Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieser Band enthält folgende Krimis: Kubinke und das Netz der Verschwörer (Alfred Bekker) Kommissar Jörgensen und das Messer (Alfred Bekker) Der Killer-Cop (Alfred Bekker) Falsche Heilige (Alfred Bekker) Sie sehen in der Dunkelheit (Ethel Lina White) Das Haus der Intriganten (Fred M. White) Mord hinter verschlossenen Türen (Anna Katharine Green) Es sieht wie ein schwerer Unfall aus. Es ist jedoch kein Unfall, sondern ein gut geplanter kaltblütiger Mord. Die Software der Limousinen wurde so manipuliert, dass der Täter jederzeit in der Lage ist, aus der Ferne den Wagen zu steuern, mit dem das vermeintliche Opfer gerade unterwegs ist. Doch welchen Grund hat der Mörder, Kommissare zu töten? Die Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier vom BKA nehmen die Ermittlung auf. Aber sind sie auf der richtigen Spur? Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1856
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
7 Mal Mord im Krimi Riesenpaket Frühling 2024
Copyright
Kubinke und das Netz der Verschwörer
Kommissar Jörgensen und das Messer
Der Killer-Cop
Falsche Heilige
Sie sehen in der Dunkelheit: Kriminalroman
Das Haus der Intriganten: Kriminalroman
Mord hinter verschlossenen Türen
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Kubinke und das Netz der Verschwörer (Alfred Bekker)
Kommissar Jörgensen und das Messer (Alfred Bekker)
Der Killer-Cop (Alfred Bekker)
Falsche Heilige (Alfred Bekker)
Sie sehen in der Dunkelheit (Ethel Lina White)
Das Haus der Intriganten (Fred M. White)
Mord hinter verschlossenen Türen (Anna Katharine Green)
Es sieht wie ein schwerer Unfall aus. Es ist jedoch kein Unfall, sondern ein gut geplanter kaltblütiger Mord. Die Software der Limousinen wurde so manipuliert, dass der Täter jederzeit in der Lage ist, aus der Ferne den Wagen zu steuern, mit dem das vermeintliche Opfer gerade unterwegs ist. Doch welchen Grund hat der Mörder, Kommissare zu töten?
Die Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier vom BKA nehmen die Ermittlung auf. Aber sind sie auf der richtigen Spur?
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Harry Kubinke Thriller
Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.
Es sieht wie ein schwerer Unfall aus. Es ist jedoch kein Unfall, sondern ein gut geplanter kaltblütiger Mord. Die Software der Limousinen wurde so manipuliert, dass der Täter jederzeit in der Lage ist, aus der Ferne den Wagen zu steuern, mit dem das vermeintliche Opfer gerade unterwegs ist. Doch welchen Grund hat der Mörder, Kommissare zu töten?
Die Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier vom BKA nehmen die Ermittlung auf. Aber sind sie auf der richtigen Spur?
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter
https://twitter.com/BekkerAlfred
Zum Blog des Verlags geht es hier
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
Kommissar Pascal Dettmer saß am Steuer seines grauen, unscheinbaren Chevrolets. Die Limousine war ein Dienstfahrzeug der Polizei in Rostock und Dettmer war jetzt auf dem Weg nach Hause. Es war Wochenende. Das erste freie Wochenende seit langem für Dettmer.
Die Straße machte eine scharfe Kurve. Dettmer spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Das Lenkrad des Chevys reagierte nicht, wie es sollte. Und außerdem waren da all die Lichter an den Armaturen, die plötzlich aufleuchteten, ohne dass es dafür anscheinend irgendeinen vernünftigen Grund gab.
Dettmer riss das Lenkrad herum.
Es reagierte nicht. Der Chevy raste auf die steile Böschung zu.
„Verdammt!”, zischte es zwischen Dettmers Lippen hindurch, die innerhalb der letzten drei Sekunden zu farblosen, geraden Strichen geworden waren. Dettmer trat mit aller Kraft auf das Bremspedal, obwohl das eigentlich nicht der Vorgehensweise entsprach, die man ihm beim Fahrtraining beigebracht hatte, das er während seiner Ausbildung beigebracht bekommen hatte, aber irgendetwas musste er tun.
Sekunden blieben ihm nun, um sich zwischen Alternativen zu entscheiden, die allesamt katastrophale Folgen haben würden.
Hart kam der Chevy gegen einen Baum. Verzweifelt hatte Dettmer versucht, diesem Baum auszuweichen, aber die Lenkung hatte so gut wie gar nicht reagiert, ebenso wie die Bremsen. Plötzlich fing die Musik im Radio an zu spielen. Es war Country Musik.
Dettmer stutzte. Er selbst konnte Country Musik auf den Tod nicht ausstehen. Das Gebläse heulte auf.
„Wenn du glaubst, dass du was Besseres bist, nur weil du jetzt einer Einheit für ganz besondere Fälle angehörst, dann irrst du dich”, hörte er in seinem Kopf die Stimme seines Kollegen Johannes Tong. Die Zeit erschien ihm eigenartig gedehnt. In diesen letzten Sekunden seines Lebens sah er sein bisheriges Leben in einer Art Zeitraffer vor sich. Er dachte daran, wie er die Gesamtschule verlassen hatte, wie er sich für die Polizei beworben und sie schließlich abgeschlossen hatte. Das Gesicht von Dariusz „Fatty” Monkow sah er vor sich, als dieser große Bandenchef begriffen hatte, dass ein Gericht in Rostock ihn gerade für den Rest seiner Tage in ein Gefängnis weggesperrt hatte. Das war einer seiner größten Fahndungserfolge gewesen …
„War es das alles wirklich wert?”, erinnerte er sich jetzt an eine andere Stimme. Es war die Stimme seiner Frau. Sie hatte diesen Satz zu ihm gesagt, nachdem Monkow verhaftet worden war und für Kommissar Pascal Dettmer und seine Familie damit eine lange Phase zu Ende ging, in der sie kein normales Leben hatten führen können. Sowohl Dettmer als auch seine Familie war rund um die Uhr zur eigenen Sicherheit überwacht worden, denn es hatte glaubhafte Informationen gegeben, dass Monkow Anschläge plante. Und das nicht nur auf Dettmer selbst, der für ihn so etwas wie ein Erzfeind war, sondern auch auf seine Familie.
„War es das wirklich wert, Pascal?”, echote die Frage seiner Frau erneut in seinem Kopf.
Damals hatte er diese Frage nicht verstanden. Und er hatte schon gar nicht verstanden, wieso sie ihm diese Frage zu einem Zeitpunkt gestellt hatte, als doch schon alles vorbei und Monkow verurteilt worden war.
Du hättest mir die Frage jetzt stellen sollen, dachte er.
Es war sein letzter klarer Gedanke. Der Wagen traf zwar wie durch ein Wunder nicht mit voller Wucht gegen den Baum, auf den er bis dahin zugerast war, sondern wurde nur seitlich touchiert, aber dann schleuderte der Chevy einen Moment später frontal auf einen Felsbrocken.
Es wurde dunkel um Pascal Dettmer.
„Guten Morgen, setzten Sie sich”, sagte Kriminaldirektor Hoch. Er deutete mit einer knappen Geste auf die vorhandenen Sitzgelegenheiten und ließ die Hände dann in den weiten Taschen seiner Flanellhose verschwinden. Der Leiter des BKA musterte uns kurz und wartete, bis Rudi und ich uns gesetzt hatten.
In diesem Augenblick ging die Tür auf.
Frau Dorothea Schneidermann, die Sekretärin unseres Chefs, kam herein. Und in ihrem Gefolge betrat eine Frau mit asiatisch geprägten Gesichtszügen den Raum. Es handelte sich um Dr. Lin-Tai Gansenbrink, die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Ermittlungsteams Erkennungsdienst aus Quardenburg, das Rudi und mir seit unserer Beförderung zu Kriminalinspektoren bei unseren Ermittlungen zur Verfügung steht, wenn die lokalen Kapazitäten dafür quantitativ oder qualitativ nicht ausreichen.
Dr. Gansenbrink hier in Berlin in der BKA Zentrale zu sehen, überraschte mich allerdings. Normalerweise hatte Gansenbrink ihren Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten in Quardenburg, ungefähr eine Dreiviertelstunde von Berlin entfernt. Und für gewöhnlich gab es auch selten einen Grund für die hochbegabte Expertin, den Komplex in Quardenburg zu verlassen, zumal ihr dann immer ein wichtiges Werkzeug fehlte: Die hochmodernen Computer, die ihr dort nämlich zur Verfügung standen.
„Schön, dass Sie sich herbemüht haben, Dr. Gansenbrink“, begrüßte Kriminaldirektor Hoch die IT-Expertin.
„Ich habe bereits ...“, begann sie, aber unser Chef unterbrach sie sofort.
„Warten Sie einen Moment und setzen Sie sich, Dr. Gansenbrink! Harry und Rudi sind mit den Einzelheiten des Falls noch nicht vertraut, und ich denke, wir sparen eine Menge Zeit, wenn die beiden zumindest wissen, worum es bei der ganzen Angelegenheit überhaupt geht.“
„Ja.“ Gansenbrink nickte uns zu und setzte sich dann ebenfalls.
„Es geht um den Mord an unseren Kollegen Kriminalhauptkommissar Pascal Dettmer aus Rostock”, erklärte Kriminaldirektor Hoch. „Sie werden vielleicht von seinem Tod gehört haben. Die Medien haben darüber berichtet. Vielleicht wundern Sie sich, dass ich von Mord spreche, wo doch bisher die Version verbreitet wurde, dass Kommissar Dettmer Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls wurde. Aber inzwischen hat sich, auch Dank der Mithilfe von Dr. Gansenbrink, die Beweislage geändert. Es liegen Erkenntnisse vor, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, und zwar durch Manipulationen an der Software des Wagens.”
„Ich möchte dazu sagen, dass ich bisher nur beratend aus der Ferne für die ermittelnden Kollegen tätig gewesen bin”, sagte jetzt Dr. Gansenbrink. „Um definitiv etwas zur Beweislage zu sagen, müsste ich selbst …”
„Dazu werden Sie ja Gelegenheit haben, Dr. Gansenbrink”, unterbrach sie Kriminaldirektor Hoch erneut. Er wandte sich wieder an uns. „Vor kurzem kursierten Meldungen in den Medien, wonach es Hackern gelungen sei, das elektronische Innenleben von Fahrzeugen quasi zu übernehmen. Insbesondere bei modernen Fahrzeugen, die über ein GPS-Signal verfügen und eine eigene Online-Verbindung aufbauen, ist das erschreckenderweise möglich. Sie brauchen nur einen Computer dafür oder wahlweise auch ein Smartphone. Sämtliche elektronisch unterstützten Systeme können dann theoretisch aus tausend Meilen Entfernung von einem Hacker gesteuert werden. Das gilt für die Bremsen, die Schlösser, das Radio, die Lenkung, das ABS-System, die Auslösung der Airbags …” Kriminaldirektor Hoch holte tief Luft, ehe er fortfuhr. „Sie können sich sicher vorstellen, wie sich so eine Systemübernahme als Mordwaffe nutzen lässt. Theoretisch können Sie auf die Weise dafür sorgen, dass jemand gegen einen Baum fährt und dabei ums Leben kommt, ohne dass man Sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen kann.” Kriminaldirektor Hoch hob die Augenbrauen und kam dann dem Einwand zuvor, der Gansenbrink zweifellos auf den Lippen lag. „Na ja, wenn ich davon spreche, dass es nicht möglich ist, den Täter mit der Tat in Verbindung zu bringen, dann meine ich das natürlich unter dem Aspekt, dass herkömmliche Polizeiarbeit hier nicht zum Ziel führen kann. Aber wir haben natürlich die Hoffnung, dass Ihre Methoden uns weiterbringen.”
„Es gibt keinen Mord ohne Spuren”, sagte Gansenbrink. „Es gibt vielleicht Spuren, die nicht als solche erkannt werden, das ist möglich. Aber grundsätzlich hinterlässt man bei allem, was man tut, etwas. Das ist quasi ein Naturgesetz.”
„Wer die elektronischen Manipulationen durchgeführt hat, ist die eine Frage”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Die entscheidendere ist, wer dahintersteckt.”
„Sie glauben, dass eine größere Sache dahintersteckt?”, fragte ich.
Kriminaldirektor Hoch zuckte mit den Schultern.
„Lesen Sie sich einfach mal die Unterlagen durch, die für Sie zu diesem Fall zusammengestellt wurden! Pascal Dettmer war ein sehr guter Ermittler. Und die Liste derer, die einen Grund hätten, ihn ins Jenseits zu wünschen, ist ausgesprochen lang.”
„Herr Monkow! Eine Stellungnahme bitte!”, sagte eine Reporterin aus dem Pulk von Journalisten, die am Haupteingang des Gerichtsgebäudes in Rostock gewartet hatten. Die Warterei hatte sich gelohnt. Zumindest für die, die am Haupteingang gewartet hatten. Diejenigen, die darauf spekuliert hatten, dass Monkow das Gerichtsgebäude auf leisen Sohlen durch einen der Hinterausgänge verlassen würde, hatten diesmal auf das falsche Pferd gewettet.
„Gehen Sie bitte zur Seite!”, sagte ein kleiner, drahtiger Mann in dunklem Dreiteiler und schmalem Aktenkoffer. Das war offensichtlich der Anwalt. Er wirkte gegenüber der massigen Gestalt von Dariusz „Fatty” Monkow wie ein Zwerg. „Mein Mandant wird hier und heute keinerlei Statements abgeben”, fuhr er fort. „Hier und heute ging es nur um die Haftbedingungen. Was dazu zu sagen war, ist vor Gericht ausgesprochen worden.”
Die Polizisten des Rostocker Polizeipräsidiums, die Monkow in die Mitte genommen hatten und zu dem bereits wartenden Gefangenentransporter bringen wollten, kamen mit ihrem Schützling nicht so recht voran. Monkows Körperfülle war so ausgeprägt, dass selbst seine kräftigen Bewacher nichts tun konnten, als Monkow plötzlich stehenblieb. Die Hände waren mit Handschellen gefesselt. Auf Fußfesseln hatte man verzichtet, damit der massige Mann nicht noch langsamer voranschritt.
„Ich habe doch noch etwas sagen. Etwas, was Sie ruhig senden können!”, rief Monkow.
„Herr Monkow, ich rate …”, begann der Anwalt, aber Monkow beachtete ihn gar nicht weiter. Und die Reporter auch nicht. Die Mikrofone waren auf Monkow gerichtet. Die Kameras hatten ihn in ihren Fokus genommen.
Monkow grinste breit. Er schien die Aufmerksamkeit regelrecht zu genießen, die ihm jetzt zuteil wurde.
„Ich habe gehört, dass ein gewisser Kommissar Pascal Dettmer bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Kommissar Dettmer und ich hatten zu seinen Lebzeiten gewisse Differenzen und um es ganz offen zu sagen: Ich verdanke es zu einem guten Teil ihm, dass ich das Gefängnis wahrscheinlich nie wieder verlassen werde. Aber ich bin nicht nachtragend. Nicht über den Tod hinaus jedenfalls. Und ich möchte hiermit diese Gelegenheit nutzen, um den Angehörigen mein tief empfundenes Beileid auszudrücken. Möge Pascal Dettmer den Frieden finden, den er mir nicht gelassen hat.”
„Herr Dettmer, eine Frage …”, war die heisere Stimme eines Reporters zu hören, der es nicht geschafft hatte, sich weit genug nach vorne zu drängeln, um eine wirklich gute Position zu haben.
„Es ist alles gesagt. Vor Gericht und im Straßenverkehr sind wir alle in Gottes Hand!”, sagte Monkow noch. Dann wurde er weiter abgeführt.
Er atmete schwer. Der Fußweg bis zum Gefangenentransporter schien ihn sehr anzustrengen. Sein Gesicht lief rot an und wahrscheinlich wäre er im Moment auch gar nicht mehr in der Lage gewesen, irgendeine Frage zu beantworten. Wenig später verschwand er, abgeschirmt von seinen Bewachern und seinem Anwalt im Gefangenentransporter. Dieser fuhr schließlich los und wurde dann von mehreren Einsatzwagen der Rostocker Polizei sowie Polizisten auf Motorrädern eskortiert. Die Kameras mehrerer lokaler Sender folgten ihm und nahmen ihn in den Fokus, solange das möglich war.
Bereits am frühen Nachmittag nahmen wir den Zug nach Rostock. Dorothea Schneidermann hatte uns bereits eine Unterkunft in Rostock gebucht und sowohl Kriminaldirektor Hoch als auch Rudi und ich hatten bereits mit Dienststellenleiter Norman Gallemeier telefoniert. Wir kannten Gallemeier ja durch die Zusammenarbeit mit anderen Ermittlungen.
So gut es ging, hatten wir uns in die zur Verfügung stehenden Daten eingearbeitet. Während der Fahrt nach Rostock hatten wir Laptops auf den Knien, um uns noch ein bisschen mehr mit der Faktenlage vertraut zu machen. Das galt für Dr. Gansenbrink ebenso wie für Rudi und mich.
„Einer unserer ersten Gesprächspartner wird wohl Kommissar Georg Sodmann sein”, schlug Rudi vor. „Er ist der ehemalige Dienstpartner und du weißt ja, wie das ist: Die wissen manchmal mehr über einen Ermittler als die Ehefrau.”
„Die sollten wir trotzdem ebenfalls noch mal befragen”, sagte ich. „Es gibt eine Aussage von ihr, wonach sich Kommissar Dettmer kurz vor seinem Tod mit jemandem gestritten hat.”
„Wurde Frau Dettmer Zeuge dieses Streits?”, fragte Rudi.
„Wurde sie, denn er fand auf dem Grundstück ihres Hauses statt. Leider hat sie wohl nicht mitbekommen, worum es dabei ging, und ihr Mann wollte ihr keinerlei Auskünfte dazu geben.”
„Das muss nicht unbedingt mit unserem Fall zu tun haben”, meinte Rudi.
„Der Unbekannte hat Dettmer schließlich zu Hause aufgesucht”, fasste ich den Inhalt des von den Kollege aus Rostock erstellten Protokolls zusammen. „Und Frau Dettmer gibt außerdem zu Protokoll, dass der Mann, zwischen vierzig und fünfzig Jahre war, und eine Waffe trug.”
„War das ein Kollege?”
„Das ist nicht ausgeschlossen.”
„Eine Dienstmarke hat sie nicht zufällig auch noch gesehen?”
„Nein.”
Rudi zuckte mit den Achseln.
„Wir werden dieser Sache nachgehen. Allerdings steht für mich auf der Liste derer, die verdächtig sind, hinter diesem Anschlag auf einen BKA-Kommissar zu stecken, an erster Stelle dieser Dariusz Monkow.”
„Ich habe gelesen, welche Drohungen Monkow gegenüber dem BKA im Allgemeinen und Kommissar Dettmer im Besonderen ausgestoßen hat”, sagte ich.
„Die Tatsache, dass Monkow im Knast sitzt, muss nicht heißen, dass er draußen nicht genügend Leute hätte, die für ihn töten würden”, gab Rudi zurück.
„Gibt es denn gesicherte Erkenntnisse darüber, dass Dettmer seine Geschäfte weiterführen konnte?”
„In unseren Unterlagen war darüber nichts zu finden. Und sollte es tatsächlich der Fall sein, dürfte das ziemlich entmutigend für die Kollegen sein.”
„Die Frage ist, ob sie es zugeben oder stattdessen die geschönte, offizielle Version der Geschichte bevorzugen, wonach Monkow ein für allemal das Handwerk gelegt worden ist.”
„Und zwar durch deren hervorragende Ermittlungsarbeit”, ergänzte Rudi.
„Wenn die so hervorragend wäre, bräuchte man uns nicht um Hilfe bitten”, gab ich zurück.
„Auch wieder wahr”, sagte Rudi.
Lin-Tai Gansenbrink hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Sie hatte mit äußerster Konzentration an ihrem Laptop gesessen und intervallweise mit rasender Geschwindigkeit ihre Finger über die Tastatur fliegen lassen. Aber jetzt mischte sie sich in das Gespräch zwischen Rudi und mir ein.
„Ich bin überzeugt davon, dass die Person des Hackers entscheidend ist”, sagte sie. „Und ich bin mir eigentlich auch sicher, dass sich der früher oder später anhand von charakteristischen Datenspuren, Merkmalen in den Programmcodes und so weiter ermitteln lässt. Niemand ist vorsichtig genug, um keine Spuren zu hinterlassen. Und für den Fall, dass es Hintermänner oder Auftraggeber gibt ...”
„Sie zweifeln daran?”, fragte Rudi.
„Eine statistische Auswertung von Cyber-Verbrechen der letzten Jahre ergibt eindeutig, dass nur ein Bruchteil davon im Auftrag begangen worden sind. Meistens handeln die Täter aus eigenem Antrieb. Zum einen aus den gewohnten kriminellen Motiven wie Habgier, zum anderen aber auch manchmal einfach, um Allmachtsfantasien zu verwirklichen. Diese Leute stellen durch ihre Taten unter Beweis, dass sie buchstäblich alles können: Millionen von fremden Konten abzweigen, das Leben eines Menschen durch Übernahme und Manipulation seiner elektronischen Identität ruinieren oder …”
„… einen Menschen durch einen Unfall töten?”, vollendete ich ihren Satz.
„Ja, auch das.” Lin-Tai Gansenbrink sah mich einen Augenblick lang an, ohne dass sich in ihrem glatten Gesicht dabei irgendeine Regung zeigte.
„Sie meinen ernsthaft, dass wir es mit einem Einzeltäter zu tun haben?”
„Ich meine, dass wir uns nicht vorzeitig festlegen sollten.”
„Das sollte man nie.”
„Richtig. Aber schon bei der ersten Unterredung mit Kriminaldirektor Hoch zu diesem Fall, hatte ich das Gefühl, dass wir gerade dabei sind, genau das zu tun. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.”
„Ich werde daran denken.”
„Und schon gar nicht eine Möglichkeit, die statistisch gesehen an erster Stelle steht.” Sie hob die Augenbrauen leicht an. „Leider besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem, was dem menschlichen Empfinden nach die größte Relevanz besitzt und dem, was die größte mathematische Relevanz besitzt.”
„Und ich habe immer gedacht, es gibt so etwas wie einen gesunden Menschenverstand, Lin-Tai.”
„Vergessen Sie den, Harry!”
„Ach ja?”
„Statistisch gesehen existiert er nicht.”
„So habe ich das noch nie gesehen.”
Wir erreichten den Rostocker Hauptbahnhof pünktlich. Ein drahtiger Mann mit Halbglatze holte uns ab.
„Ich bin Kommissar Georg Sodmann”, erklärte er.
„Kriminalinspektor Harry Kubinke”, stellte ich mich vor. „Dies sind meine Kollegen Kriminalinspektor Rudi Meier und Dr. Lin-Tai Gansenbrink aus unserem Ermittlungsteam Erkennungsdienst. Sie ist IT-Expertin und wird sich um die Analyse Daten aus dem Unfallfahrzeug kümmern.”
„Ich dachte, das wäre längst geschehen”, sagte Georg Sodmann etwas irritiert. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche.
„De Kollegen des Erkennungsdienstes haben die Rohdaten gesichert und auch eine erste Analyse durchgeführt”, bestätigte Dr. Gansenbrink. „Mir sind diese Daten überspielt worden, und ich habe weitere Untersuchungen daran angeschlossen und den Verdacht Ihrer Kollegen, dass es sich um eine gezielte Manipulation über die Online-Verbindungen des Fahrzeugs handeln muss, bestätigt. Jetzt geht es darum, weitere Daten zu gewinnen. Schließlich sind keineswegs alle Systeme ausgelesen worden, und es gibt durchaus Teilkomponenten, in denen sich Datenreste befinden könnten, die uns weiterbringen. Davon abgesehen ist zwar mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass eine externe Manipulation der Fahrzeugsysteme stattgefunden hat, aber es ist noch nicht zweifelsfrei erfasst, auf welchem Weg die externe Übernahme der Systeme durchgeführt wurde.”
„Sie scheinen ja wirklich Ahnung von der Materie zu haben, so weit ich das beurteilen kann”, meinte Sodmann.
„Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie der Täter in die Fahrzeugsysteme eindringen konnte. Die GPS-Funktion ist natürlich immer als Erste in Verdacht. Aber wenn Sie sich einfach mal vor Augen halten, wie viele Systemkomponenten in modernen Fahrzeugen inzwischen schon auf eine Online-Verbindung zugreifen, dann wären Sie erstaunt. Unter anderem das Navigationssystem. Es gibt dort nicht nur ein einziges mögliches Einfallstor für Kriminelle, wenn ich es mal mit einfachen Worten ausdrücken darf.”
Sodmann nickte stirnrunzelnd.
„Ich habe von diesen Dingen keine Ahnung. Aber es bestürzt mich, dass es offenbar möglich ist, ein Fahrzeug einfach so zu übernehmen und es zu einer Mordwaffe werden zu lassen.”
„Ja, Sie haben recht”, nickte Dr. Gansenbrink.
„Wissen Sie, früher, da waren Autos einfach nur Autos. Sie konnten fahren und sonst gar nichts. Aber inzwischen scheinen sie sich in fahrende Computer verwandelt zu haben. Ich habe noch erlebt, dass mein Vater einen gerissenen Keilriemen durch die Nylon-Strumpfhose meiner Mutter ersetzt hat, und wir damit immerhin noch bis zur nächsten Werkstatt gekommen sind. Heute kommt man an den Motor gar nicht mehr heran und ist darauf angewiesen, dass irgendein Typ aus der Werkstatt, ein Laptop anschließt, um die Sache in Ordnung zu bringen.”
„Das gilt nicht nur für Autos, Herr Sodmann, sondern für zahllose andere Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.”
„Erschreckend finde ich nur, dass es offenbar möglich ist, so was aus der Ferne zu machen, ohne dass der Betreffende davon vorher etwas ahnt … Das ist schlimmer als eine Faust, die man nicht kommen sieht!”
„Für mich persönlich ist das keinesfalls überraschend”, erklärte Gansenbrink kühl.
„Anscheinend gehört der Blick in die Zukunft auch zu Ihren Fähigkeiten“, sagte Sodmann mit einem leicht sarkastischem Unterton.
„Es hat Fälle gegeben, in denen ein ganz normaler Drucker durch eine Cyber-Attacke überhitzt und dadurch ein Brand vorsätzlich gelegt wurde, bei dem Menschen umgekommen sind. Das ist vor drei Jahren gewesen, und es hat mich ehrlich gesagt schon damals gewundert, dass noch niemand versucht hat, so etwas mal mit einem Fahrzeug zu versuchen.“
„So gesehen haben Sie natürlich recht“, gab Sodmann zu.
Ich hatte Gansenbrink selten so kommunikativ und zugänglich erlebt, wie in dem Gespräch mit Sodmann. Aber vielleicht habe ich ihre Fähigkeiten im Small Talk auch nur einfach deswegen bisher etwas unterschätzt, weil sich unser Kontakt normalerweise nur auf mehr oder weniger knappe Telefonate oder konzentrierte Meetings beschränkte.
Sodmann führte uns aus der Bahnhofshalle. Das Hotel, in dem Dorothea Schneidermann uns einquartiert hatte, lag nur wenige Kilometer vom Bahnhof entfernt im Umland von Rostock. Aber Sodmann fuhr uns mit seinem Dienstwagen erstmals in eine andere Richtung, nämlich zum Gebäudekomplex der Polizei, das sich in Citynähe befand.
„Sie waren Pascal Dettmers Partner”, sagte ich während der Fahrt.
„Das trifft zu.”
„Dann erzählen Sie mir alles, was Sie über Dettmer sagen können, Herr Sodmann.”
„Fast zehn Jahre waren wir Dienstpartner. Jeden Tag in einem Büro oder einem Wagen wie diesem. Wir haben haben uns öfter gesehen als unsere Familien. Da lernt man sich ganz gut kennen, würde ich sagen.”
„Das kann ich mir denken.”
„Pascal war ein hervorragender Ermittler. Seiner Beharrlichkeit und Geduld ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass wir vor ein paar Jahren Monkows Bande hochnehmen konnten. Und auch ein paar andere Erfolge, die wir hier hatten, sind ganz maßgeblich ihm zu verdanken.”
„Sie waren sein Partner und werden sicherlich einen ähnlichen Anteil an diesen Erfolgen haben.”
„Nein, Herr Kubinke, da bin ich realistisch. Pascal war ein paar Jahre länger beim BKA und der Erfahrene von uns beiden. Ich habe viel von ihm gelernt. Wir kamen dann schließlich in unterschiedliche Abteilungen, was ich sehr bedauert habe.”
„Gab es für diese Versetzung einen bestimmten Grund?”
„Abgesehen davon, dass Pascal quasi befördert wurde und eine eigene Einsatzgruppe im Bereich der organisierten Kriminalität leitete - nein. Na ja, und dann gab es da natürlich noch das Credo unseres Dienststellenleiter.”
„Was für ein Credo?”
„Das Teams nicht zu lange zusammenbleiben sollten, selbst wenn sie exzellent zusammenarbeiten.”
„Ab und zu kann ein Wechsel sich tatsächlich positiv auswirken.”
Er verzog das Gesicht.
„Das sagen gerade Sie, Herr Kubinke? Ich habe gehört, dass Sie mit Ihrem Kollege Meier schon in Hamburg jahrelang zusammengearbeitet haben.”
„Das stimmt, aber …”
„Jedenfalls war Dienststellenleiter Gallemeier in dieser Hinsicht der Auffassung, dass man ab und zu die Teams etwas durcheinandermischen müsste und hat davon dann auch ziemlich ausgiebig Gebrauch gemacht, als er sein Amt hier in Rostock antrat.”
„Dürfte nicht jeden gefreut haben”, meinte ich.
„Das können Sie laut sagen. Aber er hatte natürlich in gewisser Weise recht. Wenn Teams zu lange zusammen sind, dann schleifen sich Dinge ein, die man eigentlich nicht haben möchte. Und es werden dann leichter Dinge mal unter den Teppich gekehrt. Sie wissen schon, was ich meine …”
„Nicht wirklich”, gab ich zu.
„Na, es gab auch hier in Rostock einige Fälle von Korruption und Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen. Ermittlungen, die verschlampt wurden und worüber dann großzügig der Mantel des Schweigens gelegt wurde. Und natürlich auch Fälle von Polizeigewalt, auf die die Öffentlichkeit im Moment ja äußerst sensibel reagiert. Insofern hat Dienststellenleiter Gallemeier schon das Richtige getan. Und für mich war es letztlich auch besser.”
„Wie meinen Sie das?”
Er hob die Schultern.
„Jeder muss sich doch irgendwie auch mal freischwimmen. Und wenn Sie immer mit einem erfahrenen Kollegen zusammenarbeiten, dann haben Sie gewissermaßen immer einen großen Bruder an Ihrer Seite, der Ihnen auf die Finger schaut.”
Ich hob die Augenbrauen.
„Ja, da könnte schon was dran sein”, gab ich zu.
Während ich mich vom Beifahrersitz aus mit Sodmann unterhielt, saßen Rudi und Lin-Tai auf der Rückbank. Lin-Tai hatte bereits wieder das Laptop auf den Knien und schien sehr beschäftigt zu sein. Rudi hingegen hatte darauf verzichtet, sein Laptop auszupacken.
„Ich hoffe, es ist dafür gesorgt, dass wir ein vernünftiges Fahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen”, mischte sich mein Kollege nun in mein Gespräch mit Sodmann ein.
„Natürlich”, versicherte Sodmann. „Baugleich mit diesem hier. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.”
„Warum sollte ich?”, fragte Rudi.
„Nun, wir haben jede Menge Fahrzeuge dieses Typs und dieser Ausstattung im Fuhrpark unserer Polizei. Sie unterscheiden sich nach Baujahr und manchmal auch in der Farbe. Schließlich wollen wir nicht, dass wir bei jeder Observation gleich auffallen und man sagt: Seht mal, da kommen die Fahrzeuge der Polizei.”
„Schon klar.”
„Pascal Dettmer fuhr auch so einen. Wir bringen auch ältere Modelle immer wieder technisch auf den neuesten Stand. Und selbstverständlich verfügen wir auch über Bordelektronik, die uns bei der Fahndung hilft, ein exzellentes Navigationssystem und dergleichen …” Sodmann seufzte. Sein Tonfall veränderte sich. Und bei dem, was er nun sagte, war ihm deutlich anzuhören, wie sehr ihn der Tod seines Kollegen getroffen hatte. „Es war der härteste Job meiner ganzen Laufbahn, als mich der Dienststellenleiter zu Pascals Familie schickte, um seiner Frau zu sagen, was geschehen ist.“ Seine Stimme klang brüchig.
„Das glaube ich Ihnen gerne“, sagte ich.
„Ich habe solche schlimmen Nachrichten schon hundertmal überbracht und trotzdem würde ich niemals behaupten, dass man darin irgendeine Art von Routine bekäme.“
„Auch das kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen, Herr Sodmann.“
„Pascal hat Kinder im schulpflichtigen Alter. Die werden jetzt ohne ihren Vater aufwachsen.“
„Wer immer dafür verantwortlich sein mag: Wir kriegen ihn“, versprach ich.
Kriminalhauptkommissar Norman Gallemeier empfing uns in seinem Büro. Er tippte gerade auf einer Fernbedienung herum, als seine Sekretärin Rudi, Lin-Tai, Kommissar Sodmann und mich hereinführte. Ein Großbildschirm war aktiviert. Darauf war die Aufzeichnung einer TV-Sendung zu sehen. Das Emblem eines lokalen Senders prangte am linken oberen Bildrand.
Ich erkannte das Gesicht von „Fatty” Monkow von den in unseren Datenbanken gespeicherten Fotos sofort wieder. Darüber hinaus war er auf Grund seiner außerordentlichen Körperfülle ohnehin leicht wiederzuerkennen. Mit breitem Grinsen verkündete Monkow sein geheucheltes Mitgefühl für die Familie von Kommissar Dettmer in die hingehaltenen Mikros. Obwohl Monkow unübersehbar Handschellen trug, wirkten seine uniformierten Bewacher ziemlich hilflos.
„Wie ist so was nur möglich”, murmelte Norman Gallemeier kopfschüttelnd. „Wenn ich das sehe, kriege ich schon allein vom Zuhören einen dicken Hals.”
Er hielt die Aufnahme an. Dann wandte sich Gallemeier an uns, um zu begrüßen. „Herr Kubinke, Herr Meier, schön, dass Sie hier sind.” Anschließend wandte er sich an Lin-Tai. „Ihren Namen hat man mir sicherlich auch genannt, aber er ist mir aus irgendeinem Grund nicht in Erinnerung geblieben.”
„Ich bin Dr. Lin-Tai Gansenbrink vom Ermittlungsteam Erkennungsdienst in Quardenburg und möchte mir so schnell wie möglich die Elektronik des Fahrzeugs vornehmen, mit dem Kommissar Dettmer verunglückt ist.”
„Der Wagen steht in unserer Laborwerkstatt, hier im selben Gebäudekomplex”, erklärte Gallemeier. „Die Erkennungsdienst-Kollegen stehen Ihnen natürlich jederzeit zur Verfügung, falls Sie Fragen haben oder Hilfe benötigen.”
„Danke”, sagte Lin-Tai. Und jeder, der sie etwas besser kannte, konnte sich in etwa denken, welcher Satz jetzt in ihrem Kopf herumspukte. Wie kommen Sie darauf, dass ich irgendwelche Hilfe brauche? Natürlich sprach sie das nicht aus.
Gallemeier deutete auf den Bildschirm.
„Ich gehe davon aus, dass Sie das hier noch nicht kennen. Jedenfalls würde mich das schwer wundern, denn die Aufnahme ist brandneu.”
„Worum geht es?”, fragte ich.
„‘Fatty’ Monkow hat einen Anhörungstermin wegen seiner Haftbedingungen dazu genutzt, sich mit einem Statement an die Öffentlichkeit zu wenden. Angeblich wünscht er der Familie von Pascal Dettmer sein Beileid und so weiter.”
„Können wir uns das mal ansehen?”
„Bitte! Das Ganze ist nicht sehr lang - dafür umso widerlicher.”
Gallemeier führte uns die Szene vor.
„Könnte man schon fast als eine Art Geständnis werten”, meinte Sodmann, der die Aufnahme offensichtlich auch noch nicht gesehen hatte.
„Vermutlich soll es genauso aussehen”, meinte Gallemeier.
„Meinen Sie, weil Monkow sowieso bis ans Ende seiner Tage im Knast sitzen wird und kaum Chancen hat, irgendwann nochmal die Sonne in Freiheit zu sehen?”, meinte ich.
„Ist trotzdem nicht sehr klug, was der Kerl da für eine Show veranstaltet”, meinte Rudi. „Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass das einen positiven Einfluss auf den Verlauf seiner Verhandlungen hat.”
„Es hat einen positiven Einfluss auf Monkows Führungsrolle in seiner Bande”, war Gallemeier überzeugt. „Das ist alles sehr bewusst inszeniert. Er hat ganz bewusst den Anschein erweckt, dass er etwas mit Dettmers Tod zu tun hat. Damit sagt er nicht mehr und nicht weniger als: Passt schön auf, wer meine Interessen stört, den erledige ich sogar aus dem Knast heraus!”
„Hat Monkow denn Grund dazu gehabt, anzunehmen, dass sein Einfluss zu zerfallen droht?”, fragte ich.
Gallemeier nickte.
„Sein Arm ist lang, und er hat zweifellos immer noch großen Einfluss. Aber wie das eben so ist: Aus dem Knast heraus regiert man nicht so leicht, und es gibt nach unseren Informationen genügend Mitglieder, die ihm längst den Rücken gekehrt und sich darauf eingestellt haben, dass Monkow nicht zurückkehrt. Und abgesehen davon haben wir natürlich auch einige seiner wichtigsten Gefolgsleute ebenfalls aus dem Verkehr ziehen können, so dass Monkows ehemalige Organisation ohnehin nur ein erbärmlicher Torso ist.” Gallemeier deutete auf den Bildschirm. „Noch bevor wir irgendetwas über die Identität des verunglückten Kommissars haben verlauten lassen, hat Monkow es in die Mikros der Medien posaunt.”
„Er scheint über gute Informationsquellen zu verfügen”, stellte ich fest.
„Ja, und auch sonst hat er anscheinend gute Kontakte.”
Ich begriff nicht gleich, worauf der Dienststellenleiter hinauswollte.
„Wie meinen Sie das?”
„Na, dieser ganze Auftritt!”, entfuhr es Gallemeier und es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihn dieser Vorfall innerlich aufregte. „Normalerweise haben Monkows Bewacher den Gefangenen immer durch einen Nebenausgang zum Gefangenentransporter geführt. Aber diesmal eigenartigerweise nicht! Das ist doch kein Zufall! Das war inszeniert, Herr Kubinke!”
„Wir werden mal sehen, was Monkow selbst dazu zu sagen hat”, meinte Rudi.
„Ich halte es durchaus für möglich, dass Monkow tatsächlich dahintersteckt”, meinte jetzt Kommissar Sodmann. „Was das Motiv anbelangt, hätte er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Seine auseinanderdriftenden ehemaligen Gefolgsleute in Angst und Schrecken versetzen und seinen Durst nach Rache stillen.”
„Ja, in dem Punkt haben Sie recht”, meinte Gallemeier.
„Dass jemand wie Monkow glücklich darüber ist, dass er bis ans Ende seiner Tage im Knast sitzt, kann mir jedenfalls niemand erzählen. Genauso wenig wie ich annehme, dass er Pascal plötzlich verziehen hat.”
„Ich habe mich noch nicht sehr ausführlich mit Monkow und seinem unangenehmen Charakter beschäftigt”, gestand ich. „Aber glauben Sie nicht, dass der jemanden auf etwas rustikalere Weise umbringen lassen würde, als sich die Mühe zu machen, Schadsoftware in das System eines Fahrzeugs hineinzubringen?”
„Unterschätzen Sie ihn nicht”, meinte Sodmann. „Wenn Sie denken, dass Monkow einer ist, der einfach nur ein paar grobe Kerle losschickt, die ihr Opfer unter Trommelfeuer nehmen, dann irren Sie sich.”
„So?” Sodmann schien, was Monkow betraf, nicht ganz frei von Emotionen zu sein.
„Herr Sodmann spielt darauf an, dass es schon in der Vergangenheit ein paar Todesfälle gab, die mit Monkow in Verbindung gebracht wurden und bei denen bis heute nicht feststeht, ob es Unfälle waren oder Morde”, ergänzte Norman Gallemeier.
„Das war seine Spezialität”, erklärte Sodmann finster. „Er war ein Meister darin und lange Zeit schien es so, als wäre er einfach nicht dingfest zu machen.”
„Aber Kollege Dettmer hat dafür gesorgt, dass sich das änderte”, stellte ich fest.
„Es ist einfach eine Frage der nötigen Geduld und der größtmöglichen Akribie”, behauptete Sodmann. „Dann kriegt man irgendwann jeden. Auch den geschicktesten Kriminellen. Und Pascal war einer, der das ganz genau verstanden hatte, deshalb …” Seine Stimme wurde heiser, als er weitersprach. „… deshalb konnte ich auch so viel von ihm lernen. Gerade in der Anfangszeit.”
Ein kurzer Moment betretener Stille entstand jetzt. Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi. Bevor ich etwas sagen konnte, meldete sich dann allerdings Lin-Tai zu Wort.
„Soweit ich mich mit den über unser Datenverbundsystem zugänglichen Informationen über Dariusz Monkow befasst habe, hat er allerdings niemals einen Cyber-Kriminellen beauftragt, soweit bekannt ist.”
„Soweit bekannt ist”, wiederholte Sodmann. „Sie haben den entscheidenden Punkt an der Sache schon selbst gerade erwähnt.”
„Ich habe des Weiteren erfahren, dass Monkow so gut wie keinerlei Computerkenntnisse haben dürfte”, erklärte Lin-Tai in einem sehr ruhigen, unterkühlten Gesprächston, der sie ausgesprochen sachlich erscheinen ließ. „Ich habe jetzt zwar keinerlei mathematische Relationen ermittelt, aber mein Gefühl ist, dass der Mord an Kommissar Dettmer keine Tat ist, die typisch wäre für die Verbrechen, derentwegen der große Boss im Gefängnis sitzt.”
Ich hob die Augenbrauen.
„Ausgerechnet Sie sprechen von Gefühl, Lin-Tai?”
„Ich hätte auch sagen können: eine durch Erfahrung begründete Schätzung.”
„Das klingt schon eher nach Ihnen.”
„Es läuft aber auf dasselbe hinaus, Harry. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir diesbezüglich die Faktenlage nochmal genauer ansehen müsste.”
„Das ist doch alles an den Haaren herbeigezogen”, meinte Sodmann. „Monkow hat noch nie einen Mord mit eigener Hand begangen. Er beauftragt jemanden. Oder er beauftragt jemanden, jemanden zu beauftragen, der dann noch jemand anderen beauftragt. Und um dessen Mörderhandschrift geht es, nicht um die von Monkow.”
„Diese Argumentation hat was für sich.”
„Ich habe Ihnen eine Liste von Personen aus dem Umkreis der Monkow-Familie zusammengestellt. Sie beinhaltet Personen, die über Computerkenntnisse verfügen, in einschlägigen Berufen gearbeitet haben oder noch immer tätig sind oder sogar durch entsprechende Vergehen aufgefallen sind.”
„Diese Liste könnte sehr hilfreich sein”, meinte Lin-Tai. „Denn Sie haben vollkommen recht mit dem, was Sie gesagt haben.” Lin-Tai deutete auf den Großbildschirm. „Herr Monkow ist zwar zweifellos jemand, der genau geplante Inszenierungen liebt und bei dem wir davon ausgehen können, dass jede Kleinigkeit irgendeine verkappte Bedeutung hat, aber wir können natürlich nicht grundsätzlich ausschließen, dass er diesmal eine andere Mordmethode angeordnet oder einen anderen Killer engagiert hat, als er dies in der Vergangenheit getan haben mag.”
In diesem Augenblick klingelte das Telefon auf Norman Gallemeiers Schreibtisch. Der Dienststellenleiter nahm das Gespräch entgegen.
„Hier Gallemeier. Was ist los?”, fragte er. Anschließend bildete sich auf seiner Stirn eine tiefe Furche. „In Ordnung”, murmelte er anschließend nur noch, notierte sich eine Adresse auf dem Blatt eines Notizblocks und beendete das Gespräch. Schließlich wandte er sich wieder uns zu. „Es gibt einen weiteren Fall, der vielleicht mit dem Tod von Kommissar Dettmer in Zusammenhang steht. Etwa fünf Kilometer vor Rostock ist ein Wagen verunglückt, der dessen Fahrer eine Polizeimarke bei sich trug. Der Name lautet Johannes Tong.”
„Ein Kollege von Ihnen?”, vergewisserte ich mich.
„Nein, er hatte den Rang eines Kriminalinspektor, genau wie Sie. Und er gehörte definitiv nicht zum Personal unseres Büros.”
Ungefähr zur selben Zeit, als unser Meeting mit Norman Gallemeier im Rostocker Polizeipräsidium stattfand, trafen sich in Zentrum von Hamburg zwei Männer im Park Planten un Blomen .
Beide waren konservativ gekleidet: Dreiteiler, Krawatte, Mantel. Alles in gedeckten Farben. Der einzige Farbtupfer war der rote Schal, des Größeren der beiden. Er war kahlköpfig. Dafür trug er einen markanten Schnauzer, der seine Lippen nahezu vollständig verdeckte.
Der andere war schmächtig, grauhaarig und hatte eingefallene Wangen. Zwischen Daumen und Zeigefinger steckte eine Zigarette.
„Es werden ein paar Leute sehr unruhig”, erklärte der Mann mit dem roten Schal.
„Sie sollten etwas geduldiger sein”, sagte der Grauhaarige und nahm dann einen tiefen Zug aus seiner Zigarette, die schon zur Hälfte abgebrannt war. „Ah”, sagte er, „heute kann man so etwas ja nirgendwo mehr unbehelligt genießen. Diese Rauchverbote überall sind wirklich eine Plage.” Er sah kurz auf. Sein Blick wirkte unruhig und flackernd. Seine Aufmerksamkeit schien nur zum Teil auf seinen Gesprächspartner konzentriert zu sein. Er ließ den Blick in der Umgebung umherschweifen, beobachtete einige Augenblicke zwei Jogger, die plötzlich angehalten waren und sich die Schnürsenkel fester banden. „Haben Sie die beiden dort schon mal irgendwann gesehen?”, fragte er dann. „Vielleicht in einem etwas weniger sportlichen Aufzug?”
„Jetzt werden Sie nicht paranoid”, sagte der Kahlkopf mit dem roten Schal. „Nein, die Typen kenne ich nicht. Und wenn Sie jetzt denken, dass die vielleicht unseretwegen hier sind, dann sind Sie paranoid.”
„Ein besseres Wort dafür wäre vorsichtig.”
„Hören Sie, Sie sollten nicht irgendwelche Gespenster sehen, sondern alles dafür tun, dass die konkreten Probleme aus dem Weg geräumt werden, die wir im Moment haben.”
„Das tue ich doch!”, verteidigte sich der Raucher und ließ erneut die Zigarette aufglimmen. Er betrachtete anschließend den Glimmstängel und meinte: „Würde mich nicht wundern, wenn das Rauchen in Parks und unter freiem Himmel auch noch verboten würde. Warten Sie es ab, irgendwann kommt das bestimmt.”
„Hören Sie, es ist mir verdammt noch mal scheißegal, ob Sie persönlich irgendwelche Abgaswerte einhalten, gleichgültig, ob Sie rauchen oder nur einen fahren lassen! Machen Sie den Job, für den Sie sehr gut bezahlt werden, und lösen Sie unsere Probleme. Denn sonst, mein Lieber, haben Sie sehr bald ebenfalls ein Problem! Haben wir uns verstanden?”
„Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie sich auf mich verlassen können”, sagte der Raucher. „Und dazu stehe ich auch.”
„Dann will ich jetzt zeitnah eine gute Nachricht hören.”
Der Raucher grinste.
„Zeitnah eine gute Nachricht hören …”, äffte der seinen Gesprächspartner nach. „So drücken sich Leute wie Sie anscheinend aus. Klingt schon etwas eigenartig. Aber ich will Ihnen eines sagen: Sie müssen etwas geduldiger werden. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, sind Perfektionisten. Die werden den ganzen Job so über die Bühne bringen, dass wir anschließend alle mit heiler Haut daraus hervorgehen - und als unvorstellbar reiche Leute. Aber ich kann es nicht leiden, dass Sie gleich bei jeder Kleinigkeit die Nerven verlieren.”
„Wenn Sie das eine Kleinigkeit nennen, dass …”
„Reden wir nicht weiter drüber”, schnitt der Raucher ihm das Wort ab. Er warf den Stummel auf den Boden und trat ihn aus. „Ich weiß, so was macht man nicht mehr”, meinte er. „Die andere Seite hat keine Ahnung, wer ihr warum einen Knock-out verpasst. Und dabei wird es bleiben. Und ansonsten haben wir alles im Griff.”
„Wenn Sie das sagen.”
„Nichts entgeht unserer Kontrolle. Falls es Sie interessiert: Das BKA hat zwei Kriminalinspektoren nach Rostock geschickt …”
„Das bedeutet, die Zentrale in Berlin ist alarmiert, und man wird dem Fall eine höhere Priorität geben. Eine gute Nachricht klingt anders.”
„Nein, Sie irren sich. Das ist eine gute Nachricht. Die Tatsache, dass man zwei Kriminalinspektoren und noch so eine mehr oder weniger unbedeutende IT-Spezialistin nach Rostock geschickt hat, bedeutet nämlich eigentlich nur eins: Dass man in Rostock total ratlos ist und man die lokalen Kräfte für total unfähig und überfordert hält - und das bereits in diesem Stadium der Angelegenheit.” Der Grauhaarige lächelte jetzt sehr breit, und zum ersten Mal wirkte das nicht verkrampft, sondern kam dem Ausdruck von Zufriedenheit tatsächlich nahe. „Was glauben Sie, was in Berlin, Rostock und an einigen anderen Orten unseres Landes erst los ist, wenn der Plan in die entscheidende Phase tritt?”
„Ihr Optimismus in Ehren, aber …”
„Rufen Sie mich nicht mehr an, es sei denn, es ist wirklich wichtig. Und sehen Sie zu, dass Sie alle, die bei diesem Spiel jetzt die Nerven zu verlieren drohen, bei der Stange halten.” Der Raucher zog sich die Krawatte etwas strammer. Erfolglos. Bei ihm saßen sie immer wie ein lockerer Strick, so hager war er. „Ich habe auf meiner Seite alles im Griff, auch wenn Sie daran Ihre Zweifel hatten. Ich hoffe nur, dass das auch für Sie gilt! Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Es gibt nämlich noch eine Menge zu tun.”
Rudi und ich saßen in dem Dienstfahrzeug aus den Beständen des Fuhrparks der Polizei in Rostock, das uns zur Verfügung gestellt worden war. Ich saß am Steuer, Rudi hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen und versuchte per Laptop alles über Johannes Tong in Erfahrung zu bringen, was in der Datenbank unserer Zentrale darüber zu erfahren war. Wir hatten auch schon mit Kriminaldirektor Hoch telefoniert, um die nötigen Berechtigungen für den Zugang zu den Personaldaten zu erhalten.
Lin-Tai fuhr zusammen mit Kommissar Sodmann voraus und ich versuchte, den Anschluss zu halten. Sodmann hatte nämlich einen gelinde gesagt ziemlich offensiven Fahrstil.
„Ich finde in den Daten zu Johannes Tong keinerlei spezifizierte Angaben über seine Tätigkeiten in den letzten zwei Jahren“, stellte Rudi fest.
„Irgendwelche Sperrvermerke?”, fragte ich. „Kann ja sein, dass er sich in einem Undercover-Einsatz befanden.”
„Die ganzen zwei Jahre? Glaube ich kaum. Und dann wären hier auch entsprechende Vermerke und Codes eingegeben. Das ist aber nicht der Fall.”
Natürlich müssen Kommissare in besonders heiklen Missionen manchmal datentechnisch besonders geschützt werden. Und es wäre auch nichts Ungewöhnliches gewesen, wenn aus Sicherheitsgründen nicht alle Informationen abrufbar und mit gesonderten Zugangscodes gesperrt gewesen wären. Dass diese Angaben aber völlig fehlten, war ungewöhnlich.
„Johannes Tong hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich und war schon in der Vergangenheit ein Mann für ganz besondere Fälle”, berichtete Rudi.
„Was waren seine Spezialgebiete?”
„Cyber-Kriminalität und Spionageabwehr.”
„Dann passt die Art und Weise, wie er ums Leben kam, schon mal zum Profil seiner Ermittlungen, ganz gleich, worum es sich auch im Einzelnen gedreht haben mag.”
„Du bist etwas voreilig, Harry!”
„Inwiefern?”
„Bislang wissen wir, dass er einen Unfall hatte. Anders als im Fall Pascal Dettmer wissen wir im Moment noch nicht sicher, ob auch auch die Fahrzeugelektronik von Kommissar Tongs manipuliert worden ist.”
„Ich hoffe, dass Lin-Tai das schnell herausfindet.”
„Das wird sie.”
„An Zufälle glaube ich trotzdem nicht, Rudi. Ein Spezialist für Cyber-Verbrechen, der auf die Weise umkommt …”
Wir folgten Sodmanns Wagen bis zum Tatort, oder besser gesagt: dem mutmaßlichen Tatort. Denn Rudi hatte natürlich recht. Bewiesen war bislang noch so gut wie nichts.
Das Fahrzeug von Kommissar Tong war offensichtlich gegen eine Lärmschutzwand geprallt. So viel war auf den ersten Blick erkennbar. Etwa ein Dutzend Einsatzfahrzeuge befanden sich in der Nähe: Wagen der Autobahnpolizei, der Landespolizei und des zuständigen Polizeichefs.
Wir stiegen aus, nachdem ich gleich hinter Sodmanns Wagen geparkt hatte.
Der Verkehr wurde bereits ein paar Meilen südlich vor der Abfahrt umgeleitet.
Ein ziemlich kühler Wind wehte jetzt von der Küste her und trug den Geruch von Salzwasser und Tang bis hierher. Das Geschrei von Möwen mischte sich damit.
„Harry Kubinke, BKA”, sagte ich, noch bevor Sodmann einen der hiesigen Offiziellen angesprochen hatte. Ich hielt meinen Ausweis hoch. „Wer hat hier etwas zu sagen?”
„Polizeihauptmeisterin Brandner”, sagte einer der Uniformierten und deutete auf eine Frau mit blonden Haaren, die zu einer strengen Knotenfrisur zusammengefasst waren. Sie war ungewöhnlich groß für eine Frau und überragte Rudi und mich jeweils fast um einen halben Kopf.
Ich stellte mich kurz noch einmal vor, als mir PHM Brandner gegenüberstand, die gerade noch mit dem Notarzt sprach, der ihr kaum bis zur Schulter reichte.
Lin-Tai wandte sich bereits dem stark zerstörten Wrack des verunglückten Fahrzeugs zu.
„Heh, Sie können da noch nicht dran!”, sagte Brandner mit heller, aber sehr durchdringender Stimme. „Die Spurensicherung ist noch nicht hier …”
„Sie gehört zu unserem Ermittlungsteam Erkennungsdienst und es ist wichtig, dass sie so schnell wie möglich an den Wagen herankommt”, erklärte ich.
Brandner sah Lin-Tai mit einem Stirnrunzeln hinterher und konzentrierte sich anschließend voll und ganz auf mich.
„Dann ist das etwas anderes”, gestand sie zu. „Der Tote ist schon geborgen worden.”
„Wo ist er?”, fragte ich.
„Dort in dem Wagen.” Sie deutete auf ein Fahrzeug, das die Beschriftung der Notfallambulanz trug.
„Das ist nicht der Wagen der Gerichtsmedizin”, stellte Rudi fest.
„Die haben wir noch gar nicht gerufen”, gestand PHM Brandner. „Und ich weiß auch nicht, ob das überhaupt notwendig ist.”
„Die Todesursache kann auch ich feststellen”, meldete sich nun der Mann vom Notfalldienst zu Wort, mit dem sich Brandner zuvor unterhalten hatte.
„Sie sind der Notarzt?”, schloss ich.
„Ja. Mein Name ist Dr. Johannes Rudat.”
„Dann hat Kommissar Tong noch gelebt?”
„Sie können mir glauben, dass wir alles getan haben, um sein Leben zu retten”, erklärte der Notarzt. „Aber es war zunächst ziemlich schwierig, den Schwerverletzten zu bergen und richtig zu versorgen. Außerdem hat er sicher schon eine ganze Weile eingequetscht in seinem Fahrzeug zubringen müssen.”
„Wir gehen von einer Zeitspanne von einer halben bis einer Dreiviertelstunde nach dem Unfall aus”, erklärte Brandner. „Ein Wagen hat angehalten und uns verständigt. Und hier draußen außerhalb der Stadt kann es schon mal ein bisschen dauern, bis medizinische Hilfe eintrifft.”
„Wir hätten sehr wahrscheinlich auch nichts mehr für ihn tun können, wenn wir früher gekommen wären”, hielt jedoch Dr. Rudat den Ausführungen von PHM Brandner entgegen. Er machte eine ausholende Geste in Richtung des wirklich furchtbar zugerichteten Autowracks. „Angesichts des Zustandes, in dem der Wagen ist, können Sie sich vielleicht ausmalen, was der Fahrer abgekriegt hat.”
„Hatte er irgendetwas bei sich - abgesehen von dem Ausweis?”, fragte ich. „Ein Handy, ein Laptop - irgend so etwas?”
„Wir haben uns hier erst mal um den Mann gekümmert”, erklärte Dr. Rudat. „Und das war leider letztlich vergeblich. Der Ausweis ist erst nach seinem Tod aufgetaucht.” Dr. Rudat deutete auf KHM Brandner. „Offenbar hat irgendjemand das dann an das BKA weitergegeben.”
„Was auch vollkommen richtig war”, sagte ich, ehe Brandner etwas dazu sagen konnte. „Ich möchte, dass die Leiche in das nächstgelegene gerichtsmedizinische Institut gebracht wird.”
„Wie Sie meinen”, sagte Dr. Rudat etwa angesäuert. Es kommt immer wieder vor, dass andere Mediziner sich in ihrer Ehre gekränkt fühlen, wenn man ihre Angaben zur Todesursache von einem Pathologen unter die Lupe nehmen lässt. Den Grund dafür verstehen ich bis heute nicht, aber es kommt immer wieder vor. Dabei stellt sich dann am Ende häufig genug heraus, dass die zunächst angenommene Todesursache nicht stimmte.
Eigentlich hatte ich mich mit meiner Anweisung auch gar nicht an Rudat gewandt, sondern PHM Brandner gemeint, die schließlich diesen Einsatz leitete und daher für den organisatorischen Ablauf der Arbeit am Tatort verantwortlich war. Sie hatte aber bis jetzt noch keine Reaktion gezeigt, darum sprach ich sie noch einmal gesondert an. „Es geht darum, dass wir ausschließen, dass Kommissar Tong beispielsweise unter dem Einfluss von Medikamenten, Drogen oder Alkohol ums Leben gekommen ist oder irgendein anderer Umstand vorlag, der möglicherweise zu dem Unfall geführt hatte.”
„Ich werde den Abtransport veranlassen”, versicherte Kollegin Brandner.
„Aber das ist kein Job für die Notfallambulanz. Die Leiche muss fachgerecht gesichert werden”, erklärte Rudi.
„Natürlich”, murmelte Brandner stocksteif.
„Die Obduktion wird ein Kollege aus Quardenburg durchführen. Die hiesigen Kollegen sollen warten, bis der eintrifft.”
„Und wie lange kann das dauern?”
„Dieser Fall genießt höchste Priorität. Daher denke ich, dass er die nächste Bahn nimmt und in ein paar Stunden eintreffen könnte.”
„Ist das jemand, den man kennt?”
„Die Kollegen hier im Institut für Rechtsmedizin in Rostock kennen ihn mit Sicherheit. Es ist Dr. Gerold Wildenbacher. Ich werde gleich mit ihm telefonieren.”
„Gut”, sagte Brandner. „Ich hasse es, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe ...”
„Das tut mir leid.”
„Aber in Ihrem Fall ist das etwas anderes.”
„Wieso?”
PHM Brandner sah mich einen Augenblick an und erklärte schließlich: „Was Sie machen, scheint mir Hand und Fuß zu haben.”
Ich ging auf ihre Bemerkung nicht weiter ein. Vielleicht hatte sie mit irgendeinem Kollegen schlechte Erfahrungen gemacht. Ich zumindest sehe Kollegen einer Polizeiwache nicht als minderqualifiziertes Hilfspersonal. Diese Leute haben nämlich in der Regel jedem noch so gut ausgebildeten Spezialisten eine Sache voraus, die mehr wert sein kann, als jede andere Qualifikation: Kenntnis der örtlichen Verhältnisse. So etwas ist unbezahlbar.
„Ach, was den Wagen betrifft”, fügte ich noch hinzu.
„Wir bringen ihn zur Laborgarage”, sagte PHM Brandner. „Da können dann entweder die Erkennungsdienstler von hier oder irgendein anderer hinzugezogener Spezialist aus Quardenburg versuchen, aus diesem Schrothaufen irgendwelche verwertbaren Spuren herauszulesen.”
„Ich sehe, Sie haben mich verstanden”, sagte ich.
„Vielleicht beantworten Sie mir zur Abwechslung auch mal eine Frage, Herr Kubinke.”
„Das kommt darauf an, Polizeihauptmeisterin Brandner.”
„Worum geht es bei dieser Sache? Nationale Sicherheit? Terrorismus oder Spionageabwehr?”
„Wie kommen Sie denn darauf?”
„Kommt nicht alle Tage vor, dass nach einem Verkehrsunfall gleich zwei BKA-Kriminalinspektoren und noch jemand wie die da …”, sie deutete in Lin-Tais Richtung, „… hier auftauchen. Da muss doch der Verdacht bestehen, dass etwas Größeres dahinter steckt.”
„Tja, ehrlich gesagt, wüssten wir selbst gerne, in welche Richtung es geht”, sagte ich. Sie nickte leicht. Natürlich war auch PHM Brandner klar, dass ich in meiner Funktion mit Informationen sparsam sein musste. Vor allem dann, wenn sich der Fall tatsächlich um einen der von ihr genannten Bereiche drehte, was ja keinesfalls ausgeschlossen war.
„Harry? Rudi?”, rief unterdessen Lin-Tai vom Wagen herüber. „Kommen Sie mal!”
Rudi warf mir einen Blick zu.
„Das sie schnell ist, wissen wir ja”, meinte er. „Aber dass sie so schnell ist, hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht.”
Wir gingen zu Kommissar Tongs Wagen. Lin-Tai hatte ihr Laptop auf dem Dach abgestellt. Dort gab es immerhin noch eine einigermaßen gerade Fläche, die dafür geeignet war. Lin-Tais Figur war asiatisch zierlich, aber selbst ihr war es kaum möglich, sich in das Innere des demolierten Fahrzeugs zu quetschen. Überall war Blut.
Neben Lin-Tais Laptop, auf dem offenbar irgendein Programm lief, dessen Fortschritt angezeigt wurde und das über ein Kabel mit der Elektronik des Fahrzeugs verbunden war, stand noch ein zweites Notebook. Und das gehörte definitiv nicht Lin-Tai.
„Ist das Kommissar Tongs Gerät?“, schloss ich daher sofort.
„Es befand sich unter dem Beifahrersitz und wenn wir Glück haben, ist das Gerät unbeschädigt. Ich werde es später untersuchen.”
„Es könnten sich Tongs Ermittlungsergebnisse darauf befinden - woran immer er auch gearbeitet haben mag.”
„So sehe ich das auch. Und was einige wichtige Speichermedien im Fahrzeug selbst angeht, habe ich Glück gehabt. Die sind weitgehend intakt. Ich konnte beinahe das komplette System überspielen.” Sie ging an ihr Laptop. Ihre Finger glitten über die Tastatur. Eine Übersicht erschien. „Das ist eine zeitliche Übersicht über Ausfälle von Teilkomponenten, Aktivitäten im System etc. Die Codes und Bezeichnungen sagen Ihnen jetzt vielleicht nicht so viel und wenn sich das ein Mechatroniker in der Werkstatt ansieht, dann haben diese Dinge auch alle schöne Klarnamen. Bei mir leider nicht, aber ein paar Buchstaben-Ziffer-Kombinationen kann ich mir noch merken. Das trainiert das Gedächtnis.”
„Worauf läuft das jetzt hinaus, Lin-Tai?”
„Kurz gesagt: auf eine ungewöhnliche Häufung von Systemereignissen und -ausfällen.”
„Durch Manipulation herbeigeführt?”
„Soweit bin ich noch nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Ich würde sagen über neunzig Prozent. Vieles von dem, was hier als Ereignis protokolliert wurde, ist in Wahrheit wohl ein ein externer Angriff.” Sie gab eine Tastenkombination ein. Darauf hin wurde ein erheblicher Teil der Einträge durch einen orangefarbenen Hintergrund markiert. „Das sind diejenigen Einträge, die mein diesbezügliches, übrigens selbstentwickeltes Suchprogamm in dieser Hinsicht als verdächtig einstuft.”
„Also gehen wir von einem zweiten Cyber-Mord durch einen Angriff auf das Fahrzeugsystem des Opfers aus.”
„Sollte sich das als etwas anderes herausstellen, dann verspreche ich Ihnen, mich zu einem IT-Kurs für Senioren anzumelden, Harry.”
Die Arbeiten am Tatort zogen sich noch einige Stunden hin. Spurensicherer trafen ein, die Leiche von Johannes Tong wurde abgeholt, und ich telefonierte mit Dr. Gerald M. Wildenbacher, dem Gerichtsmediziner unseres Teams in Quardenburg.
„Ich bin so schnell wie möglich in Rostock”, sagte der unschwer an seinem Akzent erkennbare Bayer. „Dass nur keiner irgendwie an der Leiche herumpfuscht!”
„Ihre Kollegen sind bereits instruiert”, erklärte ich.
„Was ist mit dem Fischkopp? Kommt der auch mit nach Rostock? Schließlich muss ja irgendjemand den Wagen mal so genau unter die Lupe nehmen, dass man auch was findet.”
Mit Fischkopp meinte er unseren hamburgischen Kollegen Dr. Friedrich G. Förnheim, unseren peniblen Forensiker und Naturwissenschaftler, dessen kultivierte Art zusammen mit Wildenbachers eher bayerisch-rustikalen Umgangsformen so etwas wie ein Gegensatzpaar bildete.
Ich sah zu Rudi hinüber, der ebenfalls sein Smartphone am Ohr hatte.
„Rudi spricht gerade mit FGF”, erklärte ich. „Gehen Sie davon aus, dass Sie beide ein paar Tage länger hier in Rostock bleiben.”
Etwas später erreichte ich dann endlich unseren Chef in Berlin. Ich hatte es bis dahin schon mehrfach in seinem Büro versucht, aber er war nicht zu sprechen gewesen.
Eine Mail mit den wesentlichen Fakten musste zunächst ausreichen, darunter die Bestätigung, dass es sich bei dem Tod von Johannes Tong definitiv um einen Mord handelte, der auf ähnliche Weise begangen worden war, wie der Mord an Kommissar Pascal Dettmer.
Aber wir mussten natürlich dringend wissen, woran Tong gearbeitet hatte. Rudi hatte ja schon festgestellt, dass es bei Tongs gegenwärtiger Verwendung offenbar besondere Sicherheitsvorkehrungen gab. Andererseits war mehr als wahrscheinlich, dass Tongs Tod irgendetwas mit seinem Job zu tun hatte.
„Tut mir leid, dass Sie oft vergeblich versucht haben, mich zu erreichen”, sagte Kriminaldirektor Hoch, als ich ihn endlich doch noch am Apparat hatte. „Ich sehe Ihre Nummer hier mehrfach in den Anrufprotokollen auftauchen, und Dorothea hat mich auch schon darauf hingewiesen.”
„Halb so schlimm”, sagte ich.
„Hier ist der Teufel los, Harry. Für so einen Fall interessieren sich plötzlich alle möglichen hochrangigen Personen. Die verlangen Auskünfte, die ich weder geben kann noch darf, sind aber ihrerseits unter irgendwelchen fadenscheinigen Vorwänden nicht bereit, mir ihrerseits zu sagen, was ihr besonderes Interesse an dem Fall ausgelöst hat. Gerade hat der Justizminister angerufen. Er war der Letzte in dieser illustren Reihe.”
„Nun, so ganz verwunderlich ist das nicht”, meinte ich. „Dettmer starb durch eine Cyber-Attacke, bei Tong wissen wir das jetzt auch definitiv, selbst wenn noch nicht alle Fragen dazu geklärt sind. Und dazu kommt, dass Tong auch noch Spezialist zur Abwehr solcher Verbrechen war.”
„Natürlich, Harry. Sie habe das ja selbst mitbekommen: Es gab in den letzten anderthalb Jahren mehrerer schwere Cyber-Attacken gegen westliche Staaten. Als Urheber werden Nordkorea und China angesehen, in einem Fall ist der Iran verdächtig und einige weitere Fälle gehen wahrscheinlich auf das Konto russischer Hacker. In Peking gibt es inzwischen eine Sondereinheit der Volksbefreiungsarmee, die aus IT-Spezialisten besteht. 500 staatlich bezahlte chinesische Nerds, die den ganzen Tag über nichts anders tun, als Schwachstellen in den Systemen westlicher Behörden, Firmen, der Regierung und des Militärs zu identifizieren. Und das bedeutet natürlich, dass sofort überall die Alarmglocken schrillen, wenn auch nur der Anschein entsteht, dass ein derartiger Angriff vorliegt. Und seitdem vor einiger Zeit chinesische Hacker die Personaldaten von einigen zehntausend Staatsdienern gestohlen haben, liegen bei einigen Leuten die Nerven blank.”
„Kriminaldirektor Hoch, ich muss unbedingt wissen, woran Johannes Tong zuletzt gearbeitet hat. Wir stoßen da auf ein paar Hindernisse.”
„Hindernisse? Welcher Art?”, echote Kriminaldirektor Hoch.
„Es sind Informationen nicht verfügbar. Tongs Spezialgebiet war die Bekämpfung von Cyber-Verbrechen, aber es ist einfach nicht herausfinden, was seine letzte Verwendung war.”
„Klingt nach etwas Wichtigem.”
„Und ich wette, dass es etwas mit dem Mord zu tun hat. Wir haben zwar Tongs Laptop, um dass sich Lin-Tai auf ihre Art kümmern wird, aber ich vermute, dass es eine Weile dauern wird, bis wir da weiterkommen.”
„Wenn Tong Spezialist für Cyber-Kriminalität war, kann man eigentlich davon ausgehen, dass er selbst in Sachen Datensicherheit und Verschlüsselung eine erhöhte Sicherheitsstufe angewendet hat”, stimmte mir Kriminaldirektor Hoch zu. „Ganz gleich, wie heikel und hochgeheim Tongs letzte Mission auch gewesen sein mag: Ich bekomme heraus, worum es da ging und werde es Sie dann wissen lassen.”
„Danke.”
„Halten Sie mich weiter über jede neue Entwicklung auf dem Laufenden.”
„Das mache ich.”
„Wenn Dettmer und Tong beide Opfer einer so ähnlich durchgeführten Cyber-Attacke wurden, sind in beiden Fällen Täter und Hintermänner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dieselben.”
„Davon gehen wir auch aus.”
„Und das bedeutet, es muss beide Kommissare etwas verbinden.”
„Komischerweise habe sie niemals zusammengearbeitet. Zumindest nicht, wenn man nach den offiziellen, für uns zugänglichen Quellen geht. Das haben wir nämlich gleich als Erstes von den Innendienstlern abchecken lassen, wobei die zugrundeliegenden Angaben vermutlich nur bei Dettmer wirklich vollständig sind.”
„Trotzdem, wenn sich beide Karrieren irgendwann mal getroffen hätten, sie zusammen gedient oder denselben Jahrgang der Polizeischule besucht hätten, dann kann ich mir keine Sicherheitsgründe vorstellen, dass diese Informationen nicht mehr in den Datenbanken stehen oder gesperrt sind.”
„Ich lasse es Sie wissen, wenn wir etwas Neues herausfinden”, versicherte ich.
Im Moment gab es nur jede Menge Spekulationen. Was uns fehlte, waren Fakten.
Rudi und ich machten uns schließlich auf dem Weg nach Rostock. Wir hatten ohnehin vorgehabt, mit der Witwe von Pascal Dettmer zu sprechen. Und jetzt war eine gute Gelegenheit dazu. Denn was immer unsere nächsten Schritte sein mochten, im Augenblick waren wir darauf angewiesen, dass wir zusätzliche Informationen bekamen. Informationen, die sich durch die Untersuchungen von Lin-Tai beispielsweise ergeben konnten. Und davon abgesehen, wollte ich Genaueres darüber wissen, mit wem sich Pascal Dettmer noch kurz vor seinem Tod gestritten hatte. Möglicherweise ergab sich dadurch ja ein neuer Ansatzpunkt.
Kommissar Sodmann und Lin-Tai blieben noch am Tatort. Sodmann war so freundlich, uns bei Pascal Dettmers Witwe telefonisch anzukündigen.
„Wir stochern im Augenblick noch ziemlich im Nebel”, meinte Rudi. „Zwei Kollegen sterben innerhalb kurzer Zeit … Und beide haben nicht einen einzigen Fall zusammen bearbeitet.”
„Gibt es einen Zusammenhang zu diesem ‘Fatty’ Monkow?”, fragte ich.
Rudi hatte während der Fahrt das Laptop auf den Knien gehabt, klappte es jetzt aber zu und schüttelte den Kopf. „Unsere Quellen geben dazu nichts her. Aber eigentlich können wir das erst sagen, wenn wir Johannes Tongs letzten Auftrag kennen.”
„Wir werden uns Monkow auch noch vorknöpfen”, meinte ich.
„Ich bin mir nicht sicher, ob uns das zum jetzigen Zeitpunkt wirklich weiterbringt.”
„Wieso nicht? Schaden kann es auch nicht.”
„Dieser Monkow spielt irgendein Spiel. Und ich glaube, wir müssen höllisch aufpassen, nicht Teil seiner Inszenierung zu werden.”
„Da müsste der Kerl schon etwas früher aufstehen.”
Über die Freisprechanlage telefonierten wir noch mit Dienststellenleiter Norman Gallemeier. Er war bereits durch Kommissar Sodmann über die neuesten Entwicklungen in dem Fall informiert worden. „Unseren bisherigen Erkenntnissen nach gab es keinerlei Kontakte zwischen Kommissar Tong und unserer Dienststelle. Und zwar noch nie! Er war an keinem Einsatz beteiligt, der jemals von meinen Kollegen durchgeführt wurde. Und das gilt auch für die Zeit, bevor ich hier Dienststellenleiter geworden bin.”
„Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass ein Kommissar der Zentrale irgendwo eingesetzt wird, ohne dass die lokalen Kräfte darin eingeweiht sind oder ihn unterstützen”, stellte ich fest. „Es sei denn …”
„Sie denken, dass sein Einsatz so geheim war, dass man uns nicht einbeziehen wollte?”
„Ich selbst habe auch schon solche Einsätze gehabt. Vielleicht gibt es eine undichte Stelle in Ihrer Dienststelle, von der Sie nichts wissen. Oder es ist einer Ihrer Kommissars sogar in etwas verwickelt.”
„Mir ist klar, dass man so etwas nicht ausschließen kann. Ich möchte gerne wissen, worum es hier geht, Herr Kubinke.”
„Das möchte ich auch.”
„Hat man Ihnen über Tongs Auftrag nichts gesagt? Oder dürfen Sie darüber mir gegenüber nichts sagen?”
„Es gibt da ein paar unerwartete Schwierigkeiten, an die nötigen Informationen heranzukommen. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir die bald überwunden haben”, erklärte ich etwa ausweichend.
„Hören Sie, wie wäre es mit einer alternativen Erklärung, was Tong betrifft.”
„Bitte, wir werden sie gerne in Betracht ziehen”, mischte sich Rudi ein.
„Johannes Tong könnte einfach auf der Durchreise gewesen sein. Deutschland ist nun wirklich kein großes Land. Und es wäre doch möglich, dass sein Einsatzort gar nicht hier gelegen hat, sondern außerhalb des Zuständigkeitsbereich unserer Dienststelle.”
„Dann fragen Sie doch einfach bei den benachbarten Dienststellen an”, schlug ich vor.
„Die Frage ist, ob die mir etwas sagen, beziehungsweise sagen dürfen. Denn es deutet ja wohl alles darauf hin, dass Tong in einer ganz speziellen Mission unterwegs war. Wenn aber ein Kriminalinspektor anfragt oder vielleicht sogar Ihr Chef, dann wäre das sicher erfolgversprechender.”
„Danke für den Tipp”, sagte Rudi. Nachdem das Gespräch dann beendet war, meinte mein Kollege: „Ich glaube, dass sich Gallemeier in erster Linie darum sorgt, dass seine Dienststelle in Misskredit geraten könnte.”
„Aus seiner Perspektive ist das durchaus naheliegend”, meinte ich. „Trotzdem, was er darüber gesagt hat, dass Tong auf der Durchreise gewesen sein könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Wir sollten das im Hinterkopf behalten.”
Wir erreichten den Bungalow, in dem Kommissar Pascal Dettmer mit seiner Familie gelebt hatte. Ich parkte den Wagen am Straßenrand. Die Rasenfläche, die den Bungalow umgab, war gut gepflegt. Ein paar Spielsachen lagen herum. Ich dachte daran, dass diese Kinder jetzt ohne Vater aufwachsen mussten, weil irgendein skrupelloser Cyber-Killer dafür gesorgt hatte, dass sich Dettmers Dienstwagen in eine tödliche Waffe verwandelt hatte.
Wir klingelten an der Tür. Eine zierlich wirkende Frau mit kinnlangem, dunkelbraunem Haar öffnete uns.
„BKA Kriminalinspektor Harry Kubinke”, stellte ich mich vor. „Dies ist mein Kollege Kriminalinspektor Rudi Meier. Sind Sie Frau Dettmer?”
„Ja, die bin ich”, bestätigte sie. Ein Ausdruck tiefer Traurigkeit stand in ihren Gesichtszügen. Eine Traurigkeit, wie sie der Verlust eines nahen Angehörigen auslöste.
„Georg … ich meine Kommissar Sodmann … hat Sie telefonisch angekündigt.“
„Es tut uns wirklich leid, was geschehen ist und dass wir Sie jetzt noch einmal befragen müssen, aber ...“
„Kommen Sie herein! Das ist schon in Ordnung. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass der Tod meines Mannes aufgeklärt wird, dann will ich dafür gerne alles tun, was in meiner Macht steht.“ Ihr Lächeln wirkte matt und verhalten. Sie machte den Eindruck einer Frau, die mit aller Kraft versuchte, die Fassung zu wahren. Und vielleicht war sie dazu schon ihrer Kinder wegen auch einfach gezwungen. Schließlich musste das Leben ja auf irgendeine Weise weitergehen.
Wir folgten ihr ins Wohnzimmer. Sie bot uns an, uns zu setzen, und so nahmen wir in den großen, etwas klobig wirkenden Sesseln Platz. Sie selbst blieb zunächst stehen, ging zur Fensterfront, die zum Garten hin ausgerichtet war und sah hinaus. Sie brauchte offenbar einen kurzen Moment, um sich zu fassen. Wieviel Zeit sie auch brauchen mochte, ich war entschlossen, sie ihr zu geben.
Schließlich drehte sie sich um. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schien sich nicht setzen zu wollen.
„Stellen Sie Ihre Fragen! Schlimmer als der Moment, als Georg mir gesagt hat, dass mein Mann auf so scheußlich Weise ums Leben kam, kann dieses jetzt auch nicht sein.”
„Sie sind gut bekannt mit Georg Sodmann?”, fragte ich.
„Wie Sie sicher wissen, war er Pascals Dienstpartner. Ich kenne Georgs Frau.”
„Wie haben die Kinder diese Nachricht aufgenommen?”
„Es war schlimm …” Frau Dettmer schluckte. „Sie sind zurzeit bei den Großeltern.“ Sie sah mich jetzt sehr direkt an. „Was wollen Sie wissen? Es heißt doch, dass dieser Kriminelle aus dem Gefängnis heraus vielleicht einen Killer beauftragt hat.” Sie sprach nicht weiter. Offenbar hatte sie Georg Sodmann ziemlich weitgehend in den Stand der Ermittlungen einbezogen. Vielleicht zu weitgehend. Einerseits hatte ich Verständnis dafür. Aber andererseits war das einfach nicht professionell. Aber darüber konnte ich immer noch bei Gelegenheit mit Kommissar Sodmann reden, falls es sich ergab.
„Sehen Sie, wir wissen noch nicht, was dahintersteckt. Tatsache ist, dass nach unseren Erkenntnissen jemand den Wagen Ihres Mannes manipuliert hat und ihn dadurch umbrachte.”
„Und jetzt suchen wir jemanden, der einen Grund dafür hatte”, ergänzte Rudi.
„Uns liegen die Protokolle der ersten Vernehmung vor”, fuhr ich fort. „Sie haben ausgesagt, dass Sie Besuch von einem Mann hatten, mit dem sich Kommissar Dettmer schließlich heftig stritt.”
„Ja, das ist richtig.”
„Können Sie uns das mal genau schildern? Die Angaben im Protokoll sind relativ dünn.”
„Ja, das war sehr merkwürdig”, erklärte Frau Dettmer. „Er tauchte eines Tages auf, klingelte an der Tür und wollte meinen Mann sprechen. Ich dachte, es wäre ein Kollege.”
„Wie kamen Sie darauf?”
„Also, zuerst dachte ich das. Später nicht mehr.”
„Erklären Sie uns das!”
„Na, er hatte dieses sichere Auftreten. Die Art und Weise, in der er mich ansprach. Es hätte nur gefehlt, dass er mir seinen Ausweis zeigt.”
„Aber das tat er nicht?”
„Nein.”
„Wie ging es dann weiter?”, hakte ich nach.
„Ich holte meinen Mann. Außerdem war irgendwas mit den Kindern. Ich war abgelenkt.”
„Es soll einen Streit gegeben haben.”
„Ja, ich habe gehört, wie sie sich anschrien. Als ich sie dann durch das Küchenfenster gesehen habe, fiel mir auf, dass der Chinese eine Waffe bei sich trug. Sein Jackett glitt zur Seite und da war sie einen Augenblick zu sehen.”
„Ein Chinese?”, hakte Rudi nach. „Meinen Sie damit, der Mann hatte asiatisch wirkende Gesichtszüge?”
„Sie können das ausdrücken, wie Sie wollen: Ja, der Kerl sah aus wie ein Chinese, aber war keiner. Er wirkte wie ein ganz normaler Deutscher. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, ohne, dass das eigenartig klingt.”