6 Großartige Western Romane im Bundle Juli 2024 - Alfred Bekker - E-Book

6 Großartige Western Romane im Bundle Juli 2024 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Geschichten: Pete Hackett: Schieß zurück, Lane Alfred Bekker: Die Bande der Revolvermänner Pete Hackett: Wie in Rudel Bluthunde Pete Hackett: Sie waren Partner Pete Hackett: Nackt unter Geiern Luke Sinclair: Alle wollten ihn zertreten Jack stieg sattelsteif zum Vorbau des 'Long Rider Inn' hinauf. Er schaute über die Flügeltür in den Schankraum. Fast ein Dutzend Reiter von der JB-Ranch lümmelten am Tresen oder hockten an den Tischen. Einige Girls bedienten die Gäste. Sie waren ziemlich leicht gekleidet, lachten mit den Kerlen und ließen es zu, dass sie begrabscht und betatscht wurden. Jack stieß die Flügeltür auf und trat ein. Eine hämische Stimme rief laut und herausfordernd: "Heh, Leute, wir kriegen Abwechslung. Der Kuhbauer vom San Cristobal Wash leistet uns Gesellschaft."

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Luke Sinclair

6 Großartige Western Romane im Bundle Juli 2024

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Inhaltsverzeichnis

6 Großartige Western Romane im Bundle Juli 2024

Copyright

​Schieß zurück, Lane

Die Bande der Revolvermänner

​Wie ein Rudel Bluthunde …

​Sie waren Partner

​Nackt unter Geiern

Alle wollten ihn zertreten

6 Großartige Western Romane im Bundle Juli 2024

Alfred Bekker, Pete Hackett, Luke Sinclair

Dieses Buch enthält folgende Geschichten:

Pete Hackett: Schieß zurück, Lane

Alfred Bekker: Die Bande der Revolvermänner

Pete Hackett: Wie in Rudel Bluthunde

Pete Hackett: Sie waren Partner

Pete Hackett: Nackt unter Geiern

Luke Sinclair: Alle wollten ihn zertreten

Jack stieg sattelsteif zum Vorbau des 'Long Rider Inn' hinauf. Er schaute über die Flügeltür in den Schankraum.

Fast ein Dutzend Reiter von der JB-Ranch lümmelten am Tresen oder hockten an den Tischen. Einige Girls bedienten die Gäste. Sie waren ziemlich leicht gekleidet, lachten mit den Kerlen und ließen es zu, dass sie begrabscht und betatscht wurden.

Jack stieß die Flügeltür auf und trat ein.

Eine hämische Stimme rief laut und herausfordernd: "Heh, Leute, wir kriegen Abwechslung. Der Kuhbauer vom San Cristobal Wash leistet uns Gesellschaft."

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER EDWARD MARTIN

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

​Schieß zurück, Lane

Western von Pete Hackett

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

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Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

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Charles Turpin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Soeben hatten er und sein Sohn Lane die letzten Mavericks aus der Herde ausgesondert und zum Feuer getrieben. Cole, sein Ältester, warf eines der Kälber mit hundertfach geübtem Griff um und hielt es fest. Dave, der mittlere seiner drei Söhne, riss das Brandeisen aus dem Feuer. Der Stempel glühte. Zi­schend fraß sich die Hitze in das Fell des Jungtieres. Es roch nach ver­branntem Horn. Rauch stieg auf. Das Rind brüllte, Cole sprang zurück. Mit einem Ruck war das nunmehr gebrändete Tier auf den Beinen, erschreckt rannte es davon, dorthin, wo die Herde stand.

Die Sonne hing über den Bergen im Westen. Noch acht Kälber. Charles stieg vom Pferd und führte es zum Wasserloch, dessen glatte Fläche wie Gold im Sonnenlicht schimmerte. Er ließ das Tier trinken, dann warf er sich einige Hände Wasser ins gerötete Ge­sicht und wusch sich Staub und Schweiß ab.

Lane half seinen Brüdern beim Brandmarken der letzten Mavericks. Charles beobachtete seine Söhne. Für den Sechsundfünfzigjährigen waren sie die prächtigsten Jungs der Welt. Groß, sehnig, stark und geradlinig. Dave und Cole glichen mehr ihm selbst, waren aus seinem Holz ge­schnitzt. Lane hingegen, der Jüngste, war mehr nach der Mutter geraten.

Ein schmerzlicher Ausdruck über­lief das faltige Gesicht des Ranchers, als er an Mae dachte. Sie war vor fünf­undzwanzig Jahren gestorben. Bei Lanes Geburt … Er hatte sich nie wieder eine Frau genommen. Es wäre ihm wie Verrat an seiner über alles ge­liebten Mae vorgekommen.

Noch achtmal zischte der Brand­stempel, noch achtmal brüllten Jung­tiere, dann stapften die drei Burschen zum Wasserloch. Sie hatten die Hemdärmel hochgekrempelt, waren schmutzig und abgekämpft, aber sie waren noch längst nicht am Ende. Ihr blitzendes Grinsen und das Leuchten in ihren Augen verrieten es.

»Schluss für heute!«, rief Charles mit tiefem Bass, der zu seiner vier­schrötigen Gestalt passte.

»Wir könnten heute noch damit be­ginnen, die Rinder zu zählen und die Kühe für den Trail nach Denver aus­zusondern«, schlug Dave vor.

Cole seufzte und warf Lane einen viel sagenden Blick zu, den Charles auffing. Grinsend sagte der Rancher: »Mir scheint, Dave, damit stößt du bei deinen Brüdern auf wenig Begei­sterung. Aber auch ich habe die Nase voll. Seit einer Woche sitzen wir täg­lich bis zu fünfzehn Stunden in den Sätteln. Ich spüre jeden einzelnen meiner alten Knochen.«

»Yeah, das mit den alten Knochen ist so eine Sache, Bruder«, sagte Dave grinsend. »Schließlich gehst du auf die dreißig zu. Verständlich, dass du Ruhe brauchst!«

In gespieltem Ernst nahm Cole die Stellung eines Faustkämpfers ein. Seine Muskeln strafften sich, »Komm her, Rotznase, dann prügle ich dich trotz meiner vermeintlich morschen Knochen bis nach Feuerland.«

»Und mit wem willst du die fünf­hundert Kuhschwänze nach Denver treiben? Wer soll auf dich aufpassen, alter Bruder, wenn nicht ich?«, gab sich Dave entrüstet und trocknete sich mit seinem Halstuch das Gesicht ab.

Cole wollte etwas erwidern, plötz­lich aber neigte er den Kopf zur Seite und lauschte. Auch Lane hatte den Kopf gehoben und witterte wie ein Wolf in südöstliche Richtung. Denn in die Geräusche der stehenden Herde hinein erklang trappelnder Huf­schlag. Dave richtete sich auf. Von der Herde kam Tex Dudley, der ein­zige Cowboy der Bar-T Ranch. Er zügelte beim Wasserloch sein Pferd und sprang aus dem Sattel. »Hört ihr auch, was ich höre, Leute?«, krächzte er mit staubheiserer Stimme.

»Yeah«, erwiderte Charles Turpin rau und kratzend. »Und ich kann mir schon denken, wer da ankommt.« Er rannte zu seinem Pferd und zog entschlossen die Winchester aus dem Scabbard. Mit einem kurzen, harten Knacken hebelte er eine Patrone in den Lauf.

Auch Tex Dudley griff nach seinem Gewehr. Lane rückte den Revolver­gurt zurecht. Dave stapfte langsam zu seinem Braunen und holte sich eben­falls die Winchester. Und Cole lüftete seinen Colt im Halfter. Verschwom­men wehte der Hufschlag heran, wurde aber schnell deutlicher. In den sonnengebräunten und von Wind und Regen gegerbten Gesichtern arbeitete es.

Und dann trieben die Reiter ihre Pferde über den Hügelkamm, an des­sen Fuß die Bar-T Herde stand. Es wa­ren sieben. Ohne anzuhalten ritten sie schräg den Abhang herunter. Unruhi­ges Gewoge ging durch die Herde. Horn klapperte, buschige Schwanz­enden peitschten erregt. Das Muhen der Kühe verstärkte sich.

»Die Sattelstrolche von der Great Sand Ranch!«, knirschte Charles zwi­schen den Zähnen. »Ich wusste es.« Fester umklammerten seine Fäuste das Gewehr.

»Yeah, und allen anderen voran Bill Forsyth, der verschlagene Able­ger Big Jims«, sagte Lane und spuckte aus.

Schließlich waren die Reiter heran. Sie zogen sich zu einer Linie ausein­ander, stützten sich lässig auf die Sat­telknöpfe und lehnten sich vor. Das eine oder andere Pferd tänzelte, wurde aber hart an die Kandare ge­nommen. Herausfordernde Augen fi­xierten die Bar-T Männer — und so herausfordernd wie ihre Blicke war die ganze Haltung der Leute von der Great Sand Ranch. Mit einem Schen­keldruck trieb Bill Forsyth seinen Schecken nach vorn. Sein Blick sprang von einem zum anderen und blieb schließlich an Charles Turpin hängen, der ihn gelassen erwiderte. »Das Land, auf dem ihr euch befindet, gehört meinem Vater!«, stieß Bill For­syth hervor. »Wie kommt ihr dazu, hier euer Round up durchzuführen?«

Charles reckte die mächtigen Schultern und röhrte wütend: »Das ist freie Weide, Forsyth - Regierungsland. Hier dürfen die Rinder ei­nes jeden grasen. Wenn dein Vater Anspruch auf dieses Land erheben will, dann muss er es kaufen. Und erst dann, wenn er mir eine Kaufurkunde vorweisen kann, ziehe ich meine Herde ab. Andernfalls stehen meine Rinder hier bis zum Jüngsten Tag.«

Bill Forsyth lachte scheppernd. Seine Stimme klirrte: »Du täuschst dich, Turpin. Deine Kuhschwänze werden schon in einer halben Stunde nicht mehr die Great Sand Weide zer­treten und kahl fressen. Wir jagen sie nämlich auf dein Land zurück. Du hast es dir selbst zuzuschreiben. Gewarnt haben wir dich oft genug.«

Charles atmete tief durch. Mit ei­nem schnellen Blick streifte er seine Söhne. Sie standen angespannt, wie sprungbereit da, heißen Zorn in den Augen, bereit zu kämpfen. Grimmig, bemüht, die hochkochende Wut zu unterdrücken, rief Charles: »Denk nur nicht, dass wir tatenlos zusehen, wenn ihr euch über unsere Rinder hermacht. Du musst damit rechnen, Bill Forsyth, dass du mit der Nase in den Dreck fliegst.«

Das Gesicht Bill Forsyths verzerrte sich, wurde zu einer boshaften, gehäs­sigen Fratze. »Ihr Turpins seid uns schon lange ein Dorn im Auge!«, fauchte er und beugte sich weit im Sattel nach vorn. »Mein Vater bedau­ert es seit fünfzehn Jahren, dass er euch nicht in der ersten Minute, als ihr hier ankamt, zum Teufel jagte. Nun, was Big Jim versäumte, werde ich nachholen.« Seine Stimme triefte vor selbstsicherer Überheblichkeit.

Lane Turpin trat einen Schritt vor. »Du fühlst dich auch nur stark und un­bezwingbar, wenn du die abgebrühte­sten Sattelwölfe deines Vaters hinter dir weißt, Bill. Als wir uns das letzte Mal in Alamosa begegnet sind und du alleine warst, konntest du mir nicht mal gerade in die Augen sehen. Steig ab und kämpf mit mir. Beweise den Männern deines Vaters, dass du tat­sächlich der hart gesottene Bursche bist, für den du dich gerne ausgibst.«

Die wilde Leidenschaft in seiner Stimme erschreckte Charles Turpin. Er kannte den Jähzorn Lanes, trat schnell neben ihn und legte ihm beru­higend die Hand auf die Schulter. Aber Lanes Blick ließ Bill Forsyth nicht mehr los und übte einen dumpfen Druck auf den Ranchersohn aus.

»Ich mache mir an einem wie dir die Hände nicht schmutzig!«, giftete Forsyth. »Du bist für mich nämlich Dreck, Lane Turpin. Und dich jage ich persönlich mit der Peitsche aus dem Alamosa County.«

Der Gesichtsausdruck Lane Tur­pins verriet, dass er kurz vor der Ex­plosion stand. Der Griff seines Vaters wurde härter. Lanes Kiefer mahlten.

»Du bist ein Feigling, Bill Forsyth. Ein windiger, aufgeblasener Bastard, der nicht einmal Cody Renslaw das Wasser reichen kann!«

Cody Renslaw war der verkom­menste Säufer in Alamosa. Für einen Brandy holte er Fünfcentstücke aus den Spucknäpfen in den Saloons. Ein Wrack, das sein Leben im Delirium fristete.

Lanes provozierende Worte hingen unheilvoll zwischen ihnen. Und jeder spürte, wie sich jäh eisige Kälte aus­breitete.

*

Bill Forsyth war zusammengezuckt wie unter einem Peitschenhieb. Er wusste, dass er sein Gesicht verlor, wenn er diese Herausforderung nicht annahm.

John Landers, der Vormann der Great Sand Ranch, rief rau vor un­terdrückter Erregung: »Darauf gibt es nur eine einzige Antwort, Lane. Du weißt das.«

»Natürlich«, versetzte Lane gelas­sen und unbeeindruckt.

Bill Forsyth fühlte die ersten Anzei­chen tiefer Unsicherheit und Angst. Aber wenn er jetzt kniff, würden ihn die Cowboys verachten. Und da schnitten auch schon John Landers' Worte tief in sein Bewusstsein: »Du wirst ihm die entsprechende Antwort nicht schuldig bleiben können, Bill. Oder willst du die Beleidigung auf dir sitzen lassen?«

Bill Forsyth erschauderte. Mit be­legter Stimme, in der all seine inneren Nöte mitschwangen, gab er zu verste­hen: »Wie du willst, Lane. Ich nehme deine Herausforderung an. Hoffent­lich bist du dir darüber im Klaren, dass ich mit dem Colt besser bin als du. Ich habe es nämlich nicht nötig, lasso­schwingend hinter sturen Rindern herzujagen. Ich hatte Zeit, zu üben.«

»Hör auf!«, mahnte Charles Turpin beschwörend und gerade so laut, dass Lane es verstehen konnte. »Wenn hier Blut fließt, dann wird es einen Krieg geben.«

Lane trat von seinem Vater weg. Dessen Hand rutschte von seiner Schulter und fiel nach unten. »Du re­dest zuviel, Bill!«, peitschte Lanes Stimme. »Also steig ab, damit wir es austragen können. Ich denke, diese Sache zwischen uns beiden ist längst fällig.«

Aller Augen ruhten auf Bill For­syth. Er spürte die Blicke nahezu kör­perlich und kam sich vor wie ein in die Enge gedrängtes Tier. Fast zögernd hob er sein linkes Bein über den Sat­telknauf. Er ließ sich aus dem Sattel gleiten und machte zwei kurze, linki­sche Schritte. Seine Hand hing neben dem Revolverkolben, öffnete und schloss sich und war feucht vom Schweiß. »Es ist wegen Lisa, nicht wahr?«, zwang er sich, mit einigerma­ßen gefestigter Stimme zu sagen.

»Ich weiß, dass du ihr nachstellst, und zwar gegen den ausdrücklichen Wunsch deines Vaters. Als die Toch­ter eines Coyotenjägers steht sie un­ter seiner Würde. Du bist Lisa ein Gräuel. Sie hat es mir selbst gesagt. Und weil sie dir die kalte Schulter zeigt, brauche ich dich ihretwegen auch nicht auf deine richtige Größe zurechtstutzen.«

Bill Forsyths Blick wurde unstet. In seinem schmalen Gesicht zuckte es. Er schielte zu John Landers hin. Er­bärmliche Furcht sprach aus jedem seiner Züge.

»Ich kann dir in diesem Fall nicht helfen, Bill«, knurrte Landers. Seine Worte fielen wie Hammerschläge und erreichten den Ranchersohn wie eine Botschaft von Untergang und Tod, hallten in ihm nach wie Höllenglocken. »Das ist eine Sache, die du al­leine austragen musst. Tut mir leid!«

Blitzschnell hob Dave seine Win­chester an. Die Mündung strich über die Reihe der Reiter. »Und ich rate auch keinem anderen, sich einzumi­schen!«, rief Dave.

Lane schoss seinem Bruder einen überraschten Blick zu. Überhaupt richtete sich die ganze Aufmerksam­keit für die Spanne einiger Herz­schläge lang auf Dave. Nur Bill Forsyth, der sich das Gehirn nach einem Ausweg aus dieser für ihn gefährli­chen Situation zermartert hatte, hatte Lane im Blick behalten. Und nun, da alles abgelenkt schien, sah er seine Chance. Seine Hand fuhr zum Colt. Das Eisen schwang hoch. Charles Turpin erfasste die tödliche Bedrohung zuerst. Sein Warnschrei blieb ihm im Hals stecken, er sprang vor und ver­setzte Lane einen heftigen Stoß. Im selben Moment brüllte der Schuss auf. Lane wurde zur Seite geschleudert, strauchelte und fiel auf die Knie. Und es war mehr der Reflex, als ein bewusster Wille, der ihn den Colt ziehen ließ. Das Donnern in den Ohren schoss er, Bill Forsyth knickte in der Mitte ein, er sperrte den Mund auf, und ein abgrundtiefes Röcheln brach daraus hervor. Seine Augen weiteten sich in ungläubigem Staunen.

Von Charles Turpin kam ein erstickendes Husten. Er wankte und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Ein dunkler, feuchter Fleck auf seiner rechten Brustseite vergrößerte sich schnell. Rasender Schmerz zeichnete tiefe Risse und Linien in das Gesicht des Ranchers.

Betroffenheit und Lähmung griffen um sich. Der Pulverrauch, der Lane einhüllte, verflüchtigte sich. Erst der dumpfe Aufprall, als Bill Forsyth auf das Gesicht fiel, riss die Männer aus ih­rer Erstarrung. Cole Turpin sprang hinzu, um seinen Vater zu stützen. Die Finger des Ranchers hatten sich im Hemd verkrallt. Blut sickerte zwi­schen ihnen hindurch. »Dad!« Fas­sungslos schrie Cole dieses Wort. »Mein Gott …« Seine Stimme er­starb, als er das Blut und die gähnende Leere im Blick seines Vaters sah.

Ein dritter Schuss krachte. Eine armlange Mündungsflamme zuckte aus Dave Turpins Gewehr. Einer der Great Sand Reiter warf beide Arme hoch, sein Colt flog im hohen Bogen davon, dann stürzte der Bursche rücklings vom Pferd.

Lane erhob sich. In die zerflat­ternde Detonation hinein brüllte er: »Schluss jetzt!« Erschlug den Colt auf John Landers an und sah aus den Au­genwinkeln, wie Cole seinen Vater sachte zu Boden gleiten ließ.

»Dad stirbt!«, schrie Cole verzwei­felt. Lane ließ den Colt sinken, eilte zu seinem Vater hin. Die Brüder tauschten einen fassungslosen Blick. »Die Kugel sitzt neben dem Herzen. Vielleicht hat sie die Lunge erwischt. Die einzige Rettung für ihn gibt es in Alamosa.«

Dave und Tex Dudley hielten die Great Sand Mannschaft in Schach. Ungeachtet der auf ihn gerichteten Waffen sprang John Landers vom Pferd. Er ging zu Bill Forsyth hin, der seinen Colt unter sich begraben hatte, beugte sich über ihn und drehte ihn auf den Rücken. Erschüttert starrte er in das bleiche, starre Antlitz mit den weitaufgerissenen, gebrochenen Au­gen, dann stieg es dumpf und hohl aus seiner Kehle: »Er ist tot. Oh, verdammt, Lane Turpin, du hast den Sohn Big Jim Forsyths erschossen. Dafür wird Big Jim dir die Haut in Streifen abziehen.«

Lane richtete sich auf. Der Aufruhr seiner Empfindungen legte sich. Bit­terkeit stieg in ihm hoch. »Sieh dir meinen Vater an, Landers«, quoll es gallig aus seinem Mund. »Er wollte den Kampf nicht. Und nun hat er eine Forsyth-Kugel in der Brust und ist dem Tod näher als dem Leben. Bill war ein Bastard, der mich kaltblütig niedergeknallt hätte, als ihm die Gele­genheit günstig und risikolos erschien. Er hat den Tod verdient.«

»Big Jim wird dich zur Rechen­schaft ziehen, Lane!« Landers stand auf und wischte sich mit dem Hand­rücken über die Augen, als wollte er einen bösen Traum verscheuchen. Aber das alles hier war alptraumhafte Wirklichkeit und ließ sich nicht ein­fach aus der Welt wischen. »Wir wer­den dich hetzen, bis dir die Zunge zum Hals heraushängt, Lane Turpin. Big Jim wird nicht ruhen, bis eure Sippschaft ausgerottet und die Bar-T ein Haufen Schutt und Asche ist. Und ich werde ihm dabei helfen. Denn Bill war mein Freund.« Mörderischer Hass brannte in seinen Augen.

»Packt ihn auf sein Pferd und haut ab!« schnappte Lane. »Und lasst euch nicht einfallen, noch einmal einen Fuß auf das Gebiet der Bar-T Weide zu setzen.«

Landers ging steifbeinig zu dem Cowboy, den Dave vom Pferd ge­schossen hatte. Der Mann lag am Boden und wimmerte. Die Kugel hatte ihm die Schulter zerschmettert. »Du wirst es überleben, Steve. Komm, ich helfe dir aufs Pferd.«

Charles Turpin regte sich. Seine Li­der flatterten, seine Lippen bewegten sich und formten Worte, die nicht zu hören waren. Auf seinem verfalle­nen grauen Gesicht perlte Schweiß.

»Ruhig, Dad, ganz ruhig«, flüsterte Cole heiser vor namenloser Angst um seinen Vater.

»Lane!«, entrang es sich matt und kaum vernehmbar dem Rancher. Ein keuchender, abgerissener Atemzug, und dann noch einmal: »Lane, Junge …«

»Er will dich, Lane!«, murmelte Cole.

Lane kniete neben seinem Vater ab. Er schob ihm die flache Hand un­ter den Hinterkopf und stützte ihn, schaute in das zerfurchte Antlitz, das vom Tod gezeichnet war, und der Ma­gen krampfte sich ihm zusammen.

»Lane.« Der Sterbende röchelte. »Der zweite Schuss — hast du Forsyth …« Seine Stimme brach. Aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden. Lane riss sein Halstuch her­unter und tupfte damit seinem Vater den Schweiß aus dem Gesicht.

»Forsyth ist tot«, entrang es sich ihm.

Die Lider seines Vaters sanken halb über die fiebrigen Augen herab. Seine Brust hob sich unter einem rasselnden Atemzug. »Du - darfst - nicht - hierbleiben, mein Junge …« Charles Turpins Stimme verebbte wie ein Windhauch. Unzusammenhängendes Gestammel folgte. Seine Hände zuck­ten unkontrolliert. Aber dann fand er noch einmal die Kraft, zu sprechen. Es war das letzte Aufflackern der Flamme seines Widerstandsgeistes. »Big Jim wird den Tod seines Sohnes fürchterlich rächen. Reite fort, Lane, reite fort - sonst - tötet - er dich!« Sein Kopf wurde schwer, sein Blick erlosch. Charles Turpin war tot.

Lane stand auf. Er war wie benom­men. Die Great Sand Reiter hatten Bill Forsyth auf sein Pferd gelegt. Der Bursche, dem Dave die Schulter zer­schossen hatte, hockte krumm und mit schmerzverzerrtem Gesicht im Sattel. John Landers saß gerade auf. Er setzte sich zurecht und rief grollend: »Wir kommen dich holen, Lane Tur­pin. Und solltest du es vorziehen, zu fliehen, dann werden wir dich jagen. Du wirst keine ruhige Minute mehr haben. Du bist so gut wie tot.«

Lane sah ihn mit einem Blick an, der durch den Vormann hindurchzu­dringen schien. Er hielt noch immer den Colt in der Faust. In seinem Ge­sicht zuckte kein Muskel. Es war, als hätte er die Drohung Landers über­haupt nicht begriffen. Er stand nur da und mutete an wie ein Mann, dessen Welt zusammengestürzt, in dem et­was zerbrochen war.

»Reiten wir!« Landers spornte sein Pferd an und gab ihm den Kopf frei. Schweigsam folgte ihm die Mann­schaft. Sie ritten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Bald ver­schwanden sie über dem Hügel aus dem Blickfeld der Turpins. Dave und Tex Dudley senkten die Waffen. Wie im Trance ging Dave zu seinem Vater hin. Heiß stieg es in ihm hoch. Er schluchzte trocken.

*

Es war Nacht. Unter der Sichel des Mondes pfiff ein frischer Wind dahin. Er rüttelte an den Türen der Bar-T Ranch und trieb prasselnd den feinen Sand gegen die Fenster. Die drei Brüder hatten Charles Turpin in der Wohnstube aufgebahrt. Zwei Kerzen flackerten und verbreiteten trübes Licht,

Bleischwer hing das bedrückte, dumpfe Schweigen im Zimmer. Lane und Dave saßen am Tisch. Die Ge­wehre lehnten griffbereit neben ih­nen. Cole hatte sich einen Stuhl zum Fenster geholt und starrte hinaus in die Dunkelheit. Wolkenschatten zo­gen über den Hof. Die Spannung, die bleierne Ruhe, das Warten auf Big Jim - das alles zerrte an den Nerven und zermürbte sie.

An Schlaf dachte keiner der Brü­der. Obwohl eine Woche knochen­brechender Sattelarbeit hinter ihnen lag, würde keiner von ihnen Ruhe fin­den.

Jeder hing seinen unerfreulichen Gedanken nach. Jeder spürte das Ver­hängnis, das sich über ihren Köpfen zusammenbraute. Aber keiner dachte an Flucht.

Tex Dudley war auf dem Weg nach Alamosa. Er sollte den Sheriff über den Vorfall auf der Weide unterrich­ten. Dessen Aufgabe war es, für Friede und Ordnung im County zu sorgen. Und bis er eintraf, wollten Lane und seine Brüder sich gegen Big Jim Forsyth behaupten.

Zäh verrann die Zeit. Irgendwann trug der Wind das Pochen von Pferdehufen heran. Coles Stimme sprengte die lastende Stille: »Sie kommen!«

Lane blies die Kerzen aus. Stiefelle­der knarrte, Sporen klirrten. Eine Diele ächzte. Die Finsternis war mit den Augen nicht zu durchdringen. Nur vor dem Fenster zeichnete sich Coles Schulter- und Kopfpartie ver­schwommen ab.

»Wo willst du hin, Lane?«, fragte Dave.

»Ich verschanze mich im Wagen­schuppen. Sobald sie in den Hof rei­ten, haben wir sie in der Zange.«

»Glaubst du, sie reiten uns wie blu­tige Anfänger vor die Mündungen?«, rief Dave hastig.

»Warten wir es ab. Jedenfalls gehe ich in den Schuppen hinüber.«

»Nichts zu machen, Lane!«, mischte sich Cole mit scharfer Stimme ein. »Was du vorhast, ist nämlich Selbst­mord. Ich durchschaue deine Absicht, Bruderherz.« Er erhob sich mit einem Ruck und verdunkelte mit seinem Körper das Fenster. »Du willst vom Wagenschuppen aus die Aufmerksamkeit Forsyths auf dich ziehen, weil du der Meinung bist, dass er es einzig und allein auf deinen Skalp abgese­hen hat Du möchtest uns raushalten. Aber daraus wird nichts. Er will uns alte. Darum wirst du auch nicht den Märtyrer spielen.«

»Das ist Unsinn! Ich …«

»Geschenkt«, presste Dave hervor. »Wir stellen uns diesem Weidepira­ten geschlossen entgegen. Und wenn es so sein soll, dann gehen wir eben gemeinsam drauf.«

»Wie ihr wollt.« Lane gab sich ge­schlagen, ging zum anderen Fen­ster und schob es hoch. Ein kühler Luftzug streifte sein Gesicht.

Dave murmelte: »Ich postiere mich an der Haustür. Von dort aus habe ich auch das Korridorfenster in der Rück­wand im Auge.« Er stapfte hinaus.

Dumpf brandete der Hufschlag heran. Er war der Vorbote von Unter­gang und Tod. Big Jim Forsyth wollte Rache. Sein Herz war tot, seine Seele abgestumpft, nachdem sie seinen Sohn erschossen nach Hause gebracht hatten. Zuerst glaubte er, verrückt zu werden. Sein einziger Sohn, sein Erbe, war tot. Nur nach und nach gelang es ihm, es zu begreifen - und zu verarbei­ten. Aber dann war der Hass gekom­men — in rasenden, giftigen Wogen.

Und nun ritt der Rancher an der Spitze seiner Mannschaft durch die dunkle Nacht. Was ihn beseelte, war tödlicher als die Waffen seiner Leute.

Die Lärmwelle, die unter dem Nachthimmel heranrollte, ver­stummte. Angespannt lauschten die Brüder. Der Wind trug den Geruch von Gras und Salbei heran. Ein Pferd wieherte. Die Reiter mussten sich in dem Buschgürtel befinden, der sich vom Saguache Creek aus nach We­sten erstreckte.

Big Jim verharrte stumm auf sei­nem Rotfuchs. Aus engen Augen­schlitzen starrte er auf die Ranchge­bäude, deren Konturen durch die Fin­sternis nur verschwommen und als große, dunkle Flecke auszumachen waren. Dass sein Sohn Charles Turpin erschossen hatte, rührte ihn nicht. Rache!, brüllte es durch seinen schmer­zenden Verstand, wieder und immer wieder: Rache! Er wollte Lane Tur­pin. Vor allem ihn. Aber er wollte auch dessen Brüder.

John Landers trieb sein Pferd ne­ben das des Ranchers. »Wir sollten keine Zeit vergeuden, Boss«, knurrte er kehlig. »Die Leute wissen Be­scheid. Wir nehmen die Ranch von al­len Seiten in die Zange. Und wenn die Hundesöhne nicht geflohen sind, dann schießen wir sie in Fetzen.«

Big Jim nickte versonnen. »Fangt an. Doch wenn es möglich ist, dann bringt mir zumindest Lane Turpin lebend. Ich will den Mörder meines Sohnes am Ende eines Lassos zappeln sehen.«

Landers zerrte sein Pferd zurück, wendete es und rief unterdrückt: »All right, Leute, verteilt euch. Und seht zu, dass sie uns lebend in die Hände fallen. Bevor ihr aber ein Risiko ein­geht - schießt, was das Zeug hält.«

Der Pulk zog sich auseinander. Die Reiter drängten ihre Pferde in die Bü­sche. Die Tiere scheuten und pruste­ten unwillig, aber die Männer lenkten wie mit eiserner Hand.

Eine Stimme, hart wie Metall, er­klang: »Lane Turpin - hörst du mich?«

Lanes Kinnmuskeln spannten sich.

»Lass die Kerle lieber im Ungewis­sen«, riet Cole. »Er will nur hören, ob wir tatsächlich verrückt genug waren, hier auf sie zu warten. Sie werden sich darauf einstellen und sich eine todsi­chere Taktik zurechtlegen. So aber verunsichern wir sie.«

Sekunden verstrichen. Wieder ließ sich das stahlharte Organ vernehmen - John Landers' Organ: »Auch recht, Lane. Aber solltest du mich hören, dann lass dir folgendes gesagt sein: Ich habe über ein Dutzend tödlich ent­schlossener Burschen mitgebracht. Wir haben die Ranch umstellt. Ihr sitzt wie Ratten in der Falle. Wenn ihr klug seid, dann ergebt ihr euch. An­dernfalls stürmen wir. Und ich ver­spreche dir, dass es für euch verdammt hart werden wird.«

Lane schwieg verbissen.

»Ich gebe euch Narren noch zehn Sekunden, um die Waffen zu strecken und mit er­hobenen Händen herauszukommen. Wenn die zehn Sekunden um sind, werden wir euren Bau an allen vier Ecken anzünden. Wir werden euch rösten. Also sucht es euch aus. Das Ul­timatum läuft!«

»Lass sie nur kommen!« zischte bei der Haustür Dave. Er hatte sie eine Handbreit geöffnet und spähte hin­aus.

»Ich werde ihm einen Handel vor­schlagen!«, presste Lane hervor.

»O nein, Bruder«, sagte Cole. »Du gehst nicht hinaus und wirfst dich die­sen Wölfen zum Fraß vor.«

»Die zehn Sekunden sind um!«, brüllte Big Jim. »Stürmt den Bau, Leute, und brennt ihn nieder!«

Die Nacht wurde lebendig. Die Männer Big Jims kamen zu Fuß. Ihre Pferde hatten sie im Schutz der Dun­kelheit zurückgelassen. Die Finsternis wurde von grellen Mündungsblitzen zerrissen. Ein Bleigewitter prasselte gegen das Haus. Es krachte, knirschte und splitterte. Die Gewehre der Brü­der begannen zu donnern und schleu­derten ihr rhythmisches Krachen den Great Sand Leuten entgegen. Sie schossen auf die Mündungsfeuer. Das Peitschen der Schüsse verschmolz zu einem explosionsartigen Dröhnen. Männer schrieen, schossen wie beses­sen und hetzten, jeden Schutz ausnut­zend, aus der Dunkelheit. Ihre hu­schenden Schemen schälten sich aus den tintigen Schatten, heißes Blei ra­ste ihnen entgegen. Der Geruch von verbranntem Pulver breitete sich aus. Pulverrauch vermischte sich mit den Nachtnebeln. Staub wallte.

Die Winchester lag nicht mehr ver­krampft, sondern leicht und locker in Lanes Fäusten. Eine Kugel riss den Fensterstock auf und wirbelte ihm Holzsplitter ins Gesicht. Eine andere zog ihm eine blutige Schramme über die Wange. Die Wohnstube war erfüllt vom berstenden Donnern ihrer Gewehre.

Die Haustür wurde von Kugeln förmlich zerfetzt. Dave kniete im Schutz der Hauswand neben der Tür­öffnung und jagte Schuss um Schuss hinaus. Eine Gestalt taumelte aus dem Schlagschatten des Pferdestalles und brach zusammen. Ein Mann ver­suchte, sich kriechend in Sicherheit zu bringen. Ein mörderischer Strom von gnadenloser Härte, des brutalen Ver­nichtungswillens, des unerbittlichen Willens, Big Jims gieriger Besessen­heit tödlichen Nachdruck zu verlei­hen, schlug über den Brüdern zusam­men wie eine alles verschlingende Brandungswelle.

*

Eine Fackel loderte und warf zuckende, geisterhafte Reflexe auf die Wand eines Schuppens. Es roch nach verbranntem Petroleum. Der Mann, der die Fackel hielt, zögerte. Die un­erbittliche Stimme John Landers sprang ihn an: »Worauf wartest du? Wirf sie end­lich!«

Der Cowboy glitt an der Wand nach vorn, dann wirbelte die Fackel durch die Finsternis. Sie polterte auf den Vorbau und rollte bis zur Wand. Feuer flackerte hoch, Funken sprüh­ten. Ringsum peitschten mit unver­minderter Heftigkeit die Schüsse. Eine zweite Fackel segelte durch die Dunkelheit, eine dritte …

Mit einem Satz war Dave auf dem Vorbau. Wild um sich schießend er­reichte er einen der hochlodernden Brandsätze, trat ihn aus und rannte geduckt zum nächsten. Mit einem zornigen Tritt fegte er die Fackel vom Vorbau. Seine Absätze hämmerten ein hallendes Echo auf den Bohlen, als er weiterhetzte. Ein Geschoss schleu­derte ihn herum. Er fiel gegen die Hauswand und hob sich im Lichtschein deutlich davon ab. Eine Salve aus mehr als einem halben Dutzend Waf­fen nagelte ihn förmlich dagegen. Langsam rutschte er zu Boden, kippte auf den züngelnden Brandherd und erstickte ihn mit seinem Körper.

Lane schrie auf wie von Sinnen. Sein Herz drohte zu zerspringen. Er stöhnte auf. »Dave!« Seine eigene Stimme riss ihn aus der Erstarrung. Wie feurige Kometen zogen weitere Brandsätze vor seinem Blick ihre lautlose Bahn. Nur der Aufprall war zu vernehmen. Und der Wechsel von Licht und Schatten irritierte das Auge.

Cole hatte Dave fallen sehen und schoss wie rasend auf die durch die Dunkelheit stoßenden Mündungslichter. Dann war die letzte Kugel aus dem Colt. Mit fliegenden Fingern lud er nach. Ein Brandsatz flog durch das Fenster und rollte über den Boden. Drau­ßen leckten die Flammen am Holz der Fassade hoch. Der Rauch wurde im­mer dichter und beißender.

»Wir müssen hier raus!«, brüllte Lane.

Cole schien ihn nicht zu hören. Lane sprang ihn an, zerrte ihn hinter sich her zur Tür. Brennende Gardi­nenfetzen fielen in der Wohnstube zu Boden. Ein Sessel brannte. Rauch wölkte bereits in dichten Schwaden und verätzte die Atemwege, ließ die Augen brennen und tränen.

»Durchs hintere Fenster!« Lane verschluckte sich, hustete und krümmte sich. Cole riss sich los. Er taumelte zur offenen Haustür, vor der ein Flammenvorhang zu stehen schien. In dem ausgetrockneten Holz des Vorbaus fand das Feuer ausrei­chend Nahrung. Es knackte und pras­selte. Und Cole wankte direkt darauf zu, als hätte er den Verstand verloren. »Cole!«, rief Lane voll Verzweif­lung. Rauch füllte seine Lungen, Schwindelgefühl erfasste ihn, Übel­keit stieg in ihm hoch. Er japste wie ein Erstickender und sah Cole hinter dem Flammenvorhang verschwin­den. Eine schneidende Stimme peitschte: »Nicht schießen, ich will ihn le­bend!«

Lane vernahm es wie durch einen Wattebausch und torkelte durch den Flur, spürte die Benommenheit gegen sein Bewusstsein anstürmen, und riss im Aufflackern eines jähen Überle­benswillens das Fenster hoch. Ein Schwall kalter Luft traf sein Gesicht, gierig sog er den Sauerstoff ein und spürte, wie sich die Benommenheit auflöste. Vorne wummerte Coles Colt. Ein­mal, zweimal - dann schwieg er. Die schnarrende Stimme Big Jims war zu hören, doch was sie rief, konnte Lane durch das Brausen des Feuers nicht verstehen.

Hin und her gerissen zwischen Ge­fühl und Verstand stand er wie ver­steinert. Sie hatten Cole. Dave war tot. Ein Zittern durchlief ihn. Und er war nahe daran, nach vorne zu stür­zen und bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Aber der Verstand häm­merte ihm ein, dass er sein Leben ret­ten musste. Er musste leben und Char­les Turpins Vermächtnis verteidigen.

Er schüttelte seine Trägheit ab und sprang aus dem Fenster. Eng an die Hauswand geschmiegt lud er seinen Colt nach. Sein Verstand arbeitete wieder klar und präzise.

Auf dem Ranchhof waren die Waf­fen verstummt. Wie gebannt starrten die Männer von der Great Sand Ranch auf den hoch gewachsenen Mann, der nach zwei blindlings abge­feuerten Schüssen seinen Bruder aus den leckenden Flammen zerrte und der nun, die leblose Last auf den Ar­men, die Treppen hinunter in den Hof wankte. Der Feuerschein zeichnete seine Gestalt scharf nach. Sein Gesicht sah erschreckend starr aus, nur die Augen schienen noch darin zu le­ben.

Am Rande der Helligkeit stand Big Jim. Cowboys traten aus den Schat­ten. Die Metallteile ihrer gesenkten Waffen blinkten. John Landers er­schien neben dem gnadenlosen Ran­cher. Ohne jede Gemütsregung blickte er Cole Turpin entgegen, der sich marionettenhaft und eckig be­wegte. Seine Haare waren versengt, auf seinem Hemd glommen Funken. Sein schweißnasses Gesicht war rußverschmiert. In seinen Augen war ein irrsinniges Flackern. Zwei Schritte vor Big Jim blieb er stehen. Dann sagte er langsam, fast schleppend, mit angegriffener Stimme: »Der zweite Turpin, Big Jim, der innerhalb weniger Stunden an einer Forsyth-Kugel zugrunde ging. Ich bin in deiner Hand. Wahrscheinlich wirst du auch mich töten. Aber Lane ist dir entkommen. Und er wird zurückkeh­ren. Und dann gnade dir Gott, Big Jim Forsyth, denn dann wirst du bezah­len!«

Cole verlor die Kraft. Er brach in die Knie, Big Jim versank vor seinem Blick in diesigem Nebel.

Hinter dem lichterloh brennenden Ranchhaus dröhnten Schüsse. »Lane Turpin!«, knirschte John Landers und fegte los. Einige der Cowboys schlos­sen sich ihm an.

*

Lane kauerte an der Rückwand des Ranchhauses, über dessen Dach be­reits bläuliche Flammen tanzten.

Linker Hand reichten Stangencorrals bis hinter das Haus. In einer Ent­fernung von etwa hundert Yards wälzten sich die Fluten des Saguache Creek nach Südosten. Lane schob sich an die Hauswand entlang. Er hatte kein Pferd! Er hatte nur das, was er auf dem Leib trug - und er hatte seinen Colt und die Patronen in seinem Gürtel.

Bei den Corrals nahm er eine flüch­tige Bewegung wahr. Er federte herum. Grell blitzte es auf. Lane spürte einen harten Schlag gegen den Oberschenkel, das Bein wurde ihm förmlich unter dem Körper weggeris­sen, trotzdem war sein Reflex noch da. Er schoss genau in den verglühen­den Feuerball hinein und nahm im gleichen Augenblick einen zweiten Schemen wahr, der über das Corralgatter sprang und auf den Bauch hechtete. Lane spürte den sengenden Strahl eines Geschosses, biss die Zähne zusammen und drückte ab, rollte zur Seite und kam so vom Haus weg, in das nun die Kugeln des Great Sand Reiters harkten.

Lane zielte ruhig und überlegt. Dann feuerte er. Sein Geschoss trieb den anderen hoch, Lanes zweite Ku­gel schüttelte ihn, und im selben Au­genblick, als er fiel, kam Lane hoch. Stechender Schmerz pulsierte von seinem Bein bis unter seine Schädel­decke. Er ignorierte ihn und humpelte davon, so schnell ihn seine Beine zu tragen vermochten.

Kugeln pfiffen hinter ihm her. Er stolperte, stürzte und schlug mit dem Ge­sicht auf den von der Sonne hartgebackenen Boden. Eine kalte, klir­rende Stimme wehte heran. »Schnappt ihn euch! Aber denkt daran, dass Big Jim ihn hängen will!«

Es riss ihn wieder in die Höhe. Sein schmerzender Verstand begriff, dass dies seine Chance war. Feuerschein flutete über ihn hinweg, er raffte sich auf und stolperte weiter. Seine Gestalt warf einen langen Schatten. Eine kratzende Stimme holte ihn ein: »Ste­hen bleiben, Turpin! Bleib stehen, zum Teufel!«

Weiter, Lane, weiter! Sie dürfen dich nicht kriegen! Es drängte sich auf nahezu hypnotische Weise in sein Bewusstsein. Vom Grauen getrieben floh er, trampelnde Schritte näherten sich ihm von hinten. Er taumelte aus dem Lichtkreis. Das Ufergebüsch schien ihm unendlich fern und unerreichbar. Und seine Verfolger holten auf. Sie hatten seine große Not er­kannt und verschwendeten keine Mu­nition mehr, kamen wie ein Rudel Schweißhunde, die das Jagdfieber gepackt hatte.

Wieder strauchelte Lane, wieder schlug er hin. Der Schmerz in seinem Körper explodierte. Aber noch ein­mal überwand sein Widerstandswille Erschöpfung und Fatalismus, und er hob das Eisen. Eine Kugel röhrte aus dem Lauf, die heranrasenden Schat­ten spritzten schreiend und fluchend auseinander, als hätte eine Granate zwischen ihnen eingeschlagen. Sie versanken in der Dunkelheit. Hier und dort blitzte es auf. Lane aber kroch schon auf dem Bauch davon. Das sirrende Blei wurde ihm kaum ge­fährlich.

»Wir müssen ihm den Weg zum Fluss abschneiden!«, gellte John Lan­ders' Organ.

Sie hatten seine Absicht durchschaut: Glasklar hatte Landers erfasst, dass Lanes einzige Rettung der Creek war.

Lane bot noch einmal alle Kraft auf, kämpfte sich hoch und schleppte sich weiter. Er wusste selbst nicht, wie es ihm gelang, das Uferge­strüpp zu erreichen. Er stürzte kopf­über hinein und spürte nicht, dass Äste sein Gesicht peitschten und ihm die Haut aufrissen. In der Nähe brüllte ein Mann Dinge, die Lane nicht ver­stand. Er robbte wie besessen durch das Strauchwerk, riss sich die Hände wund und wunderte sich selbst, dass er noch immer den Colt umkrampft hielt. Und plötzlich war er am Fluss. In der Wasserfläche spiegelte sich das Sternengeflimmer. Rechts von ihm ertönte Brechen und Rascheln, er schoss seine letzten Kugeln in diese Richtung, schleuderte den wertlosen Colt fort und warf sich in die Fluten. Kalt schlugen sie über ihm zusam­men. Die Kälte war es auch, die in sei­nem Hirn einen Vorhang zum Zerrei­ßen brachte. Sie vertrieb die Betäu­bung und linderte fast schlagartig den Schmerz in seinem durchschossenen Oberschenkel.

Ein Strudel erfasste ihn, wirbelte ihn herum und drückte seinen Körper nach unten. Die Luft wurde ihm knapp. Verbissen kämpfte er, spürte den Untergrund unter seinen Füßen und stieß sich ab. Er nahm nicht wahr, dass mit seinem Eintauchen in das Wasser die Great Sand Reiter die letz­ten Hemmungen über Bord warfen. Landers, der befürchtete, dass Lane ihnen entkam, brüllte mit sich über­schlagender Stimme: »Schießt, Leute, haltet drauf! Bes­ser wir haben ihn tot als überhaupt nicht!«

Das Wasser spritzte unter den Ein­schlägen. Ein fauchendes Brausen lag in der Luft. Funken und Asche wirbel­ten. Gelegentlich war das knir­schende Bersten von niederbrechen­dem Gebälk zu hören.

Lane konnte sich aus dem Strudel befreien. Sein Kopf zerteilte die Was­seroberfläche, lechzend sog er frische Luft in seine Lungen. Er pumpte sie voll Sauerstoff und ließ sich wieder wegsacken. Am Fluss aufgewachsen konnte er schwimmen wie ein Fisch. Und die Erkenntnis, dass er ihnen fürs Erste entkommen war, verlieh ihm Antrieb. Weit holten seine Arme aus, die kraftvollen Schwimmstöße und die Strömung brachten ihn schnell flussabwärts.

Irgendwo, weitab, trieb ihn die Strömung ans flache Ufer. Erschöpft blieb er liegen. Die Finsternis hüllte ihn ein wie ein Mantel. Und seine Ein­samkeit wurde ihm bewusst. Verlo­renheit senkte sich in sein Gemüt, und dazu gesellte sich die Verzweiflung, die dem Wissen entsprang, dass inner­halb weniger Stunden sein bisheriges Leben zerstört worden war. Er folgte dem Fluss nach Südosten. Zerschun­den, blutend und triefend vor Nässe setzte er mechanisch einen Fuß vor den anderen, die Schusswunde mit beiden Händen umklammernd, den Schmerz verbeißend. Weit zurück stürzte krachend das Haupthaus ein. Funkengarben stoben zum Himmel.

»Der erste Schritt, das Great Sand Valley von diesem Smallranchergeschmeiß zu säubern, ist getan. Ich hätte niemals einen von diesen Hun­gerleidern Fuß fassen lassen dürfen.« Big Jim Forsyth sprach in kurzen, ab­gehackten Sätzen. Licht- und Schat­tenreflexe ließen sein Gesicht dunkel und zerrissen anmuten, an die Rinde eines alten Baumes erinnern. »Aber zunächst will ich Lane Turpin. Er muss für den Tod meines Sohnes büßen.«

Er hatte die Worte in die Länge gezogen und die Umstehenden begannen trotz der Gluthitze zu frösteln. Sein schwelen­der Blick voll Hass und unheilvoller Begierde heftete sich auf die Brüder, von denen einer besinnungslos, der andere aber tot war.

*

Bald überfiel Lane bleierne Er­schöpfung. Sein eingefallenes, von Blutverlusten und Schmerz gezeich­netes Gesicht verzerrte sich. Aber un­ermüdlich kämpfte er sich vorwärts. Die Schübe der Benommenheit ka­men schneller, die Abstände zwi­schen ihnen wurden immer kürzer.

Wie ein Betrunkener wankte er da­hin. Sie werden nicht ruhen, bis sie dich haben!, durchpeitschte eine un­barmherzige Stimme sein Gehirn. Sie jagen dich, bis sie dich Big Jim tot vor die Füße legen können. Du bist allein, unbewaffnet, am Ende …

Er ächzte. Immer wieder knickte das zerschossene Bein unter ihm weg. Die Blutung kam nicht zum Stillstand. Blut verklebte seine Hände. Die Angst, dass er es nicht schaffen könnte, durchrann ihn wie Fieber. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Er fror erbärmlich. Seine Zähne schlu­gen wie im Schüttelfrost aufeinander.

Der Fluss gurgelte und rauschte. Lane lag im Ufersand. Wasser um­spülte seine Beine. Er brauchte Hilfe. An der Mündung des Saguache Creek in den San Luis River lebte Lisa mit ih­rem Vater. Clay Reed stand zwar als Wolfs- und Coyotenjäger in Big Jims Diensten, im Übrigen aber hatte er mit der Great Sand Ranch nichts zu tun. Reed würde sich heraushalten.

Drei Meilen bis zur Mündung. In sei­nem Zustand konnte er diese Entfer­nung nicht mehr bewältigen. Er würde irgendwo umfallen, und wenn er nicht verblutete, würden ihn Big Jims Sattelwölfe finden.

Drei Meilen! Lane starrte auf den Fluss. Und dann fasste er einen Entschluss: Schwimmen! Nun, wenn er infolge seines Blutverlustes die Besin­nung verlor, dann ertrank er eben. Ein jämmerlicher Tod, aber immer noch gnädiger, als am Ende eines Las­sos elend zugrunde zu gehen.

In jähem Entschluss erhob er sich. Er watete ins Wasser und verlor den Bo­den unter den Füßen. Die Strömung packte ihn. Er legte sich auf den Rücken, sah weit über sich den Nachthimmel und ließ sich dahintragen. Neue Hoff­nungen beflügelten seine Gedanken.

Die dunklen, drohend anmutenden Buschgruppen am Ufer schienen vorbeizuhuschen. Hin und wieder war­fen ihn unvermutete Stromschnellen herum, zerrten tückische Wirbel an ihm, aber mit wenigen kräftigen Ru­derbewegungen der Arme befreite er sich. Der Fluss wurde breiter und ruhi­ger. Lane schwamm zum Ufer, kroch auf allen vieren die Uferböschung hinauf und ruhte kurze Zeit zwischen den dichten Büschen aus. Dann schlug er sich hindurch. Clay Reeds Hütte schälte sich aus der Dunkelheit. Es gab einen Pferdestall, einen Heuschuppen, einen kleinen Stangencorral und einen Brunnen.

Reed baute Mais und Weizen an, verfügte über etwas mehr als hundert Rinder, jagte Raubzeug und bekam für jeden Abschuss von Big Jim einen Dollar. Früher arbeitete er als Scout bei der Armee. Er war ein wortkar­ger, mürrischer Mann, der nie über seine Vergangenheit sprach, der sich selbst der Nächste war, und der sich von allem fern hielt. Und dasselbe er­wartete er von seiner Tochter.

Ruhig lagen die Gebäude vor Laue im silbrigen Mondlicht. Clay Reed und seine Tochter schliefen. Lane gab sich einen Ruck. In seinen Stiefeln schmatzte bei jedem Schritt das Was­ser. Schwer hing die Kleidung an ihm. Der Schmerz, den er im Wasser kaum wahrgenommen hatte, kam mit Macht zurück.

Er brachte drei Schritte hinter sich, als Clay Reeds Hund anschlug. Sein dunkles, warnendes Bellen zer­sprengte die Stille und ließ Lane zu­sammenzucken. Klar und scharf schallte es durch die Nacht, wurde heiser und kläffend. Eine schwere Kette rasselte und klirrte.

»Ruhig, Rex, ganz ruhig!«, rief Lane und hinkte weiter.

Der Hund stutzte, sein Bellen brach schlagartig ab.

»Brav, Rex!« Ein seltsames Gefühl durchströmte Lane. Er fühlte sich plötzlich nicht mehr alleine und ein­sam.

Das Fiepen des Hundes erreichte sein Gehör. Die Kette schleifte über den Boden. Aber da flog krachend der Fensterladen auf. Ein kurzes, metalli­sches Knacken, als ein Gewehrhahn gespannt wurde, dann eine raue, un­freundliche Stimme: »Wer immer da draußen herumschleicht zu dieser un­christlichen Stunde - er soll ver­schwinden! Ich habe niemand einge­laden, und zu holen gibt es bei mir nichts außer heißem Blei.«

Lane war stehen geblieben. Er war sich sicher, dass Reed ihn im Mond­licht ausmachen konnte. »Nicht schie­ßen, Clay. Ich bin es, Lane Turpin. Ich bin verletzt und brauche deine Hilfe!«

»Lane Turpin?«, kam es fragend und misstrauisch zurück. »Wieso gehst du nicht nach Hause, wenn du Probleme hast? Warum kommst du mitten in der Nacht zu mir?«

Lane humpelte ein Stück weiter. In der Dunkelheit winselte Rex und scharrte mit den Pfoten.

»Lass mich in dein Haus, Clay, dann werde ich dir alles erklären.«

»Hattest du Ärger mit …«

Clay Reed wurde unterbrochen, als sich die Haustür knarrend öffnete. Lichtschein fiel ins Freie, die Gestalt einer Frau erschien im Türrechteck, und eine weibliche Stimme rief: »Lane, du lieber Himmel, was ist ge­schehen? Komm herein.« Sie lief ihm entgegen. Die Laterne schaukelte, das Licht warf ihren Schatten riesengroß und verzerrt auf den Boden.

»Zum Teufel damit!«, grunzte Clay Reed und zog das Gewehr zurück.

Lisa erschrak, als sie Lane aus der Nähe sah. Ihre dunklen Augen weite­ten sich. Bestürzt musterte sie ihn, tausend Fragen stürmten auf sie ein.

»Es war Big Jim«, murmelte Lane und machte einen unbeholfenen Schritt auf sie zu. In seinem verzerr­ten Gesicht zuckten die Muskeln. Tief lagen seine Augen in den Höhlen. Innerhalb weniger Stunden schien er um Jahre gealtert zu sein. Tiefe Linien zogen sich von seinen Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Er sprach weiter — leise, losgelöst, ha­stig, als müsste er sich beeilen, alles loszuwerden: »Mein Vater und Dave sind tot. Ob Cole noch lebt, weiß ich nicht. Die Ranch ist …« Seine Knie wurden weich wie Butter. Die Betäu­bung kam wie eine graue, alles ver­schlingende Flut. Er schwankte. Lisa stützte ihn. Im Licht funkelten seine Augen wie Glas.

Lisa hatte begriffen. Schwer spürte sie Lanes Körper. »Drinnen, Lane«, flüsterte sie herb, mit vibrierender Stimme. »Du kannst uns alles im Haus erzählen. Komm.« Sie drehte den Kopf. Ihre Stimme hob sich, als sie hervorstieß: »Dad, schnell, Lane kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Du musst mir helfen!«

Clay Reed stapfte aus dem Haus. Er schaute ebenso betroffen wie seine Tochter, als er Lane aus der Nähe sah, dann aber kehrte der finstere Aus­druck in sein lederhäutiges Antlitz zu­rück. Er legte sich Lanes linken Arm um die Schultern, hielt ihn am Hand­gelenk fest und grollte: »Du siehst elend aus, Turpin, und ich habe das Gefühl, dass ich dich eigentlich zum Teufel jagen müsste. Wahrscheinlich reite ich mich bis zum Hals in den Verdruss hinein, wenn ich es nicht tue. Nun, wir werden es ja sehen.«

Sie schleppten Lane ins Haus. Schließlich hockte er auf einem Stuhl am rohen, grobgezimmerten Tisch. Zu seinen Füßen bildete sich eine Wasserlache. Sein Kinn war auf die Brust gesunken. Er hielt die Augen geschlossen.

Clay zog den Blendladen zu und schloss das Fenster. Die Lampe stand auf dem Tisch. Ihr Licht riss den karg und ärmlich eingerichteten Raum aus der Finsternis.

Lisa schnitt Lanes Hosenbein auf. Die Wunde war vom Wasser aufge­quollen, die Wundränder sahen weiß­lich und teigig aus. Ein feiner Blutfa­den, der sich mit dem Wasser auf Lanes Haut vermischte, rann heraus. Das Mädchen hatte sich noch immer nicht ganz von seinem Schrecken er­holt. Immer wieder streifte sein be­sorgter Blick Lanes Gesicht.

Clay beugte sich über die Wunde. »Die Kugel ist hinten wieder ausge­treten«, murmelte er und seine Stirn war nachdenklich gefurcht. »Ein glat­ter Durchschuss. Hol das Zeug zum Desinfizieren, Lisa, und Verbands­zeug. Er ist jung, stark und zäh. In ei­ner Woche kann er wieder rennen wie ein Hase.«

Er ging um den Tisch herum und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Weit streckte er die Beine von sich.

Und während Lisa in ein angren­zendes Zimmer lief, schnappte Clay: »Dann spuck mal aus, Lane, was es gegeben hat. Ich ahne zwar, dass der Krieg zwischen euch und der Great Sand Ranch zum Ausbruch gekom­men ist, aber ich will Einzelheiten hören.« Seinem Ton fehlten Frische und Wärme, er war sachlich und fordernd.

Lane hob das Gesicht und öffnete die Augen. Seine blutleeren Lippen bewegten sich: »Es gibt nicht viel zu berichten«, murmelte er. »Bill Forsyth hat meinen Vater erschossen und ich habe Bill Forsyth getötet. Heute Nacht kam Big Jim mit seinem Rudel auf die Bar-T. Dave starb, Cole fiel Big Jim in die Hände, die Ranch ging in Flammen auf. Ich entkam den Wöl­fen. Das ist die Geschichte, Clay.«

Lisa kam zurück. Sie kniete sich ne­ben Lane auf den Fußboden und be­gann, seine Wunde zu versorgen. Sie arbeitete stumm und sorgfältig.

»Es ist eine verdammt üble Ge­schichte, Turpin«, stieg es dumpf aus Clay Reeds Kehle. »Weshalb kommst du ausgerechnet zu mir damit?« Fast feindselig schaute er Lane dabei an.

»Vater!«, rief Lisa vorwurfsvoll und zurechtweisend und schoss Clay Reed einen vernichtenden Blick zu. »Wo­hin hätte er sich sonst wenden sol­len?« Sie hatte die Wunde mit Per­oxyd desinfiziert und verband ihn nun. Lane spürte pochenden Schmerz.

Reed zuckte nichts sagend mit den Achseln. »Er hätte wissen müssen, dass ich mich niemals einmischen werde. Ich arbeite öfter mal für Big Jim.« Seine Brauen schoben sich zusammen wie dunkle Raupen. Eine steile Falte stand plötzlich über seiner Nasenwurzel. »Und ich bin sehr dankbar dafür, dass Big Jim mich in Ruhe lässt. Darum hätte er nie her­kommen dürfen.«

»Ich bin nicht hier, um mich bei dir zu verkriechen, Clay.« Lanes Tonfall gewann an Festigkeit. »Aber ich wäre dir für einige Dinge sehr dank­bar …«

»Ich glaube nicht, dass ich auch nur einen Finger für dich krumm mache, Turpin!«, unterbrach ihn Reed eisig und unbarmherzig. Er nahm die Beine zurück, beugte sich weit über den Tisch. In seinem Blick erschien eine zornige Flamme, »Ich lasse mich von dir in nichts hineinziehen, was mich Kopf und Kragen kosten kann!«, fauchte er bissig. »Euer Krieg interes­siert mich nicht. Soll Big Jim auch mir und Lisa das Haus über dem Kopf an­zünden?«

Abrupt richtete Lisa sich auf. Ihre roten, sinnig geschnittenen Lippen verzogen sich angeekelt. »Soll das etwa heißen, Vater, dass du Lane in diesem Zustand wieder in die Nacht hinausjagen willst? Hast du denn kein Gewissen? Sind dir Ruhe und Sicher­heit mehr wert als ein Menschenle­ben?« Die Leidenschaft in ihrer Stimme erschütterte Lane.

»Natürlich, das ist mir schon klar!«, giftete Reed und funkelte seine Toch­ter an. »Du ergreifst seine Partei, weil dir der Kerl etwas bedeutet. Denkst du denn, ich habe es nicht bemerkt, dass er immer wieder nur deinetwe­gen zu uns gekommen ist? Die Blicke, die ihr gewechselt habt, waren deut­lich genug.« Sein Kopf schnellte herum zu Lane. »Denke nur nicht, Turpin, dass ich persönlich etwas ge­gen dich habe. Ganz und gar nicht.« Seine Stimme hatte wieder den sachli­chen Tonfall angenommen. »Aber wie ich Big Jim kenne, kreuzt er in spätestens einer Stunde bei mir auf, weil er nicht dumm ist und sich an fünf Fingern abzählen kann, wohin du dich gewandt hast. Und er wird mich an den Ohren aufhängen, wenn er da­hinter kommt, dass ich dir geholfen habe. Du hast nichts mehr zu verlie­ren. Aber ich! Und ich werde alles verlieren, wenn …«

Lisas entrüstetes Zischen schnitt ihm das Wort ab. Es glich dem wüten­den Zischen einer Schlange. Der Anflug von Wildheit in ihren ebenmäßi­gen Zügen ließ erkennen, dass sie kurz vor der Explosion stand. »Ich schäme mich für dich, Vater!«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ja, es stimmt: Lane bedeutet mir etwas — er bedeutet mir eine ganze Menge. Und ich werde ihm helfen. Versuch nur nicht, mich davon abzuhalten. Ich fürchte Big Jim nicht. Wenn Lane seinen missratenen Sohn erschossen hat, dann wird er da­für einen Grund gehabt haben. Lane ist am Ende. Er ist chancenlos. Ihn sei­nem Schicksal zu überlassen wäre un­gefähr dasselbe, als würdest du ihm eine Kugel in den Kopf schießen.«

Lanes Gestalt wuchs schwerfällig in die Höhe. Schwer stützte er sich mit beiden Armen auf den Tisch. Enttäu­schung spiegelte sich in seinen ver­krampften Zügen wider. In seinem Blick woben die Schatten des Schmer­zes und der Erschöpfung. Aber da wa­ren auch Härte und Unbeugsamkeit zu sehen. »Wahrscheinlich hat dein Vater recht, Lisa«, murmelte er und seine Stimme raschelte wie altes Per­gament. »Ich darf euch nicht mit hin­einziehen. Big Jim ist unberechenbar. Und er ist voll Hass. Er wird vor nichts und niemand haltmachen. Also ver­schwinde ich.«

Reed sank wieder in seinen Stuhl zurück. Sekundenlang spürte er so et­was wie Ekel vor sich selbst. Aber die Furcht vor Big Jim in ihm überwog. »Ein kluger Entschluss«, bemerkte er grunzend und wich dem flammenden Blick seiner Tochter aus.

»Ich lasse es nicht zu!«, rief sie wie besessen.

Aber Lane winkte ab. »Ein Mann muss sich einen letzten Rest von Stolz bewahren, Lisa. Diesen Stolz aber verliert er, wenn er sich selbst zum Bettler degradiert. Ich werde niemals um etwas betteln. Weder bei Big Jim, noch bei deinem Vater. Du hast mir sehr geholfen, weil du meine Wunde versorgt hast.« Er wandte sich Reed zu. »Ich gehe, Clay. Aber ich kehre zurück. Big Jim ist mir eine Menge schuldig. Wenn er kommt, bestell es ihm.«

Reed knallte die flache Hand auf den Tisch. »Zum Teufel, Lane, ver­steh mich doch!«, rief er fast weiner­lich, was Lane seltsam berührte. »Ich habe genug gekämpft in meinem Le­ben. Jetzt bin ich alt und will meinen Frieden. Big Jim duldet mich hier nur, weil ich ihm das vierbeinige Raub­zeug von der Weide fege. Aber er wird mich davonjagen, wenn ich mich gegen ihn wende.«

Lane humpelte zur Tür. Lisa stellte sich ihm in den Weg. Entschlossene Härte zeigte sich in ihrer Miene. »Du kommst keine drei Meilen weit, Lane. Es dauert mindestens eine Woche, bis du wieder einigermaßen hergestellt bist. Ich weiß ein Versteck, wo Big Jim dich nicht findet. Dorthin bringe ich dich. Und du gehst nicht eher fort, bis du vollkommen gesund bist.«

»Du bist total übergeschnappt, Lisa!«, kreischte Reed. Seine weinerli­che Art war verschwunden. Nur die Angst vor der Zukunft beherrschte ihn. »Big Jim vernichtet uns, wenn wir ihn herausfordern!«

Lisa lächelte. Ein Zug eisiger Ver­achtung lag um ihren Mund, als sie knapp und böse sagte: »Du kannst ihm ja entgegen kriechen und dich für deine Tochter entschuldigen. Ich je­denfalls stehe auf Lanes Seite. Und mit dir bin ich fertig.«

»Aber es ist doch nur deinetwegen, Lisa!« Reed brachte es nur mühsam hervor. Vergeblich versuchte er, das Zittern in seiner Stimme zu unter­drücken. Erregt kratzte er sich am Kinn. Gefühl und Verstand lagen in ihm in zäher Zwietracht. Er musterte Lane mit einem raschen, abschätzen den Blick, dann sah er wieder auf Lisa - beschwörend, fast flehend.

Aber deren Augen verrieten nur den Widerwillen, den sie empfand. Reed blickte in ihr willensstarkes Ge­sicht, in die trotzigen Augen, und hatte plötzlich den Eindruck, dass sie die verborgensten Züge seines Wesens durchschaute. Er befand sich in einer fürchterlichen Gemütsverfassung. Schließlich überwand er seine Ängste und Befürch­tungen und flüsterte fast, als er fragte: »Was brauchst du, um aus dem Valley zu verschwinden, Turpin? Sag es mir und ich will sehen, ob ich dir es geben kann. Ehe ich Lisa verliere, will ich Big Jims Zorn in Kauf nehmen.«

»Selbst wenn er ein Pferd hätte, käme er nicht weit.« Die Anspannung war aus Lisas Miene gewichen. Fast mitleidig fixierte sie ihren Vater. Sie ahnte, welche Überwindung es ihn kostete, Lane dieses Angebot zu un­terbreiten, das ihm nichts einbringen konnte als Ärger. Ihre Stimme klang weich und gelöst, als sie fortfuhr: »Ich werde ihn in die Höhle in der Alderschlucht bringen, Vater. Dort findet ihn Big Jim niemals. Er kann da blei­ben, bis seine Wunden verheilt sind. Und dann sehen wir weiter.«

Clay Reed überlegte kurz, dann nickte er widerwillig, und es war klar, dass er wenig begeistert war von al­lem. »Einverstanden. Aber verliert jetzt keine Zeit mehr. Big Jim wird nicht lange auf sich warten lassen.«

*

Clay Reeds unheilvolle Vermu­tung ging schon bald in Erfüllung. Kaum, dass Lisa und Lane die Farm eine halbe Stunde verlassen hatten, kündete rumorender Hufschlag das Kommen von Big Jim und seiner Mannschaft an. Clay Reed erbebte in­nerlich und rang die schweißnassen Hände. Draußen bellte Rex wie be­sessen und zerrte ungestüm an seiner Kette.

Sie donnerten in den Hof und rissen ihre Pferde zurück. Der wogende Staub hüllte sie ein, verschleierte ihre Gestalten, und dennoch glaubte Clay Reed den Strom des Vernichtungs­willens, der von dem Pulk ausging, zu fühlen. Er zwang sich zur Ruhe, aber die tiefe, innere Rastlosigkeit ließ sich nicht unterdrücken.

»Reed, heh, Clay Reed!«, rollte Big Jims kräftige Stimme über den Hof. »Ich habe nur ein paar Fragen an dich! Also komm heraus aus deinem Bau.«

Mit der Laterne in der Hand verließ Reed das Haus. Angst sprang ihn an wie ein wildes Tier. Der Staub legte sich, der Lichtschein traf Big Jims ver­steinertes Gesicht. Clay Reed durchlebte ei­nen furchtbaren Augenblick und zuckte unter dem bohrenden, ste­chenden Blick Big Jims zusammen wie unter einem Peitschenhieb.

»Ich bin hinter dem Mörder meines Sohnes her, Clay!«, grollte Forsyth. »Hinter Lane Turpin!«

Reed zog den Kopf zwischen die Schultern und fühlte einen eisigen Schauer seinen Rücken hinunterlau­fen. »Großer Gott!«, würgte er her­vor. »Ihr Sohn ist …«

»Yeah, er ist tot!« Big Jim legte die Hände übereinander auf den Sattel­knopf, beugte sich vor und musterte Reed zwingend. »Lane Turpin hat ihn erschossen. Aber dieser Killer ist mir entkommen. Er hat den Fluss als Fluchtweg benutzt. Und was liegt nä­her, als dass er bei dir Hilfe gesucht hat.«

»Nein — nein!« Es kam hastig — zu hastig aus Reeds Mund. »Turpin ist nicht …« Er verschluckte sich, hustete, und wurde von dem Anfall durch und durch ­geschüttelt. Dann sprach er keuchend weiter: »Turpin war nicht hier, Mister Forsyth. Ich habe von alledem keine Ahnung. Ich habe geschlafen, bis ich Sie und Ihre Männer heranreiten hörte.« Es gelang ihm nicht, das Zit­tern seiner Hände zu unterdrücken. Der Schein der Lampe kam auf dem Boden nicht zur Ruhe.

Big Jim schürzte die Lippen. »Es gab für Turpin nur diese Möglichkeit. Er ist verwundet, hat kein Pferd, keine Ausrüstung - gar nichts.« Sein Ton wurde schneidend. »Also raus mit der Sprache, Clay - war er bei dir?«

Reed nagte an der Unterlippe. Sein Kehlkopf hüpfte nervös auf und ab. Er suchte nach Worten, bemühte sich vergeblich, seine aus der Angst gebo­rene Erregung zu verbergen und duckte sich förmlich unter Big Jims durchdringendem Blick.

»Er war also hier!«, spuckte der Rancher, wandte den Kopf und rief in John Landers Richtung: »Seht nach!« Sein Gesicht ruckte wieder herum. Mit böser Schärfe sagte er: »Es war dumm von dir, Clay, mich zu belügen.«

Reeds Schultern sackten nach un­ten. Er hielt den Atem an, versank in einer Welle des verzehrenden Schreckens und schlug die Augen nie­der.

»Das wirst du bereuen, Clay!«, geißelte ihn wieder die unerbittliche, gnadenlose Stimme. »Ich werde dich mit der Peitsche aus dem Valley ja­gen!«

John Landers hatte zwei Reitern einen Wink gegeben. Sie sprangen von den Pferden und liefen ins Haus. Drinnen flammte Licht auf, als sie Streichhölzer anrissen. Dann versank der Raum wieder in der Finsternis und sie stürmten nach draußen. »Er war da!« rief einer. »Auf dem Boden ist eine riesige Pfütze.« Sie liefen zu ih­ren Pferden.

»Was hast du dazu zu sagen, Clay?«, fragte Big Jim sanft, tödlich sanft. Ein kaltes Lauern trat in seine Pupillen.

»Bei Gott, Mister Forsyth, was sollte ich tun?«, jammerte Reed und trat von einem Bein auf das andere, druckste herum und wand sich förm­lich unter dem zwingenden, durch­bohrenden Blick des Ranchers. »Er kam zu mir. Ich hatte von nichts den blassesten Schimmer. Er war verwun­det und ich stellte keine großen Fra­gen. Wir …« Er stockte und verbes­serte sich: »Ich habe ihn verbunden und dann bat er mich, ihm ein Pferd zu leihen. Ich hatte keinen Grund, ihm diese Bitte abzuschlagen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er vor Ih­nen auf der Flucht war.«

»O doch, du hast es gewusst. Ein Mann wie du stellt Fragen, Clay. Tur­pin hat es dir gesagt. Und dennoch hast du ihm geholfen. Ist das der Dank dafür, dass ich dich hier all die Jahre leben ließ?«

»Ich …« Das Grauen schüttelte Reed und lähmte seine Stimmbänder. Die Hoffnung, ungeschoren davonzu­kommen, platzte wie eine Seifen­blase.

»Turpin hat dir sicher auch gesagt, wohin er sich wenden wird.« Big Jim schielte zum Haus hinüber, als erwar­tete er etwas Bestimmtes. Seine Au­gen verkrallten sich wieder an Reed. »Spuck es schon aus, Clay. Oder müs­sen wir es aus dir herausprügeln?«

»Er — er hat fast überhaupt nicht gesprochen, wirklich. Er hatte es höl­lisch eilig, und kaum, dass ich seine Wunde verbunden hatte, sattelte er das Pferd und ritt fort wie der Teu­fel.«

»Wo ist deine Tochter? Warum lässt sie sich nicht sehen?«

Reed räusperte sich, als müsste er sich die Kehle freimachen, ehe er ant­wortete. In Wirklichkeit versuchte er, Zeit für eine glaubhafte Erklärung zu gewinnen. Rau rief er: »Lisa ist in der Stadt, bei ihrer Freundin Betty Miller.«

»Lass mal im Pferdestall nachsehen, Landers!«, presste Forsyth hervor.

»Ben!«, ertönte John Landers' auf­fordernde Stimme.

Der Gerufene lief los. Schweigen senkte sich über die Farm. Nur das Stampfen der Pferde, ihr Schnauben und das Knarren von Sattelzeug durch­brach es. Abwartende, drohende Spannung füllte die Atmosphäre, und Reed konnte sie kaum noch ertragen. Sein Blick streifte Big Jims düsteres Gesicht.

Der Cowboy kam zurück. »Im Stall steht ein einziger Gaul, Boss«, berich­tete er. »Ein Schecke.»

»All right, Clay«, stieg es grollend aus Big Jims Kehle, und in seiner Stimme schwang eine tödliche Dro­hung mit. »Du hast mich genug belogen. Eigentlich bewundernswert die­ser Mut, mit dem du versuchst, Lane Turpin die Flucht zu ermöglichen. Jetzt aber wird es verdammt bitter für dich. Yeah. Ich weiß, dass du vier Pferde besitzt. Und ich bin überzeugt, dass deine Tochter den jungen Turpin begleitet und dass sie ein Packpferd mit Vorräten mit sich führen.« Er presste sekundenlang die Lippen zu­sammen. Dann setzte er gedehnt hinzu: »Jeder im Valley weiß, was es mit deiner Tochter und Lane Turpin auf sich hat. Meinen Jungen ließ sie abblitzen. Mir war das nur recht. Denn Bill hätte etwas Besonderes verdient gehabt als eine Lisa Reed. Aber jetzt ist mein Sohn tot - und deine Tochter hilft seinem Mörder. Gebt es diesem Narren!« Er lachte leise, wie besessen auf.

Clay Reeds Fassung zerbrach. Er warf sich herum, um ins Haus zu flie­hen. Aber er trat auf den Saum seines langen Nachthemdes und stolperte. Die Lampe entglitt ihm, zerschellte auf dem Boden und verlosch. Reed lag auf den Knien. Das Entsetzen schnürte ihm die Luft ab. Mahlende Schritte näherten sich ihm schnell. Und dann rissen ihn unbarmherzige Fäuste in die Höhe.

*

Sie ritten stumm durch die Nacht. Zunächst ging es über fruchtbares Grasland, das von Buschgürteln zer­schnitten war und über dem der Duft des blühenden Salbeis hing. Später wurde das Gelände immer wieder von wild übereinander getürmten Felsgruppen unterbrochen, und je hö­her sie kamen, desto steiniger wurde der Boden, umso karger die Vegeta­tion. Sie befanden sich in den Ausläu­fern der Felswildnis im Osten, die sich schwarz und drohend in der Ferne ge­gen den Sternenhimmel abhob. Buckelige Felsen zwangen sie zu Umwegen. Geröllhalden schwan­gen sich zu beiden Seiten nach oben.

Unbeirrt folgten sie dem ansteigenden Weg über kahle Felsterrassen. Ir­gendwann ritten sie durch einen Canyon. Bäume wuchsen auf seiner Sohle. Es waren Erlen, die der Schlucht ihren Namen gegeben hatten. Der Wind rauschte in ihren Kronen. Das Gur­geln eines Baches, der sich zwischen dem Geröll ein Bett, ausgewaschen hatte, begleitete sie. Kühle Luft strömte ihnen entgegen. Die Geräu­sche muteten in der Schlucht eigenar­tig dumpf, klingend und melodiös an.

Mit traumwandlerischer Sicherheit fand Lisa sich zurecht. Sie ritt bis zu einem Einschnitt in der Wand und lenkte ihr Pferd hinein. Ein steiler Pfad führte bergan. Sie zügelte das Tier. Lane verhielt ebenfalls. Sie sagte: »Am Ende dieses Pfades findest du die Höhle, Lane. Es gibt nur diesen Zugang. Ich entdeckte sie vor einigen Jahren, als ich mit meinem Vater hier auf der Jagd war. Du bist da oben so sicher wie in Abrahams Schoß. Du hast Proviant für eine Woche und brauchst die Höhle nicht zu verlas­sen.«

»Kommst du nicht mit hinauf?«, fragte er dumpf.

»Nein. Ich muss zurück. Big Jim fackelt nicht lange. Ich habe Angst um meinen Vater. Nachdem ich mit dir geritten bin, hat er sicher versucht, Big Jim auf eine falsche Fährte zu locken. Was aber ist, wenn Jim Forsyth sich mit den Erklärungen Dads nicht zufrieden gibt? Du hast am eigenen Leib erfahren, wie teuflisch er sein kann.«

»Allerdings«, sagte er knurrend. »Aber es ist überhaupt nicht sicher, dass Forsyth bei euch nach mir sucht.«

Sie lachte gallig auf. »Wo sonst, wenn nicht bei uns. Der Fluss führt ge­nau an unserem Haus vorbei. Und im Fluss bist du ihnen entwischt. Du darfst Big Jim nicht unterschätzen.«

»Warum bleibst du nicht bei mir?« Lane versuchte, durch die Finsternis in ihrem Gesicht zu lesen. Es gelang ihm nicht. Aber er glaubte die Unrast zu spüren, die sie ausstrahlte. Sie sprang wie ein Funke auf ihn über.

»Soll ich meinen Vater im Stich las­sen?«, entfuhr es ihr schroff.

Betreten biss Lane die Zähne zu­sammen. Seine Schultern strafften sich. »Oh, verdammt, in was habe ich euch bloß hineingezogen?« Seine Stimme war nur noch ein kratzendes Geflüster, die Stimme eines Mannes, der den Tod bereits die Knochenfaust nach sich ausstrecken sah.

Lisa schwieg. Und dieses Schwei­gen traf Lane mehr als alle Worte es vermocht hätten. Ihn beschlich ein kaltes Gefühl — ein Gefühl, das ihm körperliches Unbehagen bereitete. »All right, Lisa. Wenn ich mich stark genug fühle, verschwinde ich für einige Zeit. Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll für alles, was du für mich getan hast. Jedenfalls wirst du von mir hören. Und irgendwann kehre ich zurück, um Jim Forsyth zur Rechen­schaft zu ziehen.«

Er fühlte durch die Dunkelheit ih­ren Blick voll Schwermut und Sorge auf sich gerichtet. Plötzlich zog sie ihr Pferd herum und trieb es neben das seine. Steigbügel an Steigbügel ver­harrten sie. Er fühlte ihre erregende Nähe. Schlicht und einfach sagte sie: »Ich habe es für dich getan, weil ich dich liebe, Lane. Das weißt du auch. Aber jetzt habe ich Angst um meinen Vater, und ihn liebe ich ebenfalls. Das ist so, und du wirst es verstehen.«

»Wie willst du ihm beistehen, wenn sich deine Befürchtungen bewahrheiten sollten?«, schnappte er. In sein Denken begannen sich erneut die bit­tersten Vorwürfe einzunisten, weil er Clay Reed und Lisa einer Gefahr aus­gesetzt hatte, die überhaupt nicht ein­zuschätzen war.

»Nicht einmal Big Jim kann es wa­gen, Hand an eine Frau zu legen«, er­widerte sie herb.

»Darauf vertraust du?«, entrang es sich ihm ungläubig und zweifelnd.

Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn. »Mach dir keine Sorgen«, raunte sie dann mit Wärme im Tonfall. »Auch ein Mann wie Jim Forsyth kann sich über die ungeschriebenen Gesetze unseres Landes nicht hin­wegsetzen. Wenn er erfährt, dass wir dir geholfen haben, wird er uns hassen, und mein Vater verliert seinen Job als Raubtierjäger. Nun, vielleicht versucht er sogar, uns zu vertreiben. Ich hänge nicht an der Farm. Und so alt ist mein Vater auch wieder nicht, dass er nicht noch einmal von vorne anfangen könnte.« Sie gab sich Mühe, zuversichtlich zu klingen, aber ihrer Stimme fehlte die echte Hoffnung. Nach diesen Worten schwieg sie, weil sie er­kannte, dass sie sich selbst etwas ein­redete, dass sie sich völlig falschen Il­lusionen hingab.