7 tolle Nordkrimis Juli 2022 - Alfred Bekker - E-Book

7 tolle Nordkrimis Juli 2022 E-Book

Alfred Bekker

0,0

Beschreibung

7 tolle Nordkrimis Juli 2022 (999) von Alfred Bekker Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Krimis von Alfred Bekker: Dunkle Zeichen auf Rügen Kommissar Jörgensen und die Memoiren Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung Burmester auf Killerjagd Burmester jagd ein Phantom Burmester und der Mörder in Uniform Der Fall mit dem Hurenmörder –––––––– Im Hamburg des Jahres 1991 macht ein selbsternannter Ordnungshüter Jagd auf auf freigesprochene Kriminelle. Der Killer sieht aus wie 'dein Freund und Helfer'. Er trägt eine Polizeiuniform. Doch er mordet ohne jede Rücksicht und nimmt das vermeintliche Recht in die eigenen Hände. Die Hamburger Polizei gerät in Verruf, denn unter den rechtschaffenden Polizisten befindet sich offenbar ein Wolf im Schafspelz. Der Hamburger Privatdetektiv Aldo Burmester hat eine besonders harte Nuss zu knacken. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 932

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



7 tolle Nordkrimis Juli 2022

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2022.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

7 tolle Nordkrimis Juli 2022

Copyright

Dunkle Zeichen auf Rügen: Insel-Thriller

Dunkle Zeichen auf Rügen: Insel-Thriller

Copyright

1

2

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Kommissar Jörgensen und die Memoiren: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi

Copyright

Kommissar Jörgensen und die Memoiren

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

Copyright

Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

Burmester auf Killerjagd: Hamburg Krimi: Burmester ermittelt 12

Burmester auf Killerjagd: Hamburg Krimi: Burmester ermittelt 12

Copyright

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

Drei Nord-Krimis Mai 2022

Copyright

Burmester jagt ein Phantom: Hamburg Burmester ermittelt 1

Burmester jagt ein Phantom: Hamburg Krimi: Burmester ermittelt 1

Copyright

Burmester jagt ein Phantom

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

Burmester und der Mörder in Uniform: Hamburg Krimi: Burmester ermittelt 2

Burmester und der Mörder in Uniform: Hamburg Krimi: Burmester ermittelt 2

Copyright

Burmester und der Mörder in Uniform

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

Der Fall mit dem Hurenmörder: Hamburg Krimi

Der Fall mit dem Hurenmörder: Hamburg Krimi

Copyright

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

Don't miss out!

About the Author

About the Publisher

7 tolle Nordkrimis Juli 2022

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

––––––––

Dieser Band enthält folgende Krimis von Alfred Bekker:

Dunkle Zeichen auf Rügen

Kommissar Jörgensen und die Memoiren

Kommissar Jörgensen und die Biowaffen-Verschwörung

Burmester auf Killerjagd

Burmester jagd ein Phantom

Burmester und der Mörder in Uniform

Der Fall mit dem Hurenmörder

––––––––

Im Hamburg des Jahres 1991 macht ein selbsternannter Ordnungshüter Jagd auf auf freigesprochene Kriminelle.

Der Killer sieht aus wie 'dein Freund und Helfer'. Er trägt eine Polizeiuniform. Doch er mordet ohne jede Rücksicht und nimmt das vermeintliche Recht in die eigenen Hände. Die Hamburger Polizei gerät in Verruf, denn unter den rechtschaffenden Polizisten befindet sich offenbar ein Wolf im Schafspelz. Der Hamburger Privatdetektiv Aldo Burmester hat eine besonders harte Nuss zu knacken.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!Verlags geht es hier:

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Dunkle Zeichen auf Rügen: Insel-Thriller

Dunkle Zeichen auf Rügen: Insel-Thriller

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2022.

Dunkle Zeichen auf Rügen: Insel-Thriller

von Alfred Bekker

––––––––

Sarah Nordmann reist nach Rügen, um den Tod ihres Bruders aufzuklären. Der Archäologe und Spezialist für alt-wendische Kulte starb unter mysteriösen Umständen. Welche Rolle spielte dabei ein mysteriöser Götterkult, der offenbar bis heute praktiziert wird? Sarah begegnet einer Mauer des Schweigens und einem gleichermaßen faszinierenden wie zwielichtigen Mann, in den sie sich verliebt. Schließlich muss Sarah erkennen, dass man auch sie töten will ...

––––––––

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author 

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

1

Es war, als ob sich eine kalte Hand auf Sarahs Rücken legte.

Ein Schauer durchfuhr ihren Körper. Sie fühlte, wie sich innerhalb eines einzigen Augenblicks eine Gänsehaut bildete.

Sarah schluckte.

Zwei dunkle Augen starrten sie an. Es waren kalte Facettenaugen mit einer grausamen, unmenschlichen Ausstrahlung, die zu einem vierköpfigen Wesen gehörten.

Einer der Münder war halb geöffnet. Lange Haare wallten zwischen den Köpfen herab.

Darüber befand sich ein Füllhorn, aus dem reiche Gaben rieselten.

„Was ist das für ein Amulett?“, brachte Sarah Nordmann heraus, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. Sie streckte die Hand aus und griff nach dem Amulett mit dem Vierfachkopf. Es stellte eine Handarbeit in höchster Perfektion da. Es war kein billiger Ramsch, das stand fest. Und irgendwie schien es nicht so recht zu dem anderen Plunder zu passen, den es in diesem Secondhandshop zu kaufen gab.

Sarah nahm das Amulett und hielt es ins Licht.

Die Augen funkelten dabei böse – wie lebendig – und Sarah fragte sich, woher der eisige Schauer rührte, den dieses Ding ihr über den Rücken gejagt hatte. Es gab eigentlich keinen Grund dafür.

Es war ein kitschiges Amulett. Nichts weiter.

Ihre Hand umschloss den Vierfachkopf.

Sarah atmete tief durch.

„Zeigen Sie mal, junge Frau“, war indessen die Stimme von Herrn Klein zu hören, dem dieser Laden gehörte. T.K.Klein – An- und Verkauf – so stand es groß über der Ladentür.

Klein war ein kleiner, drahtiger Mann, der die sechzig sicher schon überschritten hatte. Er lächelte freundlich, und Sarah hielt ihm das Amulett hin.

„Ich meine das hier!“, sagte sie.

Kleins Gesicht veränderte sich. Es verlor innerhalb eines einzigen Augenblicks fast jegliche Farbe. Mit zitternder Hand griff er nach dem Amulett und nahm es an sich.

„Geben Sie her!“, forderte Klein dann unvermittelt.

Sarah deutete auf das Regal mit alten Büchern.

„Es lag einfach dort.“

„Was?“

„Dort, in der Lücke.“ Sarah studierte aufmerksam das Gesicht ihres Gegenübers. Klein sah aus wie ein Mann, dem man gerade sein Todesurteil gezeigt hatte.

„Was ist das für ein Amulett?“, wiederholte Sarah ihre Frage, während Klein sich bereits halb abgewandt hatte.

„Was?“ Er drehte sich herum. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich das schüttere Haar wieder nach hinten. „Es ist nichts“, beeilte er sich dann. „Es ist nichts ...“

„Ist es nicht zu verkaufen?“

„Nein!“

„Von wem haben Sie es? Es sieht ziemlich ... merkwürdig aus.“

„Es ist schon ziemlich spät“, sagte Klein und steckte das Amulett in die Tasche seines ausgebeulten Jacketts. Er fasste Sarah bei der Schulter. Das war deutlich. Er wollte sie hinauskomplimentieren. „Ich möchte jetzt schließen!“

Er schob sie vor sich her und brachte sie zur Tür. Bevor sie hinausging, wandte sie sich noch einmal kurz zu Herr Klein um. Aber der Blick, mit dem der Besitzer des Secondhand-Ladens sie bedachte, ließ sie davor zurückschrecken, nochmal nachzufragen.

Kleins Augen waren glasig.

„Auf Wiedersehen“, sagte er mit tonloser Stimme. Und einen Moment später fand Sarah sich auf der Straße wieder. Es war kühl, und der Nebel hing mal wieder grau und schwer über Hamburg. Sarah ging die vollgeparkte Nebenstraße entlang, in der sich Herr Kleins Laden befand.

Bis zu ihrer Wohnung waren es kaum fünf Minuten. Seit gut drei Monaten hatte sie eine großzügige Dachgeschosswohnung gemietet.

Es war beileibe keine Luxusunterunterkunft, aber dennoch teuer genug. Aber das machte nichts. In ihrem Job in der Redaktion einer Illustrierten hatte sie ohnehin nicht selten einen Sechzehn-Stunden-Tag und war nicht oft zu Hause. Da spielte das keine Rolle.

Den ganzen Weg über und noch während sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufging erschien immer wieder das Amulett mit dem Vierfachkopf vor ihrem inneren Auge. Sie schloss ihre Wohnungstür auf und stellte dabei fest, dass ihre Hand zitterte.

Mein Gott, das Ganze hat mich wohl mehr mitgenommen, als ich dachte!, ging es ihr durch den Kopf. Sie war etwas verwundert. Schließlich war der Anlass eigentlich nicht der Rede wert gewesen. Ein Amulett mit einen Vierfachkopf, dessen Augen lebendig und böse funkelten.

Eine merkwürdige, unheimliche Aura der Bedrohung schien von diesem Amulett auszugehen.

Etwas, das nicht zu erklären war ...

Sarah schloss die Wohnungstür hinter sich und warf die Handtasche auf die Couch. Der Mantel flog gleich hinterher. Die flachen Pumps ließ sie auf dem Teppich und dann ging sie in die Küche.

Sie war müde und hungrig.

Und morgen wartete wieder ein anstrengender Tag auf sie.

Sie hatte ihren Job noch nicht sehr lange und das hieß, dass sie sich bewähren musste. Sie war Anfängerin und musste deswegen besonders gut sein. Außerdem hatte sie sich vorgenommen, Karriere zu machen. Eines Tages Chefredakteurin sein, davon träumte sie.

Aber im Moment war sie nur hungrig und müde.

Sie machte den Kühlschrank auf. Aber was da zu sehen war, war nicht sehr vielversprechend.

Sarah seufzte.

Und dann klingelte es an ihrer Wohnungstür.

Sarah machte den Kühlschrank wieder zu und schlüpfte in ihre Pumps.

*

Vor der Tür stand ein breitschultriger Mann in den Vierzigern, der den Großteil seiner Haare bereits eingebüßt hatte.

„Kommissar Karstensen – Kriminalpolizei“, sagte der Mann, noch ehe Sarah auch nur Luft geholt hatte. Er zeigte ihr seinen Dienstausweis und Sarah nickte.

„Guten Abend. Was wollen Sie von mir?“

„Sind Sie Frau Nordmann? Sarah Nordmann?“

„Ja, die bin ich.“

„Ich muss Sie sprechen, Frau Nordmann ...“

Karstensen sah die junge Frau nicht an, als er das sagte, und es schien Sarah fast so, als würde er ihrem Blick ausweichen.

Sarah fühlte ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend.

Karstensen sah aus wie jemand, der eine schlechte Nachricht zu überbringen hatte, und Sarah fragte sich instinktiv, was wohl geschehen war.

„Was ist passiert?“, hörte sie sich selbst sagen.

„Darf ich hereinkommen?“, fragte Karstensen. Er schluckte dabei.

Viel Spaß schien ihm sein Beruf in diesem Moment nicht gerade zu machen.

„Ja, sicher“, beeilte sich Sarah.

Sie bot ihm einen Sessel an, in dem er sich niederließ.

Er sah sie noch immer nicht an. Karstensen druckste etwas herum, hüstelte verlegen und begann dann: „Frau Nordmann, Sie haben einen Bruder, nicht wahr?“

„Jan!“

Auf einmal schlug Sarah der Puls bis zum Hals. Ein dicker Kloß steckte in ihrer Kehle, so dass sie unmöglich einen Laut hätte hervorbringen können. Eine furchtbare Ahnung ergriff sie.

„Ihr Bruder ist tot“, brachte Kommissar Karstensen indessen mit tonloser Stimme heraus. Der Kommissar langte in seine Jackett-Innentasche und holte ein Foto hervor, das er Sarah reichte. Sarah nahm das Bild in die Hand. Es kostete sie eine ziemlich große Überwindung, hinzusehen.

„Ist das Jan Nordmann – Ihr Bruder?“, fragte Karstensen.

Sarah spürte, wie eine Träne über ihre Wange lief. Sie nickte stumm. Er war es. Immerhin waren ihm die Augen geschlossen worden.

Und dann stutzte sie.

Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie das Amulett sah, das ihr toter Bruder um den Hals trug. Ein Vierfachkopf mit böse funkelnden Augen ...

Es versetzte Sarah einen Stich und sie fühlte augenblicklich wieder die Gänsehaut ihren Körper überziehen. Es war dieselbe Empfindung, die sie in T.K.Kleins Secondhand-Laden gehabt hatte – nur viel stärker. 

Wie durch einen Nebel hörte sie die Stimme des Kommissars.

„Ich weiß, dass es ein schwerer Schlag für Sie ist, Frau Nordmann“, hörte sie ihn sagen, aber sie achtete kaum auf seine Worte..

Ihr Blick hing stattdessen wie gebannt an dem Amulett.

„Was ist passiert?“, murmelte Sarah schließlich, als der Kommissar aufgehört hatte zu reden. Sie legte das Foto auf den niedrigen Wohnzimmertisch. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie sich über die Augen und kämmte eine Haarsträhne nach hinten.

„Es ist vor vier Wochen passiert“, erklärte Kommissar Karstensen. „Drüben, auf Rügen. Fischerdorf Vitt, so heißt der Ort – das ist ein kleiner Ort bei Putgarten.“

Sarah sah ihn fassungslos an. „Was?“ Sie konnte es nicht fassen. „Vor vier Wochen?“

„Nun, Sie scheinen in letzter Zeit einige Male umgezogen zu sein, Frau Nordmann. Es war nicht ganz einfach, Sie ausfindig zu machen ...“

Sarah atmete tief durch.

Da musste sie dem Mann von Kriminalpolizei recht geben.

Außerdem hatte es jetzt auch keinerlei Sinn, sich darüber zu beschweren. Das half nicht weiter. Und am wenigsten konnte es Jan noch helfen ...

„Gibt es noch weitere Angehörige, die verständigt werden müssten?“, fragte Karstensen.

Sarah schüttelte den Kopf.

„Nein. Unsere Eltern sind vor ein paar Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Und sonst gibt es niemanden ... Woran starb Jan?“

„Oh, habe ich das nicht gesagt? An einer Vergiftung, einem Schlangenbiss.“

„Was?“ Sarah sah Karstensen erstaunt an. „Aber wenn die Kriminalpolizei sich um die Sache kümmert, dann ...“

„Vermutet man ein Verbrechen. Das ist richtig. Die Kollegen in Rügen haben das auch. Schließlich ist Rügen nicht gerade eine Gegend, in der Giftschlangen frei herumkriechen. Außerdem hat er noch eine Kopfverletzung, von der man nicht genau sagen kann, ob sie von einem Sturz oder einem Schlag herrührt ...“

„Wo hat man ihn gefunden?“

„In einem einsamen Häuschen. Die Sache scheint ziemlich rätselhaft. Hat Ihr Bruder je etwas mit Giftschlangen zu tun gehabt?“

Sarah schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Allerdings ist der Kontakt zu Jan seit etwa einem Jahr abgebrochen.“

Karstensen sah sie fragend an. „Wie meinen Sie das, Frau Nordmann?“

Sarah zuckte die Schultern. „Er ist einfach verschwunden. Eine Karte von irgendwoher, das war alles. Er hat sich nicht mehr gemeldet. Und ich hatte auch keinerlei Ahnung, wo er sich aufhält.“

Kommissar Karstensen warf plötzlich einen Blick auf die Uhr. Dann erhob er sich. „Es ist schon ziemlich spät ... Ich muss jetzt gehen. Vielleicht könnten Sie in den nächsten Tagen nochmal in mein Büro kommen. Dann können wir Ihre Aussage aufnehmen ...“

„ ...die Sie dann den Kollegen auf Rügen schicken“, schloss Sarah. Und die würden das Protokoll wahrscheinlich in eine Akte heften und damit war die Sache erledigt. „Hat man die Schlange eigentlich gefunden, die Jan getötet hat?“

„Nein.“

„Wie groß sind die Chancen, die Sache aufzuklären?“, fragte Sarah, als Karstensen schon zwei Schritte in Richtung Tür gemacht hatte. Er wich ihrem Blick wieder aus, eine Angewohnheit, die sie nicht mochte.

Karstensen zuckte die Schultern.

„Nun ...“

„Sie können ruhig ehrlich zu mir sein, Herr Kommissar!“

Der Kommissar sah auf und bedachte sie mit einem Blick, der Bedauern ausdrückte. Er wirkte hilflos,als er so mit seinen breiten Schultern zuckte.

„Ein rätselhafter Todesfall“, murmelte er. „Nach dem, was unsere dortigen Kollegen uns mitgeteilt haben, besteht keine große Chance die Sache aufzuklären. Niemand in Vitt und Umgebung will Ihren Bruder gekannt oder irgendetwas gesehen oder bemerkt haben, was weiterhelfen könnte. Aber die Ermittlungen sind ja erst am Anfang. Und vielleicht ...“

Sarah hob den Kopf.

„Schon gut, Herr Kommissar. Ich verstehe schon.“

„Es tut mir sehr leid. Glauben Sie mir, es gibt Dinge, die ich sehr viel lieber mache, als solche Nachrichten zu überbringen.“

„Das verstehe ich.“ Sarahs Stimme hatte einen heiseren Klang, als sie das sagte.

„Leben Sie wohl, Frau Nordmann.“

„Einen Moment noch!“

Er hatte den Türgriff schon in der Hand. „Ja?“, fragte er und hob dabei die Augenbrauen.

„Darf ich das Foto behalten?“

„Wenn Sie wollen ...“

Karstensen reichte es Sarah. Diese warf einen kurzen Blick darauf und deutete dann mit dem Finger auf das Amulett. „Weiß man, was das hier zu bedeuten hat?“

Karstensen sah auf das Bild und runzelte die Stirn.

„Nein. Keine Ahnung.“

„Ich habe so etwas schon mal gesehen.“

„Und wo?“

Sarah erzählte dem Kommissar von T.K.Klein und seinem Laden. „Dieses Amulett muss irgendeine Bedeutung haben, Herr Karstensen, denn Herr Klein wurde totenblass, als ich es ihm zeigte.“

Karstensen schien weniger davon überzeugt zu sein, dass dieses Vierfachkopfamulett irgendeine Bedeutung hatte. „Und? Was ist denn Ihre Idee, was das Ding da zu bedeuten hat?“

„Ich weiß es nicht. Aber Herr Klein wusste es, das steht für mich fest.“

Kommissar Karstensen seufzte. „Kann ich jetzt noch bei ihm vorbeischauen?“

„In seinem Geschäft ist er um diese Zeit nicht mehr. Er wohnt irgendwo außerhalb, aber ich habe keine Ahnung, wo genau. Am besten, Sie versuchen es morgen.“

Karstensen nickte. „Gut.“

Dann öffnete er die Tür und ging die Treppe hinunter. Und während Sarah seine schweren Schritte verhallen hörte, spürte sie, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen und das dezente Make-up verwischten.

Jan! Oh, Gott, warum nur?

Sie schloss die Wohnungstür, presste das Foto an sich und ließ sich dann auf die Couch fallen. Was mochte nur mit Jan geschehen sein? Was hatte ihn in die Abgeschiedenheit Rügens getrieben? In Sarahs Kopf wirbelte alles durcheinander. Sie machte sich Vorwürfe und dann waren da so viele bohrende Fragen.

Dinge, die einfach nicht zueinander passten.

Sarah war fünf Jahre älter als Jan und hatte sich immer ein bisschen für ihn verantwortlich gefühlt. Besonders, nachdem ihre Eltern so plötzlich gestorben waren. Jan war damals erst siebzehn gewesen und hatte noch die Schule besucht, während Sarah ihren ersten Job als Reporterin gehabt hatte damals noch in der Lokalredaktion einer Tageszeitung.

Dann hatte Jan studiert. Erst Archäologie, dann Alte Geschichte, schließlich Philosophie. Einen Abschluss hatte er nirgends gemacht. Dann war er mit ein paar Freunden durch Europa getrampt, hatte sich als Straßenmusiker und Taxifahrer verdingt.

Langsam aber sicher war der Kontakt zwischen den Geschwistern lockerer geworden. Und eines Tages war er dann nach Rügen gegangen.

Sarah hatte nicht die geringste Ahnung, weshalb.

Wahrscheinlich war es einfach eine Augenblickslaune von ihm gewesen.

Schließlich war der Kontakt ganz abgerissen. Und jetzt dieses Foto ...

Ich muss herausfinden, was mit ihm geschehen ist!, ging es ihr durch den Kopf. Das war sie ihm irgendwie schuldig.

2

Am nächsten Morgen musste sie erst um zehn in der Redaktion sein. Zeit genug also, um noch einmal bei Herr Klein vorbeizuschauen. Um diese Zeit musste er eigentlich in seinem Laden stehen und an Jugendliche gebrauchte Schallplatten und alte Comic-Hefte verkaufen.

Es war ein kalter, diesiger Tag.

Der Nebel hing noch immer wie eine Glocke über Hamburg und tauchte alles in ein tristes Grau. Irgendwie passte das Wetter zu der Stimmung, die sie empfand. Sarah hatte schlecht geschlafen. Unruhige Träume hatten sie die ganze Nacht über gequält. Sie konnte sich nicht mehr so recht an sie erinnern, aber eines wusste sie noch ...

Ein Vierfachkopf hatte in diesen Träumen eine Rolle gespielt!

Wahrscheinlich die überreizten Nerven, die mir da einen Streich gespielt haben!, ging es ihr durch den Kopf, während sie fröstelnd die wenigen Dutzend Meter Bürgersteig hinter sich brachte, die zwischen ihrer Wohnung und Herrn Kleins Secondhand-Laden lagen.

Seit Wochen arbeitete sie sehr hart und dann die schlimme Nachricht, die Kommissar Karstensen ihr am Vorabend übermittelt hatte. Das war alles etwas zu viel auf einmal gewesen.

Als sie den Laden betrat, fiel ihr sofort auf, dass nicht geheizt war. Es war kalt und klamm im Laden. Für gewöhnlich hatte Klein immer einen Ölofen in Betrieb, auf dem er sich Mittags eine Suppe kochte, nach der dann der ganze Laden roch.

„Herr Klein?“, rief Sarah. Aber niemand antwortete ihr.

Sarah umrundete einen riesigen, ungeordneten Stapel alter Taschenbücher und blickte sich um. Das Licht war seltsamerweise nicht eingeschaltet.

Im Laden herrschte eine Art Halbdunkel und Sarahs Augen brauchten ein paar Augenblicke, um sich daran zu gewöhnen.

„Herr Klein, sind Sie da?“

Dann bemerkte sie, dass ein Stapel alter Comics vom Tresen gerissen worden war.

Die Hefte lagen auf dem Boden verteilt. Sarah umrundete den Tresen und erstarrte.

Das Blut drohte ihr förmlich in den Adern zu gefrieren.

Herr Klein lag ausgestreckt auf dem Boden. Seine Augen blickten starr und tot ins Nichts. Und auf seiner Brust lag jenes Vierkopfamulett, das ihn am Tag zuvor so sehr erschreckt hatte.

Ein Amulett, das den Tod zu bringen schien!

Sarah stand einen Augenblick lang wie erstarrt da. Es ist wie in einem schrecklichen Alptraum!, ging ihr es durch den Kopf.

Allerdings gab es aus diesem Alptraum nicht ein einfaches Erwachen, nach dem nichts weiter, als eine vage Erinnerung blieb ...

Ich werde die Polizei anrufen müssen!, wurde es ihr klar.

Sie blickte sich um und suchte mit den Augen nach dem Telefon. Sie fand es schließlich neben der Kasse, begraben unter einem gebrauchten Judoanzug, den Klein für ein paar Euro zum Kauf anbot. Sie räumte den Anzug beiseite und nahm den Hörer ans Ohr. Mit schnellen Bewegungen wählte sie die Nummer der Polizei.

Ein Geräusch ließ sie dann in der nächsten Sekunde zusammenzucken. Es war ein unangenehmer, drohender Zischlaut.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie eine Bewegung war und wirbelte herum. Auf dem Boden kroch etwas Längliches, Schuppenbewehrtes langsam auf sie zu ...

Eine Schlange.

Kalte Facettenaugen blickten sie an, eine dunkle, gespaltene Zunge schnellte hervor. Die Giftzähne waren lang und spitz. Dann spürte sie im nächsten Moment, wie sie bei der Schulter gepackt und von einer unwiderstehlichen Kraft zu Boden gerissen wurde. Sie fühlte noch, wie ihr Kopf irgendwo aufschlug.

Und dann wurde es dunkel vor ihren Augen.

Namenlose, finstere Nacht umgab ihr Bewusstsein.

*

Das erste, was Sarah Nordmann sah, als sie erwachte, war ein diffuses Leuchten, das nach und nach die Finsternis aufzulösen begann.

Es dauerte eine Weile, bis sie völlig zu sich kam.

Schließlich sah sie, dass das Leuchten von einer Neonröhre stammte und sie sich in einem Krankenhauszimmer befand.

Sie war allein im Raum. Das andere Bett war frei, die Decke glattgezogen, so dass nicht eine einzige Falte zu sehen war.

Sarah fragte sich, wie viel Zeit vergangen war.

Und dann stiegen düstere Erinnerungen in ihr auf.

Erinnerungen an den toten Herr Klein, an das Amulett und die Schlange.

Es vergingen einige Minuten, dann kam eine Krankenschwester herein. Sie lächelte Sarah erfreut an und rief per Knopfdruck gleich den Arzt.

Sarah versuchte sich aufzurichten, aber sie merkte sofort, dass das keine gute Idee gewesen war. Schwindelgefühl erfasste sie. Alles drehte sich vor ihren Augen und ein dumpfer Kopfschmerz hämmerte hinter ihrer Stirn. Die Krankenschwester drückte sie sanft zurück in die Kissen.

„Bleiben Sie liegen, Frau ...“

„Was ist passiert?“

Inzwischen hatte der Arzt das Zimmer betreten. Er stellte sich als Dr. Aschberg vor und meinte dann: „Sie sind offenbar gestolpert und mit dem Kopf aufgeschlagen.“

„Gestolpert?“, fragte Sarah ungläubig. „Ich bin nicht gestolpert, ich ...“

„Lassen Sie mal sehen.“

Dr. Aschberg beugte sich über sie, und untersuchte sie kurz.

Etwas oberhalb der linken Schläfe hatte sie eine Wunde.

„Nichts Schlimmes“, wie Dr. Aschberg meinte. „Nicht lange und man wird nichts mehr davon sehen.“ Er lächelte geschäftsmäßig. „Haben Sie Kopfschmerzen?“

„Ja.“

„Die werden wohl auch noch einige Zeit bleiben“, meinte er wenig tröstlich.

„Ich möchte nach Hause“, sagte Sarah.

Aber Dr. Aschberg schüttelte energisch den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, sagte er. „Sie haben eine Gehirnerschütterung und werden eine Weile hierbleiben müssen ...“

„Ich bin Reporterin ... Ich muss in der Redaktion anrufen!“

„Bitte!“ Der Arzt deutete auf das Telefon auf dem Nachttisch. „Aber Sie brauchen denen gar nicht erst Hoffnungen zu machen, dass Sie in den nächsten Tagen schon wieder an Ihrem Arbeitsplatz sitzen. Das ist ausgeschlossen.“

*

Sarah telefonierte mit ihrer Redaktion. Und dann mit der Kriminalpolizei. Sie hatte sich schon gewundert, dass noch niemand von der Polizei bei ihr aufgetaucht war, um sie zu befragen. Kommissar Karstensen war allerdings nicht zu erreichen und sonst schien niemand zuständig zu sein. Sarah wünschte ihn zum Teufel.

Gegen Abend tauchte Kommissar Karstensen dann doch noch in ihrem Krankenzimmer auf.

Auf seine etwas unsichere, verlegene Art trat er an ihr Bett und reichte ihr die Hand.

„Was ist mit Herr Klein passiert?“, fragte Sarah und kam damit ohne Umschweife zur Sache. „Haben Sie das Amulett gesehen?“

„Hören Sie ...“

„Genau so ein Amulett hatte mein Bruder um den Hals, als man seine Leiche fotografierte.“

„Frau Nordmann ...“ Karstensens Tonfall gefiel Sarah nicht. Der Kommissar schien sie nicht so recht ernst zu nehmen. Er sprach mit ihr wie mit jemandem, der nicht so ganz zurechnungsfähig war.

Sie erschrak über ihre Gedanken.

„Jemand hat mich zu Boden geschleudert“, sagte sie.

„Es war niemand dort. Auch keine Spuren, die darauf hindeuten, dass es so war.“

„Es war eine Giftschlange dort ... Ich nehme an, dass Herr Klein durch sie gestorben ist. Genau wie mein Bruder. Herr Kommissar! Begreifen Sie doch! Irgendein Verrückter benutzt eine Giftschlange als Mordwaffe!“

Karstensen zuckte die Achseln. „Klein ist an Herzschlag gestorben ... Und von einer Giftschlange war nirgends etwas zu sehen.“

Sarah fuhr hoch.

Auf ihre Kopfschmerzen nahm sie dabei keine Rücksicht. Sie fasste sich an die Schläfe. Hatte sie sich das alles nur eingebildet?

Nein, nein, das konnte nicht sein. Sie hatte die Schlange gesehen. Und sie hatte die Hände gespürt, die sie zu Boden gerissen hatten.

„Was?“, flüsterte sie. „Herzschlag?“

Karstensen setzte sich auf einen der Stühle, die in dem Krankenzimmer standen und schlug die Beine übereinander.

„Ich möchte Ihnen sagen, was meiner Ansicht nach geschehen ist. Klein ist nicht mehr der Jüngste. Er hatte eine Herzschwäche, deretwegen er in ärztlicher Behandlung war. Um seine Überlebenschancen zu erhöhen, hätte er seinen Lebenswandel radikal ändern müssen, aber dazu war er nicht bereit. Und dann hat es ihn eines Morgens, kurz nachdem er sein Geschäft geöffnet hatte, eben getroffen. Für seinen Arzt war das alles andere als überraschend.“

Sarah fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Sie fühlte den dröhnenden Kopfschmerz und ein leichtes Schwindelgefühl.

Einen Augenblick später sank sie zurück in die Kissen. Aber das besserte ihr Befinden nicht.

Auf einmal fühlte sie so etwas wie Zweifel in sich aufkommen. Zweifel an dem, was sie gesehen hatte. Die Erinnerung verblasste seltsam.

Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten.

Ich bin doch noch nicht verrückt!, hämmerte es in ihr.

„Was ist mit dem Amulett? Was ist mit dem Kerl, der mich zu Boden gerissen hat?“

„Ich bin noch nicht fertig, Frau Nordmann.“

„Dann fahren Sie fort!“, forderte Sarah ungeduldig.

„Sie kamen in das Geschäft und fanden den toten Herr Klein. Das muss Sie sehr erschreckt haben. Sie waren nervlich ohnehin schon angespannt, wegen der Sache mit Ihrem Bruder ...“

„ ...und Sie wollen sagen, dass ich mir dann alles eingebildet habe! Zum Beispiel die Gehirnerschütterung, mit der ich hier liege.“

Karstensen schüttelte den Kopf. Er machte eine beschwichtigende Geste. „Sie sind ausgerutscht, Frau Nordmann. Herr Klein hatte seinen Boden immer sehr glatt gebohnert. Und was die anderen Dinge angeht. Ein Amulett haben wir nicht gefunden. Und von einer Schlange war auch keine Spur. Frau Nordmann, man nennt so etwas eine Übertragung. Sie glaubten, diese Dinge zu sehen, aber Sie müssen die Realität akzeptieren, wie sie ist.“

Sarahs Blick war nach innen gekehrt. Sie glaubte, sich verhört zu haben. Dann hob sie den Kopf und blickte den Kommissar verständnislos an.

„Ich weiß doch, was ich gesehen habe!“

„Frau Nordmann!“

„Da war jemand, der mich niedergerissen hat!“

Karstensen hob die Augenbrauen und forderte kühl: „Dann geben Sie mir eine Beschreibung von ihm!“

Sarah schwieg.

„Das können Sie nicht, nicht wahr?“, antwortete der Kommissar an Sarahs statt. „Sie können es nicht, weil Sie nichts gesehen haben.“

„Aber ...“

Sarah ahnte, dass es nicht viel Sinn hatte, Karstensen überzeugen zu wollen. Er schnitt ihr das Wort ab.

„Ich habe nicht viel Zeit, Frau Nordmann. Vielleicht unterhalten Sie sich besser mit jemandem über die Sache, der ...“ Karstensen zögerte bevor er weitersprach. Sein Kopf drehte sich zur Seite, dann fuhr er fort. „Mit einem, der dafür ausgebildet ist!“, brachte er dann heraus und holte anschließend tief Luft.

Er meint einen Psychiater!, wurde es Sarah klar, und die Erkenntnis versetzte ihr einen Stich.

„Für uns ist der Fall jedenfalls abgeschlossen“, hörte sie Kommissar Karstensen wie durch einen Nebel sagen. „Und für Sie sollte er es auch sein ...“

Sarah öffnete halb den Mund und wollte etwas erwidern. Aber sie schluckte ihre Worte wieder hinunter. Es hatte keinen Sinn. Für Kommissar Karstensen war die Sache klar. Sie hatte sich etwas eingebildet.

Sie versuchte verzweifelt, die Erinnerung festzuhalten.

Aber konnte es nicht vielleicht doch sein, dass Karstensen recht hatte? Bilder schwirrten in ihrem Hirn durcheinander. Das Bild ihres toten Bruders Jan, das Bild einer Schlange mit unmenschlich kalten Facettenaugen, das Bild eines Amuletts und das Bild des toten Herr Klein ...

Die Angst begann ihr die Kehle zuzuschnüren. Sie fühlte ein Frösteln von der Art, wie sie es gefühlt hatte, als sie zum ersten Mal das Schlangenamulett in Kleins Laden gesehen hatte.

Nur viel stärker.

Ich verliere den Verstand!, zuckte es ihr durch den Kopf.

Sie nahm kaum war, wie Kommissar Karstensen sich verabschiedete und das Zimmer verließ.

4

In den nächsten Tagen verbesserte sich Sarahs Zustand zusehends. Da sie noch nicht lange in Hamburg war, war ihr Bekanntenkreis hier auch noch sonderlich groß. Besuch bekam sie daher selten. Die meiste Zeit lag sie allein in ihrem Zimmer und grübelte.

Wenigstens eine dachte an sie. Und das war Bea Jansen, die für denselben Zeitschriftenverlag wie Sarah arbeitete.

Allerdings nicht in einer Redaktion, sondern im Archiv.

Bea war Anfang dreißig, und die beiden Frauen hatten sich von Anfang an gut verstanden.

„Wie geht‘s dir?“, fragte Bea.

Sarah lächelte matt. „Schon besser. Ende der Woche kann ich nach Hause.“

„Das ist schön.“

„Wie geht‘s bei euch zu?“

Bea lachte. „Dein Blatt erscheint auch ohne dich, Sarah! Ob du es nun glaubst oder nicht!“

Sie lachten. Sarah setzte sich auf und bedachte Bea mit einem prüfenden Blick. „Ich muss dich um einen Gefallen bitten, Bea.“

„Kein Problem!“

Bea zuckte die Achseln.

Sarahs Gesicht hingegen blieb ernst, und das ließ Bea die Stirn runzeln.

„Du musst etwas für mich herausfinden“, kam Sarah gleich zur Sache.

„Sarah, werd‘ erst einmal wieder gesund!“

„Es ist wichtig, Bea. Und ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht dringend wäre!“

Sie griff in die Schublade ihres Nachttischs und holte das Foto heraus, das Kommissar Karstensen ihr gegeben hatte und reichte es Bea. „Ich muss wissen, was dieses Amulett für eine Bedeutung hat. Es muss eine Bedeutung haben. Da bin ich mir ganz sicher.“

Bea betrachtete das Foto und in ihrem Gesicht erschien ein zweifelnder Ausdruck.

„Wer ist dieser Tote?“, fragte sie. Auf einmal schien ihr bei der ganzen Sache nicht mehr so ganz wohl zu sein.

„Unwichtig, Bea.“ Sarah wusste einfach nicht, inwieweit sie Bea wirklich vertrauen konnte. Dazu kannten sie sich noch nicht gut genug, und so zog sie es vor, nur das allernötigste preiszugeben.

Bea hob die Augenbrauen.

„Eine Story?“, hakte sie nach. 

Soll sie das ruhig glauben!, dachte Sarah.

„Eine Story“, bestätigte sie. „Es ist sehr dringend, Bea.“

„Ich verstehe“, murmelte die Archivarin in einem Tonfall, der andeutete, dass sie in Wahrheit gar nichts verstand.

„Irgendetwas wird sich in der Gruft schon an Informationen finden.“ Die Gruft – das war bei den Mitarbeitern der Ausdruck für das Archiv. „Aber überanstrenge dich nicht, Sarah. Wie gesagt, das Blatt erscheint ohne dich. Und das wichtigste ist, dass du wieder auf den Damm kommst!“

„Klar.“

Sarahs Lächeln wirkte müde.

5

Es war an dem Tag, bevor Sarah aus dem Krankenhaus entlassen wurde, als Bea wieder bei ihr auftauchte.

„Hast du was über dieses Amulett herausgefunden?“, fragte Sarah.

Bea zuckte die Achseln.

„Nicht viel“, sagte sie. „Außer einem Lexikonartikel über den uraltenKult einer Kriegsgottheit ... Ich habe dir den Artikel kopiert. Die Abbildung, die da zu sehen ist, stimmt mit dem Amulett haargenau überein.“

Sarah nahm die Kopie und als ihre Blick auf die Abbildung fiel, versetzte es ihr einen Stich. Ja, das war es!

Sie fühlte ihren Puls wild schlagen, während sie die wenigen Zeilen überflog. Der Kult des Krieger- und Hochgottes Svantevit stammte danach ursprünglich aus Skandinavien. Es war ein blutiger Geheimkult mit Menschenopfern ... Die Existenz dieses Kultes war bis ins zwölfte Jahrhundert belegt. Danach schien es der christlichen Kirche gelungen zu sein, ihn auszurotten.

Sarah ließ die Kopie sinken.

„Viel ist das nicht“, meinte Bea fast entschuldigend dazu, als sie Sarahs etwas enttäuschtes Gesicht sah. „Aber das war auch eine harte Nuss, die du mir zu knacken gegeben hast ...“

„Schon gut, Bea. Du hast mir sehr geholfen“, murmelte Sarah fast wie in Trance. In Wahrheit war sie natürlich kein Stück weiter.

Was hatte dieser antike Kriegsgott namens Svantevit mit dem Tod zweier Menschen im zwanzigsten Jahrhundert zu tun?

Ihr kam wieder ins Bewusstsein, dass Jan sich ja mit alter Geschichte und Archäologie befasst hatte. Aber wie man die Sache auch drehte und wendete – sie blieb ein Rätsel.

Und für einen kurzen Moment kam ihr sogar in den Sinn, dass Kommissar Karstensen am Ende gar recht haben konnte und sie sich in ihrem Hirn etwas zurechtlegte, was mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte ...

Ich muss nach Rügen!, durchzuckte es sie siedend heiß. Ich muss nach Rügen und der Sache auf den Grund gehen!

Und es gab niemanden, der ihr dabei helfen würde.

Niemanden, der ihr auch nur einen Bruchteil dessen glauben würde, was sie bereits erfahren hatte.

6

Als sie das erste Mal wieder bei ihrer Redaktion auftauchte, ging Sarah geradewegs in das Büro ihres Chefredakteurs.

Martin Gatow war ein hochgewachsener Mann in den vierzigern, dessen dunkles Haar bereits die ersten grauen Strähnen bekommen hatte. Seine dunklen Augen wirkten warm, und um die Mundwinkel herum spielte immer ein gewinnendes Lächeln.

„Es freut mich, dass Sie wieder gesund sind, Sarah!“, begrüßte er sie und gab ihr die Hand.

Dann bot er ihr einen Platz an, aber Sarah wollte sich nicht setzen. Sie kam ohne Umschweife zur Sache. „Ich brauche dringend ein paar Wochen Urlaub!“

Martin Gatow zog die Augenbrauen in die Höhe und bedachte Sarah Nordmann mit einem nachdenklichen Blick.

„Sie sehen in der Tat etwas mitgenommen aus.“

„Ja, die letzte Zeit war nicht einfach. Ich brauche einfach ...“, sie zögerte, ehe sie weitersprach und schien dabei nach dem richtigen Wort zu suchen, „ ...eine Pause“, vollendete sie dann.

„Ich kann Sie verstehen, Sarah, aber ...“

„Ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht so dringend wäre“, hakte Sarah nach. Und in ihrer Stimme lag etwas Unmissverständliches, Bestimmtes, das Gatow die Schultern zucken ließ.

„Schade“, sagte er dann. „Ich hatte Sie eigentlich für das Interview mit Prinzessin Caroline vorgesehen ... Das wäre eine Titelstory, Sarah!“

Sarah atmete tief durch. Aber dann schüttelte sie um so entschiedener den Kopf. „Tut mir leid! Aber das ändert nichts an meinem Wunsch.“

Gatow hob die Hände. „Also gut, Frau Nordmann. Sie bekommen Ihren Urlaub. Ich hoffe, Sie erholen sich gut. Wo geht‘s denn hin?“

„Nach Rügen“, murmelte sie tonlos.

7

Sarah Nordmann packte ein paar Sachen zusammen und nahm den nächsten Flug von Hamburg nach Bergen, ziemlich im Mittelpunkt Rügens gelegen.

Um nach Vitt zu kommen, musste sie mit dem Bus weiterfahren.

Sie war ziemlich müde, als sie sich in ihrem Sitz niederließ.

Ihr Gegenüber saß ein Mann mit hellblonden Haaren und markanten Gesichtszügen. Das braune Jackett hatte er lässig auf den Sitz neben sich geworfen. Den Hemdknopf trug er offen. Seine meerblauen Augen musterten sie eingehend. Als sie seinen Blick erwiderte, lächelte er freundlich.

„Machen Sie Urlaub hier?“, erkundigte er sich.

Sarah sah ihn erstaunt an.

„Ja. Woher wissen Sie das?“

Sein Lächeln wurde etwas breiter und strahlte jetzt noch mehr Selbstsicherheit aus, als ohnehin schon.

„An Ihrem Gepäck sind noch die Kennschilder des Flughafens!“, erklärte er. „Sie kommen aus Hamburg!“

Sarah erwiderte unwillkürlich sein Lächeln. „Sie sind ein scharfer Beobachter.“

„Wenn Sie das sagen ...“

„Aber Sie sind ebenfalls nicht aus dieser Gegend.“

Der Blonde hob die Augenbrauen. Für den Bruchteil eines Augenblicks schien er tatsächlich etwas erstaunt zu sein.

Aber er hatte seine Mimik recht schnell wieder unter Kontrolle. „Und woraus schließen Sie das?“

„Aus Ihrem Akzent. Sie sind kein Norddeutscher.“

„Ich könnte lange in Bayern gelebt und dort vielleicht studiert haben.“

„Aber Sie hätten kaum eine Ausgabe der Hamburger Post von heute dabei!“, versetzte Sarah, während sie mit dem Finger auf die Zeitung deutete, die halb unter dem hingeworfenen Jackett hervorschaute.“

„Sie sind aber auch eine scharfe Beobachterin!“, lachte er.

Er reichte ihr die Hand. „Markus Linden“, stellte er sich vor. „Und ich bin ebenso wie Sie auf dieser herrlichen, grünen Insel, um auszuspannen und mich mal richtig zu erholen!“

Sarah zögerte einen Augenblick, bevor sie ihren Namen nannte. „Sarah Nordmann.“

„Ich darf Sie Sarah nennen, ja?“

Sarah zuckte die Achseln.

Er hatte etwas Überrumpelndes an sich. Aber er tat es auf eine sympathische Weise, die Sarah irgendwie gefiel.

Sie lächelte. „Warum nicht?“

„Fahren Sie die ganze Strecke bis Putgarten?“

„Nein, nur bis Vitt, das kommt kurz hinter dem Steilufer.“

In seinen Augen blitzte es. „Dann haben wir dasselbe Ziel. Ich will auch nach Vitt.“

„So ein Zufall.“

Auf einmal wurde sie misstrauisch. Sie konnte nicht so recht erklären, woher das kam. Vielleicht war es dieser unglaubliche Zufall, dass sie beide Vitt als Ziel hatten.

Jedenfalls hat er innerhalb einer kurzen Zeit eine Menge über mich erfahren!, ging es ihr durch den Kopf. Er wusste, wie man während einer harmlosen Plauderei an Informationen kam.

Entweder, er war ein Naturtalent, oder es hatte mit seinem Beruf zu tun.

„Vitt ist nicht gerade ein hochattraktiver Ferienort“, sagte Mark Linden indessen gedehnt, während er aus dem Fenster blickte. Er hatte ein klassisches Profil. Und seine Augen machten einen wachen, intelligenten Eindruck. „Wie kommen Sie ausgerechnet auf Vitt? Ich glaube kaum, dass irgendein Reisebüro in Hamburg für ein so abgelegenes Nest Reklame machen würde.“

„Das sicher nicht ...“, erwiderte Sarah und dachte: Jetzt werde ich den Spieß mal umdrehen.

Er hob die Augenbrauen. „Nun?“

Sie zuckte die Achseln und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Gleichzeitig eröffnete sie ihm klipp und klar: „Ich finde, dass Sie mich jetzt zu Genüge ausgefragt haben, Herr Linden ...“

„Mark. Für Sie Mark, okay?“

„Meinetwegen, Mark.“

Er wandte den Kopf zu ihr und seine meerblauen Augen sahen sie an. Und dabei verspürte sie unwillkürlich ein Kribbeln in der Bauchgegend. Sie konnte nicht sagen weshalb, aber dieser Blick ging ihr durch und durch.

„Dann fragen Sie mich jetzt etwas, Sarah. Bitte! Alles, was Sie wollen!“

„Und wenn ich indiskret werde?“

Er lachte und erwiderte dann scherzhaft: „Dann werde ich Sie einfach anlügen, Sarah. So einfach ist das.“

Sie musste auch lachen. Dieser Mann gefiel ihr vielleicht besser, als ihr lieb war. Denn eigentlich hatte sie keine Zeit, sich auf irgendetwas einzulassen. Das war völlig ausgeschlossen. Sie wollte herausfinden, was mit ihrem Bruder geschehen war. Deswegen war sie hier – aus keinem anderen Grund.

Aber vielleicht konnte es nicht schaden, jemanden in Vitt zu kennen. Und wenn Mark Linden hier einen Urlaub verbrachte, würde er ja wohl einige Zeit bleiben.

Sarah beugte sich etwas vor und stützte das Kinn auf die Hand. Mit der anderen Hand strich sie sich das mittellange, braune Haar zurück.

„Was machen Sie beruflich, Mark?“

„Ich bin ...“, er zögerte einen kurzen Moment. Ein Zögern, das Sarah unwillkürlich aufhorchen ließ. „Geschäftsmann“, vollendete er dann.

Das konnte alles und nichts sein. Die Journalistin in Sarah erwachte und so hakte sie nach: „In welcher Branche?“

„In jeder, in der sich Geld verdienen lässt.“

„Drücken Sie sich immer so genau aus?“

„Es ist die Wahrheit. Ich betreibe eine Handelsagentur, die mit Restposten handelt.“

Er beugte sich ebenfalls etwas vor. Sarah fragte sich, wie alt er war. Fünfunddreißig, so schätzte sie.

„Und Sie?“, erkundigte er sich. „Was machen Sie?“

„Versuchen Sie es zu erraten!“

„Das ist nicht fair!“

„Sie Ärmster!“

„Krankenschwester?“

„Falsch. Aber bis Vitt haben Sie ja noch eine Weile Zeit, es herauszufinden.“

*

„Wissen Sie schon, wo Sie heute Nacht bleiben?“, fragte Mark Linden, als der Bus in Vitt hielt.

Sarah, die inzwischen schon ihr Gepäck zusammengesucht hatte, blickte ihn etwas überrascht an und schüttelte dann den Kopf.

„Nein“, musste sie zugeben. Sie war so überstürzt aus Hamburg aufgebrochen, dass sie gar keine Zeit dazu gehabt hatte, sich irgendetwas zu reservieren.

„Ich habe mir ein Zimmer in der Pension von Herrn und Frau Krüger reservieren lassen. Ein Bett mit Frühstück für einen akzeptablen Preis. Wenn man will, bekommt man sogar Abendessen. Was meinen Sie dazu? Ein Hotel gibt es nämlich in Vitt nicht.“

Sarah zuckte die Achseln.

„Damit hätte ich eigentlich rechnen müssen.“

Er half ihr dabei, das Gepäck herauszutragen.

Mark und Sarah waren die einzigen, die an diesem Tag nach Vitt wollten. Der Bus setzte sich wieder in Bewegung und fuhr gen Horizont davon. Nicht lange, und er war hinter der nächsten Kette grüner Hügel verschwunden.

„Waren Sie schon einmal hier?“, wandte sich Sarah an Mark.

„Nein. Aber ich habe mich informiert, soweit das möglich war. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie kommen mit mir zu den Krügers.“

„Woher wissen Sie, dass die noch ein Zimmer frei haben?“

„Das weiß ich nicht. Aber wenn nicht, dann wissen die bestimmt, wo Sie sonst noch hier unterkommen können! In so einem Nest kennt doch jeder jeden!“

Das leuchtete Sarah ein.

„Gut“, meinte sie.

Es gab kein Taxi, das hier wartete. Aber dafür wenigstens einen Münzfernsprecher, mit dem sich eines herbeirufen ließ. Fast eine halbe Stunde mussten sie darauf warten.

Der Himmel wurde indessen bedrohlich dunkel.

Der Fahrer war ein untersetzter Mann in einem groben Tweedjackett und mit deutlichem Rotstich in den Haaren.

Er kannte die Pension der Krügers. „Kein Problem!“ meinte er, während er das Gepäck in den Kofferraum lud.

Und dann begann es zu regnen.

Der Taxifahrer blickte nach oben und meinte: „Das ist der heutige Regen!“ Er lachte dabei.

„Der heutige Regen?“, fragte Sarah.

Der Rothaarige grinste. „Wussten Sie das nicht? Auf Rügen regnet es mindestens einmal am Tag.“

*

Die Haltestelle von Vitt war etwas außerhalb des eigentlichen Ortskerns gelegen, der im Wesentlichen aus einer langen Reihe eng beieinanderstehender Häuser bestand.

„Zu den Krügers wollen Sie also“, meinte der Taxifahrer gedehnt, während er beiläufig jemanden mit einer Handbewegung grüßte.

„Ganz recht“, nickte Mark Linden, während er seinen Blick über die schon etwas in die Jahre gekommenen Hausfassaden schweifen ließ.

„Soweit ich weiß, erwarten die aber nur einen Herrn – und kein Ehepaar.“

Mark wandte sich herum.

Er war sichtlich erstaunt. Ein dünnes Lächeln erschien um seine Mundwinkel herum.

„Spricht sich ja schnell herum“, meinte er.

„Oh, nicht dass Sie denken, dass die Krügers nichts für sich behalten könnten. Aber ich bin weitläufig mit ihnen verwandt.“

„Verstehe“, murmelte Mark Linden und zwinkerte Sarah zu.

„Im Übrigen sind wir auch kein Paar!“, mischte sich die junge Frau jetzt in das Gespräch ein.

Der Taxifahrer zuckte die Achseln. „Ich dachte ...“

„Schon gut.“

„Ich heiße übrigens Bernd. Wenn Sie mal schnell einen Wagen brauchen – nur meine Nummer wählen!“ Er deutete auf eine Telefonnummer, die in großen Zahlen vorne am Handschuhfach angebracht war.

Dann hatten sie das Haus der Krügers erreicht. Es war ein Zweistock mit etwas verwitterter Fassade. Bernd hielt den Wagen an und Mark bezahlte das Taxi. Sarah bestand darauf, ihm die Hälfte des Preises wiederzugeben.

Dann stiegen sie aus.

Bernd öffnete den Kofferraum und holte das Gepäck heraus.

„Vielleicht sollten Sie einen Moment warten“, schlug Sarah dem Taxifahrer vor.

Der Rothaarige grinste sie an.

„Wozu?“

„Weil ich mich nicht angemeldet habe und die Krügers für mich vielleicht gar kein Zimmer mehr frei haben“, erläuterte Sarah.

Aber Bernd schüttelte entschieden den Kopf und klappte dabei mit einer kräftigen Bewegung die Kofferraumklappe zu.

„Die beiden haben ein Zimmer für Sie, junge Dame. Das weiß ich ganz sicher. Aus erster Hand sozusagen!“

Damit stieg er wieder ein, startete den Wagen und fuhr los.

Als er nach dem Lenkrad fasste, rutschte der Ärmel seines Jacketts etwas hoch, so dass Sarah für einen kurzen Augenblick Bernds Unterarm zu sehen bekam.

Und was sie da sah, verschlug ihr buchstäblich die Sprache.

Unter dem roten Haarflaum war deutlich eine Art Tätowierung zu sehen.

Ein Vierfachkopf mit roten Augen!

Bernd fuhr los.

Es schnürte Sarah die Kehle zu. Nur für einen winzigen Augenblick hatte sie die Tätowierung sehen können, aber sie war sich ihrer Sache sicher. Die Darstellung auf Bernds Unterarm stimmte in allen wesentlichen Details mit jener überein, die sich auf dem Amulett befand!

„Heh, Sarah!“

Es war Mark Lindens Stimme, die wie durch einen Nebel in ihr Bewusstsein drang. Sie wandte sich zu ihm um.

„Mein Gott, Sie sehen ja aus wie eine weiße Wand, Sarah!“, stellte Mark erschrocken fest. „Was ist los? Ist Ihnen nicht gut?“

„Es ist alles in Ordnung“, murmelte Sarah wie mechanisch.

Mark runzelte die Stirn. „Irgendeine Laus scheint Ihnen gerade über die Leber gelaufen zu sein – aber ich habe keine Ahnung, welche!“

Sarah hatte in dieser Sekunde keine Antenne für Marks etwas flapsige Art. „Gehen wir ‘rein“, sagte sie. Und Mark Linden zuckte nur den Achseln.

„Wie Sie wollen“, hörte sie ihn murmeln.

8

Frau Krüger war eine Dame in den Sechzigern. Sie trug das Haar zu einem Knoten zusammengefasst und macht den Eindruck, als würde sie ihre Pension nicht nur des Geldes wegen betreiben, sondern auch deswegen, weil sie sich dann mit den Gästen unterhalten konnte.

Sie erzählte gerne und hörte gerne zu.

Ihr Mann, hager, großgewachsen und grauhaarig, war dagegen eher schweigsam.

Frau Krüger zeigte Sarah ihr Zimmer. Es war recht groß, wenn auch reichlich vollgestellt mit alten Möbeln. Aber es wirkte gemütlich. Und die Einrichtung passte irgendwie zu den Krügers.

Durch das Fenster konnte man hinaus auf die Straße sehen.

„Ich hoffe, Sie sind zufrieden“, hörte Sarah Frau Krüger sagen.

„Ja, sicher.“

„Frühstück gibt es ab acht – aber Sie müssen nicht so früh aufstehen, wenn Sie nicht wollen. Sie bekommen einen Schlüssel für die Haustür und einen fürs Zimmer.“

„Gut.“

„Ich brauche dann noch Ihre Personalien und die Nummer Ihres Passes, Frau ...“

„Nordmann“, sagte Sarah. „Sarah Nordmann. Ich komme aus Hamburg.“

Sarah gab ihr ihren Ausweis.

Frau Krügers Gesicht veränderte sich ein bisschen. Ihre dunklen Augen wurden ein wenig schmaler und sie musterte Sarah eingehend. „Gut, Frau Nordmann“, sagte sie dann und wirkte etwas verlegen dabei. „Wie lange wollen Sie bleiben?“

„Ein oder zwei Wochen. Ich weiß noch nicht genau.“

„Sie können es sich noch überlegen. Aber es wäre nett, wenn Sie wenigsten für ein Paar Tage im Voraus bezahlen würden. Nicht, dass ich Ihnen misstraute, aber wir haben schließlich auch Auslagen ...“

Sarah griff in ihr Portemonnaie und bezahlte für eine Woche im Voraus. „Ist das in Ordnung?“

„Ja.“

Frau Krüger wollte sich schon zum Gehen wenden, aber Sarahs Stimme hielt sie zurück. „Dieser Bernd ...“

„Der Mann im Taxi?“, fragte Frau Krüger und Sarah nickte.

„Genau der.“

„Ein netter Mensch. Aber er hat es in der letzten Zeit nicht leicht gehabt. Seine Schwester ist vor einem halben Jahr gestorben. Wir waren auf der Beerdigung ...“

Sarah ahnte, dass jetzt eine von Frau Krügers langatmigen Abschweifungen kam und so unterbrach sie ihre Gastgeberin.

„Er hat hier irgendetwas am Arm“, stellte sie fest. „Eine Tätowierung. Der Kopf einer vierköpfigen Gestalt ...“

Frau Krüger machte einen Schritt in Richtung Tür und zuckte die Achseln.

„Ist mir noch nicht aufgefallen“, behauptete sie. „Aber Bernd ist früher zur See gefahren. Vielleicht hat er sich damals irgendetwas in den Arm ritzen lassen. Solche Tätowierungen bekommt man ja auch nie wieder weg!“

Frau Krüger war auf einmal von einer seltsamen Unruhe befallen. Sie schien nicht länger über diese Sache reden zu wollen – aus welchem Grund auch immer. Jedenfalls ging ihr Blick zur Uhr an ihrem Handgelenk und dann sagte sie: „Ich muss jetzt dringend in die Küche! Sonst wird mein Kuchen nichts!“

Und damit war sie dann auch schon weg.

Sarah hörte, wie sie die knarrende Treppe hinunterlief. Die junge Frau ging zur Tür, die von Frau Krüger nicht richtig geschlossen worden war und nun einen Spalt offen stand.

Sarah sah hindurch.

Allzu wichtig schien der alten Dame der Kuchen nicht zu sein, denn anstatt direkt in die Küche zu gehen, unterhielt sich flüsternd und ziemlich aufgeregt mit ihrem Mann im Flur.

Frau Krüger wedelte dabei aufgeregt mit den Armen.

Zu dumm, dass man nichts verstehen kann!, ging es Sarah durch den Kopf.

Kein Zweifel, die alte Dame wusste mehr, als sie preiszugeben bereit war. Es war auch schwer vorstellbar, dass irgendetwas in der Umgebung geschah, ohne dass sie früher oder später davon hörte.

*

Zunächst packte Sarah ihre Sachen aus und verstaute sie in den Schränken. Es war mehr als genug Platz für ihre paar Sachen vorhanden.

Dann ging sie hinunter ins Esszimmer, das gleichzeitig eine Art Aufenthaltsraum war.

Die Einrichtung war nicht nur altmodisch, sie war auch alt.

Die hölzernen Armlehnen der zierlichen Sessel waren von jahrzehntelanger Benutzung verkratzt. In den Vitrinen befand sich das Geschirr. Und wo noch Platz an den Wänden war, hingen riesige, romantische Bilderschinken, wie Sarah sie von Hamburger Flohmärkten her kannte. Landschaften mit grünen Hügeln, Segelschiffe in tosender See.

Hinter einer ausgebreiteten Zeitung verborgen saß Herr Krüger. Er hatte eine Tasse Tee neben sich stehen und senkte die Zeitung, als er Sarah bemerkte.

„Wünschen Sie irgendetwas?“, fragte er mit leiser, zurückhaltender Stimme. „Wenn Sie wollen, dann schenke ich Ihnen eine Tasse Tee ein.“

Sarah zuckte die Achseln. Warum eigentlich nicht?, dachte sie. Vielleicht konnte sie etwas erfahren.

„Gerne, Herr Krüger“, sagte sie daher und setzte sich auf einen der zierlich wirkenden Sessel. Ihr Blick ging durchs Fenster. Draußen hatten sich die Wolken verzogen und der Sonne Platz gemacht, die um diese Tageszeit jedoch schon recht milchig geworden war.

Herr Krüger stand auf, ging zu einem der Schränke hin, öffnete ihn und holte eine Tasse. Er stellte sie vor Sarah auf den Tisch und goss ihr Tee ein.

„Zucker?“, fragte er.

„Nein, danke.“

Herr Krüger setzte sich wieder. Er bewegte sich dabei mit ausgesuchter Langsamkeit. Er faltete seine Zeitung sorgfältig zusammen und musterte dann Sarah aufmerksam. „Ihr Name ist Nordmann, nicht wahr?“, vergewisserte er sich.

Sarah nickte. „Ja. Warum fragen Sie? Haben Sie den Namen in letzter Zeit vielleicht schon einmal in anderem Zusammenhang gehört?“

„Nun ...“ Er wandte den Blick zur Seite, aber Sarah ließ nicht locker.

„Jan Nordmann. Das war der Name.“

„Es hat hier einen Mann mit diesem Namen gegeben“, gab Herr Krüger dann zu, während er seine Teetasse zum Mund führte. Seine Hand zitterte ein wenig. „Die Sache stand in der Zeitung. Wissen Sie, Vitt ist nicht gerade eine Großstadt, und die Sache hat hier viel Wirbel gemacht. Sie können sich das sicher vorstellen. – Sind Sie mit Jan Nordmann verwandt?“

„Ich bin seine Schwester.“

Herr Krüger nickte leicht.

Er schien sich etwas in der Art schon gedacht zu haben. Der Name Nordmann war zwar alles andere als ungewöhnlich, aber es wäre ein zu großer Zufall gewesen, wenn keinerlei Verbindung bestanden hätte.

Herr Krüger hüstelte etwas verlegen. „Dann brauche ich Ihnen sicher nicht zu sagen, was mit Ihrem Bruder geschehen ist.“

„Die Polizei hat es mir gesagt. Er starb an einem Schlangenbiss – unter mehr als merkwürdigen Umständen.“

Herr Krüger zuckte die Achseln.

„Mein Beileid, Frau Nordmann.“

„Danke.“

„Sie sind wegen der Sache mit Ihrem Bruder hier, nicht wahr? Ich schlage vor, Sie sprechen mit Joachim Ottensen, der die hiesige Polizeistation leitet, wenn Sie irgendetwas wissen wollen. Sie müssen allerdings bis Wiek fahren, das sind einige Kilometer.“

„Haben Sie meinen Bruder gekannt?“, hakte Sarah nach.

„Gekannt?“ Herr Krügers Stimme bekam auf einmal einen merkwürdigen Unterton.

Er hob die Schultern und verdrehte die Augen. Dann strich der hagere Mann sich mit einer fahrigen Geste eine Strähne seines grauen Haars zurück. „Nein“, sagte er. „Gekannt nicht. Er war ein Fremder. Seinen Namen erfuhr ich erst aus der Zeitung.“

„Ich verstehe.“

„Eine traurige Geschichte ...“

„Wissen Sie, wo diese Hütte liegt, wo man ihn gefunden hat?“

Herr Krüger nickte.

„Sicher. Das war das alte Haus von Wittow, das schon seit zwanzig Jahren nicht mehr bewohnt ist – seit Wittow starb. Wenn Sie in westlicher Richtung aus dem Ort fahren, müssen Sie einfach immer geradeaus. Vier Kilometer vielleicht, dann sehen Sie es links. Ist ein bisschen heruntergekommen, aber eigentlich ein schönes Haus. Wundert mich, dass niemand es mehr haben wollte ...“

„Was ist mit der Schlange?“, fragte Sarah.

Herr Krüger blickte auf. „Welche Schlange?“

„Die, an deren Biss mein Bruder gestorben ist. Ist sie inzwischen aufgetaucht?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein. Aber ich glaube auch nicht, dass so ein Tier hier in freier Wildbahn überleben könnte. Schon gar nicht zu dieser Jahreszeit! Wir haben es im Moment nämlich recht kühl, nachts! Und ein kaltblütiges Reptil ...“

„Mein Bruder hatte ein Amulett bei sich, als er starb. Ein Amulett mit einen Vierfachkopf. Haben Sie irgendeine Ahnung, was das bedeuten könnte? Bernd, der Taxifahrer hat einen solchen Vierfachkopf auf dem Unterarm ...“

„Nein ...“

„Das ist der Gott eines uralten Kultes. Svantevit!“

Bei der Nennung des Namens schluckte Herr Krüger. Er schien etwas darüber zu wissen, das war überdeutlich. Der alte Mann schien innerlich hin- und hergerissen zu sein. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet.

Er schluckte abermals. Dann rutschte er in seinem Sessel nach vorn und beugte sich näher zu Sarah hinüber. Seine Stimme klang gedämpft, so als befürchtete er, dass irgendwer ihn hören könnte.

„Frau Nordmann, hören Sie ... Ich muss Sie warnen ...“

In diesem Moment schnitt ein Geräusch wie ein Messer durch die Stille.

Jemand hatte die Tür geöffnet, deren Scharniere wohl nicht mehr richtig geölt waren.

Herr Krüger schwieg abrupt und blickte wie gebannt in den Türrahmen. Dort stand niemand anderes als Mark Linden. Er lächelte Sarah gewinnend an.

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört“, meinte er.

„Durchaus nicht!“, beeilte sich Herr Krüger zu versichern.

„Ich habe vor, ein bisschen in der Gegend herumzufahren!“, sagte Mark an Sarah gewandt.

Sarahs Blick blieb an Herr Krüger haften, aber der machte keinerlei Anstalten, mit dem, was er eigentlich hatte sagen wollen, fortzufahren. Stattdessen erhob er sich und wollte sich in Richtung Küche davonmachen.

„Herr Krüger, vielleicht sollten wir ein anderes Mal weiterreden“, schlug Sarah vor.

Krüger drehte sich herum und zuckte verlegen die Schultern.

„Oh, ich hatte Sie eigentlich nur noch fragen wollen, ob Sie heute Abend noch etwas essen wollen, Frau Nordmann.“

Und damit war er auch schon verschwunden.

*

„Haben Sie Lust, mich zu begleiten?“, drang Mark Lindens Stimme in ihr Bewusstsein. Sarah drehte sich zu ihm herum. Ihre Blicke trafen sich. Gerade noch war sie ziemlich wütend auf ihn gewesen, aber irgendwie konnte sie ihm nicht richtig böse sein.

Sein Lächeln war einfach zu charmant.

„Wo soll‘s denn hingehen?“, fragte sie.

Mark zuckte die Achseln.

„Ich bringe Sie, wohin Sie wollen!“, lachte er. „Meinetwegen ans Ende der Welt!“

Sarah erwiderte sein Lächeln.

„Sind wir da nicht schon?“

„Wie man‘s nimmt!“ Mark zuckte die Schultern.

Sarah runzelte indessen die Stirn und fragte plötzlich: „Welchen Wagen nehmen wir denn eigentlich?“

„Den roten Land Rover, der vor dem Haus steht!“ Er deutete aus dem Fenster. „Ich habe mir aus Bergen einen Leihwagen hier herbestellt ...“

Sarah staunte nicht schlecht. „Sie scheinen Ihre Reise hier her außerordentlich genau geplant zu haben!“, stellte sie fest.

Mark lachte und zeigte dabei zwei Reihen makellos blitzender Zähne. „Ich weiß ganz gerne, was mich erwartet!“, erklärte er dann dazu.

„Klingt etwas langweilig“, versetzte Sarah neckisch.

Mark hob die Augenbrauen und lachte.

„Wenn ich anders wäre, müssten Sie jetzt zu Fuß gehen, wenn Sie die Gegend erkunden wollten!“

*

Ein Mann mit Humor!, dachte Sarah. Das gefiel ihr an ihm.

Sarah holte noch eine Jacke, während Mark Linden im Land Rover auf sie wartete.

Sarah war etwas außer Atem, als sie sich auf den Beifahrersitz des Land Rovers schwang. Es war ein recht neues Fahrzeug und sogar mit einem Funktelefon ausgerüstet.

„Die frische Gesichtsfarbe steht Ihnen gut“, lachte Mark.

„Sehr witzig!“

„Wohin fahren wir?“

„Dorthin!“, bestimmte Sarah und deutete mit der Hand nach Westen.

Mark zuckte die Achseln und ließ den Motor an. „Sie scheinen zu wissen, was Sie wollen!“, musste er feststellen.

„Worauf Sie sich verlassen können!“

Der Rover fuhr die Straße entlang. Sarahs Blick glitt die alten, etwas verwittert wirkenden Steinhäuser entlang, die wie an einer Perlenkette aufgereiht dalagen.

„Der hat wohl auch nichts zu tun!“, hörte sie Mark sagen, der nach vorne deutete. In einiger Entfernung befand sich Bernds Taxi am Straßenrand. Bernd stand wild gestikulierend da und unterhielt sich mit ein paar anderen Männern. Als er den Land Rover bemerkte, drehte er sich herum. Für einen kurzen Moment traf sich sein Blick mit dem Sarahs. Dann war der Rover vorbeigefahren, aber Sarah spürte förmlich die Blicke, die ihnen nachgesandt wurden. Auf einmal begann sie sich unbehaglich zu fühlen.

„Haben Sie ein bestimmtes Ziel im Auge?“, fragte Mark mit einer gewissen Portion Spott in der Stimme.

„Lassen Sie sich überraschen – auch wenn Sie keine Überraschungen mögen!“, gab Sarah zurück.

Es war genau so, wie Herr Krüger ihr es beschrieben hatte.

Die Straße ging Richtung Westen aus der Stadt. Die letzten Häuser ließen sie hinter sich.

Und dann, nach gut vier Kilometern tauchte auf der rechten Seite ein Gebäude auf. Das Haus war malerisch gelegen, wenn auch offenbar nicht besonders gepflegt – wenn man nach dem Zustand des Daches ging.

Sarah deutete mit der Hand.

„Können wir dort mal anhalten?“

„Kein Problem.“

Mark bog in einen kleinen unbefestigten Feldweg ein, der direkt zu dem Häuschen hinführte.

Wenn es einmal mehrere Tage hintereinander regnete, war hier sicher kaum noch ein Durchkommen. Aber zur Zeit war der Weg fest genug. Der Land Rover rumpelte durch die Schlaglöcher, bis Mark schließlich den Wagen anhielt.

Sie stiegen aus.

„Sieht verlassen aus“, stellte Sarah fest.

Sie sprach dabei mehr zu sich selbst als zu Mark. Ein seltsamer Schauder erfasste sie. Hier war es also. Hier war jener Ort, an dem ihr Bruder auf rätselhafte und wie es schien ziemlich entsetzliche Weise ums Leben gekommen war.

Sie fröstelte und spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.

„Sagen Sie bloß, Sie interessieren sich für hiesige Ferienhäuser?“, hörte sie Mark sagen, aber sie gab ihm keine Antwort.

Stattdessen ging sie auf das Gebäude zu. Es machte einen sehr alten Eindruck. Älter noch, als die Häuser in Vitt selbst.

Sarah blickte durch eines der Fenster ins Innere.

Sie blickte in ein uraltes Schlafzimmer, das wohl schon seit vielen Jahren von niemandem mehr benutzt worden war. Das Bett war nicht bezogen. Und an der Wand hing ein dreißig Jahre alter Kalender, dessen Papier inzwischen vergilbt war.

Dann spürte Sarah plötzlich, wie zwei kräftige Hände sie bei den Schultern fassten.

Es war Mark.

„Wollen Sie sich mal drinnen umsehen?“, fragte er sie.

„Ich weiß nicht ...“

„Wie Sie schon richtig festgestellt haben, wohnt hier niemand. Und das wohl schon seit vielen Jahren. Warum sollten wir also nicht einen Blick hinein werfen?“