Abenteuer im Buntmeer - Elise und die Kristallmuschel - Anna Katharina Moll - E-Book

Abenteuer im Buntmeer - Elise und die Kristallmuschel E-Book

Anna Katharina Moll

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Beschreibung

Elise ist eigentlich ein ganz normales Mädchen aus Lülliburg. Was niemand weiß: Sie kann sich in ein Meermädchen verwandeln. Und obwohl sie Angst vorm tiefen Wasser hat, besucht sie oft die Unterwasserstadt Meerheim. Dort lernt sie die Zauberkunst der Meermenschen kennen. Elise ist aufgeregt, denn mit ihren Freunden Lilly, Schubert und dem frechen Goldfisch Flitzi macht sie einen Ausflug zu den Ölplattformen. Welche Gefahren lauern dort draußen? Und welches Geheimnis birgt die Kristallmuschel, die vor Jahren den Meermenschen gestohlen wurde? Das sind nicht die einzigen Rätsel, die Elise und ihre Freunde in ihrem zweiten Abenteuer im Buntmeer lösen müssen ...

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Abenteuer im Buntmeer

Elise

    und die Kristallmuschel

Anna Katharina Moll

Books on Demand

Inhalt

Moppels Kaugummibauch

Wieder in Meerheim

Der Versteckzauber

Die Kristallmuschel

Die chaotische Schulstunde

Der große Buntmeerrat

Die seltsamen Geschenke

Die kleine Ausreißerin

Bei den Ölplattformen

Im alten Wrack

Neptukania

Lillys Mutter

Das grüne Krankenhaus

Der geheimnisvolle Zettel

Gefährliches Wasser

Der Spezialkleber

Das Festessen

Im Palast des Präsidenten

Das Geheimnis der Kristallmuschel

Wieder zu Hause

Moppels Kaugummibauch

Es war mitten in der Nacht, als Elise auf Zehenspitzen durch das dunkle Wohnzimmer schlich. Leise öffnete sie die unterste Schublade der großen Kommode. Dort versteckte ihre Mutter immer die Süßigkeiten. Sie presste ihren alten Kuschelhasen Moppel fest an sich und suchte nach dem Beutel mit den bunten Kaugummis.

»Wer ist denn da im Wohnzimmer?«, rief ihre Mama.

Schnell stopfte Elise jede Menge Kaugummis in Moppels Bauch. An seiner rechten Seite war eine Naht offen, und ein Teil der Füllung fehlte. Rasch schob sie die Schublade wieder zu. Gerade noch rechtzeitig, denn plötzlich ging das Licht an.

»Elise Wassernix, was machst du denn hier?«, fragte ihre Mama. »Eine Neunjährige gehört nachts ins Bett.« Aus dem Schlafzimmer tönte leise das Schnarchen des Papas.

»Ich wollte mir nur ein Glas Milch holen. Falsche Tür.«

Jetzt lächelte die Mama und strich sanft über Elises lange blonde Haare, die ihr bis zu den Hüften reichten. Dabei fiel ihr Blick auf Moppel. Mit seinem Kaugummibauch sah er viel dicker aus als sonst.

»Hat dein Moppel etwa zugenommen?«

»Nein!«, rief Elise und drückte den Stoffhasen fest an sich. »Ich geh wieder ins Bett.« Schnell rannte sie in ihr Zimmer.

»Schlaf schön!«, konnte ihr die Mama gerade noch nachrufen. Dann schloss Elise die Tür. Geschafft!

»Flitzi, ich hab‘ die Kaugummis«, flüsterte sie aufgeregt.

»Gut gemacht«, jubelte der kleine Goldfisch, der in einem Glas auf ihrem Nachttisch stand. »Jetzt musst du sie nur noch nach Meerheim schmuggeln!«

»Scht. Flitzi, sei leise. Meine Eltern sollen dich doch nicht hören.« Sie durften auf keinen Fall erfahren, dass der Goldfisch sprechen konnte.

Schuldbewusst hielt Flitzi sich die rechte Flosse vor den Mund und sagte dann kleinlaut: »Ja, schon gut. Niemand darf wissen, dass ich sprechen kann. Und niemand darf wissen, dass du morgen wieder durch den Tunnel im Schwimmbad zu den Meermenschen schwimmst.«

»Richtig. Und jetzt sei leise.«

Seit zwei Monaten verbrachte Elise immer abwechselnd eine Woche zu Hause in Lülliburg und eine Woche im Buntmeer in der Unterwasserstadt Meerheim. Sie lernte dort die Zauber der Meermenschen kennen und gab sogar selbst Unterricht in Erdmenschenkunde. Die Direktorin, die alle nur Melisanda nannten, hatte sie dafür extra ausgewählt. Denn Elise hatte eine ganz besondere Verbindung zu den Meermenschen. Als Dreijährige war sie mal bei einem Sturm von einer Fähre ins Meer gefallen. Die Meermenschen hatten heimlich eine Luftblase um ihren Kopf gezaubert und ihr Lieder vorgesungen, bis ihr Vater sie gerettet hatte. Damals hatte Melisanda sofort gespürt, dass Elise etwas Besonderes war.

Immer wenn sie im Buntmeer war, hielt sie in Lülliburg mit einem Zauber die Zeit an. So merkte niemand, dass sie weg war. Und morgen war es wieder so weit. Schnell packte Elise ihre Schwimmsachen in die Sporttasche und quetschte zuletzt Moppel mit seinem dicken Bauch hinein. Und sie legte Flitzis kleines Reiseglas zurecht, denn er durfte natürlich mit nach Meerheim. Schließlich kuschelte sie sich zufrieden in ihr Bett und schloss die Augen.

Gerade als Elise eingeschlafen war, krähte der kleine Goldfisch plötzlich: »Aufwachen Elise. Lilly möchte mit dir fischofonieren.«

Die Meermenschen benutzten Fischofone, um über weite Entfernungen miteinander zu sprechen. Und Flitzi war so ein Fischofon. Melisanda hatte ihn Elise geschenkt, damit sie auch in Lülliburg gut erreichbar war.

»Hallo Elise«, rief der Goldfisch nun mit Lillys Stimme.

»Was gibt’s denn?«

»Eine gute Nachricht und eine schlechte. Welche willst du zuerst hören?«

»Mach’s nicht so spannend, Lilly. Die gute natürlich.«

Das Meermädchen Lilly Grün war ihre beste Freundin. Sie hatte grüne Augen, eine Brille mit grünem Rand und lange dunkle Haare. In Meerheim gingen sie in die gleiche Klasse, saßen in den Stunden nebeneinander und teilten sich ein Zimmer im Internat.

»Also, zuerst die gute Nachricht«, sagte Lilly. »Morgen ist die Versammlung im großen Buntmeerrat. Mingus Malandus wird endlich angeklagt.«

»Das ist ja toll!«, jubelte Elise. »Dann glaubt uns Melisanda jetzt, dass Malandus die Lügentinte nach Meerheim geschmuggelt hat?«

»Ja. Sie denkt auch, dass er schuldig ist. Er hat ihr die Lügentinte heimlich in den Füller getan, damit sie diese blöde Abschiedsrede hält und er Direktor unserer Schule wird.«

»Ein gemeiner Homoktus als Direktor. Furchtbar«, warf Elise ein. »Wie gut, dass wir das verhindert haben.«

Mingus Malandus war ein Krakenmensch. Wie alle Homokten sah er aus wie ein ganz normaler Mensch, hatte aber sechs Tentakel am Rücken. Die versteckte er meist unter der Kleidung. Und wie alle Homokten konnte er Zaubertinten herstellen und versprühen. Früher hatten die Krakenmenschen einmal versucht, die Herrschaft über das Buntmeer und die Meermenschen zu übernehmen. Aber inzwischen herrschte seit mehr als zweihundert Jahren Frieden. Deshalb wollte zuerst auch niemand den Kindern glauben, dass Malandus etwas Böses im Schilde führte. Aber jetzt hatten sie sogar Melisanda überzeugt, obwohl sie eigentlich mit Malandus befreundet war.

»Ich bin schon gespannt, wie die Verhandlung ausgeht. Dürfen wir dabei sein?«, fragte Elise.

»Das geht leider nicht. Die Versammlungen sind immer streng geheim.«

»Schade«, murmelte Elise. »Und was ist die schlechte Nachricht, Lilly?«

Ihre Freundin seufzte. »Ach, Hippoli ist weg.« Er war das süße Seepferdchen, das die Mädchen gesund gepflegt hatten. »Sein Bruder Max meint, er ist mit den Zirkusleuten weitergezogen, die diese Woche in Meerheim waren. Hippoli hat sich gestern die letzte Vorstellung angesehen und ist seitdem verschwunden.«

»Schade«, sagte Elise, denn sie mochte das junge Seepferdchen sehr. Seltsam, dass es nun einfach so verschwand.

»Ich find’s auch traurig«, meinte Lilly. »Aber Hippoli wollte schon immer zum Zirkus. Und er kann richtig gut jonglieren. Jetzt ist er bestimmt glücklich.«

»Hoffentlich«, meinte Elise besorgt.

»Komm, lass uns schlafen. Ich hol‘ dich morgen früh wie immer am Tunnelausgang ab. Halb acht Uhr Meermenschenzeit.«

»In Ordnung. Schlaf schön, Lilly.«

»Gute Nacht, Elise.«

Am nächsten Morgen saß Elise als Erste am Frühstückstisch. Ihre Mama sang leise unter der Dusche, und der Papa schnarchte noch. Vorsichtig stellte sie Flitzis Glas auf den Küchentisch, denn er frühstückte nicht gerne alleine. Elise ließ einige Flocken »Fischiglück« auf ihn herabrieseln und schmierte sich ein Brötchen mit Erdbeermarmelade. Flitzi schmatzte selig.

»Das Bild da am Kühlschrank«, fragte er. »War das kurz bevor du ins Wasser gefallen bist?«

Das Foto zeigte Elise, als sie drei Jahre alt war, zusammen mit ihrer Mama und ihrem Papa auf einer großen Fähre. Der Himmel über ihnen war dunkel und bewölkt.

»Ja«, sagte Elise, nahm das Foto von der Kühlschranktür und betrachtete es. Sie bekam schon eine Gänsehaut, wenn sie nur daran dachte, was damals passiert war. Das kalte Meer. Deshalb hatte sie immer noch so große Angst vorm tiefen Wasser.

»Sssss.« Eine Fliege landete auf ihrem Brötchen und naschte von der Marmelade.

»Hau ab, du blöde Fliege!«, krähte Flitzi empört.

»Scht, ruhig Flitzi«, konnte Elise gerade noch flüstern, als ihr Vater gähnend in die Küche schlurfte.

»Mit wem redest du denn da?«, wollte er wissen.

»Och, nur mit der Fliege auf meinem Brötchen. Ist ja sonst niemand hier.«

Der Vater lachte, verscheuchte die Fliege, schnappte sich das Brötchen und biss hinein.

»Hey, das ist mein Brötchen!«

»Haha! Das ist meine Rache dafür, dass du und Mama mir immer das Essen vom Teller mopst«, grinste der Papa. Dann zeigte er auf das Foto, das Elise immer noch in den Händen hielt. »Ich bin so froh, dass ich dich damals retten konnte. Und bestimmt hast du bald keine Angst mehr vorm tiefen Wasser. Bei dem tollen Schwimmunterricht.«

»Hm na ja«, murmelte Elise und schmierte sich ein zweites Brötchen.

Der Unterricht im Lülliburger Schwimmbad war mal wieder schrecklich. Die Kinder der 4a der Albert-Beinstein-Schule standen in einer Reihe vor der Leiter des Sprungturms. Nur Alina saß auf einer Bank am Rand, weil sie einen Schnupfen hatte. Hatte die ein Glück! Zum ersten Mal sollten sie heute vom Dreimeterbrett springen. Vom Einer war Elise ja schon mal gesprungen, aber vorm Dreier hatte sie noch mächtig Angst. Zitternd stand sie in der Schlange. Es war kalt und roch nach Chlor. An ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut.

»Hey, Elise Wassernix. Nixwasser, du Angsthase«, rief Tim. »Lass mich mal vor. Du traust dich sowieso nicht. Nixwasser! Nixwasser!« Er packte Elise am Arm und schubste sie zur Seite. Tim hörte einfach nicht auf, sie wegen ihrer Angst zu ärgern.

»Aua!«, rief Elise und rieb sich den schmerzenden Arm.

Tim drängelte so lange, bis er schließlich als Erster oben auf dem Dreimeterbrett stand.

»Nicht drängeln, Tim!«, rief Frau Schneidewind. »Aber wenn du schon mal da oben stehst, dann zeig uns jetzt, wie mutig du bist.« Die Sportlehrerin pfiff auf ihrer Trillerpfeife und winkte. Tim ging in die Knie und hüpfte vom Brett. Dabei grinste er triumphierend. Dann tauchte er mit seinem Hintern zuerst ins Wasser. Es platschte so sehr, dass Frau Schneidewind ganz nass wurde.

»Tim!«, rief sie vorwurfsvoll.

Grinsend schwamm er zum Beckenrand. Die Kinder in der Schlange tuschelten. Er war der Mutigste in der Klasse. Die meisten hatten Angst vorm Dreier. Doch nach und nach sprangen alle hinunter.

Als Elise an der Reihe war, zögerte sie. Vorsichtig ging sie auf dem Dreimeterbrett nach vorne. Es wippte leicht unter ihren Füßen. Sie holte tief Luft und – sah nach unten. War das tief! Erwartungsvoll schauten die anderen zu ihr hinauf. Frau Schneidewind winkte mit den Armen und pfiff auf ihrer Trillerpfeife. Elises Knie zitterten, und die Gänsehaut wurde immer schlimmer. Schließlich murmelte sie leise: »Momentus Momentum« und schnippte zwei Mal mit den Fingern.

Alles stand still. Die Kinder, Frau Schneidewind und der Bademeister rührten sich nicht mehr. Alina, die gerade geniest hatte, saß nun mit einem Taschentuch vor der Nase wie versteinert da.

Elise hatte die Zeit in Lülliburg angehalten. Schnell kletterte sie die Leiter des Sprungturms wieder hinunter. Dann lief sie in die Umkleidekabine, holte aus ihrem Schrank eine blaue Schlauchtasche und einen Gürtel und band beides um ihre Hüften. In der Mitte hatte die Tasche eine dicke Beule. Das war Moppel. Dann befestigte Elise das kleine Reiseglas mit Flitzi an ihrem Gürtel.

»Hey, wieso hat das so lange gedauert?«, fragte er.

»Ich dachte, ich trau‘ mich vielleicht doch, vom Dreier zu springen.«

»Klar … irgendwann bestimmt. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit.«

Elise holte aus ihrer Tasche eine zusammengefaltete blaue Schwanzflosse und lief zum Nichtschwimmerbecken. Mit einem Satz war sie im Wasser. »Nutamo«, sagte sie. Und im nächsten Moment war die Schwanzflosse fest um ihre Beine geschlungen. Elise tauchte den Kopf unter Wasser, atmete ruhig und schwamm auf das dunkle Loch im Beckenrand zu. Nur sie konnte es sehen. Für alle anderen war es unsichtbar.

Der Tunneleingang mündete in eine lange Rutsche, die ins Buntmeer führte. Als es im Dunkeln steil bergab ging, wurde Elise mulmig zumute. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, so schnell in die Tiefe zu rutschen. Flitzi quiekte vor Vergnügen, denn er liebte das Rutschen über alles. Gleich musste der Ausgang kommen. Doch was war das? Vor sich sah Elise plötzlich riesige Zähne, die den Ausgang des Tunnels umrahmten. »Hilfe!« Sie versuchte noch, sich an der Wand festzuhalten, doch dann wurde es dunkel.

Wieder in Meerheim

Elise war im Maul eines riesigen Hais gelandet. Die meisten Tiere im Buntmeer waren sehr groß. Deshalb war im Maul viel Platz.

»Theo! Dieser blöde Hai. Er kann es einfach nicht lassen«, meckerte Flitzi und stemmte empört die Flossen in die Hüften. »Dem werde ich was erzählen.«

Richtig! An Theo hatte Elise ja gar nicht gedacht. Bestimmt war sie in seinem Maul. Der Hai bewachte den Eingang von Meerheim. Er verschluckte gerne mal aus Spaß Schüler oder Fischofone und spuckte sie dann wieder aus.

»Los, Theo. Mach schon das Maul auf«, sagte Elise und lachte. Nichts passierte.

»Sedato!«, rief nun eine dumpfe Stimme von draußen. Das war Lilly. Warum benutzte sie denn den Beruhigungszauber? Theo würde sie sowieso gleich wieder freilassen.

»Sedato«, ertönte wieder Lillys Stimme. Was war heute nur mit Theo los?

Der Hai schien jetzt mit dem Kopf zu wackeln, denn Elise wurde in seinem Maul hin und her geworfen. Schnell hielt sie sich an einem Eckzahn fest. Dann kam ihr eine Idee. Sie kitzelte den Hai unter der Zunge, und aus seiner Kehle kam ein leises Kichern. Plötzlich riss er sein Maul auf und grölte vor Lachen. Schnell schwamm Elise hinaus.

»Da bist du ja endlich!«, rief Lilly und rückte vor Aufregung ihre grüne Brille zurecht. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«

»Lilly, wieso denkt ihr eigentlich immer alle, mir könnte im Buntmeer etwas passieren?«

»Na ja, du warst gerade im Maul eines Tigerhais. Und die sind richtig gefährlich. Nicht so harmlos wie unser Theo«, antwortete Lilly.

Erstaunt drehte Elise sich um. Tatsächlich! Vor ihr schwebte ein riesiger Tigerhai. Er war von Lillys Beruhigungszauber noch ganz benommen und rührte sich nicht.

»Wir hatten schreckliche Angst um euch«, piepste Fanni, Lillys kleiner roter Goldfisch. Sie schwamm in einem Glas, das an Lillys Gürtel baumelte. Jetzt sah sie zu Flitzi und hauchte ihm ein zartes »Hallo« zu.

»Hallo, süße Fanni«, erwiderte er und winkte lässig mit seiner winzigen Flosse. Fanni sah verlegen zur Seite. Die Mädchen kicherten. Ihre beiden Goldfische benahmen sich schon seit einigen Wochen so seltsam.

Elise dachte an die Neuigkeiten, die ihr Lilly am Abend erzählt hatte. »Du Lilly«, sagte sie, als sie auf Meerheim zuschwammen. »Meinst du wirklich, dass Hippoli im Zirkus glücklich ist?«

»Ja, bestimmt. Mach dir keine Gedanken.«

»Und können wir uns nicht doch heimlich in den Buntmeerrat schleichen? Ich will unbedingt bei der Verhandlung dabei sein.«

Lilly lachte. »Das geht wirklich nicht. Sie ist im Korallenpalast, und der ist weit weg. Weil wir Kinder sind, würden sie uns zwischen all den Erwachsenen sowieso sofort bemerken und wieder rausschmeißen.«

»Schade.«

Nach kurzer Zeit erreichten sie Meerheim. Die kleine Unterwasserstadt lag tief unten am Meeresgrund. Sie war von einer durchsichtigen Wächterluftblase umgeben, die sie vor Gefahren schützte. Im Innern konnte man die Schwanzflossen ablegen und ganz normal herumlaufen. Die Mädchen pressten nacheinander ihre Daumen auf das Schloss der Eingangstür und wurden in das Innere der Luftblase gesogen. »Nutamo.« Schon fielen ihre Schwanzflossen ab. Schnell liefen sie zu den Umkleidekabinen nahe am Eingang und wechselten die Kleidung.

»Beeil dich! Wir kommen zu spät«, rief Lilly, als sie über den langen weißen Muschelweg hinauf zur Schule rannten. Das Gebäude sah aus wie ein riesiger dunkelbrauner Wal aus Holz. Auf seinem Kopf saß ein gläsernes Ufo. Das war die Schulkantine. Hinter der Schule lag die Stadt Meerheim mit ihren kleinen bunten Häuschen und grünen Gärten.

Schnell liefen sie über die Treppen und Gänge der Schule, in der fast alles aus dunkelbraunem Holz war. Als die Mädchen in die Klasse stürmten, hätten sie beinahe ihren Lehrer für Meerologie umgerannt.

»Nicht so stürmisch, ihr beiden. Spart eure Kräfte lieber für später auf«, sagte Darius Animo und schmunzelte.

»Was meint er damit?«, flüsterte Elise, während sie sich hinsetzten.

»Keine Ahnung.« Lilly zuckte mit den Schultern.

Schubert, der in der Reihe vor ihnen saß, drehte sich um und grinste. Er war manchmal ein ziemlicher Rüpel. Trotzdem mochten die beiden Mädchen ihn. Sein Gesicht war übersät mit Sommersprossen, und die wuscheligen braunen Haare sahen heute besonders wirr aus.

»Na, seid ihr mal wieder zu spät? Das machen brave Mädchen aber nicht«, neckte er.

»Ottokar Schubert! Ruhe bitte!«, rief Herr Animo streng. Sofort verstummte der Junge und sah wieder nach vorne.

»Heute lernt ihr, welche Ausbildung die kleinen Putzerfische bekommen, bevor sie die großen gefährlichen Raubfische säubern dürfen.«

»Wie langweilig«, maulte die blonde Cosimea. »Ist mir doch egal, was die lernen müssen. Putzen ist sowieso blöd.« Ihre Freundinnen Melissa und Alexa kicherten.

Herr Animo beachtete sie einfach nicht. »Und wenn wir mit diesem Kapitel fertig sind, dann dürft ihr selbst die erste Klasse Putzerfische in euren Aquarien ausbilden!«

»Ja! Jipppieh!«, jubelten die Kinder.

»Ruhe bitte!« Er wollte gerade fortfahren, als es klopfte.

Eine kleine, dicke Frau riss ohne auf eine Antwort zu warten energisch die Tür auf und trat herein. Ihre Haut war weiß wie Schnee, und ihre feuerroten langen Haare waren am Hinterkopf zu einem schweren Dutt gebunden. Sie war grell geschminkt und trug einen orangen Pullover mit einem giftgrünen Rock.

»Wer ist das denn?«, flüsterte Elise. »Die sieht ja seltsam aus.«

»Das ist Pelomena Peck«, antwortete Lilly. »Sie unterrichtet Überlebenskunde. Aber das Fach kriegen wir erst in der Sechsten. Die älteren Schüler erzählen, dass sie ein wenig verrückt ist. Und ihr Unterricht soll manchmal richtig gefährlich sein.«

Frau Peck räusperte sich und sagte: »Entschuldige bitte die Störung, Darius. Aber du weißt ja Bescheid.« Herr Animo nickte. Dann wandte sie sich an die Klasse: »Lilly Grün, Ottokar Schubert und Elise Wassernix, bitte melden. Es geht um den ersten Preis, den ihr auf dem Korallenfest gewonnen habt. Den Ausflug zu den Ölplattformen.«

Erstaunt hoben die drei ihre Arme. Durften sie den Ausflug vielleicht doch nicht machen? Er sollte eine Woche dauern und war für nächsten Monat geplant. Sie freuten sich schon sehr darauf.

»Sofort mitkommen!«, befahl ihnen Pelomena Peck und eilte aus der Tür.

Elise, Lilly und Schubert rannten hinter der Lehrerin her. Frau Peck fiel es gar nicht ein, auf sie zu warten. Energisch lief sie über die vielen Flure und Treppen zum Ausgang der Schule und dann den Muschelweg entlang.

»Dass die so schnell rennen kann, wo sie doch so dick ist«, sagte Schubert, der schon ganz aus der Puste war.

Im Laufen drehte Frau Peck sich um. Ihre Augen funkelten. »Ich habe gehört, was du gesagt hast, mein Freundchen.«

»’tschuldigung«, murmelte Schubert und wurde rot.

»Schubert, das war wirklich gemein«, flüsterte Lilly.

Elise schwieg. Sie liefen zu den Umkleidekabinen am Eingang. Machten sie etwa einen Ausflug ins offene Meer? Vor der Tür der durchsichtigen Wächterluftblase warteten vier gesattelte Seepferdchen, die unruhig im Wasser auf und ab tänzelten. Eines war Max, Hippolis Bruder. Er sah ein wenig traurig aus, nickte Elise aber freundlich zu.

»So, ihr drei«, sagte Frau Peck. »Wir werden gleich im offenen Meer den Versteckzauber üben. Eigentlich lernen ihn die Schüler erst in der sechsten Klasse. Ihr müsst das leider heute schon.«

»Warum denn?«, fragte Lilly.

»Ganz einfach. Ihr sollt bereits morgen zu den Ölplattformen fahren, weil es dort im Moment noch nicht gefährlich ist. Seit einigen Tagen findet unsere Schutztruppe immer wieder Öl im Wasser. Nicht viel, aber wer weiß, wie es in einem Monat sein wird. Und Öl ist besonders für Meermenschen sehr schädlich.«

»Warum?«, wunderte sich Elise.

»Uns wird davon schwindelig«, erklärte Lilly. »Wir können bewusstlos werden, hilflos im Wasser umhertreiben und sogar sterben.«

»Richtig«, sagte Frau Peck mit ernster Miene. »Deshalb startet euer Ausflug schon morgen.«

»Und warum müssen wir dafür den Versteckzauber lernen?«, wollte Schubert wissen.

Frau Peck, die offenbar immer noch sauer auf ihn war, würdigte ihn keines Blickes. »Niemand darf sich den Ölplattformen nähern, ohne diesen Zauber zu beherrschen. Dort sind oft Taucher der Erdmenschen unterwegs. Vor ihnen müsst ihr euch jederzeit schnell verstecken können. So, meine Lieben, los geht‘s.«