Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieser Band enthält folgende Romane: Eine italienische Affäre (Sandy Palmer) Du bist mein allergrößtes Glück! (Sandy Palmer) Das blonde Gift vom Wirtshaus (Alfred Bekker) Galopp ins Glück (Anna Martach) Scharlachrote Rosen (Grace Livingston Hill) Die Prinzessin brennt durch (Harold MacGrath) Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 841
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
6 Sommerleichte Unterhaltungsromane Juli 2023: Romanpaket
Copyright
Eine italienische Romanze
Du bist mein allergrößtes Glück!
Das blonde Gift vom Wirtshaus
Galopp ins Glück
Scharlachrote Rosen: Roman
Die Prinzessin brennt durch
Dieser Band enthält folgende Romane:
Eine italienische Affäre (Sandy Palmer)
Du bist mein allergrößtes Glück! (Sandy Palmer)
Das blonde Gift vom Wirtshaus (Alfred Bekker)
Galopp ins Glück (Anna Martach)
Scharlachrote Rosen (Grace Livingston Hill)
Die Prinzessin brennt durch (Harold MacGrath)
Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADRO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Facebook:
https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
von Sandy Palmer
Der Umfang dieses Buchs entspricht 62 Taschenbuchseiten.
Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.
© by Author
© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
„Sie versprechen, die Illustrationen bis zur übernächsten Woche fertig zu haben, ja?“ Ottmar Wallersberg, Verlagsleiter und Cheflektor in einem, sah Ellen Mangold bittend an. „Wenn der Termin platzt, sind wir aufgeschmissen.“
„Aber Ottmar! Sie haben sich doch noch immer auf mich verlassen können.“ Ellen lächelte bemüht freundlich. So reibungslos die Zusammenarbeit mit dem Chef des Kinderbuchverlags auch klappte – Ottmars Pessimismus war anstrengend. Dabei war die Idee für die neue Reiterhof-Serie ausgezeichnet, die ersten drei Coverversionen abgesegnet. Da sollte es kein Problem sein, auch den Innenteil zu illustrieren.
Ellen Mangold war seit fünf Jahren gut im Geschäft. Sie hatte nicht nur eine perfekte Technik gelernt, sie war auch sehr kreativ und besaß die Fähigkeiten, den Figuren, die sie entwarf, Leben einzuhauchen.
Zudem war sie bildhübsch, die blonde Vierundzwanzigjährige. Ottmar hatte allerdings seine Flirtversuche aufgegeben, nachdem er Ellen mehrmals in der Stadt in Begleitung angetroffen hatte.
Hans-Jürgen Schneider war Architekt, sah gut aus und besaß einen umwerfenden Charme. Zudem hatte er das Aussehen eines Latin-Lovers, und da konnte der rundliche Ottmar nun gar nicht mithalten.
„Einen schönen Abend“, wünschte er jetzt. „Oder... kann ich Sie noch auf einen Drink einladen?“
„Ein andermal gern, jetzt möchte ich rasch heim. Mein Freund wird sich freuen, wenn ich früher als erwartet heimkomme.“
„Haben Sie einen Schirm? Draußen zieht ein Gewitter auf.“
„Ach was, ich bin doch nicht aus Zucker!“ Ellen lachte. Sie war glücklich über den neuen dicken Auftrag, sie freute sich auf Hans-Jürgen, den sie fast zehn Tage nicht gesehen hatte, da er geschäftlich auf Sylt gewesen war.
Auf dem Heimweg kaufte sie eine Flasche Sekt, dazu ein paar Delikatessen, von denen sie wusste, dass Hans-Jürgen sie besonders gern mochte.
Ein glückliches Leuchten lag auf ihrem Gesicht, das von der Sommersonne zart gebräunt war, als sie den Schlüssel in die Haustür der alten Backsteinvilla steckte. Das Haus wirkte immer ein wenig düster, es passte weder zu Hans-Jürgen noch zu Ellen, die den italienischen Baustil liebte – so, wie sie überhaupt alles mochte, was leicht und heiter war. Jürgen jedoch hatte das Haus von seinen Eltern geerbt, er hing an dem alten Kasten. Seine einzige Konzession an die Moderne waren eine moderne Glaskuppel über dem Terrassenbereich und zwei extravagant eingerichtete Bäder. Er liebte lange Badeorgien, und auch Ellen fand es wunderschön, wenn sie gemeinsam im duftenden Schaum liegen – und sich hinterher mit Zärtlichkeiten verwöhnen konnten.
Als sie jetzt das Haus betrat, drang ihr sofort der Duft des teuren Badesalzes in die Nase, das Hans-Jürgen bevorzugte.
„Hallo, Liebling! Klasse, dass du schon zurück bist! Ich hatte dich erst gegen Abend erwar...“ Sie hielt mitten im Wort inne, denn in der großen runden Wanne lag nicht nur Hans-Jürgen, sondern auch eine attraktive Rothaarige, die jetzt versuchte im duftenden Schaum unterzutauchen.
„Nein!“ Sie meinte zu schreien, doch es kam nur ein Krächzen über ihre Lippen.
„Ellen! Verdammt!“ Mit einem Satz war der Mann aus der Wanne. Und noch während er zu einem Handtuch griff, rief er: „Es ist nicht so, wie du denkst. Lass dir erklären, warum ich...“
„Sei still!“ An der Haustür drehte sich Ellen noch einmal um. Tränen verschleierten ihren Blick. „Sei um Himmels willen still, du machst doch alles noch viel schlimmer!“
Dann rannte sie hinaus, hetzte durch den Vorgarten – und lief blindlings weiter. Sie sah den Range Rover nicht, der gerade um die Straßenecke bog, sie lief tränenblind über die Straße.
Fabian Kettwig stieß einen unterdrückten Fluch aus, trat heftig auf die Bremse – und brachte den schweren Wagen endlich zum Stehen. Aber er hatte die blonde Frau gestreift, die urplötzlich und ohne ersichtlichen Grund quer über die Fahrbahn gelaufen war.
Sein Herz klopfte aufgeregt, als er sich über sie beugte. Das lange blonde Haar lag wie ein Schleier halb über ihrem Gesicht, aber der Mann erkannte, dass sie die Augen geschlossen hielt. Aber auch, dass sie atmete. Der Puls ging regelmäßig, so weit er das beurteilen konnte. Und als er sie jetzt vorsichtig auf die Wange schlug, als er sie ansprach, schlug sie auch die Augen auf.
„Scheiße!“ Das kam undamenhaft, aber höchst energisch über ihre Lippen. Sie richtete sich auf und wollte aufstehen, aber Fabian drückte sie rasch zurück.
„Um Himmels willen, bleiben Sie liegen! Ich werde sofort den Notarzt verständigen. Und bis dahin...“
„... ist auf der Straße das Chaos ausgebrochen. Helfen Sie mir hoch, es geht schon.“
Sie streckte die Hand aus und ließ sich auf helfen. Ganz dicht waren ihre Gesichter voreinander. Ellen sah einen gut geschwungenen Mund, ein graues Augenpaar, das sie besorgt anschaute. Fabian hingegen sah nur ihre Augen, die die Farbe eines herrlichen Sommerhimmels hatten... und in denen Tränen schwammen.
„Lassen Sie mich ruhig los, mir fehlt nichts.“
„Sie weinen! Sie haben Schmerzen!“ Er nahm wieder ihren Arm. „Kommen Sie, ich bringe Sie wenigstens kurz in eine Klinik.“
„Unsinn.“ Sie wehrte ab, doch im nächsten Moment wurde ihr schwindelig, und sie war froh, sich an den Fremden lehnen zu können. Wenig später saß sie neben ihm, doch als er die Richtung zur Stadtklinik einbog, wehrte Ellen nochmals ab und erklärte, eine Untersuchung sei wirklich völlig unnötig.
„Dann kommen Sie wenigstens kurz mit zu mir. Ich koche Ihnen einen Tee...“
„Ein Glas Wein wäre mir lieber“, gab sie trocken zurück. „Es gibt da so einiges, das ich runterspülen muss.“
Und so saßen sie eine Viertelstunde später in Fabians Garten. Er grenzte an einen kleinen Bachlauf, war romantisch verwildert und genau so, wie Ellen sich den eigenen Garten angelegt hätte. Hans-Jürgen hingegen hatte den Park von einem Landschaftsgärtner pflegen lassen. Außer drei Blumenrabatten gab es nur grünen englischen Rasen und alten Baumbestand.
Hier hingegen blühten Phlox, Sonnenblumen und späte Rosen um die Wette mit Dahlien und Gladiolen. Die Terrasse hatte kein Glasdach, sondern wurde von wildem Wein überwuchert, der Schatten spendete.
„Fühlen Sie sich besser?", erkundigte sich Fabian.
„Danke. Sie hätten sich aber wirklich nicht so viel Mühe mit mir machen müssen. Schließlich bin ich mein Elend selber schuld. Wenn ich nicht so kopflos aus dem Haus gelaufen wäre...“ Wieder traten Tränen in ihre Augen, die sie sich energisch fortwischte.
„Weinen Sie nur“, sagte Fabian leise. „Das reinigt die Seele, hat meine Großmutter immer gesagt.“ Er reichte Ellen das Glas. „Und sollte es wegen eines Mannes sein – es renkt sich bestimmt alles wieder ein.“
„Mit Sicherheit nicht!“ Jetzt klang ihre Stimme schon wieder sehr entschlossen. „Ich lasse mich nicht betrügen! Nicht ein einziges Mal! Das hat der Typ nicht umsonst gemacht – jetzt ist Schluss!“
Am liebsten hätte Fabian laut „Bravo“ gerufen, denn ein Mann, der so ein bezauberndes Wesen betrog, musste wahnsinnig sein – und bestraft werden.
„Sie sind bezaubernd, wenn Sie wütend sind“, meinte er. „Sagen Sie mir Ihren Namen?“
„Entschuldigung! Ich bin so was von unhöflich! Da lasse ich mich von Ihnen verarzten und verwöhnen... ich heiße Ellen Mangold.“
„Dass ich Fabian Kettwig bin, haben Sie sicher schon am Türschild gelesen. Aber ich kann’s noch komplettieren: Ich bin 31 Jahre alt, unbescholten und unbeweibt.“
Ellen lächelte, und mit einem Mal war Hans-Jürgens Betrug in weite Ferne gerückt. Sie fühlte sich wohl in Fabians Gesellschaft. Sie genoss es, auf einer Liege inmitten einer bunten Blumenpracht zu liegen, kühlen Grauburgunder zu trinken und... jetzt auch noch eine Katze auf dem Schoß zu spüren.
„Das ist der Streuner.“ Fabian wollte das Tier verscheuchen, doch Ellen legte rasch die Hand auf das weiche grau-getigerte Fell.
„Gehört er Ihnen?“
„Nein, ich vermute, dass er gar kein richtiges Zuhause hat. Darum hab ich ihn Streuner genannt. Er kommt in unregelmäßigen Abständen, lässt sich ein bisschen verwöhnen und geht dann wieder.“
„Streuner...“ Ellen kraulte die Katze hinter den Ohren, was sie mit wohligem Schnurren quittierte. „Haben Sie einen Block?“, fragte sie dann.
„Natürlich!“ Fabian ging ins Haus und kam gleich darauf mit einem DIN A 4-Block zurück. „Reicht der?“
„Aber ja.“ Ellen nahm den Stift – und in kurzer Zeit hatte sie Streuner gezeichnet. „Hier, als kleines Dankeschön für Ihre Fürsorge.“
„Das ist ja wundervoll! Sie sind eine Künstlerin!“
„Nein.“ Ellen wehrte lächelnd ab. „Nur eine Grafikerin mit Zeichentalent. Ich illustriere gerade ein Kinderbuch. Und wenn ich es recht bedenke, könnte Streuner zum Vorbild für eines der darin vorkommenden Tiere sein.“
„Da fühlen wir uns beide geehrt, was, Streuner?“
Der Kater reagierte nur mit einem kurzen Heben des Kopfes, dann versuchte er auf Ellens Schoß weiterzuschlafen, was aber nicht gelang, denn wenig später erhob sich die junge Frau. „Fabian, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Hilfe, aber jetzt muss ich gehen.“
Er zögerte. „Wohin?“, fragte er dann.
Ellen biss sich auf die Lippen. „Ich nehme mir fürs Erste ein Hotelzimmer. Dann sehen wir weiter.“
„Ich... ich würde gern... Also, wenn Sie mögen, können Sie mein Gästezimmer haben.“
Aus unergründlich tiefblauen Augen sah sie ihn an. „Aber wir kennen uns doch gar nicht!“
„Ist das ein Hindernis, Ihnen zu helfen?“ Fabian machte eine weit ausholende Geste. „Hier kommen Ihnen sicher noch einige gute Ideen. Und ich würde Sie nicht stören. Ich bin tagsüber meist unterwegs.“
„Stimmt – ich hab Sie noch gar nicht gefragt, was Sie beruflich tun.“
Der Mann zögerte, dann antwortete er: „Ich bin freiberuflicher Journalist, zurzeit aber mit einem festen Auftrag fürs Tagesjournal. Eine Recherche, die zeitaufwendig ist und mich deshalb oft durch die Gegend treibt. Sie wären hier also ziemlich unbehelligt.“
Ellen zögerte. Der Gedanke war verlockend. Und im Gegensatz zu einem tristen, unpersönlichen Hotelzimmer war das alte, liebevoll restaurierte Fachwerkhaus mit dem hellen Anbau und dem großen Garten das reinste Paradies.
Dennoch lehnte sie ab, Fabian durfte sie allerdings noch zurück zur Villa von Hans-Jürgen fahren, wo sie nur rasch eine Reisetasche mit dem Nötigsten packen wollte.
„Ich warte hier auf Sie", versprach Fabian. „Und wenn Sie Hilfe brauchen... ein Wort genügt.“
„Danke.“ Ihr Lächeln ging ihm unter die Haut, und er gestand sich ein, dass er auf dem besten Weg war, sich in die junge blonde Ellen zu verlieben. Sie schutzbedürftig, das war genau der Frauentyp, zu dem sich Fabian hingezogen fühlte. Und dennoch war deutlich zu spüren, dass sie Temperament und Durchsetzungsvermögen besaß.
Allerdings war davon nicht viel zu merken, als sie das Haus betrat, in dem sie seit einem halben Jahr wohnte. Hans-Jürgen kam ihr schon in der weitläufigen Halle entgegen.
„Da bist du ja endlich wieder!“ Er versuchte sie in die Arme zu ziehen. „Schön, dass du zur Vernunft gekommen bist. Das mit Joana... das hat gar nichts zu bedeuten. Sie ist Praktikantin bei einem Kollegen auf Sylt und wollte sich mal hier am Niederrhein umsehen.“
„Das hat sie ja auch ausführlich getan“, spottete Ellen. „War sie zufrieden?“
„Komm, Schatz, sei nicht spießig! Die kleine Affäre ist doch schon wieder vergessen. Es hat mir gar nichts bedeutet. Schau, ich hab dir was mitgebracht.“ Damit wollte er sie in den Wohnraum ziehen. Doch Ellen entwandt sich ihm rasch.
„Kein Interesse. Ich bin nur hier, um ein paar Sachen zu holen.“
„Sei doch nicht so stur!“
„Stur? Ich bin weder stur noch spießig! Nur konsequent und auch ein bisschen altmodisch. Zumindest bin ich sicher, dass du es so nennen würdest, wenn ich darauf bestehe, dass der Mann, der mich angeblich liebt, mir auch treu sein soll.“
„Es... es wird nicht wieder vorkommen. Und jetzt sieh dir an, was ich dir mitgebracht...“
Ganz dicht trat Ellen vor ihn hin. „Sag mal, bist du taub? Oder begriffsstutzig? Es ist aus! Aus und vorbei! Ich teile nun mal nicht. Nichts und niemanden!“ Als er sie ungläubig anschaute, fügte sie hinzu: „Als ich hier einzog, hatten wir eine klare Abmachung: Keine Affären mehr, keine Flirts so nebenbei. Du hast mir versichert, dass du dich ausgetobt hast, dass du nur mich liebst und mir treu sein wirst...“
„Das tue ich doch auch – dich lieben!“
„Aber du hast eine sehr merkwürdige Art, mir das zu beweisen.“ Ellen ging auf die geschwungene Treppe zu. „Ich packe jetzt – und ich rate dir gut, mich nicht daran zu hindern.“
Der Architekt unterdrückte einen Fluch. So ein Mist aber auch, dass Ellen viel zu früh heimgekommen war. Und dass Joana, dieses süße Biest, ihm so voll und ganz den Kopf verdreht hatte, dass er alles andere vergessen hatte...
„Ich bin sicher, dass sich alles wieder einrenkt. Also, sei nicht so kleinlich. Wo wirst du überhaupt hingehen?“
„Das soll nicht deine Sorge sein.“ Ellen hatte sich eine große Reisetasche über die Schulter geworfen und öffnete die Haustür. „Alles andere hole ich später.“
„Ja aber...“ Hilflos sah der Architekt zu, wie sie über den Plattenweg auf einen schwarzen Range Rover ging, an dem ein gut aussehender Mann lehnte. Das dunkle Haar war kurz geschnitten, das Gesicht leicht gebräunt. Zu einer hellen Lederjacke trug er schwarze Jeans. Alles wirkte lässig, zeugte jedoch von Geschmack.
Hans-Jürgen wusste, dass dieser Fremde genau Ellens Typ war – und heiße Eifersucht kochte in ihm hoch. „So ist das also!“, rief er ihr nach. „Du hattest schon einen Ersatz für mich in petto! Und da wagst du es, mir was von Betrug zu erzählen? Heuchlerin!“
Fabian machte ein paar Schritte auf Ellen und den zornigen Hans-Jürgen zu, aber die junge Frau hielt ihn zurück. „Lassen Sie ihn“, bat sie leise. „Er ist es einfach nicht wert. Bringen Sie mich nur rasch weg von hier.“
„Gern.“ Fabian legte fürsorglich den Arm um ihre zarte Gestalt, und Ellen schmiegte sich kurz an ihn. Teils tat sie es aus Berechnung, weil sie Hans-Jürgen eins auswischen wollte, doch es war auch ein höchst angenehmes Gefühl, so nah bei Fabian zu sein.
Sie widersprach nicht mehr, als er sie zurück zu seinem Haus fuhr und ihr das Gästezimmer zeigte. Jetzt war sie müde und erschöpft – und als sie in dem schmalen Bett hoch unterm Dach lag, weinte sie sich in den Schlaf.
Der nächste Tag jedoch zog so strahlend schön herauf, dass Ellen einfach nicht lange traurig sein konnte. Nach dem Frühstück rief sie im Verlag an und erklärte, wo sie in der nächsten Zeit zu erreichen sei. Dann versuchte sie sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, denn Fabian war zu seinen Recherchen aufgebrochen.
„Worüber schreiben Sie denn zurzeit?", hatte sie gefragt.
„Über ein paar Politiker und ihre Skandälchen", hatte er nur gelacht. „Nichts Wichtiges.“
Doch dass das nicht stimmte, wurde ihr in den nächsten Tagen immer deutlicher. Da gab es Notizen, die Fabian rasch wegräumte, wenn sie in sein Büro kam, da kamen Anrufe, die höchst rätselhaft klangen, und sie fand sogar einen Drohbrief im Papierkorb...
Ellen fröstelte es, als sie die Zeilen las, mit denen man den Adressaten des Briefes einzuschüchtern versuchte. Angst um Fabian erfasste sie – und sie gestand sich ein, dass er ihr bereits sehr viel bedeutete. Viel zu viel, um ihren Seelenfrieden zu stabilisieren. Und viel zu viel, um über diesen Drohbrief hinwegzusehen.
Als Fabian abends heimkam, lag das Schreiben, mühsam geglättet, auf dem Tisch und Ellen fragte: „Wer will dich töten, Fabian? Was hast du getan, dass dir jemand nach dem Leben trachtet?
„Ich kann so nicht weitermachen“, erklärte Ellen, und aus traurigen Augen sah sie Fabian Kettwig an. „Du verheimlichst mir etwas sehr Gravierendes, und das kann ich nicht ertragen. Nicht nach allem, was ich mit Hans-Jürgen erlebt habe!“
„Aber das kannst du doch nicht vergleichen! Ellen, ich bitte dich... es hat wirklich nichts mit dir... mit uns zu tun.“ Beschwörend sah der junge Journalist seine Mitbewohnerin an. Seit Ellen bei ihm war, fühlte er sich wie ins Paradies versetzt. Sie war seine Traumfrau, das hatte er schon gespürt, als er sie nach dem Unfall versorgt und mit zu sich genommen hatte. Aber noch war es zu früh, um ihr das zu gestehen. Sie hatte den Verrat ihres Freundes, des Architekten Hans-Jürgen Schneider, noch nicht verwunden.
Das merkte er daran, wie verstört sie immer war, wenn der gut aussehende Mann wieder einmal versucht hatte, sich mit ihr zu versöhnen. Mit schöner Regelmäßigkeit schickte er Rosen, lauerte Ellen auf, schrieb lange Briefe. Doch sie lehnte es ab, auch nur darüber nachzudenken, ihm zu verzeihen.
„Ich gehe“, stieß sie jetzt hervor. „Ich will einfach weg von hier.“
„Aber ich...“
„Es hat gar nichts mit dir zu tun“, fiel sie Fabian erregt ins Wort. „Nein, doch... es hat wohl was mit dir zu tun. Du bist auch nicht besser als Hans-Jürgen. Dabei hab ich mir eingebildet, wir wären Freunde, zumindest kam es mir so vor. Wir haben uns doch so gut verstanden...“ Sie biss sich auf die Lippen. „Schade. Wieder mal geirrt. Und deshalb gehe ich.“
„Und – wohin willst du?“
„Nach Ischia. Dort lebt meine beste Freundin.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Mach dir keine Sorgen, es wird mir da gut gehen, du brauchst nicht schon wieder den Beschützer rauszukehren. Und zeichnen kann ich zum Glück überall. Mein Laptop ist ebenfalls auch dort einzusetzen.“ Und schon drehte sie sich um und stürmte aus dem Zimmer.
Fabian blieb sekundenlang wie erstarrt stehen. Sein Blick ging zu seinem Computer, auf dem der Bildschirmschoner blinkte, dann hinüber zu dem Stapel Manuskriptpapier, den er seit Tagen vor Ellen versteckte. „Blödmann!“, stieß er dann selbstkritisch hervor, griff nach dem Blatt mit dem verhängnisvollen Drohbrief und hastete Ellen nach.
Sie stand im Wintergarten, starrte hinaus in den blühenden Garten, und am Zucken ihrer Schultern sah er, dass sie weinte.
„Ellen bitte... es ist doch alles ganz anders.“ Er trat dicht hinter sie, sanft umfasste er ihre Schultern und gestand leise: „Dieser Brief... der ist Teil eines Manuskriptes. Ich hab ihn ausgedruckt, weil ich ihn mir in Ruhe anschauen wollte, wenn er wie auf Büttenpapier geschrieben aussah. Dabei ist er nur ein Teil meines neuen Kriminalromans!“ Als Ellen nicht reagierte, fuhr er zärtlich fort: „Glaub mir bitte. Es ist die Wahrheit. So, wie es wahr ist, dass ich mich leidenschaftlich in dich verliebt habe!“
Jetzt drehte sie sich langsam um. Ihre Augen waren groß und ungläubig auf ihn gerichtet. „Stimmt das?“, flüsterte sie.
Er lächelte. „Was meinst du – das mit dem Krimi oder...“
„Dummkopf!“ Fest legte sie ihm die Arme um den Nacken. „Das letztere ist doch viel wichtiger!“
„Ganz meine Meinung“, sagte er noch schnell, dann sprachen sie eine ganze Weile gar nicht.
Erst hinterher, als sie dicht aneinander geschmiegt auf der schmiedeeisernen Gartenbank saßen und den Goldfischen zuschauten, die aufgeregt nach Mückenlarven schnappten, erfuhr Ellen das Geheimnis von Fabian Kettwig...
„Seit fünf Jahren schreibe ich neben meinem Job bei der Zeitung noch Kriminalromane. Kennst du Dorian Wikett?“
„Wer kennt den nicht? Ich hab all seine Romane verschlungen!“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, zuckte Ellen zusammen. „Sag jetzt nicht, dass du...“
„Doch. Statt Fabian Dorian, und Kettwig klingt doch umgedreht wie Wikett, oder?“ Er grinste jungenhaft. „Die Spielerei konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Aber es hat niemand gemerkt. Und mein Verleger findet es inzwischen ganz spannend, dass ich so ein Geheimnis um meine Herkunft und meine Person mache.“
„Er kennt dich auch nicht?“
„Doch, aber nur er und der zuständige Lektor. Und die beiden sind vertraglich zum Schweigen verpflichtet.“
„Aber warum diese Heimlichtuerei?“, wollte Ellen wissen.
„Das hat zwei Gründe. Erstens hasse ich Presserummel, schließlich weiß ich besser als jeder andere, wie penetrant Reporter fragen können. Und zweitens... dieses Rätselhafte um meine Person war ein guter Werbegag.“ Er zog Ellen fester an sich. „Aber jetzt kein Wort mehr über Dorian. Hier ist Fabian, und er liebt dich über alle Maßen.“
Sie kamen nicht mehr zum Reden an diesem Tag, und es ging schon auf Mitternacht, als Ellen gestand: „Ich möchte trotzdem nach Ischia fliegen. Abstand tut mir bestimmt gut. Wenn ich nur daran denke, dass mir Hans-Jürgen morgen wieder auflauern könnte...“
„Ich werd ihn zur Rede stellen“, versprach Fabian, aber Ellen winkte ab.
„Das bringt nichts. Komm doch lieber mit.“ Sie streichelte zärtlich über seine Schulter, ließ die Finger spielerisch tiefer gleiten. „Es wäre doch herrlich, so ein Liebesurlaub am Meer...“
„Hm...“ Fabian streckte sich lang auf dem Bett aus. „Wenn ich Urlaub einreiche und auch meinen Computer mitnehme, um am Roman weiterzuarbeiten... Aber das müsste ich wirklich tun, ich bin in Termindruck.“
„Na, ich doch auch!“ Ellen richtete sich kurz auf. „Morgens wird konzentriert gearbeitet, nachmittags haben wir frei. Wir erobern die Insel, besichtigen das Castello Aragonese und die Poseidongärten. Dann machen wir Bootsausflüge hinüber nach Capri, schauen uns die blaue Grotte an, schwimmen im Meer, sehen dem berühmten Sonnenuntergang zu...“
„Meine kleine Romantikerin.“ Fabian küsste sie. „Aber der Gedanke ist viel zu verlockend, um ihn nicht in die Tat umzusetzen...“ Er zögerte und fügte dann ehrlich hinzu: „Ich muss aber allein wohnen. Sonst kann ich nicht schreiben.“
„Was?“ Kopfschüttelnd sah Ellen ihn an. „Das ist nicht dein Ernst! Ich hab mir gedacht, wir genießen unser Zusammensein und…“
„Das können wir doch auch“, warf Fabian rasch ein. „Nur zum Arbeiten muss ich allein sein.“
Aber auch das kleine Problem ließ sich rasch klären, nachdem Ellen mit ihrer Freundin telefoniert hatte, und so konnten sich die Frischverliebten unbeschwert auf die Reise freuen.
Die Vorbereitungen waren rasch getroffen, und gerade als Ellen von einem Einkaufsbummel zurückkam, bei dem sie sich drei wunderschöne Sommerkleider und zwei raffinierte Bikinis gekauft hatte, stand plötzlich Hans-Jürgen vor ihr.
„Hier bist du also untergekrochen“, stieß er böse hervor. „Na, da hast du ja keine Zeit verstreichen lassen, dich ins nächste gemachte Nest zu setzen!“
Ellen schob ihn zur Seite. „Lass mich einfach in Ruhe, Hans-Jürgen“, sagte sie. „Wir haben nichts mehr miteinander zu tun. Und deshalb hat es dich auch nicht zu interessieren, wo und mit wem ich lebe.“
„Und ob mich das interessiert!“ Mit drei langen Schritten war er bei ihr und zog sie in die Arme. „Ich liebe dich nämlich! Nur dich allein! Wir gehören zusammen, und deshalb kommst du jetzt wieder mit nach Hause!“
Ellen versuchte sich aus seiner Umklammerung zu befreien. „Du tust mir weh“, zischte sie.
Zögernd nur ließ er sie los. „Komm zurück“, bat er. „Ich tu alles, was du willst. Ich heirate dich auch. Stell dir nur vor… ein weißes Brautkleid, Rosen im Arm… Von mir aus kannst du auch die Villa umbauen. Das dunkle Wohnzimmer kann ich ganz neu gestalten und…“
„Zu spät“, sagte Ellen leise, und eine vage Traurigkeit erfasste sie. „Es ist einfach zu spät, Hans-Jürgen. Ich kann dir zwar verzeihen, dass du mich betrogen hast, doch vergessen kann ich es nie. Und das ist keine Basis. Außerdem hab ich mich in Fabian verliebt. Er ist ein wundervoller Partner.“
Kaum hatte sie es ausgesprochen, zuckte sie zusammen, denn dieses Geständnis überraschte sie selbst. So offen hatte sie sich nicht mal in ihren geheimsten Gedanken mit ihren Gefühlen befasst. Aber jetzt war es gesagt, und ein ungeahntes Glücksgefühl breitete sich in Ellen aus.
„Ich hasse dich!“, zischte Hans-Jürgen und drehte sich um. „Du bist für mich gestorben!“
Ellen zuckte mit den Schultern. Wenn es ihm half, die Trennung besser zu verarbeiten, wenn er zornig auf sie war – damit konnte sie leben!
Schon drei Tage später flogen sie nach Neapel, von wo sie mit der Fähre nach Ischia übersetzten.
Die Insel im Golf von Neapel empfing die Reisenden mit strahlend schönem Wetter. Begeistert sah Fabian sich um. „Dieses Fleckchen Erde ist wirklich das Meisterwerk Gottes, wie es ein Literatur-Nobelpreisträger mal genannt hat“, meinte er.
Ellen lachte. „Das sehen die Einheimischen wahrscheinlich nicht so. Sie haben ganz schön zu kämpfen, denn vom Glanz und Ruhm dieses Ferienparadieses ist nicht mehr allzu viel vorhanden. Vor zwanzig, dreißig Jahren verkehrte hier die High Society, jetzt kommen Pauschaltouristen und kuren hier in den heilenden Thermen.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte einer schlanken jungen Frau in einem maisgelben Leinenkleid zu, die soeben mit ihrem Wagen direkt an die Hafenmole fuhr. „Da ist Miriam! Hallo, Miriam! Hier sind wir!“
Das Stimmengewirr ringsum war ohrenbetäubend, und doch schien die Freundin Ellens Rufen gehört zu haben, denn sie hob winkend die Hand.
Eine knappe halbe Stunde später betraten Ellen und Fabian die Villa Miriam, einen ganz mit wildem Wein bewachsenen Bungalow in der Bucht von St. Angelo.
„Fühlt euch ganz wie zu Hause“, sagte Miriam. „Ich bin so froh, dass ich mal ein bisschen Abwechslung habe!“
Ellen lachte. „Sind dir die Touristen nicht genug, mit denen du tagtäglich zu tun hast?“ Miriam war Direktionsassistentin in einem der ersten Hotels des Ortes, sie arbeitete hart, doch stets mit Freude.
„Du weißt doch, ich liebe meinen positiven Stress“, sagte sie denn auch prompt. „Aber es ist bestimmt herrlich, heimzukommen und von euch empfangen zu werden.“
„Ich bedanke mich ganz besonders für die Einladung“, sagte Fabian. „Sie sind sehr großzügig, dass Sie mir erlauben, tagsüber hier zu sein.“
„Und gleich böse, wenn du mich weiterhin siezt.“ Ellen wies auf die Terrasse, von der aus man einen herrlichen Blick aufs Meer hinaus hatte. „Gleich kommt der Begrüßungs-Champagner.“
Sie tranken sich zu, und Miriam fuhr fort: „Es tut mir Leid, Fabian, dass hier so wenig Platz ist und du deshalb im Hotel wohnen willst.“
„Will ich ja gar nicht“, lachte er. „Ich hab mir das Zimmer in dem kleinen Hotel am Hafen nur gemietet, damit ich ein paar Stunden ungestört arbeiten kann. Dazu brauche ich nämlich totale Ruhe – und Ellen würde mich nur ablenken.“
„Lügner!“ Ellen schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich bin konzentriertes Arbeiten gewöhnt und störe dich bestimmt nicht.“
Doch Fabian blieb bei seiner Entscheidung, dass er zwar gern in der Villa Miriam wohnte, doch zum Arbeiten ins Hotel ging. „Ich bin da ein bisschen eigen“, sagte er entschuldigend. „Aber es ist wirklich so – wenn jemand mit im Raum ist, kann ich keine Zeile zu Papier bringen.“
„Ich kann mit dem Arrangement gut leben“, versicherte Ellen, und dann erzählten sie und Miriam sich erst mal eingehend von dem letzten Jahr, in dem sie sich nicht gesehen und auch nur selten telefoniert hatten.
Fabian ließ die Freundinnen allein, er schlenderte ein wenig durch den Ort, der als einer der schönsten der Insel galt und machte im Geist schon eine Skizze für einen neuen Roman, der genau hier spielen sollte. War nicht drüben in Neapel die Hochburg der Mafia? Hatten die Paten nicht auf Ischia ihre schönsten Ferienvillen?
Es mochten Gerüchte oder gar Falschinformationen sein – auf jeden Fall war die Idee gut, die er hatte, und er beschloss sie sogleich zu notieren.
Also ließ er sich auf einer Bank im Schatten hoher Bougainvilleahecken nieder und notierte sich die wichtigsten Dinge. Er wurde erst abgelenkt, als sich eine attraktive junge Frau neben ihn setzte.
„Wie kann man in dieser herrlichen Gegend nur so konzentriert arbeiten!“, lachte sie. „Typisch für uns Deutsche!“
Fabian hob den Kopf. „Stimmt. Aber es ist keine Arbeit, sondern Hobby. Und ich höre auch schon auf.“ Er steckte den Notizblock ein und lächelte höflich. „Sie machen hier Urlaub?“
„Ein bisschen. Vier Tage Ferien, dann beginnt für mich die Arbeit.“ Die junge Frau lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, die von einem fast unnatürlichen Grün waren. „Herrlich, mal ganz ungestört zu sein.“
„Ich bin schon weg“, lachte Fabian.
Sie hielt ihn spontan am Arm fest. „So war das wirklich nicht gemeint. Bitte entschuldigen Sie. Schließlich waren Sie zuerst hier.“
„Kein Problem. Ich muss jetzt wirklich los, ich werde erwartet.“ Er nickte der attraktiven jungen Frau, die ihm irgendwie bekannt vorkam, höflich zu. „Noch eine schöne Zeit.“
„Danke, Ihnen auch.“
Fabian schlenderte zurück zur Villa Miriam. Die junge Deutsche mit den grünen Katzenaugen hatte er schon wieder vergessen...
Unterdessen hatten sich die beiden Freundinnen das Wesentlichste aus den vergangenen Monaten erzählt. Miriam war bis vor einem Jahr mit einem italienischen Modeschöpfer liiert gewesen, seinetwegen hatte sie die Heimat verlassen und war nach Ischia gezogen. Er aber hatte erst nach einem Jahr gestanden, dass in Rom seine Frau und seine zwei Kinder lebten.
„Es war ein Schock, aber es ist schon vergessen. Ich hab erst mal von Männern und der Liebe die Nase voll. Arbeit ist das Schlagwort. Ich bin wild entschlossen, in spätestens zwei Jahren die Leitung unseres Hotels zu übernehmen. Mein Chef ist fast sechzig, herzkrank und liebäugelt mit dem Ruhestand. Was Besseres kann mir nicht passieren.“ Sie goss noch einmal die Gläser voll und meinte dann zu Ellen: „Gut, dass du diesen arroganten Architekten in den Wind geschossen hast. Was bildet der Kerl sich eigentlich ein? Betrügt dich, kaum dass du mal aus dem Haus bist.“
„Es war sein Haus“, wandte Ellen leise ein.
„Na und? Aber er hat mit dir dort gewohnt, er hat behauptet dich zu lieben...“
„Das hat er wohl auch wirklich getan. Aber mit Einer allein kam er eben nicht aus. Hans-Jürgen braucht seine Selbstbestätigung. Er ist nur glücklich, wenn er Mittelpunkt allen Interesses ist. Und wenn er sich als Frauenheld beweisen kann.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Schnee von gestern. Ich hab ihn wirklich schon fast vergessen. Fabian ist so ganz anders... lieb und zärtlich, romantisch und sensibel. Ich bin sicher, dass ich mit ihm für lange, lange Zeit glücklich werden kann.“
Miriam umarmte die Freundin. „Ich wünsch dir alles Glück der Welt. Und jetzt komm, ich hab drei frische Doraden mitgebracht. Du kannst mir beim Kochen helfen.“
Während sie aßen und dazu einen trockenen Weißwein tranken, versank die Vergangenheit. Deutschland war weit – und alle Probleme.
Vier Tage waren sie schon auf Ischia, als Fabian am Hafen erneut der schönen Deutschen mit den Katzenaugen begegnete. Sie war von einem ganzen Kamerateam umgeben, erhielt soeben vom Regisseur Anweisungen und schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
Spontan blieb Fabian stehen und reihte sich in die Schar der Touristen ein, die dem Geschehen am Hafen fasziniert zuschauten.
„Das ist doch Janine Johnsen, der Star von „Verratene Herzen“, sagte eine Frau begeistert. „Dass ich die hier treffen würde… super ist das!“
Fabian überlegte. Den Namen hatte er schon gelesen, wenn er auch die Daily Soap, in der die grünäugige Janine mitspielte, noch nie gesehen hatte.
In diesem Moment entdeckte ihn die schöne Schauspielerin und winkte ihm zu. Fabians Herzschlag beschleunigte sich…
Fabian Kettwig trat einen Schritt zurück, sekundenlang hatte er das Bedürfnis, einfach davonzulaufen. Im Unterbewusstsein ahnte er wohl schon, dass mit Janine Unruhe in sein Leben treten würde.
„Hallo!“ Jetzt sagte die schöne Schauspielerin etwas zum Regisseur, der daraufhin die Szene abbrach und eine kurze Pause ausrief.
Janine bahnte sich einen Weg zu Fabian. „Schön, dass wir uns wiedersehen“, sagte sie und lächelte ihn an. „Interessieren Sie sich für meine Arbeit? Wenn Sie wollen, kann ich Sie mit ein paar anderen Schauspielern bekannt machen.“
Fabian schüttelte lächelnd den Kopf. „Danke, das ist wirklich nicht nötig. Ich kam nur zufällig vorbei und hab eine Weile zugeschaut.“
„Sehen Sie meine Serie regelmäßig?“, erkundigte sich Janine kokett.
Kurz zögerte Fabian, dann entschloss er sich, der Wahrheit den Vorzug vor einer höflichen Lüge zu geben. „Nein, ehrlich gesagt kenne ich sie gar nicht. Ich... ich hab nicht viel Zeit zum Fernsehen schauen.“
„Schade.“ Janine zog einen Schmollmund, doch gleich hatte sie sich wieder in der Gewalt. „Dann könnten wir uns doch mal treffen und ich erzähle Ihnen ein bisschen vom Dreh. Haben Sie Lust?“ Sie streichelte wie selbstvergessen seinen Arm, und Fabian spürte kleine Schauer der Erregung durch seine Adern fließen. Diese Frau war ein Vamp, eigentlich gar nicht sein Typ, und doch...
„Es ist ziemlich langweilig hier für mich“, fuhr Ellen fort. „Die Leute vom Team kenne ich schon ewig, die reden nur über den Job, keine interessiert sich für die Insel, für die Landschaft... und dafür, wie es mir geht.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Dabei bin ich ziemlich einsam, und das tut mir gar nicht gut.“
Fabian lachte. „Es finden sich bestimmt jede Menge Männer, die Ihnen nur zu gern die Zeit vertreiben.“ Er zögerte, dann fuhr er fort: „Ich bin mit meiner Freundin hier, wir wollen beide für eine Weile kreativ hier arbeiten.“
So, das genügte wohl, um der offenbar recht unternehmungslustigen Schauspielerin die Lust an einem Flirt mit ihm zu nehmen!
Janine jedoch war von dem spröden, gut aussehenden Mann begeistert. Ihn, und nur ihn wollte sie haben! Und sie hatte noch jeden bekommen, den sie wollte! Fabian Kettwig würde da keine Ausnahme bilden!
Doch zunächst zog sie sich zurück. „Dann wünsche ich viel Erfolg. Ich muss jetzt auch wieder los. Bis bald – vielleicht.“ Ehe Fabian sich versah, spürte er ihre Lippen auf den seinen, dann war Janine auch schon wieder zum Drehort zurückgelaufen.
Ein wenig verwirrt griff sich der junge Mann an den Mund, schüttelte lächelnd den Kopf und verließ den Hafen, um zur Villa Miriam zurückzukehren. Ein bisschen überdreht war diese Janine, das musste man einfach nicht so eng sehen...
In der Villa traf er nur Ellen an, die gerade drei große Illustrationen auf der Erde ausgebreitet hatte und kritisch begutachtete. Dann trat sie an ihren Arbeitstisch, verglich die drei Zeichnungen mit einer vierten, an der sie gerade arbeitete, brachte noch ein paar kleine Korrekturen an und war dann endlich zufrieden.
„Wunderschön sind die“, kommentierte Fabian, umarmte Ellen und küsste die zarte Haut ihres Nackens. „Du bist eine Künstlerin.“
„Ach was, eine bessere Gebrauchsgrafikerin, das ist alles.“ Sie schmiegte sich kurz an ihn. „Aber ich bin ganz zufrieden mit dem heutigen Pensum. Was ist mit dir? Bist du weitergekommen?“
„Ja, das schwierigste Kapitel meines Romans ist fertig.“ Fabian lachte. „Jetzt muss der Mord an einem Kaufhauskönig nur noch aufgeklärt werden – aber damit fange ich morgen an. Heute wird gefaulenzt. Was hältst du von einem Ausflug?“
„Wohin?“, wollte Ellen wissen, die sich eingestand, dass ihr eine Pause ganz gut tun würde.
„Lass dich überraschen. Ich hab da eine Idee...“
Eng umschlungen schlenderten sie wenig später durch die Gassen des Ortes, doch ganz bewusst wählte Fabian nicht den direkten Weg zum Hafen, sondern machte einen kleinen Umweg, bis sie eine südlich gelegene Bucht erreichten. Hier hatten ein paar Fischer ihre Boote liegen, und eines von ihnen wartete auf sie!
„Meine Überraschung!“ Fabian half Ellen in das blau und rot lackierte Boot, wechselte ein paar italienische Brocken mit dem alten Fischer, dann tuckerte der Kahn auch schon los.
„Willkommen auf meiner Yacht“, lachte Fabian. „Ich habe sie für den Rest des Nachmittags gemietet – wir machen eine private Inselumrundung.“
Der Fischer, dessen Gesicht von unzähligen Falten durchzogen war, hatte ihnen zwei Matten zurechtgelegt, auf denen sie sich sonnen konnten. Und so umfuhren sie die Insel, sahen sich vom Meer her die bekanntesten Orte an und genossen den Blick auf den Epomeo, den höchsten Berg der Insel.
„Da müssen wir unbedingt mal hochsteigen“, meinte Ellen.
„Ja, und dann anschließend in die Poseidongärten gehen. Sie sind einmalig schön.“ Fabian beugte sich vor und küsste verliebt Ellens Schulter. „Wir haben bisher einfach zu viel gearbeitet. Es wird Zeit, dass wir uns intensiver dem Vergnügen widmen.“
„Ach nein!“ Sie lachte auf. „Wer stöhnt denn immer, dass er mit dem Roman nicht fertig wird und von seinem Verleger gedrängt wird? Ich bin in der Zeit mit meinen Illustrationen!“
Fabian seufzte komisch verzweifelt auf. „Du hast einfach kein Herz! Ich bin verliebt! Rasend verliebt! Da kann ich mich einfach nicht auf Mord und Totschlag konzentrieren!“
Ellen strich ihm zärtlich übers zerzauste Haar. „Dann denk nicht so oft an mich.“
„Wie könnte ich das!“ Fabian zog sie inniger an sich, und der alte Fischer drehte sich diskret zur Seite. Er hatte das Paar aus Deutschland gerade auf einen Felsen aufmerksam machen wollen, den die Einheimischen „den Adler“ nannten, doch die beiden hatten wohl jetzt wenig Sinn für bizarre Felsformationen...
Der alte Mann lächelte in der Erinnerung an seine eigene Jugend. Wie oft war er mit seiner Magdalena um die Insel gesegelt... Und wie oft hatten sie in einer kleinen verschwiegenen Bucht geankert...
Er nahm sich vor, dem sympathischen Deutschen den Tipp mit der Bucht zu geben, wenn sie wieder an Land waren. Wenn er gut zahlte, konnte er das Boot auch ruhig allein für ein paar Stunden haben. Er durfte sich nur nicht allzu weit von St. Angelo entfernen, denn die unterirdischen Klippen waren gefährlich...
Zunächst jedoch gab genossen sie die Sonne, den Fahrtwind – und den Blick vom Meer auf die berühmte Aragoneserburg.
„Die muss ich unbedingt von innen sehen“, erklärte Fabian. „Ich hab da schon eine Romanidee...“
„Dann lass uns doch hier Rast machen“, schlug Ellen vor, und wenig später schlenderten sie durch Porto, während ihre alter Bootsführer mit ein paar Kollegen ein Glas Rotwein auf das Wohl der beiden jungen Leute trank.
„Wollen wir die Burg gleich jetzt besichtigen?“ Fragend sah Ellen zu ihrem Freund auf.
„Lieber ein andermal. Ich glaube, das hielte uns zu lange auf. Schließlich wartet das Boot am Hafen.“
Sie tranken noch einen Espresso, dann kehrten sie zu dem alten Luigi zurück – der sie mit einer Flasche Wein empfing. „Der beste der ganzen Region“, sagte er. „Von meinem alten Freund Gianni gekeltert. Für Sie beide.“
„Danke, das ist sehr liebenswert von Ihnen.“ Ellen war froh, dass sie wenigstens ein paar Sätze Italienisch konnte und so eine – wenn auch eingeschränkte – Unterhaltung möglich war.
Die Sonne neigte sich schon dem Horizont entgegen, als sie endlich wieder in St. Angelo eintrafen.
„Zu mir oder zu dir?“, fragte Fabian, als sie das Boot verlassen hatten.
„Zu mir. Da ist mehr Platz“, meinte Ellen.
„Aber in meinem Zimmerchen ist es romantischer. Die Lichter des Hafens, der Geruch des Meeres... und wenn wir Glück haben, spielt einer der Männer auf der Gitarre.“
„Du bist wirklich ein hoffnungsloser Romantiker“, lachte Ellen, doch es war ihr gerade recht, dass Fabian so war.
Sie verbrachten eine Nacht voller Zärtlichkeit, und am Morgen frühstückten sie in einer Bar gleich unterhalb des Hotels. Doch sie blieben nur zehn Minuten ungestört, dann betrat die Filmcrew das kleine Lokal und erfüllte es mit Leben und Hektik.
„Hallo, so sieht man sich wieder!“ Ehe er es verhindern konnte, war Janine auf Fabian zugeeilt und umarmte ihn. Dann wandte sie sich Ellen zu. „Hey, ich bin Janine, eine gute Bekannte von Fabian.“
„Aha.“ Ellen konnte sich nur mit Mühe beherrschen, ihre Augen schossen Blitze, und angespannt sah sie der rassigen Schwarzhaarigen nach, die jetzt zu ihren Kollegen zurückging und mit ihnen gestenreich diskutierte.
„Das ist eine junge Schauspielerin. Wir haben uns durch Zufall auf der Straße kennen gelernt“, sagte Fabian, und er hörte selbst, wie lahm seine Erklärung klang.
„Auf der Straße. Interessant.“ Ellen zuckte mit den Schultern. „Schade, dass ich nie so tollen Leuten begegne.“ Sie trank ihren Kaffee aus und erhob sich. „Ich muss jetzt weiterarbeiten.“
„Ich begleite dich zur Villa.“ Fabian hatte einen Knoten in der Brust, er ahnte, dass Ellen im Augenblick besonders empfindlich war, deshalb bemühte er sich, die Bekanntschaft mit der jungen Schauspielerin nicht mehr zu erwähnen.
In der Villa empfing Miriam sie voller Aufregung. „Stellt euch vor, was passiert ist!“ Ihre Augen leuchteten. „Wir bekommen ganz hohen Besuch! In drei Tagen schon treffen sie ein!“
„Wer denn?“, erkundigten sich Ellen und Fabian wie aus einem Mund.
„Zwei der bekanntesten italienischen Schauspieler, dazu ein Sänger und ein amerikanischer Jazzkomponist. Im Hotel geht es zu wie in einem Bienenschwarm.“ Sie wandte sich an Ellen. „Könntest du mir helfen? Ich brauche unbedingt jemanden, der mir bei der Organisation hilft. Das Team des Hotels ist damit überfordert.“
„Aber ich...“
„Du kannst das! Du kannst Plakate entwerfen, Tischkarten gestalten, ein paar Deko-Tipps geben... Ich brauche dich!“
„Na gut, einverstanden.“ Ellen lächelte. „Dann lass uns gleich an die Arbeit gehen, sonst drehst du noch völlig durch.“
„Ach was, das passiert nicht. Aber ich will mich damit unbedingt profilieren. Mein Chef ist zu krank, um sich um alles zu kümmern. Jetzt ist meine Chance da!“ Miriams Wangen glühten vor Aufregung, und Ellen ließ sich von ihrer Begeisterung nur zu gern anstecken.
Vergessen war die schwarzhaarige Janine, und ihr kleiner Eifersuchtsanfall erschien ihr bedeutungslos. Sie verabschiedete sich mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss von Fabian, der froh war, dass alles wieder in Ordnung war zwischen ihnen.
„Dann viel Erfolg euch beiden. Ich geh zurück in meine Dichterklause“, lachte er.
„Lass dir viele gruselige Dinge einfallen“, meinte Miriam, dann zog sie Ellen schon mit sich in ihr Büro, wo sie bereits mit den ersten Plänen für ein Dinner auf der weinumrankten Terrasse am Meer begonnen hatte.
Bald waren die Freundinnen in die Arbeit vertieft, und Ellen freute sich, dass sie Miriam mit ausgefallenen Ideen unterstützen konnte.
Fabian ging zu seinem kleinen Hotel zurück, doch kaum war er dort angekommen, trat Janine auf ihn zu.
„Das ist ja schon schicksalhaft“, lachte sie. „Wir laufen uns immer wieder über den Weg. Wenn das nichts zu bedeuten hat...“ Sie hakte sich ungeniert bei ihm ein. „Ich hab Durst auf ein Glas Wein. Trinkst du mit mir? Allein macht’s keinen Spaß!“ Ganz ungeniert war sie zum Du übergegangen, und Fabian hatte dem nichts entgegenzusetzen. Janines Schönheit war verwirrend, und sie setzte ihre Reize sehr gezielt ein. Fabian wäre kein Mann gewesen, wenn er sich nicht von ihrem Interesse geschmeichelt gefühlt hätte.
Janine triumphierte, als er ihr in dem kleinen Bistro gleich neben dem Hotel gegenübersaß und eine Karaffe Wein bestellte. Der gut aussehende Deutsche gefiel ihr. Seit Wochen war Janine solo – ein Zustand, der sie unruhig machte.
Vom Filmteam war niemand so interessant, dass sich ein Flirt gelohnt hätte. Da war Fabian schon reizvoller. Und als sie erfuhr, dass er Journalist war, war es passiert: Janine beschloss, dass dieser Mann viel für sie – und ihre Zukunft tun konnte. Während der Dreharbeiten konnte er ihr die Zeit vertreiben, denn allzu viele Unterhaltungsmöglichkeiten bot Ischia nicht. Und ansonsten... sie wollte ihn schon dazu bringen, ein paar tolle Artikel über die begabte und wunderschöne Nachwuchs-Schauspielerin Janine Johnsen zu schreiben...
Nach dem zweiten Glas Wein wurde Fabian lockerer. Er ließ sich von Janines guter Laune anstecken, amüsierte sich über die Geschichten, die sie von den Dreharbeiten erzählte, und als es Mittag wurde, geschah es wie von selbst, dass sie St. Angelo verließen.
„Ich hab heute keine Szene mehr zu drehen“, hatte Janine erklärt, „und würde so gern mal rüber nach Capri fahren. Kommst du mit? Allein macht so ein Ausflug doch keinen Spaß.“
„Aber ich... ich muss arbeiten!“
Doch Janine lachte nur. „Arbeiten kannst du später noch. Du bist doch dein eigener Herr. Also komm, sei nicht spießig! Es wird sicher amüsant.“
Nur noch kurz zögerte Fabian, er dachte an Ellen, sah ihr zartes liebes Gesicht... aber dann war Janine wieder präsent mit ihrer überschäumenden guten Laune und einem Temperament, dem er einfach nichts entgegenzusetzen hatte.
„Was ist schon dabei“, murmelte er vor sich hin. „Sie ist eine flüchtige Bekannte, mehr nicht.“ Doch so oft er sich das auch klar zu machen versuchte – sein Gewissen war damit nicht zu beruhigen.
Und so betrat er das Schiff, das ihn und Janine nach Capri bringen sollte, mit höchst gemischten Gefühlen...
Doch Janine wusste, was sie tun musste, um einen Mann zu umgarnen. Sie wollte Fabian – und sie würde ihn bekommen!
Auf der Fahrt tranken sie Wein, und als Capri erreicht war, fühlte Fabian sich ein wenig benommen. „Meine Güte, was war das für ein Wein?“, fragte er und griff sich an den Kopf. „Ich kann doch sonst einiges vertragen... dieses Getränk aber hatte es in sich.“
Janine lachte. „Das macht die Sonne“, erklärte sie. „Aber komm, wenn wir an Land sind, geht es dir bestimmt gleich viel besser.“ Sie legte den Arm um seine Taille, dabei war sie darauf bedacht, ihn ihre Rundungen sehr deutlich spüren zu lassen.
Fabian versuchte sich vorsichtig aus ihrem Griff zu befreien, doch es gelang nicht. Und so schlenderte sie durch den Ort, dessen Straßen und Gässchen alle auf die berühmte Piazzetta münden.
„Wollen wir zum Kaiserpalast des Tiberius?“, erkundigte sich Fabian, der sich mit der gesamten Gegend bestens vertraut gemacht hatte.
Janine winkte ab. „Geh mir weg mit Geschichte und Kultur. Ich denke, wir wollen Spaß haben! Erst will ich zur Blauen Grotte, dann schauen wir mal, wie wir den Tag beenden. Ich bin sicher, dir fällt was Schönes ein.“ Dabei hob sie sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm kleine Küsse auf den Mund.
„Nicht, Janine, ich bin in festen Händen“, wehrte Fabian ab und schob sie von sich.
Schmollend sah sie ihn an. „Das ist doch kein Grund, so hässlich zu mir zu sein! Aber von mir aus... tun wir eben wie Brüderlein und Schwesterlein.“ Sie nahm seine Hand und zog ihn weiter.
Nach dem Besuch der Blauen Grotte kehrten sie in einem Lokal ein, in dem es köstlichen fangfrischen Fisch gab. Dazu kühlen Weißwein, dem Janine immer intensiver zusprach.
Sie lachte ausgelassen, und auch Fabian ließ sich von ihrer Unbekümmertheit anstecken. Was war denn schon dabei, wenn er sich mal ohne Ellen amüsierte?
Nichts. Es war alles ganz harmlos.
Das dachte er auch noch, als Janine ihn zum Tanzen in einer kleinen Taverne aufforderte...
Die Mandolinenklänge hüllten sie ein wie ein Schleier. Lampions hingen in den alten Bäumen und erhellten die Tanzfläche nur ganz intim. Der Duft von Bougainvillea mischte sich mit dem des späten Jasmin, und ganz vom Ende des großen Gastgartens her wehte Zitronenduft.
Janine lag in Fabians Armen. Sie hielt die Augen geschlossen und schien ganz der Melodie hingegeben. Fabian musste sich beherrschen, um sie nicht zu küssen. Zu schön sah sie aus, die rassige Schauspielerin. Ihr roter Mund war eine einzige Verlockung, die langen seidigen Wimpern warfen Schatten auf die Haut der hohen Wangenknochen und...
„Nun küss mich doch endlich“, flüsterte Janine, die ihn blinzelnd beobachtet hatte. Und als er immer noch zögerte, schlang sie die Arme um ihn und zog ihn tiefer in den Garten hinein, der direkt zum Strand führte.
Fabian folgte wie im Rausch – und erst als sie sich leise lachend in den noch warmen Sand fallen ließ, kam er wieder zu sich.
Was tat er da? Sein Puls raste, sein Herz klopfte wie wild, und die schöne Frau in seinen Armen weckte Begehren. Sie war faszinierend, die grünen Augen versprachen ihm alles, der rote Mund war leicht geöffnet, so, als warte sie auf seinen Kuss. Sie war die Verführung pur, und doch... er schob sie sacht von sich. „Sorry, Janine, aber das geht zu weit.“ Er stand auf, und sie sah aus brennenden Augen zu ihm auf.
„Was hast du denn? Willst du mich nicht?“ Sie lachte leise. „Komm schon, es ist eine so schöne Nacht! Wie gemacht für die Liebe...“
Liebe. Das war das Zauberwort, das ihn vollends zur Besinnung brachte. Er liebte Ellen. Und zur Liebe gehörte auch Treue. Dieser süße Rausch, in den Janine ihn versetzt hatte... er durfte einfach nicht sein!
„Komm, wir gehen zum Restaurant zurück“, sagte er. „Vielleicht geht sogar noch ein Schiff heim nach Ischia.“
„Ich will aber nicht nach Ischia!“ Trotzig stampfte Janine mit dem Fuß auf. „Ich will hier bleiben. Mit dir! Ich find dich so süß!“ Wieder versuchte sie ihn zu umarmen, doch jetzt war Fabian wieder vollkommen nüchtern und wich ihr aus.
Behutsam, um sie nicht zu verletzen, zog er sie an der Hand zurück in die Helligkeit des Lokals. „Wir können Freunde sein, Janine“, sagte er eindringlich, „aber nicht mehr. Ich liebe Ellen, nur sie. Und glaub mir, ich werde sie nie, nie im Leben betrügen!“
„Du elender Spießer! Schieß in den Wind!“ Fauchend wie eine Wildkatze machte Janine sich los, rannte davon – eine enttäuschte Frau, die den Rest der Nacht damit verbrachte, Rachegedanken nachzuhängen.
Fabian trank noch zwei Tassen Espresso, um auch die letzten Alkoholnebel aus seinem Kopf zu vertreiben, dann wartete er in einer Ecke der überdachten Restaurantterrasse auf den nächsten Morgen.
Gleich mit dem ersten Schiff wollte er nach Ischia zurückfahren, und er hoffte aus ganzem Herzen, dass Ellen nicht erfuhr, dass er sich auf diesen Ausflug mit Janine eingelassen hatte.
Als die Sonne aus dem Meer aufstieg, strich sich Fabian müde über die Augen. Er hatte kaum einen Blick für die Naturschönheiten, all seine Sinne waren darauf konzentriert, zurück zu Ellen zu kommen.
Als das erste Schiff den Hafen verließ, stand er draußen an der Reling und starrte in die Wellen. Janine Johnsen hielt sich im Innern des Schiffes auf, sie fror in der kühlen Morgenluft, außerdem war sie immer noch wütend auf Fabian.
Inzwischen hatte sich zwar der Weinrausch verflüchtigt, doch Janine hatte auch in der Nacht genau gewusst, was sie tat. Sie wollte diesen Mann. Sie wollte in seinen Armen liegen, von ihm geliebt werden... Schon lange hatte sie niemanden mehr so begehrt. Und jetzt hatte er sie zurückgewiesen! Erniedrigt kam sie sich vor. Billig und hässlich.
Und sie malte sich immer und immer wieder aus, was sie tun würde, um Fabian zu schaden.
Als das Schiff den Hafen von Porto erreichte, sprang Fabian als Erster vom Boot. Er drehte sich nicht einmal nach Janine um, sondern winkte ein Taxi herbei, das ihn nach St. Angelo bringen sollte.
Der kleine, sonst so verträumt wirkende Ort wirkte wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm. Menschen hetzten durch die Straßen, am Hafen lagen drei große Yachten, Touristenbusse, ein bekanntes Bild, hupten wie wild, weil die Straßen verstopft waren.
„Was ist denn los?“, fragte Fabian seinen Taxifahrer.
„Sophia ist endlich mal wieder da“, erklärte dieser. „Und sie hat zwei Freundinnen mitgebracht. Und drei junge Schauspieler, die Weltkarriere gemacht haben.“
„Aha.“ Fabian zuckte nur mit den Schultern. „Was ist denn so Weltbewegendes daran?“
„Aber Signore!“ Der Taxifahrer schüttelte den Kopf. „Sophia Loren hat seit Jahrzehnten eine Villa hier auf der Insel. Und sie hat endlich mal wieder Freunde mitgebracht. Das ist eine große Ehre für uns! Das Hotel „Bella Vista“ wird seit drei Tagen auf Hochglanz gebracht. Dort werden einige der Schauspieler wohnen und...“
„Ach ja, ich weiß!“ Fabian schlug sich an die Stirn. „Eine Bekannte von mir hat es erzählt.“ Er zögerte kurz, dann sagte er: „Fahren Sie mich bitte zur Villa Miriam.“
„Aber gern.“ Sein Fahrer tippte kurz an die nicht vorhandene Mütze, dann trat er das Gaspedal noch ein bisschen tiefer durch.
Ellen und Miriam waren bereits wieder mit Planungen des großen Events beschäftigt, als Fabian eintraf.
„Hallo, Liebling.“ Ellen küsste Fabian ein wenig unkonzentriert. „Wie war’s gestern? Hast du die Szene geschafft? Ich hab mal bei dir anzurufen versucht, doch du warst nicht im Hotel. Hast du dir am Hafen einen Entspannungsdrink gönnen können?“ Sie schaute ihn mit einem zärtlichen Lächeln an, und der Mann bekam erneut Gewissensbisse.
„Ich... ich bin leider nicht fertig geworden. Aber wie geht’s denn bei euch? Ich hab gar nicht gewusst, wie viel Wirbel das Auftauchen von ein paar Filmstars verursachen kann.“
„Das sind Weltstars“, korrigierte Miriam, „und ihr Kommen ist schon etwas ganz Besonderes für die Insel. Aber – wir sind ein gutes Stück weiter gekommen, Ellen und ich. Schau dir nur ihre Entwürfe für die Speisekarten an! Und die Deko-Vorschläge... einzigartig, nicht?“
„Sehr schön.“ Fabian sah nur flüchtig auf die Illustrationen. „Ich geh dann wieder, wenn ihr beschäftigt seid.“
Ellen legte ihm zärtlich die Hand an die Wange. „Nicht böse sein, aber ich kann Miriam jetzt nicht im Stich lassen.“
„Das versteh ich doch. Bis später dann.“
„Bis später“, klang es zweistimmig zurück – und er war für die beiden Frauen Nebensache. Sie waren wieder ganz auf ihre Arbeit konzentriert.
Fabian atmete insgeheim auf. Ellen hatte also nicht bemerkt, dass er die Nacht über nicht in seiner Pension gewesen war. Ein Glück! Mit neuem Schwung kehrte er in sein Zimmer zurück, und jetzt endlich fiel ihm auch die Schlüsselszene seines Romans ein! Er arbeitete wie besessen, und es war schon Nachmittag, als er endlich eine Pause machte.
In der kleinen Taverne links von der Pension aß er eine Kleinigkeit, und gerade als er sich einen zweiten Espresso bestellte, bemerkte er Ellen, die gerade aus Miriams Wagen stieg und auf ihn zukam.
Doch sie hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als eine rauchige Frauenstimme von weitem rief: „Fabian, Liebling! Wie schön, dass du schon auf mich wartest!“
Ellen stockte mitten im Laufen. Aus weit aufgerissenen Augen sah sie, wie eine rassige schwarzhaarige Schönheit auf Fabian zuging, die Arme um ihn legte und ihn küsste.
Und Fabian... er sprang auf und...
„Nein!“, schrie Ellen unterdrückt auf, dann drehte sie sich um und hetzte in die Richtung zurück, aus der sie soeben gekommen war. Leider war Miriams Wagen schon nicht mehr zu sehen, also musste sie den Weg zur Villa zu Fuß zurücklegen.
Fabian stand sekundenlang wie erstarrt, dann riss er mit einem Ruck Janines Hände von seinen Schultern. „Sag mal, was fällt dir denn ein?“, herrschte er sie an. „Was soll das Theater?“
„Ich wollte dich liebevoll begrüßen. Wie einen guten Freund.“ Sie spielte die Unschuldige alles andere als überzeugend. „Schließlich hast du mir doch vorgeschlagen, dass wir Freunde sein können, oder?“
„Von mir aus. Aber das heißt doch nicht, dass du mich so begrüßt!“
Janines grüne Augen schossen Blitze. „Das würde ich normalerweise auch nicht tun, mein Lieber. Aber ich glaube, gerade als ich dich küsste, stieg deine kleine blonde Freundin aus einem Wagen.“ Sie drehte sich um und hob die Hand. „Dann viel Spaß beim Versöhnen!“
„Du niederträchtiges Biest!“ Fabians Stimme überschlug sich. „Das verzeihe ich dir nie!“
„Mir doch egal“, zischte Janine. Was er von ihr hielt, war ihr völlig gleichgültig. Wichtig war nur, dass sie ihre Rache gehabt hatte. Und wenn sie auch noch so billig war – wirkungsvoll war sie gewesen! Das hatte man an der Reaktion dieses blonden Mäuschens genau gesehen!
Fabian warf ein paar Eurostücke auf den Tisch, dann eilte er Ellen nach, so rasch er konnte. Doch als er das Grundstück erreicht hatte, fiel gerade die Haustür der Villa Miriam ins Schloss. Und so laut er auch klingelte und Ellens Namen rief – sie reagierte nicht.
Fabian war verzweifelt, er konnte sich vorstellen, was Ellen jetzt durchlitt. Wieder musste sie das Gefühl haben, betrogen worden zu sein. Und dass sie darauf mehr als sensibel reagierte, konnte er nur zu gut verstehen.
In seiner Verzweiflung fuhr er zu dem Hotel, in dem Miriam arbeitete. Doch die Direktionsassistentin hatte alle Hände voll zu tun. Vor zwei Stunden waren die VIP-Gäste eingetroffen. Miriam hatte keine Zeit für private Dinge.
„Ich muss dich sprechen“, stieß Fabian verzweifelt hervor. „Ellen glaubt, ich hätte sie betrogen – aber das ist ein Irrtum. Eine Intrige, die ich...“
„Keine Zeit, Fabian. Tut mir Leid.“ Miriam schob ihn zur Seite, denn gerade kam der amerikanische Jazzsänger auf sie zu, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. „Dear Miriam, wie schön, dass Sie Zeit für mich haben...“
„Miriam, bitte...“, flehte Fabian.
Doch sie sagte nur: „Ich frage mich, wie Ellen so einen Verdacht äußern kann. Und ich frage mich, ob du wirklich so unschuldig bist, wie du tust.“ Dann wandte sie sich voll konzentriert an ihren Gast, dessen Charme sie mehr beeindruckte, als sie sich eingestehen wollte.
Fabian blieb nichts anderes übrig als sich zurückzuziehen, wenn er sich nicht lächerlich machen wollte. Er war verzweifelt, denn ihm war klar, dass er Ellen nicht so rasch würde besänftigen können.
Und wirklich – als er sie endlich in der Villa Miriam antraf, öffnete sie ihm nicht einmal die Tür.
„Lass mich in Frieden, das ich alles, was ich noch von dir will“, rief sie und schlug das kleine Fenster neben der Haustür zu.
„Bitte, Ellen, das ist doch alles ganz anders! Ein Missverständnis, eine Gemeinheit von Janine! Ich hab sie abblitzen lassen, deshalb wollte sie…“
„Janine. Aha. Du duzt fremde Frauen, die dich angeblich nicht interessieren. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ Ihre Stimme klang dumpf durch die Tür, doch Fabian war sicher, Tränen daraus zu hören.
Aber was immer er auch unternahm – Ellen verweigerte ihm eine richtige Aussprache.
Verzweifelt kehrte er schließlich in sein Hotel zurück. An Arbeit war nicht mehr zu denken, und so setzte er sich in eine Ecke der kleinen rückwärtigen Terrasse und trank abwechselnd Grappa und Wein. So lange, bis auch der letzte Gedanke an Ellen vertrieben war…
Auch Ellen versuchte mit der Situation fertig zu werden, doch sie kompensierte ihren Frust, indem sie wütend einen Flug zurück nach Deutschland buchte. Sie musste weg von der Insel, und zwar so schnell wie möglich.
Miriam kehrte erst lange nach Mitternacht in ihre Villa zurück, strahlend vor Glück, doch auch total erschöpft. Sie wunderte sich kein bisschen, Ellen noch wach vorzufinden. „Es ist einfach herrlich!“, rief sie, streckte sich auf dem champagnerfarbenen Leinensofa aus und legte die Arme in den Nacken. „Dieser Mann ist einfach umwerfend! Nicht nur, dass er ein blendender Musiker ist, nein, Nick ist auch der tollste Mann, den ich je kennen gelernt habe. Morgen fahren wir nach Capri, da hat er einen Auftritt. Komm doch mit!“ Erst jetzt sah sie Ellen genauer an und runzelte die Stirn. „Was ist passiert?“
„Nichts. Nur, dass ich persönlich nichts mehr von Männern wissen will. Sie sind doch alle gleich – lügen und betrügen dich, kaum dass du ihnen den Rücken zugedreht hast.“ Ellen biss sich auf die Lippen, um durch den Schmerz die erneut aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.
„Sag mir, was los ist.“ Miriam setzte sich zu ihr, und da konnte Ellen sich einfach nicht länger beherrschen – schluchzend erzählte sie, was sie beobachtet hatte.
„Der Kerl ist für mich gestorben“, schloss sie.
Miriam gähnte verhalten. „Irgendwie kommt mir das alles ziemlich konfus vor“, meinte sie. „Es passt gar nicht zu Fabian, dass er einen seichten Flirt riskiert. Er liebt dich doch!“
„Liebe! Pah! Das ist für ihn höchstens ein Wort in einem seiner Romane. Aber nicht mal da, schließlich schreibt er Krimis!“ Ellen schüttelte den Kopf. „Nein, dieser Mann ist aus meinem Leben gestrichen – für immer!“
Miriam war viel zu müde – und viel zu verliebt – um jetzt noch eine Grundsatzdiskussion um die Treue der Männer im allgemeinen – und die von Fabian Kettwig im besonderen zu führen. Sie umarmte die Freundin und sagte: „Schlaf mal drüber. Morgen sieht alles bestimmt schon ganz anders aus.“
Ellen erwiderte nichts, doch ihr war jetzt schon klar, was sie am nächsten Morgen tun würde: nämlich abreisen!
Sie packte die ganze Nacht hindurch, kochte für Miriam ihr berühmtes Kaninchengulasch – und hinterließ gleich neben dem Kochtopf einen Zettel: „Es geht nicht anders, ich muss einfach fort aus seiner Nähe. Sei mir nicht böse – und genieße deine junge Liebe. Vielleicht hast du mehr Glück als ich. Ich melde mich aus Deutschland – Ellen.“
Miriam schlief noch tief und fest, als Ellen sich ein Taxi zum Hafen bestellte. Mit der ersten Fähre, die nach Neapel ging, verließ sie Ischia. Nicht einen Blick warf sie zurück. Sie stand mit starrem Gesicht an der Reling und schaute zum Vesuv hinüber, über dessen Gipfel ein kleiner Wolkenkegel schwebte.
Heiß wie Lava, so brannte die Enttäuschung in Ellen, und sie war in diesen Stunden viel zu verbittert, um Fabian auch nur eine kleine Chance zu geben, den Vorfall zu erklären.
Am Flughafen von Neapel herrschte die übliche Hektik, und Ellen bahnte sich nur mühsam ihren Weg durch die aufgeregt schwatzenden Touristen und die leicht gestresst wirkenden Geschäftsleute, die trotz der drückenden Hitze in Anzug und Krawatte herumgingen.
„Den schnellsten Flug nach Deutschland bitte“, sagte sie zu der Angestellten am Lufthansa-Schalter, und es war ihr völlig egal, dass diese Maschine nach Hannover ging und sie eine längere Heimreise als geplant vor sich hatte.
Erst im Flieger entspannte sie sich ein bisschen, und hoch oben über den Wolken dachte sie zum ersten Mal darüber nach, ob sie Fabians Rechtfertigungsversuch nicht doch zu rasch abgeschmettert hatte.
„Egal, das Kapitel ist abgeschlossen“, murmelte sie vor sich hin und warf dem jungen Mann auf dem Nebensitz einen vernichtenden Blick zu.
„Nun beißen Sie mich nicht gleich“, lächelte Sven Evers, „ich wollte Ihnen doch nur eine Illustrierte anbieten.“
„’schuldigung.“ Ellen wandte sich ihm langsam zu. „Ich… ich war in Gedanken.“
„Hab ich gemerkt. Und ich möchte nicht in der Haut desjenigen stecken, an den Sie gerade gedacht haben.“ Er winkte der Stewardess, die gerade vorüberging. „Bitte, bringen Sie uns zwei Gläser Champagner.“
„Aber… ich will nicht mit Ihnen trinken“, wehrte Ellen ab.
„Ein Glas – nehmen Sie es als Medizin gegen Kummer, Frust oder sonst was.“ Er lächelte ihr charmant zu. „Ich jedenfalls trinke auf unsere Bekanntschaft.“
Mit freundlichem Lächeln servierte die Stewardess die beiden Gläser Champagner, die Sven Evers geordert hatte.
„Dann lassen Sie uns auf unsere Bekanntschaft trinken“, meinte Sven und hob sein Glas. „Auf einen guten Flug – und aufs Vergessen.“ Er nickte Ellen aufmunternd zu. „Was immer Sie belastet, denken Sie für eine Stunde mal nicht dran.“
„Leichter gesagt als getan“, seufzte Ellen und trank ihm kurz zu.
„Ein Mann, hm?“
„Leider. Ich wünschte, es wäre Ärger im Job. Oder ein verpatzter Urlaub. Aber es ist wieder mal ein Mann. Ein untreuer natürlich“, fügte sie bitter hinzu. „Ach, warum erzähl ich Ihnen das überhaupt?“, fauchte sie im nächsten Moment.
Sven lächelte. „Weil es gut tut, sich den Kummer von der Seele zu reden.“
„Was Sie nicht sagen! Sie scheinen ja über unheimlich viel Lebenserfahrung zu verfügen.“ Sie rettete sich in Ironie, das half erfahrungsgemäß immer.
Doch an dem Mann prallte sie ab. Er nickte nur, auf einmal sehr ernst. „Ja. Als ich meine Frau vor einem halben Jahr verlor, war ich froh, zwei gute Freunde zu haben, mit denen ich reden konnte. Aber... auf einem Flug nach New York saß eine alte Dame neben mir, der ich irgendwann alles erzählt habe – und ob Sie es glauben oder nicht, danach fühlte ich mich besser.“
„Das... das tut mir Leid“, stammelte Ellen, um sich im nächsten Moment verlegen zu verbessern: „Das mit Ihrer Frau natürlich, nicht, dass Sie sich besser fühlen. Ach, ich rede Unsinn!“
Sven schüttelte den Kopf. „Aber nein, ich hab schon richtig verstanden. Und jetzt möchte ich gern hören, was Sie so traurig macht.“
Nach und nach erfuhr er die Geschichte, und als Ellen schwieg, waren sie schon im Landeanflug auf Hamburg begriffen. „Ich will ihn nie wiedersehen“, schloss Ellen. „Der Typ ist für mich gestorben.“
„Vielleicht tun Sie ihm Unrecht“, meine Sven. „Schließlich hatte er ja nicht einmal Gelegenheit, sich zu rechtfertigen.“
„Ich hab Augen im Kopf. Und was ich gesehen habe, genügte vollkommen.“ Ellen biss sich auf die Lippen. „Und jetzt möchte ich nicht mehr darüber reden. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.“
„Ich weiß auch einen Rat: Sie müssen sich ablenken. Am besten mit Arbeit.“ Sven lächelte. „Ich habe mich gar nicht richtig vorgestellt: Sven Evers, Leiter der Designabteilung der Porzellanfirma Dahlmann & Co. Schicksalhafte Fügung, oder?“
„Wie meinen Sie das?“
Der Mann lächelte. „Na, Sie brauchen eine neue Aufgabe, ich ein paar frische Ideen... Was halten Sie davon, dass Sie ein paar Wochen für uns arbeiten?“
„In Hamburg?“
„Wenn Sie möchten – gern. Aber Sie können auch von zu Hause aus arbeiten und mir die Entwürfe zusenden.“
Ellen zögerte nur kurz. „Hamburg... das wäre verlockend, aber es geht nicht. Ich muss meine Illustrationen im Verlag abgeben und...“
„Verstehe. Kein Problem. Sie kommen mit mir in die Firma, ich erkläre Ihnen ein paar wesentliche Dinge – dann schicken Sie mir die Entwürfe einfach zu. Anschließend sehen wir weiter.“
„Dass ist ja eigentlich mehr als ein Zufall“, meinte Ellen, und sie spürte, wie ihr Kopf wieder freier wurde, wie die neue, reizvolle Aufgabe die Gedanken an Fabian verdrängte. Wenigstens für ein paar Minuten.
„Ich glaube an das Schicksal“, lächelte Sven. „Und ich vertraue meinem guten Stern.“ Er nahm Ellens Hand und drückte sie fest. „Wir mussten uns heute treffen, das ist gewiss.“
Sofort machte Ellen einen Rückzieher. „Das ist Quatsch. Wir sitzen nur gerade mal nebeneinander im Flieger... mehr ist nicht.“