wir beginnen damit, dass wir über den Kontext unserer Konflikte sprechen – das »Setting« für sie, wenn Sie so wollen –, und das umfasst praktisch alles, was zu einem Streit führt, angefangen damit, wie wir erzogen wurden, aus welcher Kultur wir kommen und welche Metaemotionen wir haben: »Gefühle über Gefühle«, die unsere Beziehungen in überraschender Weise prägen. Wir werden darüber sprechen, wie die zwanglosen alltäglichen Interaktionen mit unseren Partnern uns für eine bestimmte Dynamik in einem Konflikt vorprogrammieren. Wir werden darüber sprechen, wie verblüffend es sein kann, dahinterzukommen, worüber wir eigentlich unter der Oberfläche wirklich streiten (mit anderen Worten: Sie streiten gar nicht über einen Welpen!). Und dann werden wir Sie durch fünf Konflikte führen, die deutlich zeigen, wo wir bei einem Streit in die Irre gehen und wie wir es besser machen können. Denn wir haben auch festgestellt, dass Menschen ihre Beziehung zum Guten verändern konnten – richtig streiten, besser lieben und sich tiefer miteinander verbinden konnten –, wenn sie praktische Instrumente auf wissenschaftlicher Grundlage an die Hand bekamen, die sie im Konfliktfall nutzen konnten.

Als unsere Tochter noch ein kleines Mädchen war, sagte sie einmal etwas, das uns unsere Mission verdeutlichte, als wir darüber nachdachten, wie und warum wir mit Paaren arbeiteten. Sie fragte uns, was wir denn im Love Lab machten – vielleicht irritierte es sie, dass wir ein ganzes Wochenende weggehen und ein Seminar für Paare leiten wollten, wo es ihr doch viel lieber gewesen wäre, wir wären zu Hause geblieben und hätten gemeinsam einen Ausflug mit einer Fähre gemacht und ihr ein Eis spendiert. Jedenfalls nahm sie uns in die Mangel und wollte ganz genau wissen, was wir denn bei dieser ganzen »Liebeswissenschaft« machten. Wir erklärten ihr, dass wir daran gearbeitet hatten, die wirksamsten Maßnahmen herauszufiltern, die Paare treffen konnten, um glücklich und verliebt zu bleiben – wenn sie das wollten –, damit wir sie an die Menschen weitergeben konnten. Wir sagten ihr, dass viele Paare – an bestimmten Stellen auch wir – eine Zeit durchmachen, in der sie sich anscheinend einfach nicht vertragen können.

»Was meinst du, was passiert, wenn Mamas und Papas sich die ganze Zeit streiten?«, fragten wir sie.

»Hm«, sagte sie, »ich glaube, dann gibt es keine Regenbogen im Haus.«

Wir waren beide still. Keine Regenbogen im Haus. Dieses kleine Mädchen hatte mit seinen vier Jahren gerade die perfekte Formulierung für die Mission unserer Arbeit geprägt. Stürme kommen immer – das lässt sich nicht vermeiden. Aber anschließend kann etwas Schönes geschehen. Doch zu einem Regenbogen kommt man nur, wenn man einen Sturm durchsteht.

Konflikte sind eine menschliche Konstante

Wir haben schon viel über die Liebe geschrieben: was sie ausmacht, woran sie zerbricht, was sie lebendig hält. Aber seit längerer Zeit haben wir einen großen Drang verspürt, uns damit zu befassen, wie wir mit Konflikten umgehen. Zu den Hauptgründen dafür gehört, dass unsere Auseinandersetzungen nirgendwohin führen. Die Daten sagen uns: Worüber Sie sich auch streiten mögen – Sie werden sich höchstwahrscheinlich immer darüber streiten. Die überwältigende Mehrheit der Konflikte, die wir mit unseren Partnern haben, ist also nicht flüchtiger Natur, situativ oder leicht lösbar – diese Kontroversen sind ewig.

Es gibt zwei Grundtypen von Auseinandersetzungen zwischen Paaren: lösbare und ewige. Ihre lösbaren Konflikte sind die, für die es irgendeine Art von Lösung gibt. Man kann sie in Ordnung bringen. Sagen wir, Sie fühlen sich ausgenutzt, weil Sie immer die Spülmaschine einräumen müssen, nachdem Ihr Partner das Abendessen gemacht und ein Schlachtfeld hinterlassen hat. Darüber streiten Sie sich vielleicht mit Ihrem Partner, wenn Sie den Punkt erreicht haben, an dem Ihnen der Kragen platzt (Anmerkung: Darüber, dass Sie über diese Art von Dingen reden sollten, bevor Sie in die Luft gehen, werden wir definitiv noch sprechen!), aber am Ende finden Sie wahrscheinlich irgendeine Lösung: Sie werden sich mit der Zubereitung des Essens und dem Aufräumen abwechseln, oder er wird auch das Aufräumen übernehmen, während Sie sich um andere anstehende Hausarbeiten kümmern. Es geht um ein logistisches Problem, das gelöst werden kann, wenn erst einmal alle wieder einen kühlen Kopf haben.

Bei ewigen Konflikten sieht es anders aus. Das sind die Probleme, die nie verschwinden. Sie stellen die Themen dar, über die wir immer wieder und wieder streiten, weil sie sich aus den tieferen Unterschieden zwischen uns speisen: Unterschieden in der Persönlichkeit, den Prioritäten, den Werten und Überzeugungen. Und wie hervorragend jemand auch zu Ihnen passen mag, solche Unterschiede wird es immer geben. Wir verlieben uns nicht in einen Klon von uns! Vielmehr fühlen wir uns oft zu Menschen hingezogen, die in vielfacher Hinsicht ganz anders sind als wir, zu Menschen, die uns nicht replizieren, sondern ergänzen.

Unter dem Strich sieht es so aus, dass die große Mehrheit unserer Probleme – 69 Prozent, um genau zu sein – ewiger Natur, also unlösbar, ist. Das ist sehr viel! Und es bedeutet, dass es bei einem Streit zwischen Ihnen und Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin in der Mehrzahl der Fälle keine einfache Lösung oder leichte Antwort geben wird. Von diesen ewigen Konflikten münden 16 Prozent in eine festgefahrene Situation: Die Partner arbeiten sich Runde um Runde an denselben Themen ab und kommen nicht nur zu keinem Ergebnis, sondern erzeugen dabei immer mehr Verletzung, Wut und Distanz. Und genau aus diesem Grund müssen wir die Art und Weise, wie wir streiten, so dringend verbessern. Wie wir streiten ist, wie schon gesagt, unsere Art zu kommunizieren und uns miteinander zu verbinden. Aber (und wir können das getrost sagen, weil wir im Lauf der Jahre so viele Paare untersucht und ihr Leben nachverfolgt haben) wir machen das falsch. Wir stürzen uns in den Kampf, verletzten einander, verpassen Chancen und durchlaufen den ganzen Zyklus dann wieder von vorn, wenn wir das nächste Mal über das gleiche altbekannte Thema streiten.

Auch dieser spezielle Moment in der Geschichte der Menschheit erfordert einen anderen Ansatz bei Konflikten. Paare sind, in der Zeit von Covid-Erkrankungen, mehr Stress und Belastungen ausgesetzt als jemals zuvor. Die Rate der häuslichen Gewalt ist seitdem stark angestiegen: Bei unserer internationalen Studie mit über 40 000 Paaren haben wir festgestellt, dass von den Paaren, die nach Therapie gesucht haben, 60 Prozent in irgendeiner Form häusliche Gewalt erlebt haben. Und es gab weitere besorgniserregende statistische Ergebnisse: Bei diesen Paaren fanden wir ein hohes Maß an Angst (27 Prozent), Depression (46 Prozent) und Suizidalität (29 Prozent). Beinahe ein Drittel aller Paare hatte mit Problemen zu kämpfen, die mit Substanzmissbrauch zusammenhingen. Und 35 Prozent mussten mit den negativen Folgen einer Affäre fertigwerden.9

Unsere Welt scheint immer unsicherer zu werden, und viel zu oft lassen wir unseren Stress und unsere Ängste an den Menschen aus, die uns am nächsten stehen. Wenn wir uns mit dem Partner streiten, streiten wir nicht in einem Vakuum. Die Welt mischt mit. Bis wir an dem Punkt ankommen, an dem wir mit dem Partner oder der Partnerin aneinandergeraten, tragen wir oft schon sehr viele Lasten – unsere emotionale Bandbreite ist schmal, wir sind kognitiv überlastet, und das schränkt unsere Fähigkeit ein, sanft miteinander umzugehen. Wir tragen die Überreste des Tages in unsere Interaktionen hinein – die Sorgen und den Druck, die wir aushalten mussten und die uns in einer Weise belasten, derer wir uns vielleicht gar nicht bewusst sind. Und außerhalb unseres privaten Lebensraums wimmelt es nur so von Konflikten. Sie wuchern in der virtuellen Welt, in der die Form der Interaktion eine echte Verständigung zu einem äußerst seltenen Ereignis macht. Unsere Welt war noch nie so polarisiert wie heute.

Wir stehen an einem kritischen Punkt der Menschheitsgeschichte – einem Punkt, an dem wir quer durch alle Bereiche und auf allen Gebieten lernen müssen, unsere Abwehrmechanismen aufzugeben, uns zu öffnen und für Frieden und Verständigung zu kämpfen. Und das fängt zu Hause in unseren eigenen vier Wänden an. Unsere aus der Liebe geborenen Partnerschaften sind die Bausteine unserer größeren Gemeinschaften. Sie wirken sich prägend auf unsere Kinder, auf unsere Freundschaften und erweiterten Familien, auf unsere Kollegen am Arbeitsplatz aus. Sie beeinflussen unsere Fähigkeit, der Welt etwas zurückzugeben und Veränderungen zu bewirken. Sie wirken sich darauf aus, wie wir als Gesellschaft zusammenkommen. Wenn wir lernen, zu Hause besser zu streiten, können wir auch lernen, in unserer Gemeinde, über politische Gräben hinweg, in der Gesellschaft und sogar als Menschheit besser zu streiten.

Es ist menschlich, Konflikte zu haben. Es ist sogar human, Konflikte zu haben – oft ist es genau das Richtige, sich zu streiten. Aber dabei müssen wir die besten Seiten unseres Menschseins einbringen.

Wenn wir streiten, sollten wir versuchen, etwas Besseres hervorzubringen. Das ist letztlich das Ziel von Auseinandersetzungen: etwas Besseres für Sie selbst, für Sie und Ihren Partner oder Ihre Partnerin als Paar und für die Welt zu erschaffen. Konflikte müssen uns nicht voneinander trennen. Streit und Frieden schließen sich nicht gegenseitig aus. Wir können durch Konflikte Frieden erreichen. Wir können Freundlichkeit und Sanftheit mit Streit kombinieren. Wir können uns aufgrund von Streit nahekommen. Aber damit uns das gelingt, müssen wir bis in den innersten Kern unserer Konflikte vorstoßen.

Als Menschen haben wir eine solche Tiefe. Wir sind nicht einfach nur das, was man an der Oberfläche sieht – das Haar und die Haut und die Kleidung. Wir sind nicht einmal die Persönlichkeiten, die wir nach außen hin darstellen. In uns gibt es unterirdische Räume. Wir haben Flüsse und Wasserfälle und Felswände in uns, tiefe Täler, die wir vielleicht nicht einmal selbst vollständig erkundet haben. Und häufig fürchten wir uns, diesen Teil unserer selbst in Beziehungen zu zeigen. Wir haben das Gefühl, wir müssten unsere »besten Seiten« herauskehren, um das Herz eines anderen zu gewinnen. Deshalb halten wir die Tür zu dieser komplizierten Innenwelt geschlossen. Wenn wir erst einmal im Dickicht einer ernsthaften Beziehung angekommen sind, kommen diese Teile allmählich zum Vorschein. Am häufigsten platzen sie in einem Konflikt aus uns heraus und überraschen nicht nur unseren Partner oder unsere Partnerin, sondern auch uns selbst. Diese lange tief in uns vergrabenen oder unterdrückten Teile unserer selbst – die Bedürfnisse und Träume und Emotionen, die wir kleingehalten haben – flackern in der Hitze des Gefechts auf. Und sie können das ganze Haus niederbrennen.

Aber das muss nicht sein.

Konflikte können heftig und chaotisch werden. Dann durchleben Menschen alte Schmerzen und Traumata erneut. Wir fallen so leicht in alte Muster zurück – wir werden von unseren Gefühlen, unserer Vergangenheit, unseren alten Verletzungen gekapert und überwältigt. Aber wenn Sie zu dem vordringen können, was darunter liegt, tun sich Verständnis und Mitgefühl auf.

Unsere Hoffnung für Sie und Ihren Partner oder Ihre Partnerin ist, dass Sie beim Lesen dieses Buches dahin gelangen, Ihre Konflikte als große Chance zu begreifen. Dass Sie eine tiefere Einsicht in Ihre eigene Streitkultur gewinnen und sehen, woher sie kommt. Dass Sie lernen aufzudecken, worüber Sie eigentlich streiten, damit Sie zum Kern der Sache vorstoßen und einander durch Ihre Konflikte besser verstehen lernen. Wir hoffen, Sie werden am Ende ein klares Verständnis davon gewonnen haben, welche die wichtigsten fünf Fehler sind, die wir beim Streiten mit unseren Liebsten begehen, und wie wir selbst in der Hitze des Gefechts umschwenken und es richtig machen können. Und wir hoffen, Sie werden es schaffen, ein bisschen Humor und Leichtigkeit in Ihre Auseinandersetzungen zu bringen – das kann erheblich helfen.

Konflikte machen nicht immer Spaß, dieses Buch aber hoffentlich schon.

Warum wir streiten

Was ist gerade los?«, fragt er, als sie gleichzeitig sagt: »Worüber möchtest du reden?«

Beide lachen.

Das Paar sitzt dicht nebeneinander auf seinem bequemen Bett, an blütenweiße Kissen gelehnt, und schaut in die Kamera. Zunächst sind sie einander leicht zugewandt, beide wirken warmherzig und entspannt – vielleicht ein klein wenig nervös darüber, dass sie gefilmt werden. Wir haben sie gebeten, die Kamera ihres Laptops einzuschalten, mit der Aufnahme zu beginnen und dann einfach darüber zu reden, wie ihr Tag läuft. Das ist alles.

Dabei werden sie von unserem KI-Programm beobachtet. Dieses Programm wurde zu dem Zweck entwickelt, unsere Therapeuten und Paare mit Gottman-Training zu unterstützen, die ihre Beziehung zu Hause unter die Lupe nehmen wollen – damit wir erhellende Daten darüber gewinnen können, wie Partner bei zwanglosen Interaktionen und in Konflikten aufeinander reagieren. Die künstliche Intelligenz kann anhand subtiler Veränderungen des Hauttonus ihre Herzfrequenz erkennen. (Bei Vergleichsstudien stellten wir fest, dass sie ebenso exakt wie ein Pulsoximeter ist.) Mithilfe von maschinellem Lernen codiert die KI Emotionen und ordnet Sekunde für Sekunde beide Partner auf einem Spektrum von zehn möglichen emotionalen Kategorien ein. Und sie beurteilt auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent, wie viel Vertrauen jeder gerade in den anderen hat.

Die KI – entwickelt von unseren brillanten Kollegen Rafael Lisitsa und Vladimir Brayman – sammelt all diese Daten, während das Paar sich kurz über seine Arbeitswoche sowie darüber unterhält, wie sehr es sich auf das Wochenende und die Chance freut, sich zu entspannen. Bislang hat die KI die Interaktionen der beiden als von »neutral« zu »interessiert« fortschreitend codiert. Beide sind entspannt – die Herzfrequenz liegt etwa bei 90. Das Maß an Vertrauen ist ziemlich hoch.

Dann sagt sie: »Ach, übrigens, ich habe meinen Eltern gesagt, sie könnten in unserem Schlafzimmer übernachten, wenn sie dieses Wochenende zu Besuch kommen. Wir schlafen auf der Couch.«

Es entsteht eine Pause.

»Du hast ihnen das schon gesagt?«, erkundigt er sich.

»Ja«, sagt sie ein bisschen abweisend. »Sie sind meine Eltern. Ich …«

»Du weißt, dass ich auf der Couch nicht gut schlafe.«

»Ach komm.« Sie verdreht die Augen. »Es ist nur über das Wochenende, das ist doch keine große Sache.«

»Ich will eben in Hochform sein für deine Eltern. Ich will nicht grummelig sein, weil ich …«

»Als wärst du jemals in Hochform für meine Eltern. Darum …«

»Wow.« Seine Stimme klingt verletzt und sarkastisch. »Okay.«

»Warum machst du so ein Gesicht? Du weißt, dass das stimmt!«

»Hey, ich versuche, mir Mühe zu geben für deine Eltern, und …«

»Ach ja? Und warum hast du dann drei Jahre dafür gebraucht? Ist das jetzt das entscheidende Wochenende?«

»Drei Jahre? Du meinst, ich hätte mir drei Jahre lang keine Mühe gegeben?«

Von hier an steigt die Temperatur der Interaktion rapide an. Sie fallen sich gegenseitig ins Wort, reden gleichzeitig. Sie wirft ihm vor, ihren Vater kürzlich bei einem Telefonat zum Weinen gebracht zu haben. Er versucht, sich zu verteidigen.

»Du musstest einfach eine höhnische Bemerkung einfließen lassen, nicht wahr?«, sagt sie. »Während ich ihm einfach nur zum Geburtstag gratulieren wollte.«

»Ich wollte bloß witzig sein!«, schreit er.

Die KI registriert, dass der Puls bei beiden ansteigt – seiner mehr, bis auf 195 Schläge in der Minute. Das Vertrauen ist in den Keller gerutscht, seines wird bedenklich niedrig, sinkt auf unter 30 Prozent. Die Emotionen werden bei beiden immer negativer beurteilt. Die Interaktion geht schnell in den feindseligen Bereich, sie greift an, er rechtfertigt sich, und beide sprechen verächtlich miteinander. Keine 30 Sekunden später wendet sich das Paar voneinander ab, erschöpft und aufgebracht, und gibt das Gespräch ganz auf. Als das von der KI festgehaltene Video abbricht, starren beide in entgegengesetzter Richtung in die Luft.

Konflikte »codieren«

Die beiden, von denen gerade die Rede war, sind ein echtes Paar, das sich bereit erklärt hat, an einem noch im Aufbau befindlichen neuen Programm teilzunehmen, das genau solchen Paaren helfen soll: normalen Paaren, die in eine schwierige Phase (oder ein schwieriges Jahr … oder Jahrzehnt) geraten sind und etwas Unterstützung und Anleitung brauchen.

In den letzten Jahren hat die Nachfrage nach gut ausgebildeten Therapeuten und Therapeutinnen – beschleunigt durch die Covid-19-Pandemie – das vorhandene Angebot weit überschritten. Außerdem kann es für Partner, die beide voll berufstätig sind und vielleicht noch für kleine Kinder oder sonstige Familienmitglieder zu sorgen haben, schwierig sein, jemanden außer Haus aufzusuchen. Eine Menge Paare, die professionelle Unterstützung sehr gut gebrauchen könnten, verzichten aus unterschiedlichen Gründen darauf. Wir wollten einen Weg austüfteln, wie wir Paaren, die zu kämpfen haben, unmittelbar Beistand leisten können. Und wir haben bei sehr vielen Paaren gesehen, dass sie zu kämpfen haben. Daher machten wir uns an die Arbeit und entwarfen eine Plattform, zu der Paare über das Telefon, einen Laptop oder ein Tablet Zugang bekamen; es sollte ein Ort sein, an dem sie Anleitung und Hilfsmittel finden konnten. Dafür brauchten wir eine KI, die Paare in Interaktion beobachten und wie ein erfahrener, gut ausgebildeter Therapeut die Anzeichen und Signale dafür identifizieren kann, dass ein Gespräch in den toxischen Bereich abgleitet. Therapeutinnen werden darin geschult, nach diesen Anzeichen Ausschau zu halten: subtile Hinweise in der Körpersprache und in der Physiologie, im Tonfall, in der Wortwahl und in vielem mehr. Konnte ein Computer so programmiert werden, dass er derart sensibel war?

Kurz gesagt: Ja. Und in Bezug auf das Codieren von Konflikten hat die KI nicht nur ebenso gut abgeschnitten wie die Menschen, sondern sie sogar noch übertroffen.

Viele der Daten und Beobachtungen über Paare in Auseinandersetzungen stammen aus unserer jahrzehntelangen Arbeit im Love Lab und aus weiteren wichtigen und bahnbrechenden Studien von uns selbst oder anderen. Aber jetzt bekommen wir sogar noch präzisere und detailliertere Informationen von der KI, die wir mithilfe von Johns Codierungssystem für Emotionen trainiert haben, das SPAFF heißt, die Abkürzung für Spezifisches Affektcodierungssystem.10

Als John mit seiner Forschungsarbeit zu Paaren begann, gab es auf dem Gebiet der Psychologie schon reichlich Schwierigkeiten, konsistente Muster in der Persönlichkeit und im Verhalten eines einzelnen Individuums herauszufiltern, von zweien gar nicht erst zu reden. Es herrschte allgemein die Überzeugung, Studien über Paare wären zu unzuverlässig, um von wissenschaftlichem Nutzen zu sein. Schon ein Individuum allein zu untersuchen war angeblich so unzuverlässig, dass die Untersuchung von zwei Personen die Unzuverlässigkeit verdoppeln und sie somit exponentiell steigern würde. John als alter Mathematiker machte sich daran, das zu widerlegen.

Er begann, nach Verhaltensmustern bei Individuen und Paaren zu suchen – genauer gesagt nach Interaktionssequenzen, die Auskunft darüber geben konnten, wie glücklich ein Paar insgesamt war und wie weit seine Beziehung gut lief (oder auch nicht).11 Anhand einer Reihe von wissenschaftlichen Beobachtungsstudien erarbeiteten er und seine Kollegen ein Codierungssystem, das jede mögliche Nuance einer Interaktion zwischen zwei Menschen maß: Gesichtsausdruck, Tonfall, Sprache und Rhetorik, physische Signale und mehr. Er und sein Forschungspartner Robert Levenson entwickelten Methoden, mit denen an den Studien beteiligte Paare ihre eigenen Erfahrungen während Streitgesprächen selbst beurteilen konnten, was noch mehr entscheidende Daten darüber ergab, wie die Menschen ihre Konflikte erlebten und ob sie eine Wirkung erzielten, die ihren Absichten entsprach. Durch die Langzeitbeobachtung dieser Paare ließ sich nachverfolgen, wie sich diese codierten Interaktionssequenzen zwischen Partnern zum Ergebnis ihrer Beziehung verhielten: Trennte sich das Paar? Blieb es zusammen? Und wenn es zusammenblieb, war es glücklich oder unglücklich?

John untersuchte alle drei Gruppen und sammelte Daten zu Paaren, die sich scheiden ließen, die glücklich verheiratet blieben und solchen, die unglücklich weiter zusammenlebten. Und diese Daten waren alles andere als unzuverlässig.

John stellte fest, dass die Interaktionen zwischen zwei Partnern über lange Zeiträume hinweg unglaublich stabil waren und eine hohe Aussagekraft für die Zukunft ihrer Beziehung hatten. Mithilfe von SPAFF zur Codierung der Interaktionen zwischen zwei Partnern konnte John mit mehr als 90-prozentiger Treffsicherheit die Zukunft der Beziehung vorhersagen.12 Und einen gewaltigen Anteil an dieser Vorhersage hatte dessen Verhalten in Konfliktsituationen.

Zu den Kernstücken von Johns Beziehungsstudien gehörte die sogenannte Konfliktaufgabe, bei der Partner gebeten wurden, sich ein aktuelles Streitthema auszusuchen und darüber zu diskutieren. Dieser Streit wurde aufgenommen, und anschließend befasste sich ein Team von Wissenschaftlern mit dem Material und war bestrebt, jeden Ausdruck und jede Interaktion bis auf die Hundertstelsekunde genau zu codieren. Das ist eine anspruchsvolle Arbeit, und unsere Wissenschaftler mussten außerordentlich gut geschult sein, um das akkurat machen zu können. Die anderen Codierungssysteme für die Beobachtung von Verhalten und Interaktionen vor SPAFF beruhten auf visuellen Hinweisen – sie beachteten Handlungen und Ausdrücke, also Elemente menschlichen Verhaltens, die man visuell wahrnehmen kann. Das Problem ist, dass dabei jede Menge entscheidender Kontext verloren geht. Was ist mit der Stimmlage? Eine Dur-Tonart deutet auf positive Emotionen hin, während eine Moll-Tonart auf das Gegenteil verweist. Wie steht es um die Betonung mancher Wörter im Verhältnis zu anderen? Wir nennen das ein paraverbales Signal: Der gleiche Satz kann, abhängig von der Betonung einzelner Wörter, entweder Frustration oder Flexibilität kommunizieren – und das muss berücksichtigt werden. Und wie sieht es mit kulturellen Unterschieden im Sprachgebrauch oder der Körperlichkeit aus? Unser Codierungssystem bezieht ein, dass Emotion in interaktiver Weise über alle Kommunikationskanäle hinweg übermittelt wird.

Es hat sich herausgestellt, dass 70 Prozent der Information über Emotion in der Sprache enthalten ist – in der Syntax und der Semantik. Anders gesagt: in den spezifischen Wörtern, die Sie bei der Kommunikation wählen, und in der Art und Weise, wie Sie sie sagen. Andere Signale (physische wie der Gesichtsausdruck) interagieren in nichtlinearer Weise mit der Sprache. Als Menschen sind wir sehr komplex, und jegliches System, das unser Verhalten codieren will, muss ebenso komplex sein. Wenn man die Emotionen bei einem Streit codieren will, muss man unglaublich sensibel sein. Man muss die Bedeutung der Wörter kennen. Die Worte im Kontext verstehen. Die Kultur begreifen, in der man sich bewegt. Man muss die Musik in den Worten hören: Tonhöhe, Lautstärke, Klangfarbe, Tempo und Betonung. Das ist eine Menge! Aber erstaunlicherweise kann die KI, die mit Johns Codierungssystem trainiert wurde, exakt das duplizieren, was kulturell geschulte wissenschaftliche Beobachter leisten können. Die KI hat von Anfang an dem entsprochen, was Menschen beim Codieren erreichen können. Und im Lauf der Zeit wurde sie durch maschinelles Lernen immer besser, bis sie schließlich so gut war wie die besten menschlichen Beobachter.

All das soll heißen: Die KI ist extrem gut bei dieser Analyse. Wenn wir ein Paar haben, das wie unser junges Paar von vorhin bei seinem Streit über die Schlafcouch dasitzt und das iPad mit eingeschalteter Videokamera vor sich hat, sammelt die KI unersetzliche Daten, und zwar besser als selbst die erfahrensten professionellen Beobachter – sie synchronisiert sogar die Codierung der Affekte mit der Physiologie der einzelnen Partner. Die »Aufschlüsselung« dieses Streits, die wir von der KI bekamen, war außerordentlich präzise. Und gerade dieser Streit eignet sich hervorragend für eine eingehende Analyse, weil er praktisch alles enthält, was wir in Konflikten tendenziell machen.

Ein »lehrbuchmäßiger« Streit

Wir haben uns aus einem einfachen Grund dafür entschieden, diese Auseinandersetzung hier am Anfang des Buchs vorzustellen: Sie ist ein Klassiker. Sie illustriert alle wichtigen Elemente eines typischen Streits zwischen Paaren:

Es geht um so gut wie nichts. In einem Moment haben wir ein angenehmes Gespräch über unsere Woche, im nächsten sind wir mitten in einem Krieg.Sie geht sehr schnell in einen schwierigen Konflikt über (Eskalation). Die KI hat diese Steigerung der Interaktion zu einem voll entwickelten Konflikt in weniger als einer Minute aufgezeichnet.Niemand hört zu. In diesem Dialog sehen wir keinerlei Raum für eine Verständigung. Er besteht nur aus Angriff und Verteidigung. Er sieht weniger nach einem Gespräch aus als nach einem Duell zwischen zwei Personen mit dem Schwert.Sie enthält alle vier »apokalyptischen Reiter«: die negativen Kommunikationsmuster, die das Ende der Beziehung nach einiger Zeit vorhersagen:Kritik (»Warum hast du drei Jahre gebraucht, um dir im Umgang mit meinen Eltern Mühe zu geben?«)Verachtung (»Du musstest einfach eine höhnische Bemerkung einfließen lassen, nicht wahr?«)Rechtfertigung (»Ich wollte bloß witzig sein!«)Mauern (Am Ende des Streits verschließt sich der Mann, geht völlig aus der Verbindung heraus und reagiert nicht mehr.)Es gibt eine Affektüberflutung.Das heißt, bei Konflikten kapern die Emotionen das Nervensystem, was zu einer Überwältigung und letztlich zum gerade konstatierten Mauern führt. Die KI verzeichnete eine schnelle und heftige physiologische Reaktion, vor allem beim Mann, als die Auseinandersetzung eskalierte; bei Männern sieht das im Durchschnitt so aus, dass es ausgehend von etwa 90 Herzschlägen pro Minute zu einer Spitze mit 195 Schlägen pro Minute kommt – das ist ein wichtiger Indikator für eine Affektüberflutung.Die negativen Interaktionen werden schnell zahlreicher als die positiven.Wenn Paare auf lange Sicht glücklich sein wollen, müssen sie bei Konflikten ein bestimmtes Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen aufrechterhalten. Dieses Verhältnis liegt bei 5:1: Es bedarf fünf positiver Interaktionen für jede negative. Bei diesem Streit wird die Interaktion fast sofort zu 100 Prozent negativ.Es gibt sehr wenige Versuche einer Kurskorrektur – wenn überhaupt.Zu den wichtigsten Maßnahmen von Meistern und Meisterinnen der Liebe, einen Konflikt in der Spur zu halten, gehören Versöhnungsversuche nicht erst nach einem Streit, sondern schon währenddessen. Wie es vielen von uns geht, wenn die Wogen hochgehen und die Emotionen sich aufschaukeln, sind die beiden weder willens noch imstande, sich um ein Einlenken zu bemühen. Hier wird nur zerstört.Und schließlich … es geht um die Schwiegereltern! Das kommt wahrscheinlich uns allen bekannt vor.

Damit Sie eine bildliche Vorstellung von dem Paar haben, hier ein paar Stichpunkte: Die beiden sind Ende 20. Ihre Beziehung ist relativ neu, denn sie sind erst seit rund zwei Jahren verheiratet. Sie hat lange blonde Haare, die sie im Stil von Joni Mitchell trägt, und einen schmalen goldenen Ring in der Nase. Er hat schulterlanges dunkles Haar, durch das er wiederholt langsam mit den Fingern fährt, als er zu Beginn des Gesprächs ruhig in den Kissen lehnt, dann mit der Zeit mit wachsender Aufregung immer schneller. Als sie wütend wird, beugt sie sich zu ihm hinüber. Ihre Körpersprache ist aggressiv. Sie blickt ihn eindringlich an, fokussiert sich auf sein Gesicht, während sie ihm ihre Kritik entgegenschleudert, und kann kaum seine Antwort abwarten, ehe ihr nächster Vorwurf folgt – eine endlose Litanei all seiner bisherigen Verfehlungen –, und sie macht ihrem aufgestauten Groll Luft, den sie bisher nicht loswerden konnte. In die Defensive gedrängt, rettet er sich in Sarkasmus. Anscheinend fühlt er sich von dem Gespräch in die Enge getrieben, denn man kann förmlich sehen, wie sich die Räder in seinem Kopf drehen, als er erkennt: »Hier komme ich nicht raus.«

Am Ende des Streits haben sie nichts erreicht.

Sie versinken beide in Schweigen und schütteln niedergeschlagen den Kopf.

Aber sie sind hier und nutzen die App, weil sie sich nicht geschlagen geben wollen. Sie wissen, dass etwas falsch läuft, und sie versuchen, es in Ordnung zu bringen. Sie wollen einander nicht aufgeben und ihr gemeinsames Leben auch nicht. Sie wollen, dass es besser wird. Aber sie werden von der Frage gequält, mit der so viele Paare zu uns kommen: Warum sind wir so?

Wir könnten Ihnen hundert Gründe dafür nennen, dass wir streiten. Aber schauen wir uns einfach mal die Hauptgründe an.

»Gegensätze ziehen sich an« und andere Gründe, warum wir zum Streiten verurteilt sind

Es gibt ja den bekannten Spruch: Gegensätze ziehen sich an. Und wie sich inzwischen herausgestellt hat, ist er auch wissenschaftlich korrekt.

Wir werden tatsächlich von der »Chemie« beeinflusst, wie der Schweizer Biologe Claus Wedekind in einer Studie über Geruch, Attraktivität und genetische Unterschiede nachgewiesen hat.13 Claus Wedekind suchte sich 100 heterosexuelle Teilnehmende aus – je zur Hälfte Männer und Frauen –, die speziell mit Blick auf genetische Verschiedenheit gewählt wurden. Die Männer bekamen saubere T-Shirts, sollten sie zwei Nächte lang zum Schlafen tragen und dann ungewaschen ins Labor zurückbringen. Dann kamen die Frauen ins Spiel: Jede sollte den Geruch von sechs T-Shirts bewerten. (Würden Sie bei dieser Studie mitmachen?) Die Probandinnen gingen von einem T-Shirt zum nächsten, schnupperten an jeder Probe und sollten sie danach beurteilen, wie »intensiv, angenehm und sexy« sie roch. Außerdem sollten sie sagen, welchen Geruch sie insgesamt am attraktivsten fanden.

Die Ergebnisse waren faszinierend. Fast alle Frauen bevorzugten den Geruch von T-Shirts, die von Männern mit einer bestimmten Gensequenz getragen worden waren, die sich maximal von ihrer eigenen entsprechenden Gensequenz unterschied. Die Gengruppe, auf die sich Wedekind dabei konzentrierte, heißt MHC oder major histocompatibility complex (Haupthistokompatibilitätskomplex). Warum ist er wichtig? Weil er ein entscheidender Faktor beim menschlichen Immunsystem ist. Wenn Eltern sehr unterschiedliche MHC-Gene haben, sind ihre Nachkommen bei der Abwehr von Viren und anderen Krankheitserregern im Vorteil. Sie haben einen besseren Schutzschild. Anders ausgedrückt: Sich mit jemandem zusammenzutun, der genetisch von einem selbst verschieden ist, ist ein tief verwurzelter biologischer Überlebensmechanismus des Menschen.

Daraus folgt, dass wir vielleicht häufig schon deshalb in Konflikte mit unseren Partnern geraten, weil wir jemanden ausgesucht haben, der ganz anders ist als wir selbst – wir sind so programmiert! Tatsächlich sind Persönlichkeitsunterschiede für die große Mehrzahl von Paarkonflikten verantwortlich. Wie schon in der Einleitung erwähnt, sind die meisten unserer Kontroversen (69 Prozent) ewig, nicht lösbar – wir haben über die gesamte Dauer der Beziehung hinweg mit ihnen zu tun.14 Ewige Probleme zwischen Partnern ergeben sich typischerweise aus Unterschieden in der Persönlichkeit und der bevorzugten Lebensweise. Je mehr Paare die Unterschiede des jeweils anderen akzeptieren können, desto besser, aber oft begehen wir den Fehler, den Partner an uns selbst angleichen zu wollen und ihn dann zu kritisieren, wenn das nicht klappt. Gerade die Unterschiede, die einst so verlockend waren und uns magnetisch angezogen haben, werden dann zu den dauerhaftesten Reibungspunkten.

Aus »Ich fand seine Spontaneität so anziehend« wird dann »Warum kannst du nicht einfach mal einen Plan machen und dich daran halten?«

»Sie hat mich mit ihrer kontaktfreudigen Art und ihrem wunderbaren Sinn für Humor gewonnen« verwandelt sich in »Musst du wirklich mit allen Leuten auf der Party reden? Du hast doch ganz klar mit diesem Burschen geflirtet, oder?«

Selbst wenn Sie kein klassisches Paar vom Typ »Gegensätze ziehen sich an« sind, sind Sie gegen diese Kategorie von Konflikt nicht gefeit. Wir sehen sehr viele Beispiele für das, was wir »aufgedeckte Gegensätze« nennen: Sie und Ihr Partner oder Ihre Partnerin scheinen sich sehr ähnlich zu sein, und es dauert eine ganze Weile, bis man auf die Unterschiede stößt. Aber sie sind da. Nehmen wir beispielsweise ein Paar, mit dem wir gearbeitet haben: Beide waren Künstler – er Maler, sie Sängerin –, und ihre künstlerische Arbeit und der kreative Prozess brachten sie zusammen. Aber sie war extrovertiert und bekam sehr viel Energie und künstlerische Anregung durch die Interaktion mit anderen; er war introvertiert und brauchte viel Zeit für sich allein sowie Ruhepausen. Diese Menschen fühlten sich aufgrund gemeinsamer Interessen, eines ähnlichen Hintergrunds und Lebensstils zueinander hingezogen, aber sie hatten eben auch entgegengesetzte Persönlichkeiten und Bedürfnisse – ein sehr häufiges Szenario.