10,99 €
'Kann man voraussagen, wie lange eine Partnerschaft hält? Ja, meint John M. Gottman, und tritt dafür sogar den wissenschaftlichen Beweis an. Mit Hilfe seines 'Ehelabors' erforscht er seit Jahrzehnten die Geheimnisse glücklicher Ehen. Er hat dabei sieben Prinzipien herausgearbeitet, die erfolgreiche Paare auf ihrem Weg zu einer harmonischen und langlebigen Beziehung anwenden. Mit vielen praktischen Ratschlägen und griffigen Fallbeispielen.'
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 420
Das Buch
Kann man voraussagen, wie lange eine Partnerschaft hält? John Gottman bejaht das und tritt dafür den wissenschaftlichen Beweis an: Mit Hilfe seines »Ehelabors« erforscht er seit Jahrzehnten die Geheimnisse glücklicher Ehen. In das mit Kameras und Mikrofonen ausgestattete Apartment ziehen regelmäßig Paare ein, ausgestattet mit allem, was sie für ein Wochenende brauchen, und lassen sich und ihr Beziehungsverhalten von einem Team hochkarätiger Wissenschaftler beobachten und analysieren. Gottman hat sieben prinzipielle Strategien herauskristallisiert, die Paare auf ihrem Weg zu einer harmonischen und langlebigen Beziehung anwenden. Seine Tips, um eine glückliche Partnerschaft zu erreichen, sind leicht zu verstehen und unproblematisch nachzuvollziehen. Und ihre Auswirkungen sind beträchtlich …
Der Autor
Dr. John Gottman ist Mitbegründer des Seattle Marital and Family Institute, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau Dr. Julie Schwartz Gottman leitet. Er ist Professor für Psychologie an der University of Washington. Durch mehrere Veröffentlichungen ist er in Amerika einem großen Publikum bekannt.
Nan Silver ist freie Journalistin und Autorin und lebt mit Ehemann und Kindern in New Jersey.
Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-taschenbuch.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,Speicherung oder Übertragungkönnen zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Taschenbuch11. Auflage 2012
© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2004© 2003 für die deutsche Ausgabe byUllstein Heyne List GmbH & Co. KG© 2000 für die deutsche Ausgabe byEcon Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München/Marion von Schröder© 1999 by John Gottman und Nan SilverTitel der amerikanischen Originalausgabe:
The Seven Principles for Making Marriage Work(Crown Publishers, Random House Inc., New York)Umschlaggestaltung: HildenDesign, MünchenTitelabbildung: IFA-Bilderteam, Düsseldorf
E-Book-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
E-Book ISBN 978-3-8437-0822-7
Für Julie Gottman, die dem Begriff Partnerschaft eine neue Bedeutung verleiht, und für die Mitarbeiter meines Teams: Sybil Carrere, Sharon Fentiman und Cathryn Swanson. Sie alle machten das Buch möglich und halfen, den Weg dorthin erfreulich zu gestalten, zum Beispiel mit Kuchenessen und Kaffeetrinken in einem Café am Wegesrand.
J.G.
Für Arthur, meinen Liebsten und Freund.
N.S.
1. Im Ehelabor in Seattle:Die Wahrheit über glückliche Ehen
2. Wie ich eine Scheidung vorhersehe
3. Geheimnis Nr. 1:Bringen Sie Ihre Partner-Landkarte auf den neuesten Stand
4. Geheimnis Nr. 2:Pflegen Sie Zuneigung und Bewunderung füreinander
5. Geheimnis Nr. 3:Wenden Sie sich einander zu und nicht voneinander ab
6. Geheimnis Nr. 4:Lassen Sie sich von Ihrem Partner beeinflussen
7. Die zwei Arten von Ehestreit
8. Geheimnis Nr. 5:Lösen Sie Ihre lösbaren Probleme
9. Wie man mit typischen lösbaren Problemen umgeht
10. Geheimnis Nr. 6:Überwinden Sie Pattsituationen
11. Geheimnis Nr. 7:Schaffen Sie einen gemeinsamen Sinn
Und was nun?
Danksagungen
Über die Autoren
Es ist ein erstaunlich wolkenfreier Morgen in Seattle, als sich das frisch verheiratete Paar Mark und Janice Gordon an den Frühstückstisch setzt. Vor dem Panoramafenster der Wohnung schneidet sich das Wasser des Montlake tiefblau in die Landschaft ein, die Jogger laufen und die Enten watscheln durch den Park am See. Mark und Janice erfreuen sich an der Aussicht, während sie ihren French Toast essen und sich die Sonntagszeitung teilen. Später wird Mark wahrscheinlich das Fußballspiel im Fernsehen einschalten, während Janice am Telefon mit ihrer Mutter in St. Louis plaudern wird.
Alles in dieser Dachwohnung erscheint normal – bis man die drei Videokameras entdeckt, die an der Wand befestigt sind, die Mikrofone, die wie in einer Talk-Show an Marks und Janice’ Kragen befestigt sind, und die Sensoren, die um ihre Brust geschnallt sind. Die wunderschöne Wohnung mit Aussicht gehört nämlich gar nicht Mark und Janice. Es ist ein Labor an der University of Washington in Seattle, wo ich sechzehn Jahre lang die aufwendigste und innovativste Forschungsreihe über Ehe und Scheidung, die es je gab, durchgeführt habe.
Für einen Teil dieser Studien erklärten sich Mark und Janice (ebenso wie 49 andere zufällig ausgewählte Paare) bereit, in unserem künstlichen Apartment, von uns zärtlich das »Ehelabor« genannt, zu übernachten. Wir hatten sie gebeten, sich so natürlich wie möglich zu verhalten, obwohl mein Wissenschaftlerteam sie durch den Einweg-Küchenspiegel beobachtete, die Kameras jedes einzelne Wort und jeden Gesichtsausdruck von ihnen aufnahmen, und die Sensoren körperliche Signale wie Streß oder Entspannung ebenso festhielten wie ihre Herzschlagfrequenz. (Um eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten, wurden die Paare ausschließlich von neun bis einundzwanzig Uhr beobachtet und niemals, wenn sie im Bad waren.) Das Apartment ist mit einem ausziehbaren Sofa, einer Küchenzeile, Telefon, Fernsehen, Video und CD-Spieler ausgestattet. Die Paare werden gebeten, ihre Lebensmittel, Zeitungen, Laptops, ihr Strickzeug, ihre Hanteln oder sogar ihre Haustiere mitzubringen – kurz alles, was sie für ein typisches Wochenende brauchen.
Mein Ziel war kein geringeres, als die Wahrheit über die Ehe herauszufinden, um endlich die Fragen beantworten zu können, die uns schon so lange beschäftigen: Warum ist es manchmal so schwer, verheiratet zu sein? Warum funktionieren manche Beziehungen einfach ein Leben lang, während bei anderen der Zeitzünder zu ticken scheint? Und wie kann man verhindern, daß eine Ehe scheitert, oder wie kann man eine retten, die bereits auf der schiefen Ebene ist?
Nach Jahren der Forschung kann ich diese Fragen nun beantworten. Tatsächlich bin ich inzwischen in der Lage, vorherzusagen, ob ein Paar glücklich zusammenleben, oder ob es auseinandergehen wird. Diese Vorhersage kann ich treffen, nachdem ich dem Paar nur fünf Minuten lang in unserem Ehelabor zugeschaut habe! Im Laufe von drei unterschiedlichen Studien kam ich dabei auf eine Trefferquote von 91 Prozent. Das heißt, daß in 91 Prozent der Fälle, in denen ich vorhergesagt hatte, daß die Ehe eines Paares erfolgreich sein oder scheitern würde, ich im Laufe der Zeit recht behalten habe. Diese Vorhersagen habe ich nicht aus dem Gefühl heraus oder nach vorgefaßten Prinzipien darüber, wie eine Ehe aussehen sollte, getroffen, sondern aufgrund der Daten, die ich während vieler Jahre der Forschung gesammelt habe.
Zunächst werden Sie versucht sein, meine Forschungsergebnisse als nur eine weitere Theorie in der langen Reihe von neumodischen Ideen abzutun. Verständlicherweise reagiert man gern zynisch, wenn jemand behauptet, er habe herausgefunden, was eine Ehe wirklich am Leben erhält, und er könne einem zeigen, wie man seine eigene rettet oder mal auf Herz und Nieren prüft. Es gibt viele Menschen, die sich selbst als Experten in Sachen Ehe bezeichnen, und die nur allzugern ihre Meinung dazu äußern, wie andere ihre Beziehung besser gestalten können.
Aber das ist das Schlüsselwort: »Meinung«. Bevor ich bei meinen Studien einen Durchbruch erreicht hatte, war die allgemeine Meinung, daß jeder, der Paaren helfen wollte, einfach irgend etwas tun mußte. Und das war auch das Credo aller qualifizierten, talentierten und erfahrenen Eheberater. Gewöhnlich ist der Versuch eines verantwortungsvollen Therapeuten, Paaren zu helfen, auf seine professionelle Ausbildung sowie auf Erfahrung, Intuition, Familiengeschichte und vielleicht sogar religiöse Überzeugung gegründet. Aber das einzige, worauf er nicht zurückgreifen kann, sind unumstößliche wissenschaftliche Fakten, denn bis heute gab es keine wirklich entscheidenden wissenschaftlichen Daten darüber, warum manche Ehen erfolgreich sind, während andere scheitern.
Trotz aller Aufmerksamkeit, die ich mit meiner Fähigkeit, eine Scheidung vorherzusagen, erlangt habe, sind doch die wichtigsten Ergebnisse, die meine Studien hervorgebracht haben, die Sieben Geheimnisse, die verhindern, daß eine Ehe scheitert.
Was eine Ehe funktionieren läßt, ist erstaunlich einfach. Glücklich verheiratete Paare sind nicht klüger, reicher oder psychologisch gesehen raffinierter als andere. Aber sie haben in ihrem Alltag eine Dynamik entwickelt, die verhindert, daß die negativen Gedanken und Gefühle (die es bei allen Paaren gibt) die positiven überdecken. Sie führen, wie ich es nenne, eine von emotionaler Intelligenz getragene Ehe.
Nachdem ich ein Paar nur fünf Minuten beobachtet und ihm zugehört habe, kann ich sagen, ob es sich scheiden lassen wird oder nicht.
In der letzten Zeit hat der Begriff der emotionalen Intelligenz weite Beachtung gefunden als ein wichtiger Aspekt, um den Erfolg eines Kindes in seinem späteren Leben vorherzusagen. Je enger ein Kind mit seinen Gefühlen verbunden ist, und je besser es andere verstehen und mit ihnen auskommen kann, desto sonniger sieht seine Zukunft aus. Dabei spielt es keine Rolle, welchen akademischen IQ es hat. Dasselbe gilt für gute Beziehungen zwischen Eheleuten. Je größer die emotionale Intelligenz eines Paares ist, je besser die Partner einander und ihre Ehe verstehen, ehren und respektieren können, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie wirklich bis an ihr Lebensende gemeinsam glücklich sein werden. Und so wie Eltern ihren Kindern emotionale Intelligenz beibringen können, so kann auch ein Paar diese Fähigkeit erlernen. Es klingt zwar simpel, aber so können Eheleute eine Scheidung verhindern.
Was Scheidungen betrifft, so zeichnet die Statistik nach wie vor ein düsteres Bild. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine erste Ehe während eines Zeitraums von vierzig Jahren mit einer Scheidung endet, beträgt 67 Prozent. Die Hälfte aller Scheidungen ereignet sich in den ersten sieben Jahren. Einige Studien belegen, daß die Scheidungsrate bei zweiten Ehen um zehn Prozent höher liegt als bei ersten. Die Gefahr, geschieden zu werden, ist immer noch so hoch, daß es für alle Paare – auch solche, die derzeit mit ihrer Beziehung zufrieden sind – sinnvoll ist, sich darum zu bemühen, daß ihre Ehe stark bleibt.
Einer der traurigsten Gründe, warum eine Ehe stirbt, ist, daß keiner der Partner ihren Wert erkennt, ehe es zu spät ist. Erst nachdem die Papiere unterschrieben, die Möbel aufgeteilt und getrennte Wohnungen gemietet sind, begreifen die Ex-Eheleute, welchen Fehler sie machten, als sie einander aufgaben. Eine gute Ehe wird viel zu oft als selbstverständlich hingenommen, anstatt daß man ihr die Nahrung und den Respekt gewährt, den sie verdient und unbedingt braucht. Manche Menschen glauben vielleicht, daß es keine große Sache ist, in einer unglücklichen Ehe geschieden zu werden oder sich zu trennen, möglicherweise finden sie das sogar modern. Aber inzwischen kann man belegen, wie verletzend sich eine Scheidung auf alle Beteiligten auswirkt.
Wir haben Forschern wie Lois Verbrugge und James House, beide von der University of Michigan, die Erkenntnis zu verdanken, daß eine unglückliche Ehe die Gefahr zu erkranken um ungefähr 35 Prozent erhöht und das Leben um etwa vier Jahre verkürzt. Die andere Seite der Medaille: Menschen, die glücklich verheiratet sind, leben länger und gesünder als Geschiedene und auch als Menschen, die in unglücklichen Ehen leben. Die Wissenschaftler wissen sicher, daß diese Unterschiede existieren, jedoch noch nicht genau, warum das so ist.
Ein Teil der Antwort mag einfach sein, daß die Menschen in einer unglücklichen Verbindung chronischer diffuser physiologischer Erregung ausgesetzt sind – sie sind mit anderen Worten physisch und emotional ungewöhnlich gestreßt. Dies setzt Körper und Seele einer zusätzlichen Belastung aus, die sich in einer Reihe physischer Leiden, wie zum Beispiel Bluthochdruck und Herzerkrankungen, aber auch psychologischer Erkrankungen wie Angsterscheinungen, Depression, Selbstmordgedanken, Gewaltvorstellungen, Psychosen, Mordgedanken und Drogenmißbrauch ausdrücken kann.
Es überrascht kaum, daß glücklich verheiratete Paare viel seltener an solchen Krankheiten leiden. Überdies scheinen sie gesundheitsbewußter zu leben als andere. Die Forscher meinen, dies läge daran, daß die Ehepartner einander daran erinnern, sich regelmäßig untersuchen zu lassen, ihre Medizin zu nehmen, gesund zu essen und so fort.
Menschen, die verheiratet bleiben, leben vier Jahre länger als Menschen, die sich scheiden lassen.
Kürzlich entdeckten wir in meinem Labor spannende Hinweise darauf, daß eine glückliche Ehe vielleicht auch dadurch gesünder macht, daß sie das den Körper vor Krankheiten schützende Immunsystem direkt beeinflußt. Seit ungefähr zehn Jahren weiß man, daß eine Scheidung die Funktionsfähigkeit des Immunsystems mindern kann. Theoretisch könnte diese Schwächung der Fähigkeit, sich gegen fremde Eindringlinge zu wehren, die Menschen anfälliger für Infektionskrankheiten und Krebs machen. Jetzt haben wir herausgefunden, daß möglicherweise auch der Umkehrschluß gezogen werden kann, daß nämlich glücklich Verheiratete diese Entkräftung des Immunsystems nicht nur vermeiden, sondern daß ihr Immunsystem sogar besonders gestärkt wird.
Als wir das Immunsystem der fünfzig Paare, die über Nacht in unserem Ehelabor blieben, testeten, entdeckten wir einen erstaunlichen Unterschied zwischen denen, die sehr mit ihrer Ehe zufrieden waren, und denen, deren emotionale Verbindung zueinander eher neutral war, und wiederum denen, die unglücklich waren. Wir untersuchten Blutproben von jedem Teilnehmer, um die Anzahl der weißen Blutkörperchen, der wichtigsten Verteidigungswaffe des Immunsystems, festzustellen. Insgesamt zeigten die Körper der glücklich verheirateten Männer und Frauen eine größere Bereitschaft, diese Helferzellen zu bilden als die anderen Teilnehmer.
Darüber hinaus haben wir die Effektivität einer anderen Verteidigungswaffe des Immunsystems, der Killerzellen, getestet. Diese vernichten Blutzellen, die beschädigt oder verändert wurden (wie infizierte Zellen oder Krebszellen), und verhindern so das Wachstum von Tumorzellen. Und wieder hatten die Teilnehmer unserer Studie, die mit ihrer Ehe zufrieden waren, die effektiveren Killerzellen als die anderen.
Es werden noch mehr Studien nötig sein, bis die Wissenschaftler definitiv erklären können, warum die Stärkung des Immunsystems einer der Mechanismen ist, durch die eine gute Ehe Gesundheit und Lebensdauer beeinflussen kann. Ich stelle mir oft vor, daß Fitneßfans, die nur zehn Prozent ihrer wöchentlichen Trainingszeit – sagen wir, zwanzig Minuten am Tag – darauf verwenden, an ihrer Ehe anstatt an ihrem Körper zu arbeiten, dreimal mehr Gesundheit ernten würden, als wenn sie einen Langlauf unternehmen!
Wenn eine Ehe in die Krise gerät, dann sind die Eheleute nicht die einzigen, die leiden – auch Kinder sind betroffen. In einer Studie, die ich mit 63 Vorschulkindern durchführte, zeigten die Kinder aus Familien, in denen zwischen den Eheleuten Feindseligkeit herrschte, verglichen mit anderen Kindern chronisch erhöhte Werte an Streßhormonen. Wir wissen nicht, welche Folgen dieser Streß auf lange Sicht für ihre Gesundheit haben wird. Doch wissen wir, daß sich die biologische Diagnose von extremem Streß in ihrem Verhalten ausdrückt. Wir begleiteten sie bis zum Alter von fünfzehn Jahren und fanden heraus, daß diese Kinder verglichen mit Gleichaltrigen viel häufiger die Schule schwänzten, an Depressionen litten, von ihren Mitschülern abgewiesen wurden, Verhaltensstörungen (vor allem Aggression) an den Tag legten, in der Schule schlecht mitarbeiteten oder dort sogar scheiterten.
Diese Feststellung führt vor allem zu einem Schluß, nämlich, daß es nicht klug ist, um der Kinder willen in einer schlechten Ehe zu bleiben. Es wirkt sich vielmehr schädlich aus, Kinder in einer Familie aufwachsen zu lassen, die von der Feindseligkeit zwischen den Eltern geprägt ist. Eine friedliche Scheidung ist besser als eine Ehe im Kriegszustand. Unglücklicherweise verlaufen Scheidungen aber nur selten friedlich, und die Feindseligkeit zwischen den Eltern lebt gewöhnlich nach der Trennung fort. Aus diesem Grunde ergeht es Scheidungskindern oft ebenso schlecht wie solchen, die in einer unglücklichen Ehe zwischen die Fronten geraten.
Wenn es darum geht, eine Ehe zu retten, ist für alle Beteiligten der Einsatz hoch. Nun gibt es aber ungeachtet der dokumentierten Bedeutung glücklicher Ehen erst schockierend wenig solide Forschung darüber, wie man Ehen stabil erhält. Als ich im Jahre 1972 begann, über die Ehe zu forschen, hätte man die profunden wissenschaftlichen Daten zum Thema Ehe wahrscheinlich an einer Hand abzählen können. Mit profund meine ich Daten, die mit wissenschaftlichen Methoden, die den in der Medizin angewandten Standards entsprechen, erhoben werden. Zum Beispiel arbeiteten damals viele Studien damit, daß sie einfach Ehemänner und Ehefrauen Fragebögen ausfüllen ließen. Dieser Ansatz wird die Self-Report-Methode genannt, und obwohl diese Methode ihre Vorteile hat, ist sie letztendlich doch sehr beschränkt. Wie soll man sicher sein, ob eine Frau glücklich ist, nur weil sie das betreffende Kästchen auf irgendeinem Fragebogen ankreuzt? So rangieren zum Beispiel Frauen aus Ehen, in denen körperlicher Mißbrauch vorkommt, bei der Frage nach dem Glück gewöhnlich ganz oben. Erst wenn die Frau sich sicher fühlt und direkt befragt wird, offenbart sie ihre Verzweiflung.
Um diesem Mangel an wissenschaftlichen Untersuchungen zu begegnen, haben meine Kollegen und ich die traditionellen Wege zur Erforschung der Ehe um viele innovative und tiefergehende Methoden erweitert. Heute begleiten wir 700 Paare in sieben verschiedenen Studien. Dabei haben wir nicht nur frisch verheiratete Ehepartner beobachtet, sondern auch solche, die schon lange verheiratet sind und erst im Alter von vierzig oder sechzig Jahren an der Studie teilnahmen. Darüber hinaus haben wir Paare begleitet, die gerade Kinder bekamen, und sie im Zusammenleben mit ihren Babys, Vorschulkindern oder Teenagern beobachtet.
Als einen Teil dieser Untersuchungen habe ich Paare über die Vergangenheit ihrer Ehe befragt, über ihre Vorstellungen von Ehe und wie sie die Ehe ihrer Eltern sehen. Ich habe sie mit der Videokamera gefilmt, wenn sie einander fragten, wie ihr Tag gewesen war, wenn sie neuralgische Punkte in ihrer Ehe diskutierten und wenn sie sich über erfreuliche Themen unterhielten. Um physiologisch gesehen Aufschluß darüber zu erhalten, wie gestreßt oder entspannt sie sich fühlten, habe ich in jedem Moment Herzschlagfrequenz, Schweißbildung, Blutdruck und Immunabwehr gemessen. In allen Studien spiele ich den Paaren die Bänder wieder vor und bitte sie, zu erklären, was sie dachten oder fühlten, als zum Beispiel während einer ehelichen Diskussion ihre Herzschlagfrequenz oder ihr Blutdruck plötzlich anstieg. Und ich habe die Partner weiterhin begleitet und sie wenigstens einmal im Jahr getroffen, um zu sehen, wie sich ihre Beziehung entwickelte.
Bisher sind meine Kollegen und ich die einzigen, die eine derart umfassende Beobachtung und Analyse von Ehepaaren durchgeführt haben. Unsere Daten eröffnen einen ersten wirklichen Blick auf die inneren Funktionen, die Anatomie der Ehe. Die Ergebnisse dieser Studien sind es, und keineswegs meine persönlichen Ansichten, die die Basis für meine Sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe bilden. Diese Sieben Geheimnisse sind ihrerseits die Eckpfeiler einer bemerkenswert wirkungsvollen Kurzzeittherapie für Paare, die ich zusammen mit meiner Frau, der klinischen Psychologin Dr. Julie Gottman entwickelt habe. Diese Therapie und eine Reihe von kleinen, kurzen Workshops, die denselben Prinzipien folgen, richten sich an Paare, die das Gefühl haben, ihre Ehe sei in Schwierigkeiten, oder die einfach sicherstellen wollen, daß ihre Beziehung stabil bleibt.
Unser Ansatz unterscheidet sich sehr stark von dem, der üblicherweise von den meisten Ehetherapeuten angeboten wird. Das liegt daran, daß ich, je mehr meine Studien die wahre Geschichte der Ehe zu erhellen begannen, von ein paar langgehegten Vorstellungen über Ehe und Scheidung Abschied nehmen mußte.
Wenn Sie in Ihrer Beziehung Schwierigkeiten haben oder hatten, dann haben Sie wahrscheinlich viele Ratschläge erhalten. Manchmal hat man den Eindruck, als glaube jeder, der seit langem verheiratet ist oder wenigstens jemanden kennt, der seit langem verheiratet ist, den Schlüssel zur garantiert ewigen Liebe in der Hand zu halten. Aber die meisten dieser Ratschläge, werden sie nun von einem Psychologen im Fernsehen oder von einer lebensklugen Kosmetikerin im nahen Friseurgeschäft vorgetragen, sind falsch. Viele dieser Theorien, sogar solche, die anfänglich von begabten Therapeuten unterstützt wurden, sind seit langem widerlegt oder verdienen es, widerlegt zu werden. Nur sind sie leider so fest in der allgemeinen Gesellschaftskultur verankert, daß man gar nicht erfährt, daß sie nicht mehr gelten.
Der größte Mythos von allen ist vielleicht, daß Kommunikation – genauer gesagt, das Erlernen einer Konfliktbewältigung – der goldene Weg zu Liebe und einer lang währenden glücklichen Ehe sei. Ganz gleich, welcher theoretischen Schule ein Ehetherapeut anhängt, ob man sich für eine Kurz- oder Langzeittherapie oder die dreiminütige Diagnose eines Radiopsychologen entscheidet – die Botschaft, die man erhält, ist meist dieselbe: Lernen Sie, besser zu kommunizieren. Es ist leicht zu verstehen, warum dieser Ansatz so populär ist. Wenn ein Paar sich in einem Konflikt wiederfindet (ganz gleich, ob der nun als ein kurzer Meinungsaustausch, ein laut schreiend geführter Kampf oder als bedrückendes Schweigen auftritt), dann versuchen beide, die Auseinandersetzung zu gewinnen. Sie konzentrieren sich auf ihre verletzten Gefühle und wollen dem anderen zeigen, daß sie recht haben, während er im Unrecht ist, oder sie wollen ihm die kalte Schulter zeigen. Dabei können die Kommunikationswege zwischen den beiden erstarren oder ganz zusammenbrechen. Dann erscheint es sinnvoll, die Partner dazu zu bewegen, ruhig und liebevoll dem anderen zuzuhören, wenn er seine Perspektive beschreibt, um sie auf diesem Weg anzuleiten, Kompromißlösungen zu suchen und ihr eheliches Gleichgewicht wiederzufinden.
Die am weitesten verbreitete Technik zur Lösung von Konflikten, die in dieser oder jener Verkleidung von den meisten Ehetherapeuten angewandt wird, ist das sogenannte aktive Zuhören. So wird ein Therapeut seine Klienten zum Beispiel dazu bewegen wollen, eine Form des Hörer-Sprecher-Austauschs zu praktizieren. Nehmen wir einmal an, Judy ist verärgert, weil Bob fast jeden Abend spät von der Arbeit nach Hause kommt. Dann wird der Therapeut Judy bitten, ihre Beschwerde als »Ich-Botschaft« auszudrücken, die auf das konzentriert ist, was sie fühlt, und nicht als wütende Beschuldigungen an Bob. Judy wird sagen: »Ich fühle mich allein gelassen und überfordert, wenn ich jeden Abend mit den Kindern allein zu Hause bin, während du lange arbeitest.« Und nicht: »Es ist so egoistisch von dir, immer spät nach Hause zu kommen und einfach davon auszugehen, daß ich die Kinder allein versorge.«
Dann wird Bob gebeten werden, sowohl den Inhalt als auch die in Judys Botschaft ausgedrückten Gefühle zu umschreiben, um mit ihr abzuklären, ob er sie richtig verstanden hat. (So zeigt er, daß er ihr aktiv zuhört.) Außerdem soll er ihre Gefühle bewerten, um deutlich zu machen, daß er diese Gefühle für berechtigt hält, sie respektiert und mit Judy fühlt, wenngleich er ihren Standpunkt vielleicht nicht teilt. Er wird sagen: »Es muß anstrengend für dich sein, die Kinder allein zu versorgen, wenn ich lange arbeite.« Bob wird gebeten, nicht zu urteilen, nicht für seinen Standpunkt zu argumentieren und nicht defensiv zu reagieren. »Ich höre dich« ist ein weitverbreitetes Modewort des aktiven Zuhörens. Dank Bill Clinton wird ihm jetzt wohl »Ich fühle deinen Schmerz« den Rang ablaufen.
Indem man Paare dazu nötigt, ihre Probleme aus der Perspektive des jeweils anderen zu sehen, will man erreichen, daß die Konfliktbewältigung ohne Wut geschieht. Diese Methode wird oft empfohlen, ganz egal, wie die besonderen Umstände sind und ob der Gegenstand des Streits die Lebensmittelrechnungen im Supermarkt oder schwerwiegende Differenzen in den Lebenszielen sind. Konfliktbewältigung wird nicht nur als Allheilmittel für krisengeschüttelte Ehen verstanden, sondern auch als Medizin, mit der man gute Ehen vor dem Scheitern bewahren kann.
Woher stammt dieser Ansatz? Die Pioniere der Ehetherapie haben ihn aus einer Reihe von Methoden übernommen, die der bekannte Psychotherapeut Carl Rogers für Einzeltherapien entwarf. Die Psychotherapie nach Rogers war in den sechziger Jahren sehr verbreitet und wird noch heute in unterschiedlichem Maß von Psychotherapeuten angewendet. Rogers’ Ansatz empfiehlt eine nicht verurteilende und akzeptierende Art, auf alle Gefühle und Gedanken, die der Patient äußert, zu reagieren. Wenn der Patient zum Beispiel sagt: »Ich hasse meine Frau, sie ist so eine nörgelnde Zicke«, dann wird der Therapeut nicken und etwas sagen wie: »Ich höre, daß Sie sagen, daß Ihre Frau an Ihnen herumnörgelt, und daß Sie das hassen.« Ziel dieser Methode ist, eine mitfühlende Atmosphäre zu schaffen, in der sich der Patient sicher genug fühlt, seine inneren Gedanken und Gefühle dem Therapeuten anzuvertrauen.
Da die Ehe idealerweise eine Beziehung ist, in der die Menschen wagen, sie selbst zu sein, erscheint es sinnvoll, Paaren beizubringen, diese Art bedingungslosen Verständnisses zu praktizieren. Konfliktbewältigung gestaltet sich sicher leichter, wenn jede Seite Mitgefühl für den Standpunkt des anderen ausdrückt.
Das Problem ist nur, daß das nicht funktioniert. Eine in München von Dr. Kurt Hahlweg und seinen Mitarbeitern durchgeführte Studie zur Ehetherapie kam zu dem Ergebnis, daß durchschnittliche Paare auch noch nachdem sie sich die Technik des aktiven Zuhörens angeeignet hatten, unglücklich waren. Die wenigen Paare, die von der Methode profitierten, erlitten innerhalb eines Jahres einen Rückfall.
Die meisten Ehetherapien, die auf die Konfliktbewältigung gegründet sind, haben mit einer relativ hohen Rückfallrate zu kämpfen. Tatsächlich hat sogar die beste dieser Ehetherapien, die von Neil Jacobson an der University of Washington durchgeführt wird, auch nur eine Erfolgsquote von 35 Prozent. Seine eigenen Studien zeigen, daß nur 35 Prozent der Paare eine wesentliche Verbesserung ihrer Ehe als Resultat der Therapie feststellen können. Ein Jahr später profitieren nur noch weniger als die Hälfte dieser Gruppe, nämlich 18 Prozent aller Paare, von den in der Therapie gewonnenen Erfahrungen. Als das Verbrauchermagazin Consumer Reports die Erfahrungen seiner Mitglieder mit allen möglichen Arten von Psychotherapeuten auswertete, bekamen die meisten recht gute Noten von den Klienten – nur die Ehetherapeuten erhielten sehr schlechte Bewertungen. Dieser Überblick mag nicht als ernsthafte wissenschaftliche Datenerhebung gelten, doch er bestätigt, was die meisten professionellen Helfer in diesem Bereich schon längst wissen: Auf lange Sicht helfen die meisten zur Zeit angebotenen Ansätze zur Ehetherapie nicht.
Und wenn man einmal wirklich darüber nachdenkt, ist es auch nicht schwer zu erkennen, warum das aktive Zuhören so oft fehlschlägt. Bob tut vielleicht sein Bestes, um Judys Beschwerden aufmerksam anzuhören. Aber er ist kein Therapeut, der zuhört, wie ein Patient über eine dritte Person klagt. Die Person, die seine Frau hinter allen diesen Ich-Botschaften angreift, ist er selbst. Es gibt natürlich ein paar Menschen, die angesichts solcher Kritik noch großmütig sein können – der Dalai-Lama zum Beispiel. Aber es ist unwahrscheinlich, daß Sie oder Ihr Ehepartner mit einem solchen Menschen verheiratet sind. (Sogar in der Therapie nach Rogers wechselt der Arzt den therapeutischen Ansatz, wenn der Klient beginnt, ihn anzugreifen.) Das aktive Zuhören verlangt von den Paaren, Gymnastik auf olympischem Niveau zu betreiben, während ihre Beziehung doch kaum mehr kriechen kann.
Wenn Sie der Überzeugung sind, daß Erklären und aktives Zuhören die Lösung eines Konfliktes für Sie und Ihren Ehepartner leichter machen wird, dann sollten Sie die Methode unbedingt anwenden. Es gibt durchaus Situationen, in denen sie sich als sinnvoll erweisen wird. Aber es gibt einen Haken: Auch wenn diese Methode Ihren Streit »besser« oder seltener werden läßt, wird sie allein doch Ihre Ehe nicht retten können.
Auch glücklich verheiratete Paare schreien sich manchmal an – laute Diskussionen müssen einer Ehe nicht schaden.
Nachdem wir ungefähr 650 Paare beobachtet und das Schicksal ihrer Ehen bis zu vierzehn Jahre lang verfolgt haben, wissen wir jetzt, daß dieser Ansatz zur Therapie nicht funktioniert, und das nicht nur, weil es für die meisten Paare nahezu unmöglich ist, diese Gesprächsstrategie erfolgreich durchzuführen, sondern weil eine erfolgreiche Konfliktbewältigung nicht das ist, was eine Ehe gut macht. Eines der erstaunlichsten Ergebnisse unserer Studie ist, daß die meisten Paare, die eine glückliche Ehe führen, im Falle eines Streits höchst selten etwas tun, das auch nur im entferntesten etwas mit aktivem Zuhören zu tun hat.
Zum Beispiel Belle und Charlie – ein Paar, das wir im Ehelabor beobachteten. Nach mehr als 45 Jahren Ehe teilte Belle Charlie mit, sie wünschte, sie hätten niemals Kinder gehabt. Das verletzte ihn eindeutig. Es folgte daraufhin eine Unterhaltung, in der gegen alle Regeln des aktiven Zuhörens verstoßen wurde. Diese Diskussion hatte nicht viel mit Wertschätzung oder Mitgefühl zu tun – beide stürzten sich einfach hinein und argumentierten von ihrem jeweiligen Standpunkt aus.
CHARLIE: Meinst du, du wärest besser dran gewesen, wenn ich lieber keine Kinder gehabt hätte?
BELLE: Charlie, es war solch eine Beleidigung für mich, Kinder zu haben.
CHARLIE: Jetzt mach aber mal einen Punkt.
BELLE: So reduziert zu werden!
CHARLIE: Ich reduziere dich nicht …
BELLE: Ich wollte so gern mit dir zusammen ein Leben verbringen. Doch statt dessen bin ich nichts als ein Arbeitstier geworden.
CHARLIE: Also, Moment mal. Ich glaube nicht, daß es so einfach ist, keine Kinder zu haben. Ich glaube, daß du da eine Menge biologischer Faktoren einfach ignorierst.
BELLE: Aber schau dir doch all die schönen Ehen an, die kinderlos sind.
CHARLIE: Wen denn?
BELLE: Der Herzog und die Herzogin von Windsor!
CHARLIE (seufzt tief): Bitte!
BELLE: Er war der König! Er hat eine bedeutende Frau geheiratet. Sie führten eine sehr glückliche Ehe.
CHARLIE: Ich finde nicht, daß das ein faires Beispiel ist. Zunächst einmal war sie vierzig. Das ist ein großer Unterschied.
BELLE: Sie hatte niemals Kinder. Und er verliebte sich nicht in sie, um mit ihr Kinder zu zeugen.
CHARLIE: Aber Tatsache ist doch, Belle, daß es eine große biologische Sehnsucht gibt, Kinder zu haben.
BELLE: Ich empfinde es als Beleidigung zu denken, daß ich von der Biologie gelenkt werde.
CHARLIE: Ich kann’s nicht ändern!
BELLE: Also, auf jeden Fall glaube ich, daß wir ohne Kinder eine großartige Zeit gehabt hätten.
CHARLIE: Also, ich finde, daß wir auch mit den Kindern eine wundervolle Zeit hatten.
BELLE: Also, ich hatte es nicht so furchtbar wundervoll.
Charlie und Belle klingen vielleicht nicht wie ein Musterehepaar aus einer Vorabendserie, aber sie sind seit über 45 Jahren glücklich verheiratet. Beide sagen übereinstimmend, daß sie mit ihrer Ehe äußerst zufrieden und einander sehr zugetan sind.
Ohne Frage haben sie schon seit Jahren vergleichbare Diskussionen geführt, die jedoch nie so enden, daß sie wütend sind. Sie diskutieren einfach weiter darüber, was Belle über ihr Leben als Mutter denkt. Sie bedauert hauptsächlich, daß sie nicht mehr Zeit mit Charlie verbringen konnte. Sie wünscht, sie wäre nicht immer so genervt und erschöpft gewesen. Wenn die beiden darüber streiten, dann tun sie das mit viel Zuneigung und Lachen. Bei keinem von beiden weisen Herzschlagfrequenz oder Blutdruck auf Streß hin. Die Grundaussage von Belle lautet, daß sie Charlie so sehr liebt, daß sie gern mehr Zeit mit ihm verbracht hätte. Es gibt zwischen ihnen zweifellos etwas sehr Verbindendes, das ihre Art zu streiten überdeckt. Was immer dieses »etwas« ist, eine Ehetherapie mit dem Schwergewicht auf »gutem« Streiten wird anderen Paaren nicht helfen, es ihnen nachzutun.
Die Vorstellung, daß man seine Ehe retten kann, indem man einfach lernt, sensibler miteinander zu kommunizieren, ist wahrscheinlich die am weitesten verbreitete Fehleinschätzung glücklicher Ehen – aber es ist wohl kaum die einzige. Im Laufe der Jahre habe ich viele andere Mythen entdeckt, die nicht nur falsch sind, sondern auf eine Ehe sogar zerstörerisch wirken können, weil sie Paare dazu verleiten, einen falschen Weg einzuschlagen oder, noch schlimmer, sie davon überzeugen, ihre Ehe sei rettungslos verloren. Folgende Mythen gehören dazu:
Man sollte annehmen, daß Menschen mit psychologischen Problemen für eine Ehe nicht sonderlich geeignet sind. Die Forschung hat jedoch nur ganz schwache Beweise für einen Zusammenhang zwischen kleineren Neurosen und der Unfähigkeit zur Liebe finden können. Der Grund dafür ist, daß wir alle unsere verrückten Seiten haben, und es gibt Dinge, über die wir nicht rational entscheiden können. Aber das muß nicht unbedingt etwas mit unserer Ehe zu tun haben. Der Schlüssel zu einer glücklichen Ehe ist nicht, eine »normale« Persönlichkeitsstruktur zu besitzen, sondern jemanden zu finden, zu dem man paßt. Sam zum Beispiel hat Probleme mit Hierarchien – er haßt es, einen Chef zu haben. Wenn er mit einer machtbetonten Frau verheiratet wäre, die dazu neigt, ihm Anweisungen zu geben und ihn zu bevormunden, dann würde das schnell enden. Statt dessen ist er mit Megan verheiratet, die ihn wie einen Partner behandelt und nicht versucht, ihn herumzukommandieren. Sie sind seit zehn Jahren glücklich verheiratet.
Vergleichen wir die beiden einmal mit einem anderen Paar, das immer wieder Eheprobleme hat. Jill wird von der tiefsitzenden Angst, allein gelassen zu werden, gequält. Diese Angst spürt sie, seit sich ihre Eltern scheiden ließen, als sie noch sehr klein war. Ihr Ehemann, Wayne, der ihr treu ergeben ist, ist ein Frauenheld, der auf Partys schamlos flirtet. Wenn sie sich darüber beklagt, weist er darauf hin, daß er ihr hundertprozentig treu ist und daß sie doch ein bißchen fröhlich dreinschauen und ihm dieses harmlose Vergnügen gönnen soll. Aber die Bedrohung, die für Jill von seinem Flirten und der Weigerung, dieses Verhalten abzulegen, ausgeht, entfernt sie voneinander und wird vielleicht zu einer Scheidung führen.
Neurosen müssen eine Ehe nicht zwangsläufig zum Scheitern bringen, sondern es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Wenn Sie die jeweils befremdlichen Seiten des anderen akzeptieren und mit Fürsorge, Zuneigung und Respekt damit umgehen können, dann wird Ihre Ehe Bestand haben.
Das hängt davon ab, wie Sie miteinander umgehen, wenn Sie diesen Interessen nachgehen. Ein Paar, das gern Kajakfahren geht, wird vielleicht sanft durch das Wasser gleiten, die beiden werden lachen, reden und sich gemeinsam konzentrieren. Ihre Liebe zum Kajakfahren bereichert und vertieft ihre Zuneigung und ihr Interesse füreinander. Ein anderes Paar teilt vielleicht ebenso die Liebe zum Kajakfahren, aber nicht den gegenseitigen Respekt. Ihre Fahrten werden durch Sätze wie: »So führt man doch keine Paddelstütze aus, du Idiot!« oder durch irritiertes Schweigen charakterisiert. Da scheint das Ausüben eines gemeinsamen Hobbys kaum im besten Interesse der Ehe zu sein.
Manche Forscher glauben, daß eine gute Ehe sich von einer gescheiterten dadurch unterscheidet, daß in guten Ehen die Partner auf positive Äußerungen des anderen liebevoll antworten. Das heißt mit anderen Worten, daß sie ein Lächeln mit einem Lächeln vergelten und einen Kuß mit einem Kuß. Wenn einer dem anderen bei einer Arbeit aushilft, dann revanchiert sich dieser bewußt, und so weiter. Das heißt, die Beziehung funktioniert mit einem ungeschriebenen Vertrag, der besagt, daß jedes freundliche Wort oder jede hilfreiche Tat zurückgezahlt wird. In schlechten Ehen ist dieser Vertrag nicht mehr in Kraft, so daß Wut und Ablehnung die Atmosphäre bestimmen. Man kann nun – so die Theorie – die Kommunikation des in die Krise geratenen Paares verbessern, indem man es auf die Notwendigkeit eines solchen »Vertrages« aufmerksam macht.
In Wirklichkeit ist es aber die unglückliche Ehe, in der dieses Prinzip des Aufrechnens praktiziert wird, weil jeder das Gefühl hat, Protokoll darüber führen zu müssen, wer was für wen getan hat. Glückliche Ehepartner rechnen nicht auf, ob der andere das Geschirr spült, wenn der eine das Essen gekocht hat. Sie kochen für den anderen, weil sie ihm und ihrer Partnerschaft gegenüber grundsätzlich ein gutes Gefühl haben. Wenn bestimmte Dinge immer wieder aufgerechnet werden, dann weist das darauf hin, daß hier ein Spannungsfeld in der Ehe besteht.
»Sei ganz offen und ehrlich« ist zu einer vorherrschenden Einstellung geworden. Aber Ehrlichkeit ist nicht für jede Ehe das beste. Zahlreiche lebenslange Beziehungen bleiben glücklich bestehen, obwohl das Paar dazu neigt, Dinge unter den Teppich zu kehren. Zum Beispiel Allan und Betty. Wenn Allan sich über Betty ärgert, macht er den Fernseher an. Wenn Betty auf ihn wütend ist, geht sie einkaufen. Hinterher kommen sie wieder zusammen und machen weiter, als sei nichts geschehen. In vierzig Jahren Ehe haben sie sich nicht ein Mal hingesetzt, um einen »Dialog« über ihre Beziehung zu führen. Keiner von beiden könnte erklären, was ein »wertschätzender Gesprächsbeitrag« ist. Dennoch werden Allan und Betty Ihnen ganz ehrlich versichern, daß sie beide mit ihrer Ehe sehr zufrieden sind, und daß sie einander sehr lieben, dieselben Wertvorstellungen haben, gern zusammen angeln gehen und gemeinsam reisen und sich für ihre Kinder wünschen, daß sie ein ebenso glückliches Eheleben haben werden wie sie.
Paare gehen einfach ganz unterschiedlich mit Konflikten um. Manche vermeiden Streit um jeden Preis, andere streiten viel, und wieder andere sind imstande, ihre Uneinigkeit auszudiskutieren und einen Kompromiß zu finden, ohne auch nur die Stimme zu erheben. Keine Methode ist besser als die andere – solange beide Partner damit zufrieden sind. Aber wenn ein Partner immer einen Konflikt ausdiskutieren möchte, während der andere lieber Fußball schaut, kann ein Paar in eine Krise geraten.
In den meisten Fällen ist es andersherum. Eheprobleme, die das Paar auf einen Weg in Richtung Scheidung lenken, sind auch die Ursache, daß ein Partner oder beide sich nach einer intimen Verbindung außerhalb der Ehe umsehen. Die meisten Ehetherapeuten, die über außereheliche Affären schreiben, stellen fest, daß es bei diesen Beziehungen meist nicht um Sex geht, sondern um Freundschaft, Unterstützung, Verständnis, Respekt, Aufmerksamkeit, Fürsorge und Interesse – die Dinge also, die eigentlich in der Ehe gefunden werden sollten. In der wahrscheinlich zuverlässigsten Studie über Scheidungen, die von Lynn Gigy und Joan Kelly vom Divorce Mediation Project in Corte Madera in Kalifornien durchgeführt wurde, sagten 80 Prozent der geschiedenen Männer und Frauen aus, daß ihre Ehe scheiterte, weil sie sich allmählich voneinander entfernten und das Gefühl der Nähe verloren, oder weil sie sich nicht geliebt und angenommen fühlten. Nur 20 bis 27 Prozent der Paare sagten, daß eine außereheliche Affäre zum Teil der Grund für die Trennung sei.
Diese Theorie geht mit der Vorstellung einher, daß Affären Scheidungen verursachen, und vertritt die Ansicht, daß Männer von Natur aus liebestoll und von daher für die Monogamie nicht geschaffen seien. Damit ist wohl das Gesetz des Dschungels gemeint – das Männchen der Art sorgt dafür, so viele Nachkommen wie möglich zu erzeugen, um jedem anderen Männchen überlegen zu sein. Das Weibchen hingegen, betraut mit der großen Aufgabe, für die Jungen zu sorgen, sucht nur einen Partner, der es selbst und die Jungen schützen wird.
Aber nach welchen Gesetzen die Natur oder andere Arten auch funktionieren, so beruht bei Menschen die Häufigkeit von außerehelichen Affären doch weniger auf geschlechtlichen Vorbedingungen, als vielmehr auf Gelegenheit. Heute, wo so viele Frauen außerhalb des Hauses arbeiten, ist die Rate von außerehelichen Beziehungen von Frauen senkrecht in die Höhe gegangen. Nach Annette Lawson vom Berkeley’s Institute of Human Development an der University of California übersteigt, seit Frauen in großer Zahl in den Arbeitsmarkt vorgedrungen sind, die Anzahl außerehelicher Beziehungen von jungen Frauen inzwischen die von Männern sogar ein wenig.
Glaubt man einer langen Reihe von Bestsellern, so können Männer und Frauen nicht miteinander auskommen, weil Männer »vom Mars« und Frauen »von der Venus« stammen. Leben in erfolgreichen Ehen also nur Aliens? Geschlechtsunterschiede können zu ehelichen Problemen beitragen, aber sie verursachen sie nicht.
Der entscheidende Faktor, inwieweit Ehefrauen mit dem Sex, der Liebe und der Leidenschaft in ihrer Ehe zufrieden sind, ist für 70 Prozent die Qualität der Freundschaft in ihrer Beziehung. Auch bei Männern ist für 70 Prozent die Qualität der Freundschaft entscheidend. Somit stammen Männer und Frauen also durchaus vom selben Planeten.
So könnte ich immer weitermachen. Es ist nicht nur so, daß es jede Menge Mythen über die Ehe gibt, sondern auch, daß die Falschinformationen, die sie beinhalten, auf Paare, die verzweifelt daran arbeiten, ihre Ehe am Laufen zu halten, entmutigend wirken. Diese Mythen wollen nur eins sagen, und zwar, daß die Ehe eine extrem komplexe, herausfordernde Institution ist, für die die meisten von uns einfach nicht gut genug sind. Nun will ich nicht den Eindruck erwecken, als sei Ehe etwas Leichtes. Wir alle wissen, daß man dafür Mut, Bestimmtheit und den Willen braucht, eine lang währende Beziehung zu führen. Aber wenn Sie erst einmal verstehen, was eine Ehe wirklich funktionieren läßt, dann wird es einfacher sein, Ihre eigene zu retten oder zu bewahren.
Die Ratschläge, die ich früher in meiner Laufbahn Paaren mitzugeben pflegte, decken sich ziemlich genau mit dem, was man von nahezu jedem Ehetherapeuten hört, den man befragt – es waren dieselben alten Ideen zu Konfliktbewältigung und Fähigkeit zur Kommunikation. Aber nachdem ich mir meine selbst erarbeiteten Daten ein wenig genauer angeschaut hatte, mußte ich den harten Fakten ins Gesicht sehen: Wenn man Paare dazu brachte, etwas »netter« unterschiedlicher Meinung zu sein, dann konnte das vielleicht den Streß-Level während des Gesprächs absenken, aber auf Dauer genügte es nicht, um die Ehe wieder mit Leben zu füllen.
Der richtige Weg für diese Paare wurde erst sichtbar nachdem ich die Umgangsformen derjenigen Partner studiert hatte, deren Ehen ruhig durch bewegtes Wasser segelten. Warum funktionierten diese Ehen so gut? Waren diese Paare intelligenter und stabiler, oder hatten sie einfach mehr Glück als die anderen? Konnte man das, was immer sie hatten, anderen Paaren beibringen?
Es wurde recht schnell deutlich, daß diese glücklichen Ehen niemals perfekte Verbindungen waren. Manche Paare, die sagten, daß sie miteinander sehr zufrieden seien, wiesen doch sehr klare Unterschiede in Temperament, Interessen und Wertvorstellungen auf. Es gab nicht selten Konflikte, in denen wie bei den unglücklichen Paaren über Geld, Jobs, Kinder, Haushalt, Sex und Verwandte gestritten wurde. Das Geheimnis lag aber darin, wie sie so sicher durch diese Schwierigkeiten hindurch navigierten und ihre Ehen dabei glücklich und stabil erhielten.
Ich beobachtete Hunderte von Paaren, bis ich schließlich das Geheimnis dieser emotional intelligenten Ehen entdeckte. Keine zwei Ehen gleichen einander, doch je genauer ich mir glückliche Ehen anschaute, desto deutlicher wurde, daß sie sich in sieben bedeutenden Aspekten sehr ähnlich waren. Glücklich verheirateten Paaren mag es nicht klar sein, daß sie sich diesen Sieben Geheimnissen gemäß verhalten, und doch tun sie es alle. Unglücklichen Ehen fehlte immer mindestens einer dieser sieben Aspekte, meist aber mehrere. Wenn Sie diese Sieben Geheimnisse beherrschen, können Sie sicherstellen, daß Ihre eigene Ehe gelingen wird. Sie werden lernen herauszufinden, welche dieser Bereiche zu den schwachen Punkten oder zumindest den möglichen Schwächen Ihrer Ehe gehören, und Sie können dann Ihre Aufmerksamkeit dorthin richten, wo Ihre Ehe es am meisten braucht. In den nun folgenden Kapiteln werden wir Ihnen alle Geheimnisse, wie man eine glückliche Ehe erhält oder wiedererlangt, preisgeben, und wir werden Ihnen dabei helfen, diese Techniken auf Ihre eigene Ehe anzuwenden.
Wie kann ich denn so überzeugt davon sein, daß diese Sieben Geheimnisse Ihrer Ehe guttun werden? Weil mein Ansatz, Paaren zu helfen, anders als andere Methoden auf dem Wissen gründet, was eine Ehe erfolgreich sein läßt, und nicht darauf, was sie zum Scheitern bringt. Ich muß nicht mehr rätseln, warum manche Partner ihr Leben lang so glücklich verheiratet sind. Ich weiß es, denn ich habe genau das dokumentiert, was glückliche Paare von allen anderen unterscheidet.
Ich bin zuversichtlich, daß diese Sieben Geheimnisse nicht nur deswegen funktionieren, weil meine gesammelten Daten dies annehmen lassen, sondern weil die vielen hundert Paare, die unsere Workshops besuchen, mir versichert haben, daß es so sei. Fast alle dieser Paare kamen zu uns, weil ihre Ehe in eine tiefe Krise geraten war – manche waren schon auf dem Weg zum Scheidungsrichter. Viele dieser Menschen waren skeptisch, ob ein einfacher, auf die Sieben Geheimnisse gegründeter Wochenend-Workshop ihre Beziehung würde verändern können. Glücklicherweise war dieses Mißtrauen unbegründet. Wir haben festgestellt, daß diese Workshops das Leben der Partner auf grundsätzliche und kraftvolle Weise verändert haben.
Bei Paaren, die meine Workshops besuchen, ist die Rückfallrate nur halb so hoch wie bei einer üblichen Ehetherapie.
Wenn es darum geht, die Wirkung einer Ehetherapie zu beurteilen, scheinen neun Monate die magische Zeit zu sein. Zu diesem Zeitpunkt haben die meisten Paare, die nach der Therapie einen Rückfall erleiden werden, diesen bereits durchlebt. Diejenigen hingegen, die die Wirkung der Therapie über die ersten neun Monate hinweg erhalten konnten, neigen dazu, auch auf lange Sicht eine stabile Partnerschaft zu haben. Folglich haben wir unsere Workshops getestet, indem wir 640 Paare nach dem Ablauf von neun Monaten gründlich überprüften, und ich freue mich, sagen zu können, daß wir eine außerordentlich geringe Rückfallquote feststellten. Die durchschnittliche Rückfallrate nach einer herkömmlichen Ehetherapie beträgt in den USA 30 bis 50 Prozent. Bei unserer Therapie sind es nur 20 Prozent. Wir haben herausgefunden, daß zu Beginn unserer Workshops 27 Prozent der Paare wirklich kurz vor der Scheidung standen. Nach drei Monaten war das noch bei 6,7 Prozent der Fall, und nach neun Monaten waren es null Prozent. Doch auch Paaren, die nicht im Begriff waren, sich scheiden zu lassen, wurde durch die Workshops merklich geholfen.
Im Zentrum meines Programms steht die einfache Wahrheit, daß glückliche Ehen auf eine tiefe Freundschaft gegründet sind. Damit meine ich gegenseitigen Respekt und Freude an der Gemeinschaft mit dem anderen. Diese Partner kennen einander meist sehr genau – sie sind alle sehr vertraut mit den Vorlieben, Abneigungen, persönlichen Eigenarten, Hoffnungen und Träumen des anderen. Sie pflegen eine ständige Achtung voreinander und geben dieser Zuneigung nicht zu besonderen Anlässen Ausdruck, sondern auch in den kleinen Dingen, tagein, tagaus.
Nehmen wir einmal den hart arbeitenden Nathaniel, der sein eigenes Importgeschäft betreibt und jeden Tag sehr lange im Büro ist. In anderen Ehen könnte sein Tagesablauf ein größeres Problem darstellen. Doch er und seine Frau Olivia haben Wege gefunden, in Verbindung zu bleiben. Während des Tages telefonieren sie mehrfach miteinander. Wenn sie einen Arzttermin hat, denkt er daran, anzurufen, um zu fragen, wie es war. Wenn er sich mit einem wichtigen Kunden trifft, erkundigt sie sich, wie es lief. Wenn sie Huhn zu Abend essen, gibt sie ihm beide Keulen, denn sie weiß, daß er die am liebsten mag. Wenn er am Samstagmorgen mit den Kindern Blaubeerpfannkuchen macht, dann läßt er bei ihrem Pfannkuchen die Blaubeeren weg, weil er weiß, daß sie die nicht mag. Obwohl er nicht religiös ist, begleitet er sie jeden Sonntag zur Kirche, denn er weiß, daß es wichtig für sie ist. Und obwohl sie nicht furchtbar gern viel Zeit mit Verwandten verbringt, hat sie eine freundschaftliche Beziehung zu Nathaniels Mutter und seinen Schwestern entwickelt, weil Familie ihm so viel bedeutet.
Das klingt nun fade und unromantisch, ist aber alles andere als das. Durch kleine, aber bedeutungsvolle Gesten erhalten Olivia und Nathaniel die Freundschaft, die die Grundlage ihrer Liebe ist. Dadurch ist ihre Ehe weitaus leidenschaftlicher als die von Paaren, die ihr Leben mit romantischen Urlaubsreisen und überschwenglichen Geschenken zum Hochzeitstag Zusammenhalten, jedoch den Kontakt im Alltag verloren haben.
Freundschaft hält die Flamme der Liebe am Brennen, denn sie ist der beste Schutz vor feindseligen Gefühlen gegenüber dem Partner. Weil Nathaniel und Olivia trotz der unvermeidlichen Uneinigkeiten und Krisen des ehelichen Lebens ihre Freundschaft stark gemacht haben, erleben sie, was man das »Überwiegen positiver Gefühle« nennt. Die positiven Gedanken, die sie füreinander und ihre Ehe hegen, sind so überzeugend, daß sie schwerer wiegen als die negativen Gefühle. Es müßte ein sehr großer Konflikt eintreten, um sie ihre Ausgewogenheit als Paar verlieren zu lassen. Ihre bejahende Einstellung bewirkt, daß sie einander und ihrer Ehe gegenüber optimistisch eingestellt sind. Sie gehen davon aus, daß ihr Leben miteinander erfolgreich verlaufen wird, und entscheiden sich im Zweifel immer für die eheerhaltende Lösung.
Hier ist ein einfaches Beispiel: Olivia und Nathaniel bereiten sich auf eine Dinnerparty vor, die sie in ihrem Haus geben. Nathaniel ruft: »Wo sind die Servietten?«, und Olivia brüllt genervt zurück: »Im Schrank natürlich!« Da ihre Ehe auf eine solide Freundschaft gegründet ist, wird er höchstwahrscheinlich den Ton in ihrer Stimme ignorieren und sich statt dessen auf die Information konzentrieren, die Olivia ihm gegeben hat – nämlich, daß die Servietten im Schrank sind. Er schreibt ihren Ärger einem anderen gegenwärtigen Problem zu, das nichts mit ihm zu tun hat – vielleicht bekommt sie ja den Korken nicht aus der Weinflasche. Wäre ihre Ehe jedoch gefährdet, dann würde er wahrscheinlich eher beleidigt sein oder zurückbrüllen: »Hol sie doch selbst, verdammt noch mal!«
Man kann sich dieses Überwiegen positiver Gefühle so vorstellen wie den Versuch, das Idealgewicht des Körpers zu finden. Nach einer bekannten Theorie hat der Körper ein Idealgewicht, das er zu bewahren sucht. Egal, wie viel oder wie wenig Sie essen, wird Ihr Körper immer versuchen, dieses Gewicht zu erreichen. Nur wenn man den Stoffaustausch des Körpers verändert, indem man zum Beispiel regelmäßig Sport treibt, kann eine Diät wirklich auf Dauer Wirkung zeigen. In einer Ehe arbeiten die positive und die negative Einstellung ebenso. Wenn Ihre Ehe sich einmal auf einem bestimmten Grad der positiven Einstellung eingependelt hat, dann wird viel mehr Negativität nötig sein, um Ihre Beziehung zu gefährden, als wenn Ihr Gleichgewichtspunkt niedriger läge. Und wenn Ihre Beziehung eine sehr stark negative Ausrichtung nimmt, dann wird es viel schwieriger sein, sie zu retten.
Die meisten Ehen beginnen mit einem derart hohen positiven Gleichgewichtspunkt, daß es jedem der Partner schwerfällt, sich vorzustellen, daß ihre Beziehung aus dem Gleis geraten könnte. Doch nur allzuoft ist dieser glückselige Zustand nicht von langer Dauer. Im Laufe der Zeit können sich Ärger, Probleme und Ablehnung so stark aufbauen, daß die Freundschaft immer mehr zu etwas Abstraktem wird. Sie ist dann vielleicht noch ein Lippenbekenntnis, aber keine alltägliche Wirklichkeit mehr für das Ehepaar. Vielleicht endet die Beziehung in einem »Überwiegen negativer Gefühle«, dann wird alles in zunehmendem Maße negativ interpretiert. In normalem Ton vorgetragene Worte werden persönlich genommen. Die Frau sagt: »Man darf die Mikrowelle nicht leer einschalten.« Der Ehemann faßt dies als Angriff auf und sagt etwas wie: »Sag du mir nicht, was ich tun soll, ich bin schließlich derjenige, der die Gebrauchsanweisung gelesen hat!« Und ein neuer Streit beginnt.
Wenn Sie einmal an diesem Punkt angekommen sind, dann kann das Zurückfinden zur ursprünglichen Verbindung zwischen Ihnen so schwierig erscheinen wie in einem Wildwasser rückwärts zu paddeln. Doch meine Sieben Geheimnisse werden Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Freundschaft stärken können, auch wenn Sie das Gefühl haben, in Negativität zu versinken. Wenn Sie diese Prinzipien erlernen, werden Sie ein tieferes Verständnis von der Bedeutung der Freundschaft für jede Ehe gewinnen, und Sie werden die Fähigkeit erwerben, Ihre eigene Partnerschaft wiederzubeleben oder neu zu stärken.